Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 12.07.2004, Az.: 222 Ss 131/04
Unzureichende Ladungssicherung; Vorhandensein von Antirutschmatten unter der am Tattag transportierten Ladung; Beschwerde wegen der Versagung rechtlichen Gehörs; Prüfung einer Verletzung rechtlichen Gehörs im Zulässigkeitsverfahren
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 12.07.2004
- Aktenzeichen
- 222 Ss 131/04
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2004, 35003
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2004:0712.222SS131.04.0A
Rechtsgrundlagen
- § 22 Abs. 1 StVO
- § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG
Fundstellen
- DAR 2004, 595-596 (Volltext mit amtl. LS)
- JWO-VerkehrsR 2004, 267
Verfahrensgegenstand
Verkehrsordnungswidrigkeit
In der Bußgeldsache ...
hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Celle
auf die mit einem Zulassungsantrag verbundene Rechtsbeschwerde des Betroffenen
gegen das Urteil des Amtsgerichts ....... vom 2. März 2004
nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft
durch
Richter am Oberlandesgericht .......
am 12. Juli 2004
beschlossen:
Tenor:
- 1.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
- 2.
Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts ....... zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässigen Verstoßes gegen § 22 Abs. 1 StVO - unzureichende Ladungssicherung - zu einer Geldbuße von 90 EUR verurteilt. Gegen diese Entscheidung wendet sich der Betroffene mit der mit einem Zulassungsantrag verbundenen Rechtsbeschwerde, mit der er die Versagung rechtlichen Gehörs rügt.
II.
Zulassungsantrag und Rechtsbeschwerde haben Erfolg.
1.
Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, weil es geboten ist, das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben (§ 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG).
a)
Der Betroffene rügt die Verletzung rechtlichen Gehörs dadurch, dass das Amtsgericht seinen in der Sitzung vom 2. März 2004 für den Fall, dass das Amtsgericht nicht vom Vorhandensein von Antirutschmatten unter der am Tattag transportierten Ladung ausgehen sollte, gestellten Hilfsbeweisantrag auf Vernehmung des Disponenten der Firma ....... weder in der Hauptverhandlung noch im Urteil beschieden hat. Der benannte Zeuge hätte bestätigt, dass auf dem Lkw des Betroffenen zur Ladungssicherung passgenaue Antirutschmatten verwendet worden seien. Obwohl das Amtsgericht den Hilfsbeweisantrag nicht beschieden habe, sei es vom Fehlen der Antirutschmatten ausgegangen und habe den Betroffenen wegen unzureichender Ladungssicherung verurteilt.
b)
Die in zulässiger Weise erhobene Rüge, die insbesondere den gestellten Hilfsbeweisantrag wörtlich mitteilt und auch das erwartete Beweisergebnis noch in ausreichender Weise erkennen lässt, dringt durch.
Ob das rechtliche Gehör verletzt ist, ist bereits im Zulassungsverfahren zu prüfen (BVerfG NJW 1992, 2811, 2812 [BVerfG 24.02.1992 - 2 BvR 700/91]; OLG Köln NStZ-RR 1998, 345 f. [OLG Köln 17.07.1998 - Ss 351/98 Z]). Liegt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs vor, so ist die Rechtsbeschwerde gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG zuzulassen. Das ist hier der Fall.
Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs verpflichtet die Gerichte, die Ausführungen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Diese Verpflichtung umfasst das Gebot, die wesentlichen Tatsachenbehauptungen und Anträge in den Entscheidungsgründen zu erörtern (vgl. BVerfG a.a.O.; BVerfGE 69, 145, 148 [BVerfG 30.01.1985 - 1 BvR 876/84]; OLG Köln, a.a.O.; Senatsbeschluss vom 9. Oktober 1992, 2 Ss 369/92 (Owi) = Nds.Rpfl. 1992, 289 f.). Diesen Maßstäben ist das Amtsgericht nicht gerecht geworden.
Nach dem Vortrag des Betroffenen, dessen Richtigkeit durch Sitzungsniederschrift und Urteilsinhalt bestätigt wird, hat das Tatgericht den Hilfsbeweisantrag auf Vernehmung des Zeugen ....... weder in der Hauptverhandlung noch in dem Urteil beschieden. Das ist fehlerhaft und stellt einen Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs dar, weil das Amtsgericht den Tatvorwurf jedenfalls auch im Fehlen einer Antirutschmatte begründet gesehen hat. Gerade dieser Umstand sollte indes mit der Aussage des Zeugen ....... widerlegt werden. Deshalb zeigt die Nichtbescheidung des Beweisantrags, dass das Amtsgericht das Verteidigungsvorbringen nicht in Erwägung gezogen hat. Auf diesem Fehler beruht das Urteil auch.
c)
Demgegenüber verfängt der Hinweis der Generalstaatsanwaltschaft in der Stellungnahme vom 29. Juni 2004 auf § 80 Abs. 2 Nr. 1 OWiG nicht. Denn liegt - wie dargelegt - in der fehlerhaften Behandlung eines Beweisantrags zugleich eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, ist die Rechtsbeschwerde unabhängig von der Höhe der festgesetzten Geldbuße zuzulassen, wie sich bereits aus dem insoweit unmissverständlichen Wortlaut des § 80 Abs. 1 und 2 OWiG ergibt (vgl. auch § 93 a Abs. 2 BVerfGG; Göhler, OWiG, 13. Aufl., Rdnr. 16 zu § 80).
2.
Da - wie ausgeführt - bereits im Zulassungsverfahren zu prüfen ist, ob das rechtliche Gehör verletzt ist, folgt aus den Ausführungen zu II. 1. b) und c) zugleich, dass die Rechtsbeschwerde auch begründet ist und das angefochtene Urteil keinen Bestand haben konnte.
Auch diese Entscheidung über die Rechtsbeschwerde oblag dem Einzelrichter. Denn jedenfalls in denjenigen Fällen, in denen die Rechtsbeschwerde wie hier allein wegen der Versagung rechtlichen Gehörs durch den Einzelrichter zugelassen worden ist, bleibt dieser auch für die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde zuständig (so die mittlerweile ganz herrschende Meinung: siehe etwa Senatsbeschluss vom 12. Februar 2003, 222 Ss 34/03 (Owiz); OLG Köln, a.a.O.; OLG Düsseldorf DAR 2001, 515 [OLG Düsseldorf 27.07.2001 - 2a Ss OWi 132/01]; Göhler, a.a.O., Rdnr. 3 zu § 80 a).