Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 19.12.2023, Az.: L 16 KR 155/22
Vergütung einer Medikamentengabe im Rahmen der stationären Krankenhausbehandlung; Unmöglichkeit einer Vergütung von Faktor X-Gaben war nach Maßgabe der Fallpauschalenvereinbarung (FPV) für das Jahr 2018; Abrechnung des Zusatzentgelts (ZE)2018-97
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 19.12.2023
- Aktenzeichen
- L 16 KR 155/22
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2023, 47614
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2023:1219.16KR155.22.00
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Braunschweig - 25.01.2022 - AZ: S 40 KR 297/19
Rechtsgrundlagen
- § 2 Abs 1 SGB V
- § 108 SGB V
Amtlicher Leitsatz
Eine Vergütung von Faktor X-Gaben war nach Maßgabe der Fallpauschalenvereinbarung (FPV) für das Jahr 2018 nicht möglich. Nach Fußnote 1) der Anlage 7 zur FPV 2018 ist die Abrechnung des Zusatzentgelts (ZE)2018-97 (nur) möglich, sofern einer der ICD- Kodes aus der jeweiligen Definition der Anlage 7 und einer der OPS-Kodes aus der jeweiligen Definition der Anlage 6 vorliegt. Der einschlägige OPS 8-812.a ist in der Anlage 6 jedoch nicht aufgeführt. Ein Rückgriff auf § 2 Abs 1 SGB V, um im Einzelfall für das Krankenhaus entstehende Härten auszugleichen, verbietet sich vor dem Hintergrund des komplexen Vergütungssystems. Eine Erhöhung der Vergütung kann nicht auf § 2 Abs 1a SGB V gestützt werden, da es sich bei der Gabe von Coagadex nicht um eine vom Qualitätsgebot abweichende Leistung handelt.
In dem Rechtsstreit
B.
- Klägerin und Berufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigte:
C.
gegen
D.
- Beklagte und Berufungsklägerin -
hat der 16. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen auf die mündliche Verhandlung 19. Dezember 2023 in Celle durch die Richterin am Landessozialgericht E. als Vorsitzende, den Richter am Landessozialgericht F. und die Richterin am Landessozialgericht G. sowie die ehrenamtliche Richterin H. und den ehrenamtlichen Richter I. für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 25. Januar 2022 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auf 254.362,50 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Vergütung einer Medikamentengabe im Rahmen der stationären Krankenhausbehandlung eines Mitglieds der Beklagten im Hause der Klägerin.
Die Klägerin ist Trägerin eines gemäß § 108 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) zugelassenen Krankenhauses. Dort wurde im Zeitraum 24. Juli 2018 bis 20. August 2018 der bei der Beklagten versicherte, am J. 1955 geborene K. zur Versorgung anhaltender Blutungen stationär behandelt. Bei dem Versicherten war im November 2017 ein isolierter Faktor X-Mangel diagnostiziert worden, eine Gerinnungsstörung, die sich aus seiner Grunderkrankung Amyloidose entwickelt hatte. Er war zunächst im Zeitraum 20. Juni 2018 bis 4. Juli 2018 aufgrund einer Sepsis und durchgeführter Entfernung eines Dialysekatheters im L. -Klinikum M. stationär behandelt worden. Am 12. Juli 2018 erfolgte dort die Wiederaufnahme wegen anhaltender Blutungen aus der Austrittsstelle des ehemaligen Dialysekatheters. Nach operativer Blutstillung und Gabe von Erythrozytenkonzentraten, Gerinnungsfaktoren und Frischplasma kam es zunächst zu einer Stabilisierung des Gesamtzustandes. Zur Abklärung einer fortbestehenden Anämie wurde am 19. Juli 2018 eine Darmspiegelung durchgeführt, bei der drei Polypen entfernt wurden. Am 24. Juli 2018 kam es bei anhaltender gastrointestinaler Blutung zu einem hämorrhagischen Schock. Nach erneuter Gabe von Erythrozytenkonzentraten, Gerinnungsfaktoren und Frischplasma wurde der Versicherte am 24. Juli 2018 zur Therapie und Sicherstellung der Dialyse auf die medizinische Intensivstation im Hause der Klägerin verlegt.
Nach anfänglicher Stabilisierung des Kreislaufes mit fehlenden Blutungsanzeichen und Verlegung auf die Normalstation kam es am 30. Juli 2018 zu einem erneuten Hb-Abfall bei anhaltender oberer und unterer gastrointestinaler Blutung. Mehrere endoskopische Interventionen erbrachten keinen Erfolg, so dass am 1. August 2018 die Indikation zur Gabe von Faktor X (Coagadex) gestellt wurde. Hierbei handelt es sich um ein von der Europäische Arzneimittelagentur (EMA) als Orphan Drug zugelassenes Medikament zur Behandlung eines Faktor X-Mangels. Trotz der Gabe von 95 x 500 E Coagadex verschlechterte sich die klinische Gesamtsituation zunehmend, so dass der Versicherte am 20. August 2018 verstarb.
Mit Schreiben vom 19. August 2018 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Kostenübernahme für die Applikation des Faktor X (Coagadex). Dem Antrag fügte sie eine fachärztliche Stellungnahme des Oberarztes Dr N. bei. Der Versicherte habe einen dauerhaft erworbenen Faktor X-Mangel. Seine ausgeprägte Blutungsneigung habe der spezifischen Behandlung bedurft. Seit kurzer Zeit sei das Substitutionspräparat Coagadex verfügbar, welches ausschließlich Faktor X enthalte. Zuvor sei die Behandlung lediglich mit einem Faktor IX-Präparat möglich gewesen, welches den Nachteil gehabt habe, dass es zusätzlich zum eigentlich fehlenden Faktor X den nicht benötigten Gerinnungsfaktor IX enthalten habe, was das Risiko von Thrombosen und Lungenarterienembolien begründet habe. Die Verabreichung des Faktor X-Konzentrats sei daher die aus medizinischer Sicht risikoärmste und eindeutig indizierte Substitutionstherapie gewesen. Die Kosten betrügen 2.677,50 Euro je 500 IE, insgesamt 254.362,50 Euro.
Mit Schreiben vom 28. September 2018 lehnte die Beklagte eine Kostenübernahme ab. Die geltenden Abrechnungsbestimmungen sähen keine separate Vergütung von Faktor X-Präparaten vor.
Die Klägerin stellte der Beklagten am 25. Januar 2019 per elektronischem Datenaustausch für die Behandlung auf Grundlage der Diagnosis Related Group (DRG) G40Z (Komplizierende Konstellation mit bestimmtem endoskopischen Eingriff bei Krankheiten und Störungen der Verdauungsorgane) 20.454,39 Euro in Rechnung, die diese beglich.
Mit Schreiben vom 22. März 2019 beantragte die Klägerin unter Vorlage einer erneuten Stellungnahme von Dr N. sowie einer weiteren, fachnephrologischen Stellungnahme von Dr O. bei der Beklagten erneut die zusätzliche Vergütung der Coagadex-Gaben, was die Beklagte mit Schreiben vom 4. April 2019 wiederum ablehnte. Es stehe jedem Krankenhaus frei, im Rahmen der Budgetvereinbarungen weitere, nicht in der Empfehlungsvereinbarung genannte Präparate einzufordern bzw zu vereinbaren. Hiervon habe die Klägerin in seiner Budgetvereinbarung für das Jahr 2018 keinen Gebrauch gemacht.
Am 5. Juni 2019 hat die Klägerin Klage bei dem Sozialgericht (SG) Braunschweig erhoben und die Zahlung des streitigen Betrags gefordert. Sie hat vorgetragen, Coagadex sei aufgrund der absoluten Seltenheit der Erkrankung von der Empfehlungsvereinbarung über Entgelte für die Behandlung von Blutern für Niedersachsen vom 22. Februar 2018 nicht umfasst gewesen und daher auch nicht krankenhausindividuell als Entgelt nach § 6 Abs 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) vereinbart worden. Das Medikament sei jedoch bereits am 14. September 2007 als sog Orphan Drug ausgewiesen worden. Sein erheblicher Nutzen sei in einer Hauptstudie mit 16 Patienten mit hereditärem Faktor X Mangel im Alter von 12 bis 58 Jahren untersucht worden. Nach § 39 Abs 1 Satz 2 SGB V hätten Versicherte Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus. Dabei erstrecke sich die Leistungspflicht der Krankenkasse auch auf eine ausreichende Versorgung mit Arzneimitteln. Auch wenn die Empfehlungsvereinbarung eine Regelung zur Vergütung eines Faktor X-Präparates nicht vorsehe, ergebe sich aus ihr doch der Grundkonsens der Vertragsparteien, dass die bei der Behandlung von Blutgerinnungsstörungen eingesetzten Blutgerinnungsfaktoren grundsätzlich eine extrabudgetäre Vergütung erforderten. Damit ergebe sich ein Vergütungsanspruch unmittelbar aus § 2 Abs 1 SGB V, da die Applikation von Coagadex eine dem medizinischen Standard entsprechende, allgemein anerkannte und wirtschaftliche Leistung darstelle. Jedenfalls bestehe ein Anspruch aus § 2 Abs 1a Satz 1 SGB V, da bei dem Versicherten eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Krankheit vorgelegen habe, für die eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung gestanden habe und durch die Behandlung eine nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bestanden habe. Soweit die Beklagte behaupte, das Präparat Coagadex hätte in die Budgetverhandlungen zur extrabudgetären Vergütung von Blutgerinnungsfaktoren aufgenommen werden können, sei dies unzutreffend, da diese für das Jahr 2018 bereits im April 2018 stattgefunden hätten. Eine Verhandlungsbereitschaft der Krankenkassen auf Landesebene habe in Bezug auf die Faktor X-Präparate allerdings auch im darauffolgenden Jahr nicht bestanden. Die Vertreter der Krankenhäuser hätten versucht, hierfür das Zusatzentgelt 2019-139-10 bzw 2019-97-13 zu vereinbaren, was jedoch ohne Erfolg geblieben sei.
Die Klägerin hat eine Arzneimittelverbrauchsdokumentation für die Gesamtmenge von 47.500 E plasmatischem Faktor X vorgelegt, den Krankenhausentlassungsbericht sowie EMA-Informationen zu dem Medikament Coagadex.
Mit Urteil vom 25. Januar 2022 hat das SG die Beklagte zur Zahlung der beantragten 254.362,- Euro nebst Zinsen verurteilt. Die Verpflichtung zur Vergütung der Krankenhausbehandlung erstrecke sich im vorliegenden Fall auch auf die Vergütung für die Applikation von Coagadex. Entgelte für die Behandlung von Blutern mit Blutgerinnungsfaktoren - wie hier Coagadex - ergäben sich mangels krankenhausindividueller Vereinbarung zunächst aus der Empfehlungsvereinbarung der Landesverbände der Krankenkassen und der niedersächsischen Krankenhausgesellschaft zu § 9 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 i.V.m. § 6 Abs 1 KHEntgG, krankenhausindividuelle Zusatzentgelte für zugelassene Krankenhäuser Niedersachsen gemäß § 5 Abs 2 der Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2018 (Fallpauschalenvereinbarung 2018 - FPV 2018) i.V.m. Anlage 4,6 und 7. Bei einem dauerhaft erworbenen Faktor X-Mangel sei das ZE 2018-97 maßgeblich. Hierfür wäre nach § 5 Abs 2 Satz 3 FPV 2018 das bisher krankenhausindividuell vereinbarte Zusatzentgelt weiter zu erheben. Da ein solches Zusatzentgelt nicht vereinbart gewesen sei, dürfte bei einem dauerhaft erworbenen Faktor X-Mangel eine Abrechnung grundsätzlich ausscheiden. Die Frage, ob es sich vorliegend tatsächlich um einen dauerhaft erworbenen Faktor X-Mangel oder einen temporären Faktor X Mangel gehandelt habe, könne vorliegend jedoch ebenso dahinstehen wie die zwischen den Parteien streitige Frage, ob die Aufnahme von Coagadex in die damals kurz vor dem Abschluss stehenden Budgetverhandlungen jedenfalls hätte versucht werden müssen. Denn die Vergütungsregelungen könnten in einer besonderen, höchst seltenen Fallkonstellation wie der vorliegenden nicht abschließend gelten. Vielmehr müssten § 2 Abs 1 bzw Abs 1a SGB V in diesen extremen Einzelfällen in entsprechender Anwendung auch im Rahmen der Krankenhausvergütung als Auffangregeln fungieren, um die Gewährleistung einer stabilen, wirtschaftlichen und medizinisch gebotenen stationären Gesundheitsversorgung auch außerhalb der Vergütungsregelungen sicherzustellen. Denn Vergütungsregelungen seien für die routinemäßige Abwicklung in zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen und als solche streng nach ihrem Wortlaut und den dazu vereinbarten Anwendungsregeln zu handhaben. Insoweit könne nach Einschätzung des Gerichts die Abrechnung eines Arzneimittels für so seltene Erkrankungen wie im vorliegenden Fall nicht abschließend von den für die routinemäßige Abwicklung in zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehenen Vergütungsregelungen erfasst werden. Für solche Fälle müsse allen Beteiligten die Sicherheit gegeben sein, dass nicht vordringlich Kostenerwägungen angestellt werden müssten, sondern das medizinisch Gebotene getan werde. Die vertraglich vereinbarten Fallpauschalen mit der Mischkalkulation, die für ein Krankenhaus manchmal günstig und manchmal ungünstig seien, könnten dies jedoch nicht abschließend gewährleisten. Denn es gehe hier gerade nicht um den durchschnittlichen Aufwand eines Krankenhauses, bei dem das Krankenhaus in Fällen von nicht realitätsgerechter Abbildung das Kostenrisiko tragen und auf eine Änderung der Fallpauschale für die Zukunft hinwirken müsse. Die Applikation von Coagadex sei ausweislich der Akten eine dem medizinischen Standard entsprechende, allgemein anerkannte und wirtschaftliche Leistung im Sinne des § 2 Abs 1 Satz 3 SGB V gewesen. Coagadex sei unstreitig ein durch die EMA zugelassenes Arzneimittel für die bei dem Patienten vorliegende Erkrankung. Ausweislich der im Rahmen des Klageverfahrens vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen von Herrn Dr O. und Herrn Dr N. sei die Applikation von Coagadex die einzig verbleibende Option gewesen, um das Leben des Patienten zu retten. Insoweit habe die Beklagte nichts vorgetragen, was diese Notwendigkeit in Zweifel ziehen könnte.
Gegen das ihr am 2. März 2022 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 25. März 2022 Berufung bei dem Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen eingelegt. Da der Faktor X in der Empfehlungsvereinbarung über Entgelte für die Behandlung von Blutern mit Blutgerinnungsfaktoren 2018 zwischen den Landesverbänden der Krankenkasse und der niedersächsischen Krankenhausgesellschaft nicht aufgelistet sei und in der Budgetvereinbarung 2017 oder 2018 zwischen der Klägerin und dem entsprechenden Landesverband ebenfalls nicht gelistet sei, sei die Rechtsgrundlage zur Zahlung des Zusatzentgeltes in § 5 Abs 2 Satz 4 bzw Satz 5 FPV zu verorten. Es müsse unterschieden werden zwischen Gerinnungsproblemen und Blutern sowie zwischen temporär erworbenen und dauerhaft erworbenem Mangel. Bei dem Versicherten habe es sich um einen Bluter mit dauerhaft erworbenem Faktor X-Mangel gehandelt. In diesem Fall sei das Zusatzentgelt ZE2018-97 abzurechnen. Dieses sei extrabudgetär, habe also keine Auswirkungen auf das Budget der Klägerin. Ein entsprechendes Zusatzentgelt sei aber nicht vereinbart worden. Zu Unrecht sei das erstinstanzliche Gericht der Ansicht, dass die Abrechnung eines Arzneimittels für so seltene Erkrankungen wie im vorliegenden Fall nicht abschließend von den für die routinemäßige Abwicklung vorgesehenen Vergütungsregelungen erfasst sei. Vielmehr hätte die erbrachte Leitung vergütet werden können, wenn die Klägerin es nicht verabsäumt hätte, das Faktor X-Präparat in die während des stationären Aufenthaltes laufenden Budgetverhandlungen zwischen dem Landesverband und der Klägerin aufzunehmen bzw dies zumindest versucht hätte. § 2 Abs 1 SGB V könne dagegen entgegen der Auffassung des SG keine Rechtsgrundlage fingieren. Auch § 2 Abs 1a SGB V komme als Rechtsgrundlage schon deshalb nicht in Betracht, weil mit der Applikation des Faktor X-Präparates Coagadex eine allgemein anerkannt, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung objektiv zur Verfügung gestanden habe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 25. Januar 2022 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Es handele sich vorliegend um eine Fallkonstellation ohnegleichen, die sich sowohl durch die absolut seltene Prävalenz der Erkrankung des Patienten als auch durch die geradezu auffällige Verhandlungsunbereitschaft und Unzugänglichkeit der Krankenkassen auf Landesebene auszeichne. Die Entscheidung berücksichtige dabei zu Recht die vergütungsrechtliche Ausgangssituation, die im Hinblick auf das Präparat Coagadex und den Faktor X-Mangel im Jahre 2018 "im Umbruch" gewesen sei, sowie die faktischen Auswirkungen der von Parteiinteressen geprägten Krankenhausvergütungsverhandlungen. Es ginge an der Rechtswirklichkeit vorbei, würde man schlicht auf Mechanismen der Selbstverwaltung verweisen, die tatsächlichen Umstände aber leugnen. Das erstinstanzliche Gericht komme daher richtigerweise zu dem Schluss, dass die Abrechenbarkeit eines in einer akut lebensbedrohlichen und höchst zeitkritischen Situation medizinisch indizierten Arzneimittels bei Erkrankungen mit der vorliegenden Prävalenz und gleichzeitig bestehender immenser Kostenbelastung nicht davon abhängen könne, ob die für die routinemäßige Abwicklung in zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehene Vergütungsregelung formal einschlägig sei. Soweit die Beklagte die unterschiedliche Einordnung der Zusatzentgelte ZE2018-97 und ZE2018-139 in den Vordergrund rücke, sei festzustellen, dass diese Systematik im Jahr 2018 das erste Mal neu vereinbart und die zuvor klare Zuordnung dadurch aufgelöst worden sei und dass außerdem im Jahr 2018 ein temporärer Faktor X-Mangel in der ZE-Systematik gar nicht abgebildet gewesen sei, so dass man zum Zeitpunkt des Behandlungsgeschehens bereits zwangsläufig auf die ZE2018-97 habe Bezug nehmen müssen. Ein Zusatzentgelt hätte somit gar nicht vereinbart werden können, da Anlage 7 hierzu nichts hergegeben habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung geworden.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten ist gemäß §§ 143 ff Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgemäß eingelegt worden und auch im Übrigen zulässig. Sie ist auch begründet. Dem Urteil des SG Braunschweig vermag sich der Senat nicht anzuschließen.
Die Klage ist zulässig. Statthafte Klageart ist die Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG. Bei der Klage eines Krankenhausträgers auf Zahlung der Behandlungskosten eines Versicherten gegen eine Krankenkasse handelt es sich um einen Beteiligtenstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt, kein Vorverfahren durchzuführen und keine Klagefrist zu beachten ist (stRspr, vgl zB BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13, RdNr 9; BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 17, RdNr 12).
Die Klage ist aber nicht begründet. Der Klägerin steht kein Anspruch auf weitere Vergütung für den Behandlungsfall K. zu. Anspruchsgrundlage für die Vergütung ist § 109 Abs 4 Satz 3 SGB V in Verbindung mit § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 1 KHEntgG und § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 1 KHEntgG sowie § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) und der vorliegend für den Behandlungs- und Abrechnungsfall im Jahr 2018 maßgeblichen FPV 2018 sowie dem am 1. November 1992 in Kraft getretenen Vertrag zu den Bereichen des § 112 Abs 2 Nr 1, 2, 4 und 5 SGB V zwischen der Niedersächsischen Krankenhausgesellschaft und den Landesverbänden der Krankenkassen (Niedersächsischer Sicherstellungsvertrag).
Die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und iS von § 39 Abs 1 Satz 2 SGB V erforderlich und wirtschaftlich ist (stRspr, vgl zB BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13, RdNr 11; BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 17, RdNr 15; BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 13; alle mwN). Diese Voraussetzungen sind zwischen den Beteiligten vorliegend unstreitig.
Die Höhe des dem Krankenhaus zustehenden Vergütungsanspruches bemisst sich gemäß § 109 Abs 4 Satz 3 SGB V nach Maßgabe des KHG und des KHEntgG. Nach § 7 Satz 1 KHEntgG werden die allgemeinen Krankenhausleistungen gegenüber den Patienten oder ihren Kostenträgern mit verschiedenen, in den Nrn 1 bis 8 abschließend aufgezählten Entgelten abgerechnet. Hier geht es um die Abrechnung von Fallpauschalen nach dem auf Bundesebene vereinbarten Entgeltkatalog (§ 7 Satz 1 Nr 1 i.V.m. § 9 KHEntgG). Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der Verband der privaten Krankenversicherung gemeinsam vereinbaren nach § 9 Abs 1 Satz 1 KHEntgG mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft als Vertragsparteien auf Bundesebene mit Wirkung für die Vertragsparteien nach § 11 KHEntgG einen Fallpauschalen-Katalog einschließlich der Bewertungsrelationen sowie Regelungen zur Grenzverweildauer und der in Abhängigkeit hiervon zusätzlich zu zahlenden Entgelte oder vorzunehmenden Abschläge (Nr 1), einen Katalog ergänzender Zusatzentgelte (Nr 2) sowie die Abrechnungsbestimmungen für die Fallpauschalen und die sonstigen Entgelte (Nr 3).
Der Fallpauschalenkatalog ist nach Fallgruppen (DRG = Diagnosis Related Groups) geordnet. Für die Zuordnung eines bestimmten Behandlungsfalles zu einer DRG wird in einem ersten Schritt die durchgeführte Behandlung nach ihrem Gegenstand und ihren prägenden Merkmalen mit einem Kode gemäß dem vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit herausgegebenen "Operationen- und Prozedurenschlüssel nach § 301 SGB V" (OPS-301) verschlüsselt (§ 301 Abs. 2 S 2 SGB V). Zur sachgerechten Durchführung der Verschlüsselung ("Kodierung") haben die Vertragspartner auf Bundesebene "Kodierrichtlinien" beschlossen. In einem zweiten Schritt wird der in den Computer eingegebene Kode einer bestimmten DRG zugeordnet, anhand der dann nach Maßgabe des Fallpauschalenkatalogs und der Pflegesatzvereinbarung die von der Krankenkasse zu zahlende Vergütung errechnet wird. Diesem als "Groupierung" bezeichneten Prozess der DRG-Zuordnung liegt ein festgelegter Groupierungsalgorithmus zugrunde; in diesem vorgegebenen, vom Krankenhaus nicht zu beeinflussenden Algorithmus wird entsprechend dem vom Krankenhaus eingegebenen Kode nach dem OPS-301 eine bestimmte DRG angesteuert (vgl BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 11 RdNr 16).
Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die Klägerin vorliegend zu Recht die DRG G40Z abgerechnet und von der Beklagten vergütet erhalten. Eine weitere Vergütung für die Applikation des Faktor X-Medikaments Coagadex sieht das Vergütungssystem nicht vor, was zwischen den Beteiligten auch unstreitig ist. Zwar können nach § 5 Abs 2 FPV für die in Anlage 4 bzw 6 benannten, mit dem bundeseinheitlichen Zusatzentgelte-Katalog nicht vergüteten Leistungen krankenhausindividuelle Zusatzentgelte geschlossen werden, die zusätzlich zu den DRG-Fallpauschalen oder den nach § 6 Abs 1 KHEntgG vereinbarten Entgelten abgerechnet werden können. Anlage 4 der FPV nennt hier im Zusatzentgelte-Katalog unter Anderem das ZE2018-97 - Behandlung von Blutern mit Blutgerinnungsfaktoren, ZE2018-137 - Gabe von rekombinanten aktiviertem Faktor VII, ZE2018-138 - Gabe von Fibrinogenkonzentrat und ZE2018-139 - Gabe von Blutgerinnungsfaktoren. Der Möglichkeit der Vereinbarung von krankenhausindividuellen Zusatzentgelten sind die Niedersächsische Krankenhausgesellschaft eV und die Kassenverbände für das Jahr 2018 mit einer Empfehlungsvereinbarung zu § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 1 i.V.m. § 6 Abs 1 KHEntgG krankenhausindividuelle Zusatzentgelte für zugelassene Krankenhäuser in Niedersachsen gemäß § 5 Abs 2 FPV 2018 Anlage 4, 6 und 7 ZE 2018-97; ZE 2018-137; ZE 2018-138 und ZE 2018-139 (im Folgenden: Empfehlungsvereinbarung) vom 22. Februar 2018 nachgekommen. Gemäß § 1 der Empfehlungsvereinbarung sind die Vertragsparteien hiernach übereinstimmend der Auffassung, dass die bei der Behandlung von angeborenen oder dauerhaft erworbenen Blutgerinnungsstörungen eingesetzten Blutgerinnungsfaktoren als Teil der allgemeinen Krankenhausleistungen im Rahmen von Zusatzentgelten extrabudgetär vergütet werden, wobei hierfür in der FPV 2018 in Anlage 7 das ZE2018-97 vereinbart worden ist. Für die Gabe von Blutgerinnungsfaktoren sind in der FPV 2018 dagegen intrabudgetär in Anlage 7 die ZE 2018-137 / ZE 2018-138 und ZE 2018-139 vereinbart worden. Die Empfehlungsvereinbarung nimmt dabei Bezug auf die Anmerkungen in Anlage 7 der FPV 2018, wonach alle Arten von hereditären (also angeborenen) Faktor-Mängeln und dauerhaft erworbene Blutgerinnungsstörungen dem extrabudgetären ZE 2018-97 "Behandlung von Blutern mit Blutgerinnungsfaktoren" zuzuordnen sind, während temporäre Blutgerinnungsstörungen dem intrabudgetären ZE 2018-137, ZE 2018-138 und ZE 2018-139 zuzuordnen sind.
Bei dem Faktor X-Mangel des Versicherten handelte es sich um eine dauerhaft erworbene Blutgerinnungsstörung, die sich aus der Grunderkrankung Amyloidose entwickelt hat, wie sich beispielsweise aus den Stellungnahmen des klägerischen Krankenhauses vom 10. Februar 2019 und 19. September 2019 und auch aus dem Kostenübernahmeantrag vom 19. September 2018 selbst ergibt. Auch in der Klagebegründung hatte die Klägerin zunächst entsprechend vorgetragen. Soweit sie nunmehr bisweilen und ohne weitere Belege von einer temporären Blutgerinnungsstörung spricht, ist dies nicht zutreffend.
§ 2 der Empfehlungsvereinbarung sieht Vergütungen unterschiedlicher Entgeltgruppen für Faktor VII bis IX-Substitutionen, nicht aber für Faktor X-Substitutionen vor. Eine Vergütung von Faktor X-Gaben wäre nach Maßgabe der FPV in diesem Jahr auch noch gar nicht möglich gewesen. Nach Fußnote 1) der Anlage 7 zur FPV 2018 ist die Abrechnung des ZE2018-97 bzw ZE2018-137, ZE2018-138 oder ZE2018-139 möglich, sofern einer der ICD-Kodes aus der jeweiligen Definition der Anlage 7 und einer der OPS-Kodes aus der jeweiligen Definition der Anlage 6 vorliegt. Anlage 7 enthält als ICD-Kode für die genannten Zusatzentgelte zwar die D68.4 (erworbener Mangel an Gerinnungsfaktoren) zu denen auch der bei dem Versicherten vorliegende Faktor X-Mangel zählt; der einschlägige OPS 8-812.a (Transfusion von Plasma und anderen Plasmabestandteilen und gentechnisch hergestellten Plasmaproteinen: Plasmatischer Faktor X) ist in der Anlage 6 jedoch nicht aufgeführt. Die Voraussetzungen für das Zusatzentgelt ZE2018-97 lagen somit - unabhängig von der Vereinbarung einer Vergütung - nicht vor. Dahinstehen kann daher, zu welchem Zeitpunkt und mit welchem Ergebnis weitere Regelungen in die extrabudgetäre Vergütung hätten aufgenommen werden können. Auch etwaige vorhandene oder gerade nicht vorhandene Versäumnisse auf Krankenhausseite würden aber an dem Ergebnis nichts ändern, dass ein Zusatzentgelt für Faktor X nicht vereinbart worden ist.
Ein weiterer Anspruch der Klägerin ergibt sich auch nicht aus § 2 Abs 1 SGB V bzw § 2 Abs 1a SGB V. Relevant für den Vergütungsanspruch eines Krankenhauses sind Besonderheiten des Versorgungsgeschehens im DRG-Fallpauschalensystem prinzipiell nur in dem Rahmen, der von den Selbstverwaltungspartnern ausdrücklich vorgegeben ist. Maßgeblich für die Krankenhausvergütung ist hiernach nicht der tatsächlich angefallene und nach Selbstkostendeckungsprinzipien zu bewertende Krankenhausaufwand, sondern der Behandlungsanlass und der zu dessen Versorgung nach der Wertung der Vertragspartner typischerweise erforderliche Aufwand. Demgemäß können die Krankenhäuser für die in das DRG-System fallenden Versorgungen ausschließlich die DRG-Fallpauschalen nach dem DRG-Regelwerk und die weiteren Entgelte nach dem Katalog des § 7 Abs 1 Satz 1 KHEntgG abrechnen. Damit sind nach ausdrücklicher Regelung des § 7 Abs 1 Satz 2 KHEntgG "alle für die Versorgung des Patienten erforderlichen allgemeinen Krankenhausleistungen" abgegolten. Das sind nach der Legaldefinition des § 2 Abs 2 KHEntgG alle Leistungen, die "im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinisch zweckmäßige und ausreichende Versorgung des Patienten notwendig sind" (BSG, Urteil vom 25. November 2010 - B 3 KR 4/10 R -, BSGE 107, 140-147, SozR 4-2500 § 109 Nr 21, Rn. 15).
Den Vertragsparteien kommt dabei bei der Ausgestaltung ihrer Normenverträge ein weiter Gestaltungsspielraum zu, den die Gerichte zu respektieren haben. Dies gilt auch für die FPV. Die gerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob die Zuständigkeits- und Verfahrensbestimmungen sowie die gesetzlichen Vorgaben nachvollziehbar und widerspruchsfrei Beachtung gefunden haben, um den Gestaltungsspielraum auszufüllen (BSG, Urteil vom 11. Mai 2023 - B 1 KR 10/22 R). Vorliegend bestehen an der Rechtmäßigkeit der FPV keine Zweifel. So gibt § 17b Abs 1 Satz 1 und 2 Halbsatz 2 KHG den Vertragsparteien gerade vor, ein "pauschalierendes Vergütungssystem" zu schaffen, dessen Differenzierungsgrad "praktikabel" sein soll. Das verweist auf einen weiten Spielraum, soweit es darum geht, aus Gründen der Vereinfachung und Praktikabilität Verallgemeinerungen in Form von Generalisierungen, Pauschalierungen oder Standardisierungen vorzunehmen (BSG, aaO). § 17b Abs 1 Satz 7 KHG bestimmt zwar, dass die Vertragsparteien Zusatzentgelte für Leistungen, Leistungskomplexe oder Arzneimittel, insbesondere für die Behandlung von Blutern mit Blutgerinnungsfaktoren oder für eine Dialyse vereinbaren können, soweit dies zur Ergänzung der Fallpauschalen in eng begrenzten Ausnahmefällen erforderlich ist. Abgesehen von dem den Vertragsparteien damit eingeräumten Ermessen und dem ausdrücklichen Ausnahmecharakter solcher Zusatzentgelte, haben die Parteien diese Möglichkeit mit den Zusatzentgeltlisten in Anlage 2, 4, 5 und 6 der FPV 2018 aber gerade wahrgenommen. Eine Regelung dahingehend, dass für sämtliche mögliche Blutgerinnungsfaktoren ein Zusatzentgelt zu vereinbaren ist, besteht nicht.
Ein Rückgriff auf § 2 Abs 1 SGB V, um im Einzelfall für das Krankenhaus entstehende Härten auszugleichen, verbietet sich vor dem Hintergrund dieses komplexen Systems. Eine Vergütungsregelung, die für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist, kann ihren Zweck nur erfüllen, wenn sie allgemein streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln gehandhabt wird und keinen Spielraum für weitere Bewertungen sowie Abwägungen belässt. Demgemäß sind Vergütungsregelungen stets eng nach ihrem Wortlaut und allenfalls ergänzend nach ihrem systematischen Zusammenhang auszulegen; Bewertungen und Bewertungsrelationen bleiben außer Betracht. Da das DRG-basierte Vergütungssystem vom Gesetzgeber als jährlich weiter zu entwickelndes (§ 17b Abs 2 Satz 1 KHG) und damit "lernendes" System angelegt ist, sind bei zutage tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen in erster Linie die Vertragsparteien berufen, diese mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (BSG, Urteil vom 8. November 2011 - B 1 KR 8/11 R -, BSGE 109, 236-254, SozR 4-5560 § 17b Nr 2, SozR 4-5562 § 9 Nr 2, SozR 4-2500 § 109 Nr 22, Rn 27; BSG, Urteil vom 20. Januar 2021 - B 1 KR 31/20 R). Im Hinblick auf die FPV folgt hieraus, dass der weite Gestaltungsspielraum der Vertragsparteien mit einer Beobachtungs- und Reaktionspflicht korrespondiert und die getroffenen Vergütungsregelungen regelmäßig zu überprüfen und ggf nachzubessern sind, wenn sich herausstellt, dass der mit ihnen verfolgte Zweck ganz oder teilweise nicht erreicht oder gar verfehlt wird (BSG, Urteil vom 11. Mai 2023 - B 1 KR 10/22 R). In Bezug auf die Gabe von Blutgerinnungsfaktoren haben die Vertragsparteien die FPV ab dem Jahr 2019 dahingehend ergänzt, dass das ZE 2019-97 in Anlage 6 nunmehr auch die Transfusion von Plasma und anderen Plasmabestandteilen und gentechnisch hergestellten Plasmaproteinen: Plasmatischer Faktor X (OPS 8-812.a) umfasst. Diese Regelung gilt aber noch nicht für das hier in Rede stehende Behandlungsjahr 2018.
Schließlich folgt auch aus § 2 Abs 1a SGB V kein Anspruch auf zusätzliche Vergütung der Coagadex-Gaben. Danach können Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, auch eine vom Qualitätsgebot (§ 2 Abs 1 Satz 3 SGB V) abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Zu Recht weist die Beklagte jedoch darauf hin, dass es sich bei der Gabe von Coagadex überhaupt nicht um eine vom Qualitätsgebot abweichende Leistung handelt, sondern um ein für die Erkrankung des Versicherten zugelassenes Medikament. Streitig ist auch nicht Art und Umfang der durchgeführten Behandlung. Vielmehr hat die Beklagte den gesamten Aufenthalt mit den abgerechneten ICD und OPS ohne Beanstandung vergütet. Im Streit steht allein eine Erhöhung der Vergütung auf Grundlage der tatsächlichen Ausgaben der Klägerin. § 2 Abs 1a SGB V ist hiervon nicht tangiert.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG in Verbindung mit 154 Abs 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Ein gesetzlicher Grund zur Zulassung der Revision ist nicht gegeben (§ 160 Abs 2 SGG).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 43 Abs 2, 47 Abs 1 und 2, 52 Abs 1 und 3 Gerichtskostengesetz (GKG).