Landgericht Aurich
Urt. v. 19.03.2002, Az.: 5 O 1442/01
Bibliographie
- Gericht
- LG Aurich
- Datum
- 19.03.2002
- Aktenzeichen
- 5 O 1442/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2002, 43732
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Tenor:
1. Es wird festgestellt, daß der zwischen den Parteien abgeschlossene Jagdpachtvertrag über den gemeinschaftlichen Jagdbezirk C. Nr. II vom 21.03.2001 nichtig ist.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 6.000,00 EURO vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Die Klägerin beantragt Feststellung der Nichtigkeit des am 21.03.2001 zwischen den Parteien geschlossenen Pachtvertrages über den Jagdbezirk C. Nr. II.
Die Streitigkeiten der Parteien sind durch folgende Entwicklung gekennzeichnet: Bei der Vorstandswahl der Jagdgenossenschaft vom 28.03.1996 wurde der Vorstand, bestehend aus den Herren O., B. und S. gewählt. Für den 02.03.2000 wurde eine Jagdgenossenschaftsversammlung angesetzt, die unter dem Tagesordnungspunkt 7 Vorstandswahlen vorsah. Der Beklagte nahm an der Versammlung als Jagdgenosse teil. Die Versammlung wurde - ohne Vorstandswahl - um 20:40 Uhr „auf einen späteren Zeitpunkt vertagt“. Die anwesenden Vertreter des Landkreises Leer konnten den Saal um 20:50 Uhr unter Polizeischutz verlassen.
Am 21.03.2001 schloß der am 28.03.1996 gewählte Vorstand mit dem Beklagten einen Jagdpachtvertrag über den Jagdbezirk C. Nr. II ab. Der Landkreis L. erhob unter dem 30.03.2001 keine Bedenken.
Am 17.10.2001 wurde unter Leitung des für C. zuständigen Gemeindedirektors Rhauderfehn der gegenwärtig amtierende Vorstand gewählt, dem bei der Übernahme der Jagdunterlagen der am 21.03.2001 mit dem Beklagten geschlossene Jagdpachtvertrag C. Nr. II bekannt wurde.
Die Klägerin billigte diesen Vertrag nicht, sondern verlangte mit Schreiben ihres Prozeßbevollmächtigten vom 30.10.2001, daß der Beklagte keine Rechte aus diesem Vertrag herleitet; letzteres lehnte der Beklagte ab.
Die Klägerin ist der Ansicht, der mit dem Beklagten am 21.03.2001 geschlossene Vertrag sei nichtig.
Sie beantragt,
wie erkannt.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt vor, der am 21.03.2001 geschlossene Jagdpachtvertrag sei wirksam, da der 1996 gewählte Vorstand jedenfalls zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zur Vertretung der Jagdgenossenschaft berechtigt gewesen sei - wie auch der Landkreis L. mit Schreiben vom 12.02.2002 bestätigt habe.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Der am 28.03.1996 gewählte Vorstand der Klägerin, der diese gerichtlich und außergerichtlich vertritt (§ 5 Abs. 2 der Satzung der Klägerin), handelte bei Abschluß des Pachtvertrages mit dem Beklagten am 21.03.2001 ohne jegliche Vertretungsmacht, so daß Nichtigkeit des Vertrages vorliegt.
Die Amtszeit des am 28.03.1996 gewählten Vorstandes betrug 4 Jahre (§ 4 Abs. 1 S. 2 der Satzung). Sie endete somit am 28.03.2000. Zwar bestimmt § 5 Abs. 3 der Satzung, daß der alte Vorstand auch nach Ablauf der Amtszeit im Amt bleibt, jedoch nur bis zu der für die Wahl eines neuen Vorstandes angesetzten Versammlung. Die für die Wahl eines neuen Vorstandes angesetzte Versammlung vom 02.03.2000 führte zu keinem Wahlergebnis. Eine wirksame Vorstandswahl fand in dieser Wahlversammlung nicht statt. Die Wahlversammlung wurde „auf einen späteren Zeitpunkt vertagt“; der 1996 gewählte Vorstand berief weder innerhalb der bis Ende März 2000 noch laufenden Amtszeit noch überhaupt eine Fortsetzung der vertagten Versammlung ein. Da in der für die Wahl des neuen Vorstandes angesetzten Versammlung ein Beschluß über die Wahl eines Vorstandes nicht zustande kam - und zwar ist weder in der Versammlung ein Beschluß über die Wahl eines neuen Vorstandes gefaßt worden, noch ist die ohne Begrenzungsdatum vertagte Versammlung überhaupt jemals neu terminiert worden -, hat eine wirksame Vorstandswahl (vgl. BGH RdL 1965, S. 104) nicht stattgefunden. Die satzungsrechtliche Folge ist gem. § 6 Abs. 3, daß die Geschäfte des Jagdvorstandes vom Gemeindedirektor wahrzunehmen sind; denn da sich aus der Satzung die Zeitdauer der Tätigkeit des Vorstandes (4 Jahre) ergibt, erlischt die Bestellung des 1996 gewählten Vorstandes mit Zeitablauf (Palandt/Heinrichs, BGB, § 27, Rz. 3), d. h. jedenfalls mit Ablauf des 28.03.2000.
Der 1996 gewählte Vorstand handelte damit nicht unter Überschreitung seiner Vertretungsmacht, sondern ohne jegliche Vertretungsmacht, als er am 21.03.2001 den Pachtvertrag mit dem Beklagten abschloss. Eine ausdrückliche Genehmigung des Pachtvertrages ist weder durch den Gemeindedirektor noch durch den neuen Vorstand erfolgt.
Aus der Genehmigung des Landkreises L. vom 30.03.2001 folgt nichts für die rechtliche Vertretung der Klägerin. Sie bezieht sich lediglich gem. § 12 Bundesjagdgesetz auf hier nicht interessierende Beanstandungen bezüglich der Länge der Pachtzeit und der Hegeverpflichtung. Die rechtliche Einschätzung durch den Landkreis L. im Schreiben vom 12.02.2002 ist vollends ohne Bedeutung für den vorliegenden Rechtsstreit.
Auch aus den Grundsätzen der Duldungsvollmacht und der Anscheinsvollmacht, die auch bei privatrechtlichem Handeln öffentlich-rechtlicher Körperschaften Anwendung finden (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, § 173, Rz. 10), ergibt sich kein Anhaltspunkt für ein wirksames Handeln des alten Vorstandes bei Abschluß des Pachtvertrages. Dem Beklagten, der bei der Versammlung vom 02.03.2000 anwesend war, waren die Ereignisse anlässlich des Versammlungsablaufs bekannt. Da er selbst Jagdgenosse ist, muß er sich den Inhalt der Satzung zudem als bekannt zurechnen lassen. Unter diesen Voraussetzungen konnte er nicht davon ausgehen, daß der 1996 gewählte Vorstand während des Interregnums in der Zeit zwischen April 2000 und dem 17.10.2001 rechtlich wirksame und verpflichtende Handlungen vornehmen konnte.
Der Klage ist daher stattzugeben.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.
Streitwert: 7.254,62 EUR