Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 23.11.2022, Az.: 6 A 1948/18

Arzneimittel; Multi Market Packs; Parallelvertrieb; Zentrale Zulassung; Kennzeichnungspflicht des Parallelvertreibers bei zentral zugelassenen Arzneimitteln

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
23.11.2022
Aktenzeichen
6 A 1948/18
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2022, 55881
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGSTADE:2022:1123.6A1948.18.00

Tenor:

Es wird festgestellt, dass der Bescheid des Beklagten vom 31. Juli 2018 in Bezug auf die Untersagung, Arzneimittel mit zentraler europäischer Zulassung in Deutschland im Wege des Parallelvertriebs ohne entsprechende Änderung der Primärverpackung und Packungsbeilage mit Ausweisung der Klägerin als neuer pharmazeutischer Unternehmer in den Verkehr zu verbringen, rechtswidrig war.

Der Bescheid des Beklagten vom 31. Juli 2018 wird hinsichtlich der Kostenentscheidung aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer arzneimittelrechtlichen Untersagungsverfügung.

Die Klägerin ist Arzneimittelgroßhändlerin und verfügt über eine entsprechende Großhandelserlaubnis nach § 52a des Arzneimittelgesetzes (AMG). Sie betreibt einen grenzüberschreitenden Großhandel mit für die EU zentral zugelassenen und von der Zulassungsinhaberin in Österreich auf den Markt gebrachten Arzneimitteln, welche die Klägerin von dort nach Deutschland verbringt, um sie hier zu verkaufen. Sie selbst ist dabei nicht Inhaberin der entsprechenden zentralen Zulassungen.

Die Klägerin handelt mit sog. "Multi Market Packs". Das sind Handelspackungen, die aufgrund ihrer äußeren Aufmachung in mehreren Mitgliedstaaten abgabefähig sind. Sie tragen in einer sogenannten "Blue Box", einem blau umrandeten Feld auf der äußeren Verpackung, nationale Artikelnummern für Erstattungszwecke und warenwirtschaftliche Belange sowie länderspezifische Informationen.

Die von der Klägerin von Österreich nach Deutschland verbrachten Arzneimittel werden vor dem Inverkehrbringen in Deutschland weder umgepackt, noch nimmt die Klägerin sonstige Änderungen an der Kennzeichnung auf der Verpackung oder der Verpackungsbeilage vor. Die Originalaufmachung der Arzneimittel bleibt unverändert; die Klägerin selbst tritt auf den Produktverpackungen nicht in Erscheinung.

Mit Schreiben vom 26. September 2017 wies der Beklagte die Klägerin darauf hin, dass infolge einer zum 29. Juli 2017 eingetretenen Änderung von § 4 Absatz 18 AMG der Parallelvertreiber, der zentral zugelassene Arzneimittel in den Verkehr bringe, pharmazeutischer Unternehmer im Sinne des Arzneimittelgesetzes sei. Danach müsse der Parallelvertreiber auf der Umverpackung erkennbar sein. Dies sei insbesondere relevant, wenn der Parallelvertrieb aus dem deutschsprachigen EU-Ausland erfolge und eine Umkennzeichnung aus sprachlichen Gründen nicht unbedingt erforderlich sei. Der Beklagte forderte die Klägerin dazu auf, die Pflicht zur Kennzeichnung des Parallelvertreibers auf der Umverpackung zu beachten und umzusetzen.

Mit Schreiben vom 16. März 2018 bat der Beklagte die Klägerin um Information, welche konkreten Arzneimittel diese seit Oktober 2017 im Wege eines Parallelvertriebs in Deutschland in den Verkehr gebracht habe, für welche davon das Anzeigeverfahren bei der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) nach § 67 Absatz 7 AMG durchgeführt worden sei und in welcher Betriebsstätte bzw. von welchem Hersteller die notwendige Umetikettierung bzw. der Austausch der Gebrauchsinformationen vorgenommen worden sei.

Die Klägerin nahm hierzu mit anwaltlichem Schreiben vom 16. April 2018 Stellung. Darin führte sie zahlreiche Arzneimittel an, die von ihr seit Oktober 2017 im Wege des grenzüberschreitenden Arzneimittelgroßhandels als Multi Market Packs in Deutschland in den Verkehr gebracht worden seien. Eine Umetikettierung bzw. ein Austausch der Gebrauchsinformationen habe dabei nicht stattgefunden. Sie, die Klägerin, sei für die angegebenen Arzneimittel weder als Parallelvertreiber noch als pharmazeutischer Unternehmer anzusehen. § 4 Absatz 18 Satz 2 AMG verstoße gegen Unionsrecht, insbesondere gegen die Vorgaben der Richtlinie 2001/83/EG. Die von ihr, der Klägerin, vertriebenen Arzneimittel erfüllten in ihrer originären Aufmachung bereits alle Kennzeichnungsanforderungen nach den Artikeln 54 ff. der Richtlinie 2001/83/EG. Zudem befänden sich auf der originären Verpackung mit der Blue Box auch schon die für den deutschen Markt benötigten Angaben i.S.d. Artikel 57 der Richtlinie 2001/83/EG. Eine Pflicht zur Angabe des Parallelvertreibers ergebe sich aus der Richtlinie nicht. Durch die Regelungen des Titels V der Richtlinie 2001/83/EG sei eine vollständige Harmonisierung der Vorgaben zur Etikettierung und Packungsbeilage erfolgt. Ein eigener Regelungsspielraum komme den Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Richtlinie daher nicht zu. Aus dem Markenrecht folge eine Verpflichtung zur Angabe des Parallelvertreibers ebenfalls nicht, solange es im Zuge des Parallelvertriebs nicht zu einem Umpacken der Arzneimittel komme. § 4 Absatz 18 Satz 2 AMG verstoße auch gegen die Produkthaftungsrichtlinie 85/374/EWG. Durch diese Richtlinie sei in ihrem Regelungsbereich ebenfalls eine vollständige Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten bezweckt worden. Dies betreffe auch die Frage, wer zum Kreis der Haftungsschuldner zähle. Nach § 4 Absatz 18 Satz 2 i.V.m. § 84 AMG hafte sie als Parallelvertreiberin von Arzneimitteln in gleicher Weise wie der Hersteller, obwohl sie nach Artikel 3 der Produkthaftungsrichtlinie lediglich als subsidiär haftender "Lieferant" anzusehen sei. Etwas anderes ergebe sich auch aus Artikel 13 der Produkthaftungsrichtlinie nicht, wonach die Richtlinie u.a. Ansprüche, die ein Geschädigter aufgrund einer zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der Richtlinie bestehenden besonderen Haftungsregelung geltend machen könne, nicht berühre. Denn die Haftung des Parallelvertreibers nach § 84 AMG sei erst durch dessen Aufnahme in die Definition des pharmazeutischen Unternehmers in § 4 Absatz 18 AMG durch Gesetz vom 18. Juli 2017 begründet worden. Infolge des Verstoßes gegen die Artikel 54 ff. der Richtlinie 2001/83/EG sowie Artikel 3 der Richtlinie 85/374/EWG sei § 4 Absatz 18 Satz 2 AMG wegen des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts auf den grenzüberschreitenden Handel mit Multi Market Packs nicht anzuwenden oder jedenfalls unionsrechtskonform entsprechend auszulegen. Im Übrigen habe für sie auch keine Anzeigepflicht nach § 67 Absatz 7 AMG gegenüber der EMA bestanden, da diese Pflicht ebenfalls nur den pharmazeutischen Unternehmer treffe.

Ausweislich der Anlage zu jenem Schreiben hatte die Klägerin gleichwohl unter dem 10. April 2018 gegenüber der EMA angezeigt, bestimmte zentral zugelassene Arzneimittel von Österreich nach Deutschland zu verbringen und dort vertreiben zu wollen, ohne dabei irgendeine Veränderung an den Arzneimitteln vorzunehmen. Ihre Tätigkeit sei ausschließlich die eines pharmazeutischen Großhändlers im grenzüberschreitenden Warenverkehr.

Der Beklagte hörte die Klägerin mit Schreiben vom 18. Juni 2018 zu einer beabsichtigten Untersagung des weiteren Inverkehrbringens von Arzneimitteln mit zentraler Zulassung in Deutschland im Wege des Parallelvertriebs ohne entsprechende Änderung der Primärverpackung und Verpackungsbeilage mit Ausweisung der Klägerin als pharmazeutischer Unternehmer sowie zu einem Teilwiderruf der Großhandelserlaubnis an. Die von der Klägerin vorgetragenen Bedenken bezüglich der Vereinbarkeit von § 4 Absatz 18 Satz 2 AMG mit dem Unionsrecht seien nicht Gegenstand der konkreten Einzelfallentscheidung. Diese Frage bleibe ggf. an anderer Stelle einer gerichtlichen Prüfung vorbehalten. Aufgrund der Gesamtumstände sei jedoch nicht beabsichtigt, die sofortige Vollziehung der Untersagung anzuordnen.

Die Klägerin bezog sich in Reaktion hierauf auf ihre Stellungnahme vom 16. April 2018, hob hervor, dass auch die nationalen Verwaltungsbehörden dem Unionsrecht Geltung zu verschaffen hätten, und wies im Übrigen darauf hin, dass die Voraussetzungen für einen (Teil-)Widerruf der Großhandelserlaubnis aus ihrer Sicht nicht vorlägen (Schreiben vom 13. Juli 2018).

Mit Bescheid vom 31. Juli 2018, zugestellt am 6. August 2018, untersagte der Beklagte der Klägerin mit sofortiger Wirkung, Arzneimittel mit zentraler europäischer Zulassung in Deutschland im Wege des Parallelvertriebs ohne entsprechende Änderung der Primärverpackung und Packungsbeilage mit Ausweisung der Klägerin als neuer pharmazeutischer Unternehmer in den Verkehr zu bringen. Zudem legte er der Klägerin die Kosten des Verfahrens dem Grunde nach auf. Zur Begründung bezog sich der Beklagte auf seine bereits im Schreiben vom 26. September 2017 vertretene Rechtsauffassung. Die Untersagung beruhe auf § 69 Absatz 1 AMG i.V.m. § 4 Absatz 18, § 10 und § 11 AMG. Im Rahmen des Auswahlermessens sei die Untersagung die einzige denkbare Maßnahme, die zum gewünschten Erfolg einer Verhinderung des weiteren Inverkehrbringens von Arzneimitteln unter fremdem Namen führe. Neben dem Normverstoß beinhalte die bisherige Vertriebsvariante immer auch Risiken und Unwägbarkeiten, insbesondere im Falle eines Arzneimittelrückrufs, wenn Arzneimittel im Wege des Parallelvertriebs - für den Zulassungsinhaber und die Überwachungsbehörden unerkannt - auch in Ländern in den Verkehr gebracht würden, für die die Arzneimittel originär nicht bestimmt gewesen seien. Hierdurch könne das hohe Gut der Volksgesundheit gefährdet werden. Mögliche finanzielle Interessen der Klägerin an einer ungehinderten Fortführung der bisherigen Geschäftspraxis seien demgegenüber deutlich nachrangig. Es bleibe ihr unbenommen, bei entsprechender Verfahrensänderung unter Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften die Geschäfte in anderer Form fortzuführen. Hinsichtlich der von der Klägerin geltend gemachten Unionsrechtswidrigkeit nahm der Beklagte Bezug auf die Ausführungen des Paul-Ehrlich-Instituts im Rahmen eines Widerspruchsbescheids vom 12. April 2018, der seinem Bescheid als Anlage beigefügt und seinerseits Gegenstand eines zwischen der Klägerin und der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Paul-Ehrlich-Institut, vor dem VG Darmstadt geführten Verfahrens (Az.: I.) ist. Von einem (Teil-)Widerruf der Großhandelserlaubnis sah der Beklagte ausdrücklich ab.

Die Klägerin hat auf die Zustellung vom 6. August 2018 am 5. September 2018 Klage erhoben.

Zur Begründung hat sie ihr Vorbringen aus der Stellungnahme vom 16. April 2018 wiederholt und ergänzend vorgetragen: Die Kennzeichnungsvorgaben, wie sie der Beklagte verstehe, stellten eine ungerechtfertigte Berufsausübungsregelung dar. Auf einem Fertigarzneimittel, das in Deutschland innerhalb der Lieferkette bezogen werde, seien unstreitig weder der Großhändler noch der Apotheker anzugeben. Ein Grund, weshalb diese Angabe bei einem zentral zugelassenen und bereits vollständig für den deutschen Markt gekennzeichneten Arzneimittel, das aus einem anderen Mitgliedstaat nach Deutschland verbracht werde, erforderlich sei, sei nicht gegeben. Der Zulassungsinhaber wisse, von welchen Chargen er Multi Market Packs in den Verkehr gebracht habe und müsse daher ggf. Rückrufe in allen betroffenen Ländern durchführen. Bei einem Verfahren nach dem Verständnis des Beklagten würden weitere Herstellungsschritte im Sinne des § 4 Absatz 14 AMG (Umpacken bzw. jedenfalls Aufkleber und Ergänzung der Verpackungsbeilage) erforderlich, ohne dass hierfür ein sachlicher Grund bestehe. Weitere Herstellungsschritte würden stets auch das Risiko eines Produktfehlers erhöhen. Diese seien zudem gemäß § 13 AMG erlaubnispflichtig. Sie werde durch den Untersagungsbescheid des Weiteren auch in ihrem Recht auf Gleichbehandlung (Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes) verletzt, weil sie anders behandelt werde als Großhändler und Apotheken, die ein Fertigarzneimittel innerhalb Deutschlands von dem Zulassungsinhaber, dessen Vertreter oder einem anderen Großhändler bezögen. Ein sachlicher Grund für diese Ungleichbehandlung sei nicht ersichtlich. Weshalb allein durch das Überschreiten einer Binnenmarktgrenze das von einem Arzneimittel ausgehende Risiko steigen solle, erschließe sich nicht.

Die Hinweise der EMA zu den "Frequently Asked Questions", auf die sich der Beklagte beziehe, seien rechtlich nicht verbindlich und würden darauf aufbauen, dass der Parallelvertreiber ein Arzneimittel umpacke. Aus der Formulierung werde deutlich, dass die Hinweise nur für den Fall gälten, dass es zu einem Umpacken bzw. zu einer Änderung der originären Verpackung komme. Ihre Überwachungsfunktion könne die EMA wegen der nach § 67 Absatz 7 AMG vorzunehmenden Anzeige auch ohne die Angabe des Parallelvertreibers auf der Verpackung wahrnehmen. Bei Multi Market Packs müsse der Zulassungsinhaber damit rechnen, dass diese in sämtlichen angegebenen Mitgliedstaaten vertrieben würden. Dies gelte erst Recht mit der Umsetzung der Fälschungsschutzrichtlinie 2011/62/EU durch Einführung eines individuellen Erkennungsmerkmals gemäß den Anforderungen der delegierten Verordnung (EU) 2016/161. Dass das Unionsrecht den Begriff des pharmazeutischen Unternehmers nicht kenne, sei gerade der Anlass der vorliegenden Rechtsstreitigkeit. Die Bundesrepublik Deutschland beschreite mit diesem Begriff einen Sonderweg, der mit dem harmonisierten Unionsrecht nicht zu vereinbaren sei. Dem Beklagten gehe es offensichtlich vor allem darum, dass auf der Arzneimittelpackung erkennbar sein müsse, wer nach § 84 AMG hafte. Die Vorschrift knüpfe an den faktischen Vorgang des Inverkehrbringens eines Arzneimittels in Deutschland an und weiche von der Produkthaftungsrichtlinie ab, die unabhängig vom Ort des Inverkehrbringens auf den Hersteller abstelle. Die Intention des deutschen Gesetzgebers, über die Erweiterung des Begriffs des pharmazeutischen Unternehmers auch den Parallelvertreiber haften zu lassen, verstoße gegen die Richtlinie.

Die Klägerin hat angeregt, ggf. dem EuGH im Wege eines Vorabentscheidungsverfahrens die Frage vorzulegen, ob es mit dem Titel V der Richtlinie 2001/83/EG vereinbar sei, dass in der Etikettierung und Packungsbeilage eines zentral zugelassenen Arzneimittels der Name und die Anschrift eines Arzneimittelgroßhändlers anzugeben sei, der das Arzneimittel von einem Mitgliedstaat in einen anderen verbringe, wenn das Arzneimittel bereits die vollständigen Angaben in der Etikettierung und Packungsbeilage gemäß Titel V für das Herkunfts- und für das Zielland aufweise.

Die Klägerin hat ursprünglich beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 31. Juli 2018, Aktenzeichen. aufzuheben.

Mit Bescheid vom 13. August 2019 hat der Beklagte den streitgegenständlichen Untersagungsbescheid vom 31. Juli 2018 mit sofortiger Wirkung für die Zukunft aufgehoben (Ziffer 1.) und der Klägerin die Kosten der Aufhebung auferlegt (Ziffer 2.). In der Begründung heißt es, seit dem 9. Februar 2019 hätten sich mit Umsetzung der EU-Fälschungsschutzrichtlinie 2011/62/EU, präzisiert durch die delegierte Verordnung (EU) 2016/161, die Umgebungsvariablen in Bezug auf das untersagte Geschäftsmodell der Klägerin vollständig geändert. Unter Berücksichtigung einer unabdingbaren Mindestanlaufzeit für die Einführung der nunmehr vorgeschriebenen Sicherheitsmerkmale und der technischen Voraussetzungen von ca. sechs Monaten könne nunmehr - aber auch nicht früher - davon ausgegangen werden, dass sich ein Parallelvertrieb mit in der Kennzeichnung unveränderten Multi Market Packs, die vom Inhaber der originären zentralen Zulassung von sich aus nicht zu einem Inverkehrbringen in Deutschland bestimmt gewesen seien, in der Sache erledigt habe. Mit Sicherheitsmerkmalen ausgestattete Arzneimittel könnten in Deutschland grundsätzlich flächendeckend nicht mehr aus dem neu eingeführten Sicherheitssystem ausgebucht und an die Öffentlichkeit abgegeben werden. Ein weiteres Festhalten an der Untersagungsverfügung sei daher nicht länger zweckdienlich. Unabhängig davon werde der Vollständigkeit halber ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die einschlägigen Definitionen und Regelungen zum Parallelvertrieb, unter anderem umgesetzt in § 4 Absatz 18 AMG und § 67 Absatz 7 AMG, weiter zu beachten seien.

Die Klägerin hat am 16. September 2019 gegen die Kostenlastentscheidung unter Ziffer 2. des Aufhebungsbescheids Klage erhoben (Az.: J.); jenes Verfahren ist bis zum rechtskräftigen Abschluss des vorliegenden Verfahrens ausgesetzt (Beschluss vom 21. Juli 2021).

In Bezug auf das vorliegende Klageverfahren ist die Klägerin von einer Anfechtungsklage zu einer Fortsetzungsfeststellungsklage übergegangen, weil der Beklagte die Untersagungsverfügung aufgehoben hat. Sie trägt vor, dass für sie die Rechtslage nicht abschließend geklärt sei. Offenbar habe der Beklagte seine Rechtsauffassung in Bezug auf Multi Market Packs, die mit einem individuellen Erkennungsmerkmal versehen und für den deutschen Markt gekennzeichnet seien, geändert. Das Paul-Ehrlich-Institut habe sich in dem Klageverfahren vor dem VG Darmstadt nicht in gleicher Weise eingelassen wie der Beklagte. Nicht zuletzt wegen des im Bescheid enthaltenen Verweises auf die Regelungen des AMG erscheine eine erneute Untersagung nicht ausgeschlossen. Sie habe daher ein Interesse daran, die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids feststellen zu lassen. Hinzu komme, dass mit ihrer Einstufung als pharmazeutischer Unternehmer gemäß § 4 Absatz 18 AMG erhebliche Rechtsfolgen wie beispielsweise eine Haftung gemäß § 84 AMG sowie weitere Pflichten verbunden seien. Zudem habe sie gegen die Kostenentscheidung des Aufhebungsbescheids Anfechtungsklage erhoben, welche darauf beruhe, dass für die Aufhebung eines rechtswidrigen Bescheides dem Betroffenen keine Kosten auferlegt werden könnten. Insoweit sei der vorliegende Rechtsstreit vorgreiflich. Des Weiteren habe sich die Kostenentscheidung des streitgegenständlichen Bescheids vom 31. Juli 2018 mangels Aufhebung nicht erledigt.

Die Klägerin beantragt nunmehr,

festzustellen, dass der Bescheid des Beklagten vom 31. Juli 2018, Aktenzeichen., in Bezug auf die Untersagung, Arzneimittel mit zentraler europäischer Zulassung in Deutschland im Wege des Parallelvertriebs ohne entsprechende Änderung der Primärverpackung und Packungsbeilage mit Ausweisung der Klägerin als neuer pharmazeutischer Unternehmer in den Verkehr zu bringen, rechtswidrig war,

und den Bescheid des Beklagten vom 31. Juli 2018 in Bezug auf die Kostenentscheidung aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er erwidert:

§ 4 Absatz 18 Satz 2 AMG verstoße auch nach seiner Novellierung nicht gegen unionsrechtliche Vorgaben. Aus der Gesetzesbegründung sei ersichtlich, dass u.a. die von der EMA veröffentlichten Hinweise, wonach der Parallelvertreiber auf der Umverpackung von Arzneimitteln erkennbar sein müsse, bei der Gesetzesänderung berücksichtigt worden seien. Die EMA gehe bei den auf ihrer Homepage veröffentlichten Hinweisen explizit auch auf das Beispiel eines Parallelvertriebs zwischen Deutschland und Österreich ein und wirke darauf hin, dass der Parallelvertreiber für den Verbraucher erkennbar sei. Hierzu sei sie gemäß Artikel 57 Absatz 1 Satz 2 (Buchstabe) o) der VO (EG) Nr. 726/2004 auch berechtigt. Durch die Gesetzesänderung sei nicht zuletzt auch haftungsrechtlich klargestellt worden, dass auch der Parallelvertreiber pharmazeutischer Unternehmer sei. Im Rahmen der Gefährdungshaftung nach § 84 AMG könne es nicht unberücksichtigt bleiben, dass auch die Klägerin in die Verantwortung trete, wenn sie in Deutschland Arzneimittel in den Verkehr bringe. Sie begründe damit im deutschen Rechtsbereich das Risiko, dass hier Haftungsansprüche entstünden. Dabei komme es dann auch nicht mehr darauf an, ob die Klägerin die Arzneimittelpackung vorher anpasse oder - wie bisher - Multi Market Packs ohne Veränderung in den Verkehr bringe. Entstünden Ansprüche, die mit dem tatsächlichen Inverkehrbringen in Deutschland im Zusammenhang stünden, so könnten diese nicht geltend gemacht werden, wenn die Klägerin nicht als pharmazeutischer Unternehmer erkennbar sei. Ebenso wie § 4 Absatz 18 kenne auch § 84 AMG mehrere pharmazeutische Unternehmer. Das Unionsrecht verbiete es nicht, die Pflichten auf mehrere pharmazeutische Unternehmer zu verteilen. Die Richtlinie 2001/83/EG befasse sich lediglich mit den Rechten und Pflichten des Zulassungsinhabers. Dieser bleibe jedoch auch nach der Änderung von § 4 Absatz 18 AMG pharmazeutischer Unternehmer. Die zentrale Zulassung beziehe sich lediglich auf das Arzneimittel, wie es durch den Inhaber der zentralen Zulassung in den Verkehr gebracht werde, und nicht auf den Parallelvertrieb. Auch deshalb sei die Kennzeichnung des Parallelvertreibers erforderlich. Die Vorgaben der Richtlinie 2001/83/EG müssten sinngemäß auch für diesen gelten; dem sei durch § 4 Absatz 18 Satz 2 AMG Rechnung getragen worden. Würde man die Klägerin nicht als pharmazeutischen Unternehmer ansehen, so ergäben sich nicht nur im Rahmen der Gefährdungshaftung, sondern auch bei der Arzneimittelüberwachung Probleme, da die Überwachungsbehörde lediglich durch die Deklaration des Parallelvertriebs und die Anzeige nach § 67 Absatz 1 AMG von dem Parallelvertrieb Kenntnis erlange. Den veröffentlichten Hinweisen der EMA sei zu entnehmen, dass der Parallelvertreiber für den Fall, dass sich die Zusammensetzung eines Arzneimittels ändere, dazu verpflichtet sei, sicherzustellen, dass die im Beipackzettel angegebene Zusammensetzung der tatsächlichen Zusammensetzung der Packung entspreche. Er dürfe den Text bezüglich der Zusammensetzung sogar ändern. Hierin liege bereits ein denkbarer Fall für eine Gewährleistungshaftung in der Verantwortlichkeit des Parallelvertreibers. Zudem habe der BGH mit Urteil vom 30. März 2017 (Az.: I ZR 263/15) entschieden, dass die Bestätigung der EMA über eine dort erfolgte Anzeige eines beabsichtigten Parallelvertriebs keinen Verwaltungsakt darstelle und den Markeninhaber nicht daran hindere, sich dem Parallelvertrieb mit der Begründung zu widersetzen, dass eine bestimmte Kennzeichnung gegen Vorschriften des Arzneimittelgesetzes verstoße und der Parallelvertrieb deshalb rechtswidrig sei. Eine wortgenaue Auslegung der Richtlinie 2001/83/EG sei ohnehin nicht möglich, denn Richtlinien seien gemäß Artikel 288 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) lediglich hinsichtlich ihres Ziels verbindlich und überließen den Mitgliedstaaten die Wahl der Form und Mittel. Die Richtlinie sei auch nicht ausnahmsweise unmittelbar anwendbar, da es an den entsprechenden Voraussetzungen - einer unzutreffenden Umsetzung und einer inhaltlich unbedingten sowie hinreichend genauen Formulierung - fehle. Artikel 54 (Buchstabe) k) und Artikel 59 Absatz 1 (Buchstabe) f) (Doppelbuchstabe) vii der Richtlinie 2001/83/EG formulierten Anforderungen an die äußere Umhüllung bzw. Primärverpackung und an die Verpackungsbeilage, die sich auf den Inhaber der Genehmigung für das Inverkehrbringen bezögen. Wenn Dritte - wie die Klägerin - von jener Genehmigung Gebrauch machten, müssten dieselben Regelungen greifen. Denn Ziel jener Vorschriften könne es nur sein, für Verbraucher und die Arzneimittelüberwachung Transparenz bezüglich der verantwortlichen Personen zu schaffen. Insofern interpretiere § 4 Absatz 18 Satz 2 AMG die Richtlinie 2001/83/EG in zulässiger Form. Der Schutzbereich von Artikel 12 Absatz 1 GG sei in Bezug auf die Untersagungsverfügung zwar eröffnet, das Grundrecht werde aber nicht verletzt. Hinsichtlich Artikel 3 Absatz 1 GG sei anzumerken, dass für die Überwachung von Apotheken, mit denen sich die Klägerin u.a. vergleiche, nicht er, sondern die Apothekerkammer zuständig sei. Dies gelte auch dann, wenn diese nach § 52a AMG Großhandel mit Arzneimitteln betrieben. Davon unabhängig dürfe auch die Apothekerkammer einen Parallelvertrieb ohne Modifizierung der Primärverpackung und des Beipackzettels nicht tolerieren. Sofern der Klägerin trotz der zum 9. Februar 2019 eingeführten Sicherheitsmerkmale ein Parallelvertrieb wie zuvor gelingen sollte, werde er erneut die Voraussetzungen einer Eingriffsentscheidung prüfen.

Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten (BA 001) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat Erfolg.

1. Die Klage ist zulässig. Sie ist, soweit sie sich gegen die Kostengrundentscheidung in dem Bescheid vom 31. Juli 2018 richtet, als Anfechtungsklage gemäߧ 42 Absatz 1 Alternative 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und im Übrigen im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung als Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Absatz 1 Satz 4 VwGO statthaft. Nach der letztgenannten Bestimmung spricht das Gericht, sofern sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt hat, auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Untersagungsverfügung aus dem Bescheid vom 31. Juli 2018 hat sich nach Klageerhebung erledigt. Die Klägerin kann durch sie in ihrer Geschäftspraxis nicht länger beeinträchtigt werden, weil der Beklagte sie durch Bescheid vom 13. August 2019 mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben hat. Eine die Klägerin belastende Rechtswirkung besteht lediglich noch insofern, als die Untersagungsverfügung vom 31. Juli 2018, soweit sie für die Vergangenheit nicht aufgehoben worden ist, weiterhin die Grundlage für die aufrechterhaltene Kostenlastentscheidung aus jenem Bescheid bildet.

Das erforderliche Fortsetzungsfeststellunginteresse ist ebenfalls gegeben. Es genügt insoweit jedes anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art (BVerwG, Urteil vom 12.9.1989 - BVerwG 1 C 40.88 -, juris Rn. 10; Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO Kommentar, 5. Aufl. 2018, § 113 Rn. 268). Entscheidend ist dabei, dass die gerichtliche Entscheidung dazu geeignet sein muss, die Position des Klägers in rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Hinsicht konkret zu verbessern (BVerwG, Beschluss vom 16.10.1989 - BVerwG 7 B 108.89 -, juris Rn. 9). Dies ist hier der Fall. Zum einen hat die Frage der Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung unmittelbare Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit der aufrechterhaltenen Kostengrundentscheidung aus dem Bescheid vom 31. Juli 2018 sowie derjenigen aus dem Bescheid vom 13. August 2019. Das Klageverfahren betreffend die letztgenannte Kostengrundentscheidung ist deswegen bis zum rechtkräftigen Abschluss des vorliegenden Klageverfahrens ausgesetzt. Zum anderen hat die Klägerin dargelegt, dass sie ein erhebliches wirtschaftliches Interesse an der Klärung der Frage hat, ob sie als pharmazeutischer Unternehmer i.S.d. § 4 Absatz 18 Satz 2 AMG anzusehen ist. Denn mit einer Einstufung als pharmazeutischer Unternehmer gingen zahlreiche Verpflichtungen einher, die für sie mit zusätzlichen Kosten verbunden wären. Ob in Anbetracht der Ankündigung des Beklagten, die Voraussetzungen einer entsprechenden Eingriffsentscheidung erneut zu prüfen, sofern der Klägerin trotz der zwischenzeitlich eingeführten Verpflichtung zum Aufbringen von Sicherheitsmerkmalen ein Parallelvertrieb wie zuvor gelingen sollte, darüber hinaus auch von einer hinreichend konkreten Wiederholungsgefahr auszugehen ist, bedarf daher keiner abschließenden Entscheidung.

2. Die Klage ist auch begründet. Die Untersagungsverfügung vom 31. Juli 2018 war rechtswidrig und verletzte die Klägerin in ihren Rechten (a)). Infolgedessen ist die Kostengrundentscheidung aus jenem Bescheid ebenfalls rechtswidrig und daher aufzuheben (b)).

a) Der Beklagte hat seine Untersagungsverfügung auf § 69 Absatz 1 AMG i.V.m. § 4 Absatz 18, § 10 Absatz 1 Satz 1 und § 11 Absatz 1 Nummer 6 Buchstabe f AMG gestützt. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit jener Verfügung ist die Sach- und Rechtslage während der gesamten Geltungsdauer des Verwaltungsakts in den Blick zu nehmen. Dies ergibt sich daraus, dass es sich bei der streitgegenständlichen Untersagungsverfügung um einen Dauerverwaltungsakt handelt, dessen rechtliche Wirkung infolge der Aufhebung im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bereits nicht mehr andauert und der Kläger seinen Klageantrag nicht auf einen bestimmten (Teil)Zeitraum innerhalb der Geltungsdauer beschränkt hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 05.01.2012 - BVerwG 8 B 62.11 -, juris Rn. 13 f.). Den folgenden Ausführungen liegt dennoch durchgängig das im Zeitpunkt des Erlasses der Untersagungsverfügung geltende Recht zugrunde, weil sich die maßgeblichen Vorschriften während der Geltungsdauer der Verfügung nicht in entscheidungserheblicher Weise geändert haben.

Gemäß § 69 Absatz 1 Satz 1 AMG in der demnach maßgeblichen Fassung vom 20. Dezember 2016 (in Kraft ab dem 24. Dezember 2016 bis zum 15. August 2019) treffen die zuständigen Behörden die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen. Ein Fall des § 69 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 bis 7 AMG, bei dem die zuständige Behörde das Inverkehrbringen von Arzneimitteln oder Wirkstoffen "insbesondere" untersagen, deren Rückruf anordnen und diese sicherstellen könnte, liegt hier nicht vor.

Der Beklagte warf der Klägerin Verstöße gegen die sich aus den §§ 9 bis 11 AMG ergebenden Offenlegungs- und Kennzeichnungspflichten durch die Nichtangabe ihres Namens auf der Verpackung und in der Packungsbeilage vor.

Gemäß § 9 Absatz 1 Satz 1 AMG (in der Fassung vom 29. August 2005, in Kraft ab dem 6. September 2005 bis zum 27. Januar 2022) müssen Arzneimittel, die im Geltungsbereich des Arzneimittelgesetzes in den Verkehr gebracht werden, den Namen oder die Firma und die Anschrift des pharmazeutischen Unternehmers tragen.

Gemäß § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 AMG (in der Fassung vom 18. Juli 2017, in Kraft ab dem 29. Juli 2017 bis zum 15. August 2019) dürfen Fertigarzneimittel, die Arzneimittel im Sinne des § 2 Absatz 1 oder Absatz 2 Nummer 1 und nicht zur klinischen Prüfung bei Menschen bestimmt oder nach von der Zulassungspflicht freigestellt sind, im Geltungsbereich des Arzneimittelgesetzes nur in den Verkehr gebracht werden, wenn auf den Behältnissen und, soweit verwendet, auf den äußeren Umhüllungen in gut lesbarer Schrift, allgemeinverständlich in deutscher Sprache und auf dauerhafte Weise und in Übereinstimmung mit den Angaben nach § 11a der Name oder die Firma und die Anschrift des pharmazeutischen Unternehmers und, soweit vorhanden, der Name des von ihm benannten örtlichen Vertreters angegeben sind.

Gemäß § 11 Absatz 1 Satz 1 AMG (in der Fassung vom 20. Dezember 2016, in Kraft ab dem 24. Dezember 2016 bis zum 31. März 2020) dürfen Fertigarzneimittel, die nicht zur klinischen Prüfung oder Rückstandsprüfung bestimmt oder von der Zulassungspflicht freigestellt sind, im Geltungsbereich des Arzneimittelgesetzes nur mit einer Packungsbeilage in den Verkehr gebracht werden, die die Überschrift "Gebrauchsinformation" trägt sowie allgemein verständlich in deutscher Sprache, in gut lesbarer Schrift und in Übereinstimmung mit den Angaben nach § 11a die dort aufgelisteten Angaben enthält, darunter den Namen und die Anschrift des pharmazeutischen Unternehmers und, soweit vorhanden, seines örtlichen Vertreters (Nummer 6 Buchstabe f).

Die Klägerin bringt im Anwendungsbereich des Arzneimittelgesetzes Arzneimittel in den Verkehr. Inverkehrbringen ist das Vorrätighalten zum Verkauf oder zu sonstiger Abgabe, das Feilhalten, das Feilbieten und die Abgabe an andere, § 4 Absatz 17 AMG. Die Klägerin importiert Arzneimittel aus Österreich, um sie in Deutschland auf den Markt zu bringen und zu verkaufen. Bei den von der Klägerin vertriebenen Produkten handelt es sich zudem um zulassungspflichtige Fertigarzneimittel im Sinne des § 10 Absatz 1 Satz 1 AMG, die nicht zur klinischen Prüfung bei Menschen bestimmt sind. Umstritten ist zwischen den Beteiligten allein, ob die Klägerin als "pharmazeutischer Unternehmer" anzusehen ist.

Der Begriff des pharmazeutischen Unternehmers ist in § 4 Absatz 18 AMG (in der Fassung vom 18. Juli 2017, in Kraft seit dem 29. Juli 2017) legaldefiniert. Nach dessen Satz 1 ist der pharmazeutische Unternehmer bei zulassungs- oder registrierungspflichtigen Arzneimitteln der Inhaber der Zulassung oder Registrierung. Pharmazeutischer Unternehmer ist gemäß Satz 2 auch, wer Arzneimittel im Parallelvertrieb oder sonst unter seinem Namen in den Verkehr bringt, außer in den hier nicht einschlägigen Fällen des § 9 Absatz 1 Satz 2, d.h. in denen Arzneimittel zur klinischen Prüfung bestimmt sind. Weiteres zum Begriff des Parallelvertriebs ergibt sich aus dem Arzneimittelgesetz nicht. Er ist auch im Unionsrecht nicht legaldefiniert, findet jedoch Erwähnung und bezeichnet danach den Vorgang, dass ein für die gesamte EU zentral zugelassenes und bereits in einem Mitgliedstaat auf den Markt gebrachtes Arzneimittel durch ein Unternehmen, das nicht selbst Zulassungsinhaber ist, in einem anderen Mitgliedstaat vertrieben wird (vgl. Artikel 57 Absatz 1 Satz 2 Buchstabe o VO 726/2004; Artikel 7 Absatz 2 VO 2049/2005; Kapitel 52, Artikel 521 des Einnahmen- und Ausgabenplans der Europäischen Arzneimittelagentur 2007 u.ö.; sowie die Umschreibung des Begriffs in Artikel 76 Absatz 4 i.V.m. Absatz 3 der Richtlinie 2001/83/EG in ihrer ab 16. November 2012 geltenden Fassung; vgl. auch EMA, Frequently asked questions about parallel distribution, 23.05.22, Ziff. 1.1 [abrufbar unter https://www.ema.europa.eu/en/documents/other/frequently-asked-questions-about-parallel-distribution_en.pdf]). Ein Parallelvertreiber benötigt für den Vertrieb eines Arzneimittels in Deutschland keine eigene zentrale oder nationale Zulassung. Der Gesetzgeber hat den Parallelvertreiber erst durch das Gesetz vom 18. Juli 2017 (BGBl I 2017, 2757) mit Wirkung zum 29. Juli 2017 durch Einfügung der Worte "im Parallelvertrieb oder sonst" in die Begriffsdefinition des pharmazeutischen Unternehmers in § 4 Absatz 18 Satz 2 AMG aufgenommen.

Die Klägerin ist unstreitig kein pharmazeutischer Unternehmer i.S.d. § 4 Absatz 18 Satz 1 AMG, denn sie ist nicht Inhaberin der Zulassung oder Registrierung der von ihr in Deutschland vertriebenen Arzneimittel. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist sie mit ihrem Geschäftsmodell allerdings auch nicht pharmazeutischer Unternehmer i.S.d. § 4 Absatz 18 Satz 2 AMG. Dies ergibt sich aus Folgendem:

Der Wortlaut des § 14 Absatz 18 Satz 2 AMG ("Pharmazeutischer Unternehmer ist auch, wer Arzneimittel im Parallelvertrieb oder sonst unter seinem Namen in den Verkehr bringt [...]") kann auf verschiedene Weise verstanden werden. Nach dem Gesetzesverständnis des Beklagten handelt es sich bei dem "Parallelvertrieb" einerseits und "sonst unter seinem Namen in den Verkehr bringt" andererseits um zwei nebeneinanderstehende Alternativen, von denen nur eine gegeben sein muss, damit ein Unternehmen unter den Begriff des pharmazeutischen Unternehmers fällt. Aufgrund der Formulierung "oder sonst unter seinem Namen" in § 4 Absatz 18 Satz 2 AMG - insbesondere wegen des Wortes "sonst" - kann die Vorschrift aber auch dahingehend verstanden werden, dass es sich bei dem Parallelbetrieb um einen solchen unter eigenem Namen handeln muss, um unter den Begriff des pharmazeutischen Unternehmers zu fallen. Eine dritte mögliche Lesart scheint das OLG Hamburg in seinem Urteil vom 19. November 2020 zu vertreten. Nach Auffassung des OLG Hamburg zeigten der Gesetzeswortlaut und die Intention des Gesetzgebers, dass sich schon der Parallelvertrieb selbst als ein Inverkehrbringen "unter seinem Namen" darstelle (OLG Hamburg, Urteil vom 19.11.2020 - 3 U 109/19 -, juris Rn. 74).

Der Gesetzeswortlaut bedarf in Anbetracht dessen der weitergehenden Auslegung. In der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/12587, S. 49) zu § 14 Absatz 18 Satz 2 AMG heißt es:

"Die Ergänzung dient der Klarstellung, dass auch der Parallelvertreiber, der Arzneimittel, für die eine von der Europäischen Union erteilte Genehmigung für das Inverkehrbringen gemäß Artikel 3 Absatz 1 oder Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen Arzneimittel-Agentur (ABl. L 136 vom 30.4.2004, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EU) Nr. 1027/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 (ABl. L 316 vom 14.11.2012, S. 38) geändert worden ist, vorliegt, in Verkehr bringt, pharmazeutischer Unternehmer im Sinne des Arzneimittelgesetzes ist und diese Arzneimittel unter seinem Namen in Verkehr bringt. Dies ergibt sich auch aus von der Europäischen Arzneimittel-Agentur veröffentlichten Hinweisen, wonach der Parallelvertreiber auf der Umverpackung von Arzneimitteln erkennbar sein muss.

Die Ergänzung dient insbesondere der Klarstellung, dass der Parallelvertreiber allen Verpflichtungen unterliegt, die das Arzneimittelgesetz dem pharmazeutischen Unternehmer auferlegt. Er ist insbesondere der nach den §§ 84 ff. für die arzneimittelrechtliche Haftung Verantwortliche."

Diese Erwägungen des Gesetzgebers lassen ebenfalls ein Verständnis zumindest im Sinne der zweiten und dritten Interpretationsmöglichkeit zu. Auch aus ihnen geht nicht eindeutig hervor, ob mit dem Begriff des Parallelvertriebs lediglich ein solcher ausdrücklich unter eigenem Namen gemeint ist oder ob schon der Parallelvertrieb selbst als ein Inverkehrbringen unter eigenem Namen anzusehen sein soll (und zwar unabhängig davon, ob der Name nach außen sichtbar in Erscheinung tritt).

Da es sich bei dem Begriff des pharmazeutischen Unternehmers im Sinne von § 4 Absatz 18 Satz 2 AMG um eine Eigenheit des deutschen Rechts handelt, muss letztlich stets anhand der zugrundeliegenden Richtlinienbestimmungen und deren personellen Anwendungsbereichs ermittelt werden, wie der Begriff im jeweiligen Kontext zu verstehen ist. Zur Überzeugung der Kammer muss der Begriff zumindest im Kontext der Kennzeichnungspflichten gemäß §§ 9 ff. AMG sowie im Kontext der Gefährdungshaftung nach § 84 Absatz 1 AMG entsprechend der zweiten der oben dargestellten Interpretationsmöglichkeiten dahingehend verstanden werden, dass nur ein Parallelvertrieb unter eigenem Namen von der Vorschrift erfasst wird. Ausschlaggebend hierfür ist, dass nur diese Lesart mit dem Unionsrecht in Einklang zu bringen ist. Lässt das nationale Recht dem Wortlaut nach verschiedene Auslegungsmöglichkeiten zu und steht nur eine davon mit dem Unionsrecht in Einklang, so ist diese zu wählen. Diese Verpflichtung trifft sämtliche Träger öffentlicher Gewalt (Dörr, in: Sodan/Ziekow, VwGO Kommentar, 5. Aufl. 2018, Europäischer Verwaltungsrechtsschutz Rn. 189; Obwexer, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl. 2015, Artikel 4 EUV Rn. 116 ff.).

Um einen solchen Fall handelt es sich hier. Denn eine Subsumtion des Parallelvertriebs unter fremdem Namen - ohne vorheriges Umpacken oder Änderung der Verpackungsbeilage - unter den Begriff des pharmazeutischen Unternehmers mit allen sich daraus nach dem Arzneimittelgesetz ergebenden Folgen verstieße gegen Unionsrecht, namentlich die Richtlinie 2001/83/EG (in der ab dem 16. November 2012 geltenden Fassung) (dazu im Folgenden unter aa)) sowie die Richtlinie 85/374/EWG in der ab dem 4. Juni 1999 geltenden Fassung) (bb)). Die Vorschriften des Arzneimittelgesetzes, welche die genannten Richtlinien in nationales Recht umsetzen und auf die der Beklagte seine Untersagungsverfügung gestützt hat, sind infolgedessen ebenfalls in diesem Sinne (einschränkend) zu verstehen mit dem Ergebnis, dass ein Verstoß der Klägerin gegen die Offenlegungs- und Kennzeichnungspflichten nach dem Arzneimittelgesetz nicht vorlag (cc)).

aa) Titel V der Richtlinie 2001/83/EG (Überschrift: Etikettierung und Packungsbeilage) enthält in den Artikeln 54 ff. diverse Vorgaben zur sog. Primärverpackung, d.h. dem Behältnis oder jeder anderen Form von Arzneimittelverpackung, die unmittelbar mit dem Arzneimittel in Berührung kommt (vgl. Artikel 1 Nummer 23 Richtlinie 2001/83/EG) bzw. - sofern vorhanden - zu deren äußerer Umhüllung (s. Definition in Artikel 1 Nummer 24 Richtlinie 2001/83/EG), und den darauf abzudruckenden Angaben, sowie zur Packungsbeilage von Arzneimitteln. Das Gericht fasst die beiden Begriffe "äußere Umhüllung" und "Primärverpackung" im Folgenden einheitlich unter dem Begriff der (äußeren) Verpackung zusammen. Zu den vorgeschriebenen Angaben auf der Verpackung zählen gemäß Artikel 54 Buchstabe k der Name und die Anschrift des Inhabers der Genehmigungen für das Inverkehrbringen und gegebenenfalls der Name des von ihm benannten Vertreters. In der Verpackungsbeilage sind gemäß Artikel 59 Buchstabe f, Doppelbuchstabe vi und vii ebenfalls Name und Anschrift des Inhabers der Genehmigung für das Inverkehrbringen und gegebenenfalls der Name der vom Inhaber benannten Vertreter in den Mitgliedstaaten sowie Name und Anschrift des Herstellers anzugeben.

Aus diesen Vorschriften folgt eine Verpflichtung zur Angabe der Klägerin auf der Verpackung oder der Verpackungsbeilage der von ihr vertriebenen Arzneimittel nicht. Die Klägerin ist unstreitig weder Herstellerin noch Inhaberin der Genehmigung für das Inverkehrbringen. Im Falle einer zentralen Zulassung, wie sie bei den von der Klägerin in Deutschland vertriebenen Arzneimitteln vorliegt, bedarf es einer gesonderten Genehmigung für das Inverkehrbringen von Arzneimitteln in den einzelnen Mitgliedstaaten nicht. Infolge der zentralen Zulassung sind die betreffenden Arzneimittel gemäß § 13 Absatz 1 der VO (EG) Nr. 726/2004 in der gesamten EU verkehrsfähig. Hierin liegt gerade der Zweck einer zentralen Zulassung.

Eine entsprechende Verpflichtung folgt auch nicht aus dem "Bristol-Myers"-Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 11. Juli 1996. Darin hatte der Europäischen Gerichtshof entschieden, dass im Falle eines Umpackens von Arzneimitteln im Rahmen eines Parallelimports, bei dem im Gegensatz zum Parallelvertrieb lediglich eine nationale Zulassung in einem anderen Mitgliedstaat vorliegt und dementsprechend vor dem hiesigen Inverkehrbringen noch eine deutsche Zulassung beantragt werden muss, zur Wahrung der Rechte des Markeninhabers auf der neuen Verpackung klar anzugeben sei, von wem das Arzneimittel umgepackt worden und wer der Hersteller sei, sodass dies für den Verbraucher erkennbar sei (EuGH, Urteil vom 11.07.1996 - C-427/93 u.a. -, juris Rn. 67 ff.). Bei dem Geschäftsmodell der Klägerin kommt es aber gar nicht zu einem Umpacken der betreffenden Arzneimittel, weshalb auch ein Erfordernis, ihren Namen aus markenrechtlichen Gründen auf der äußeren Verpackung anzugeben, nicht besteht. Dass die Klägerin vor dem Inverkehrbringen in Deutschland keinerlei Veränderungen an der äußeren Verpackung oder der Verpackungsbeilage vornimmt und die "Multi Market Packs" gar nicht öffnet, ist hier gerade Ausgangspunkt des Streits zwischen den Beteiligten.

Die Klägerin war zu einem Umpacken der von ihr vertriebenen Arzneimittel auch nicht verpflichtet. Eine Rechtsgrundlage hierfür ist nicht ersichtlich; einzig nach Auffassung des Beklagten wäre ein Umpacken als Folge der Kennzeichnungspflichten, die sich durch die Einstufung der Klägerin als pharmazeutischer Unternehmer nach dem Arzneimittelgesetz ergäben, erforderlich. Insbesondere lässt sich aus den Vorschriften der Richtlinie 2001/83/EG hierzu nichts entnehmen. Gerade im Falle von Multi Market Packs, die von vorneherein die Kennzeichnungspflichten und sprachlichen Anforderungen verschiedener Mitgliedstaaten, wie z.B. Österreichs und Deutschlands, gleichzeitig erfüllen, gibt es zu einem Umpacken auch gar keinen Anlass. Zwar hat das OLG Hamburg entschieden, dass es wegen des in § 130a Absatz 1, § 131 Absatz 5 und § 300 Absatz 1 Satz 1 SGB V geregelten sog. Herstellerrabatts erforderlich sei, dass Parallelvertreiber in Deutschland auf der Arzneimittelverpackung eine eigene Pharmazentralnummer (und nicht diejenige des Herstellers bzw. Zulassungsinhabers) anbringen (OLG Hamburg, Urteil vom 19.11.2020 - 3 U 109/19 -, juris Rn. 98 ff.). Diese Notwendigkeit wird auch von der Klägerin nicht in Abrede gestellt. Hierfür bedarf es jedoch keines Umpackens, weil sich die Pharmazentralnummer des Parallelvertreibers auch durch einen kleinen Aufkleber auf der äußeren Verpackung anbringen lässt und dies - anders als eine Neuetikettierung - nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 17.5.2018 - C-642/16 -, juris Rn. 34 bis 36), der sich der Bundesgerichtshof angeschlossen hat (Urteil vom 11.10.2018 - I ZR 165/15 -, juris Rn. 22 ff.), markenrechtlich kein Umpacken darstellt. Dies soll selbst dann gelten, wenn auf einem solchen kleinen Aufkleber neben der Pharmazentralnummer auch der Name und die Kontaktdaten des Parallelvertreibers angegeben werden (EuGH, Urteil vom 17.5.2018 - Rs. C-642/16 -, juris Rn.34 f. [in Bezug auf den Parallelimport eines Arzneimittels]).

Aus den von der EMA auf ihrer Homepage veröffentlichten Hinweisen ("frequently asked questions about parallel distribution"), auf die sich der Beklagte in der Klageerwiderung bezogen hat, lässt sich eine Kennzeichnungs- bzw. Umpackungspflicht schon deshalb nicht ableiten, weil es sich bei diesen nicht um Rechtsvorschriften handelt. Den Hinweisen kommt keine rechtliche Verbindlichkeit zu. Darüber hinaus lässt sich diesen (zumindest in der aktuellen Fassung) entnehmen, dass das Umpacken einer besonderen Rechtfertigung (z.B. aus sprachlichen Gründen) bedarf. Dort heißt es nämlich bei der Frage "9. Are parallel distributors allowed to open the packaging? Can the medicinal product distributed in parallel be repackaged? Rev. June 2021" (abrufbar unter: https://www.ema.europa.eu/en/human-regulatory/post-authorisation/parallel-distribution/frequently-asked-questions-about-parallel-distribution; im Folgenden ins Deutsche übersetzt durch die Übersetzungssoftware Deepl):

"9. Dürfen Parallelvertreiber die Verpackung öffnen? Darf das parallel vertriebene Arzneimittel umverpackt werden? Rev. Juni 2021

Grundsätzlich sind die einzigen Änderungen am Arzneimittel, die verlangt werden können, um den Parallelvertrieb zu erlauben, Änderungen in der Sprache der Etikettierung und der Packungsbeilage, um den Anforderungen der Arzneimittelgesetzgebung zu entsprechen. Ein Umpacken ist also im Allgemeinen nicht zulässig.

Das Ersetzen der Verpackung eines Arzneimittels ist jedoch manchmal objektiv notwendig, wenn ohne dieses Umpacken der tatsächliche Zugang zu dem betreffenden Markt oder zu einem wesentlichen Teil dieses Marktes behindert würde. Die Notwendigkeit des Umpackens muss vom Parallelvertreiber im Rahmen eines Meldeverfahrens begründet werden.

Der Antrag auf Umpacken von Arzneimitteln wird von Fall zu Fall gründlich geprüft, um sicherzustellen, dass die Genehmigung für das Inverkehrbringen des Arzneimittels und die EU-Rechtsvorschriften über Arzneimittel für die Sicherheit der Patienten eingehalten werden. Insbesondere darf sich das Umpacken nicht nachteilig auf den ursprünglichen Zustand des Arzneimittels auswirken. Der Begriff der Beeinträchtigung des Originalzustands der Arzneimittel bezieht sich auf den Zustand des Arzneimittels in der Verpackung. Es wird davon ausgegangen, dass der Zustand der Ware nicht beeinträchtigt wird, wenn das Umpacken nur die äußere Schicht betrifft und die innere Verpackung unversehrt bleibt.

Das Entfernen von Blisterpackungen aus ihrer äußeren Originalverpackung und ihr Einlegen mit einer oder mehreren Originalpackungen in eine neue äußere Verpackung oder ihr Einlegen in eine andere Originalpackung, das Anbringen von Selbstklebeetiketten auf äußeren Originalverpackungen oder Blisterpackungen oder das Hinzufügen neuer Gebrauchsanweisungen oder Informationen auf der Verpackung gelten als Tätigkeiten, die den Zustand des Arzneimittels in der Verpackung nicht beeinträchtigen dürfen.

Die Rechtfertigung des Parallelvertreibers muss berücksichtigt werden. Die Tätigkeiten sollten in einem Betrieb stattfinden, der über eine von der zuständigen nationalen Behörde erteilte Herstellungserlaubnis verfügt und die Grundsätze und Leitlinien der GMP einhält. Bitte beachten Sie auch Kapitel 5 Frage 5 'Welche Anforderungen gelten für die Chargennummern auf der Verpackung von Arzneimitteln, die dem Parallelhandel unterliegen?' des Leitfadens zur guten Herstellungspraxis und guten Vertriebspraxis: Fragen und Antworten."

Soweit der Beklagte sich auf Seite 5 der Klageerwiderung auf den Hinweis der EMA bezieht, dass auf der äußeren Etikettierung zwingend die Worte "parallel distributor/parallel distributed by" oder "repackager/repacked by" jeweils mit dem Namen und optional der Adresse/dem Logo des Parallelvertreibers abgedruckt sein müssten, ist eine Rechtsgrundlage hierfür nicht ersichtlich. Der auf Seite 6 der Klageerwiderung widergegebene Hinweis

"8. How to proceed if sourcing a product from a country where the language is the same as the language in the Member State of destination?

If a parallel distributor sources a product from a country where the official language is the same as the language in the Member State of destination (e.g. Ireland, Malta and UK or Austria and Germany) the parallel distributor is still required to provide complete labelling for the product. [...]"

hält letztlich eine Selbstverständlichkeit fest. Dass der für das Inverkehrbringen in Deutschland Verantwortliche dafür sorgen muss, dass die Etikettierung des Arzneimittels im Sinne der in Deutschland bestehenden Anforderungen ordnungsgemäß und vollständig ist, gilt unabhängig davon, ob ein Umpacken erforderlich ist. Der weitere von dem Beklagten auf Seite 6 oben der Klageerwiderung zitierte Hinweis, dass nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs selbst das Aufbringen eines kleinen Aufklebers auf der äußeren Verpackung als "Umpacken" gelte, stand im Widerspruch zum bereits genannten Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 17. Mai 2018 und wurde inzwischen von der Homepage der EMA entfernt.

Der Begriff der Parallelvertriebs in der Definition des pharmazeutischen Unternehmers in § 4 Absatz 18 Satz 2 AMG muss im Kontext der Kennzeichnungspflichten auch deshalb so verstanden werden, dass er lediglich einen Parallelvertrieb unter eigenem Namen erfasst, weil die Mitgliedstaaten und somit auch die Bundesrepublik Deutschland zu einem Erlass über die Vorgaben der Richtlinie 2001/83/EG hinausgehender Kennzeichnungspflichten im Wege des Arzneimittelgesetzes nicht befugt waren, da die Richtlinie 2001/83/EG jedenfalls mit ihrem Titel V eine Vollharmonisierung bewirken soll. Bei einer Vollharmonisierung kommt die durch die Richtlinie bezweckte Rechtsangleichung einer Rechtsvereinheitlichung nahe. Anders als bei einer sog. Mindestharmonisierung dürfen die Mitgliedstaaten in einem solchen Fall keine strengeren Maßnahmen als in der Richtlinie vorgesehen erlassen, nicht einmal zur Erreichung eines besseren Verbraucherschutzniveaus (EuGH, Urteil vom 14.1.2010 - C-304/08 -, juris Rn. 41). Ob eine Vollharmonisierung vorliegt, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln (vgl. EuGH, Urteil vom 8.11.2007 - C -374/05 -, juris Rn. 20 ff.).

Im Fall der Richtlinie 2001/83/EG ergibt die Auslegung, dass durch den Titel V eine vollständige Harmonisierung des Bereichs der Arzneimittelkennzeichnung erfolgt, mithin den Mitgliedstaaten mit Ausnahme der in Artikel 57 ausdrücklich aufgeführten Bereiche kein eigener Gestaltungsspielraum für den Erlass strengerer Vorschriften verblieben ist.

In einem Vorabentscheidungsverfahren zur Frage der Harmonisierung des Bereichs der Arzneimittelwerbung hat der Europäische Gerichtshof ausgeführt, dass mit der Richtlinie 2001/83/EG eine vollständige Harmonisierung dieses Bereichs erfolgt sei, wobei die Fälle in denen die Mitgliedstaaten befugt seien, Bestimmungen zu erlassen, die von der in der Richtlinie getroffenen Regelung abwichen, ausdrücklich aufgeführt seien. Dies ergebe eine Analyse der Titel VIII und VIIIa der Richtlinie (EuGH, Urteil vom 8.11.2007 - C-374/05 -, juris Rn. 20 und 39). Die Richtlinie 2001/83/EG sei auf der Grundlage des Artikels 95 des EG-Vertrags (EGV) erlassen worden, nach dessen Absatz 1 - abweichend von Artikel 94 EGV und soweit im EG-Vertrag nichts anderes bestimmt sei - Maßnahmen zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten erlassen werden könnten, die die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarkts zum Gegenstand haben. Im vierten und fünften Erwägungsgrund dieser Richtlinie werde ausgeführt, dass mit ihr die Hindernisse für den Handel mit Arzneimitteln beseitigt werden sollten, die die Unterschiede zwischen den einzelstaatlichen Vorschriften über Arzneimittel bilden könnten; diese wirkten sich somit unmittelbar auf das Funktionieren des Binnenmarktes aus. Im 45. Erwägungsgrund werde ausdrücklich die Arzneimittelwerbung angesprochen und festgestellt, dass sich die Unterschiede der von den Mitgliedstaaten auf diesem Gebiet ergriffenen Maßnahmen auf das Funktionieren des Binnenmarktes auswirkten (EuGH, Urteil vom 8.11.2007 - C-374/05 -, juris Rn. 19).

Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung ist auch für den Bereich der Arzneimittelkennzeichnung von einer Vollharmonisierung auszugehen. Bezüglich der Etikettierung und der Verpackungsbeilage heißt es im Erwägungsgrund 39 der Richtlinie 2001/83/EG, dass die Modalitäten der Etikettierung und die Modalitäten, nach denen die Packungsbeilage abzufassen sei, genau festgelegt werden müssten. Die Bestimmungen über die Unterrichtung der Patienten müssten ein hohes Verbraucherschutzniveau gewährleisten, so dass die Arzneimittel auf der Grundlage vollständiger und verständlicher Informationen ordnungsgemäß angewandt werden könnten (Erwägungsgrund 40). Das Inverkehrbringen von Arzneimitteln, deren Etikettierung und Packungsbeilage dieser Richtlinie entspreche, dürfe aus Gründen, die mit der Etikettierung oder der Packungsbeilage zusammenhingen, weder untersagt noch verhindert werden (Erwägungsgrund 41).

Korrespondierend zum Erwägungsgrund 39 ist in den Vorschriften des Titels V der Richtlinie 2001/83/EG sehr detailliert geregelt worden, welche Angaben die äußere Verpackung und die Verpackungsbeilage von Arzneimitteln im Einzelnen aufweisen müssen. Dafür, dass es sich hierbei lediglich um Mindestvorgaben im Sinne einer Mindestharmonisierung handeln soll und die Mitgliedstaaten insofern auch strengere Regelungen treffen können, ergeben sich aus dem Wortlaut keine Anhaltspunkte. Im Gegenteil spricht insbesondere Artikel 60 gegen ein solches Verständnis. Denn dieser bestimmt ausdrücklich, dass die Mitgliedstaaten das Inverkehrbringen von Arzneimitteln in ihrem Hoheitsgebiet nicht aus Gründen, die mit der Etikettierung oder der Packungsbeilage zusammenhängen, untersagen oder verhindern dürfen, sofern diese mit den Vorschriften des Titels V übereinstimmt. Damit wird die beabsichtigte Vollharmonisierung bereits durch die Richtlinie selbst ausdrücklich formuliert und angeordnet (vgl. Remien, in: Schulze/Janssen/Kadelbach, Europarecht, 4. Aufl. 2020, § 14 Rn. 43.).

Die Verpflichtung zur Angabe des Parallelvertreibers zählt auch nicht zu den Angaben, hinsichtlich derer Artikel 57 Absatz 1 der Richtlinie 2001/83/EG den Mitgliedstaaten ausnahmsweise einen eigenen Spielraum überlässt. Gemäß Artikel 57 Absatz 1 können die Mitgliedstaaten abweichend von Artikel 60 fordern, dass auf bestimmte Etikettierungsmodalitäten zurückgegriffen wird, die es ermöglichen, auch Angaben über den Preis des Arzneimittels, die Bedingungen für die Erstattung durch die für die soziale Sicherheit zuständigen Stellen, die Regelung der Abgabe an Patienten gemäß Titel VI sowie die Echtheit und Identifizierung des Arzneimittels nach Maßgabe von Artikel 54a Absatz 5 aufzunehmen. Bezüglich Arzneimitteln, die - wie es bei den von der Klägerin aus Österreich importierten Arzneimitteln der Fall ist - nach der VO (EG) Nummer 726/2004 zentral genehmigt werden, halten sich die Mitgliedstaaten gemäß Absatz 2 bei der Anwendung von Artikel 57 an die ausführlichen Angaben nach Artikel 65 der Richtlinie 2001/83/EG. Nach dessen Buchstabe f formuliert und veröffentlicht die Kommission in Abstimmung mit den Mitgliedstaaten und den interessierten Parteien harmonisierte Durchführungsbestimmungen zu Artikel 57. Die Klägerin hat als Anlage K4 zur Klagebegründung (Bl. 55 ff./GA) die "Notice to applicants - Guideline on the packaging information of medicinal products for human use authorised bei the Union" (Stand: Juli 2018) der Kommission vorgelegt. In deren Annex I sind die mitgliedstaatenspezifischen Informationsanforderungen i.S.d. Artikels 57 der Richtlinie 2001/83/EG aufgelistet, die auf der Arzneimittelverpackung in der Regel in der Blue Box abgedruckt werden. Im Fall der Bundesrepublik Deutschland sind dies z.B. die Pharmazentralnummer und ggf. die Angabe "verschreibungspflichtig" oder "apothekenpflichtig". Inwiefern diesen in Annex I genannten Informationsanforderungen rechtliche Verbindlichkeit zukommt, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn der Parallelvertreiber bzw. der Verantwortliche für das Inverkehrbringen in Deutschland wird auch dort nicht genannt.

Das OLG Hamburg vertritt in seinem zitierten Urteil vom 19. November 2020 demgegenüber die Auffassung, dass die nach § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 und § 11 Absatz 1 Satz 1 Nummer 6 Buchstabe f AMG vorgeschriebene Angabe des Parallelvertreibers auf der äußeren Verpackung und in der Packungsbeilage nicht gegen die Richtlinie 2001/83/EG verstoße. Artikel 57 ermögliche den Mitgliedstaaten den Rückgriff auf bestimmte Etikettierungsmodalitäten, die es ermöglichten, auch Angaben über den Preis des Arzneimittels oder die Bedingungen für die Erstattung durch die für die soziale Sicherheit zuständigen Stellen aufzunehmen. In Artikel 4 Absatz 3 sei zudem ausdrücklich festgehalten, dass die Bestimmungen der Richtlinie nicht die Zuständigkeiten der Behörden der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Festsetzung der Arzneimittelpreise und ihrer Einbeziehung in den Anwendungsbereich der innerstaatlichen Krankenversicherungssysteme aufgrund gesundheitlicher, wirtschaftlicher und sozialer Bedingungen berührten. Diesen Zwecken diene die namentliche Benennung des Parallelvertreibers und die Angabe seiner Pharmazentralnummer (OLG Hamburg, Urteil vom 19.11.2020 - 3 U 109/19 -, juris Rn. 80). Die Notwendigkeit, auf der äußeren Verpackung die Pharmazentralnummer des Parallelvertreibers anzugeben, wird von der Klägerin nicht in Abrede gestellt. Über diese lässt sich der Parallelvertreiber als der für das Inverkehrbringen in Deutschland Verantwortliche rückverfolgen. Auf welcher rechtlichen Grundlage und mit welcher Begründung darüber hinaus aber auch die Namensangabe des Parallelvertreibers auf der Verpackung erforderlich sein soll, erschließt sich jedoch nicht und wird vom OLG Hamburg in jenem Urteil auch nicht weiter erläutert. Bei Rn. 74 seiner Entscheidung führt es aus, eine entsprechende Verpflichtung ergebe sich aus den in der Gesetzesbegründung angesprochenen Leitlinien der EMA, die auf Artikel 65 Buchstabe f und Artikel 57 der Richtlinie 2001/83/EG beruhten. Abgesehen davon, dass für die Kammer nicht eindeutig erkennbar ist, auf welche konkreten Leitlinien sich diese Aussage bezieht, kann sich aus diesen keine Rechtspflicht ergeben, weil es sich bei diesen nicht um Rechtsvorschriften handelt. Denn Leitlinien (engl: Guidelines) der Kommission oder der EMA kommt keine unmittelbare rechtliche Bindungswirkung zu (Fleischfresser, in: Fuhrmann/Klein/ders., Arzneimittelrecht, 3. Aufl. 2020, § 3 Rn. 31).

Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die Angabe des Parallelvertreibers auf der äußeren Verpackung und in der Verpackungsbeilage auch nicht erforderlich, um den zuständigen Behörden eine Kontrolle zu ermöglichen oder offenzulegen, gegen wen etwaige Ansprüche aus Gefährdungshaftung gemäß § 84 AMG zu richten sind. Die im Falle zentral zugelassener Arzneimittel zuständige EMA wird bereits durch die gemäß Artikel 67 Absatz 7 Satz 2 AMG vorgeschriebene Anzeige über den beabsichtigten Parallelvertrieb informiert, sodass es eines zusätzlichen Aufdrucks auf der Verpackung nicht bedarf. Diese Anzeigepflicht betrifft jedes Unternehmen, welches beabsichtigt, ein zentral zugelassenes Arzneimittel erstmalig im Geltungsbereich des Arzneimittelgesetzes in den Verkehr zu bringen. Zwar verweist § 67 Absatz 7 Satz 2 AMG auf Satz 1, was impliziert, dass auch diese Verpflichtung nur den pharmazeutischen Unternehmer treffen soll. Dies ist zugleich der Grund dafür, weshalb die Klägerin zunächst von einer Anzeige gegenüber der EMA abgesehen hatte. An dieser Stelle ist der Begriff des pharmazeutischen Unternehmers aber anders zu verstehen als im Zusammenhang mit den Kennzeichnungspflichten. Einer unionsrechtlich bedingten einschränkenden Auslegung des Begriffs bedarf es hier nicht, was wiederum die weitreichenden Probleme, die durch die Verwendung dieses unionsrechtlich nicht vorgesehenen Begriffs bei der Anwendung des Arzneimittelgesetzes hervorgerufen werden, verdeutlicht. Denn nach Artikel 76 Absatz 4 Satz 1 der zugrundeliegenden Richtlinie 2001/83/EG ist ausnahmslos jeder Vertreiber eines zentral zugelassenen Arzneimittels zur Mitteilung an den Inhaber der Genehmigung für das Inverkehrbringen und an die Agentur verpflichtet. Hieraus ergibt sich, dass auch die Klägerin der Anzeigepflicht unterliegt, da sie zentral zugelassene Arzneimittel in Deutschland vertreibt.

Schließlich ist die Angabe des Parallelvertreibers wie der Klägerin auch deswegen nicht zur Offenlegung des Haftungsschuldners der Gefährdungshaftung nach § 84 AMG erforderlich, weil der Parallelvertreiber einer Haftung nach dieser Vorschrift - wie im Folgenden ausgeführt werden wird - gar nicht unterliegt.

bb) Ein dahingehendes Verständnis der Begriffsdefinition des pharmazeutischen Unternehmers in § 14 Absatz 18 Satz 2 AMG, dass diese auch den Parallelvertrieb (ohne Umpacken) erfasst und damit der Gefährdungshaftung nach § 84 Absatz 1 Satz 1 AMG unterliegt, verstieße des Weiteren auch gegen die "Produkthaftungsrichtlinie" 85/374/EWG (in der Fassung vom 10. Mai 1999, gültig ab dem 4. Juni 1999).

Gemäß Artikel 1 der Richtlinie 85/374/EWG haftet der Hersteller eines Produkts für den Schaden, der durch einen Fehler dieses Produkts verursacht worden ist. "Hersteller" ist gemäß Artikel 3 Absatz 1 der Hersteller des Endprodukts, eines Grundstoffs oder eines Teilprodukts sowie jede Person, die sich als Hersteller ausgibt, indem sie ihren Namen, ihr Warenzeichen oder ein anderes Erkennungszeichen auf dem Produkt anbringt. All dies trifft - wie bereits dargelegt - auf die Klägerin und ihr Geschäftsmodell nicht zu. Unbeschadet der Haftung des Herstellers gilt gemäß Artikel 3 Absatz 2 jede Person, die ein Produkt zum Zweck des Verkaufs, der Vermietung, des Mietkaufs oder einer anderen Form des Vertriebs im Rahmen ihrer geschäftlichen Tätigkeit in die Gemeinschaft einführt, im Sinne dieser Richtlinie als Hersteller dieses Produkts und haftet wie der Hersteller. Kann der Hersteller des Produkts nicht festgestellt werden, so wird gemäß Absatz 3 der Vorschrift jeder Lieferant als dessen Hersteller behandelt, es sei denn, dass er dem Geschädigten innerhalb angemessener Zeit den Hersteller oder diejenige Person benennt, die ihm das Produkt geliefert hat. Dies gilt auch für eingeführte Produkte, wenn sich bei diesen der Importeur im Sinne des Artikels 3 Absatz 2 nicht feststellen lässt, selbst wenn der Name des Herstellers angegeben ist.

In Bezug auf die Produkthaftungsrichtlinie hat der Europäische Gerichtshof bereits entschieden, dass diese für den Bereich der fehlerhaften Produkte "eine vollständige Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten" bezweckt (EuGH, Urteil vom 25.4.2002 - C-52/00 -, juris Leitsatz Nr. 3 und Rn. 24). Der Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten bei der Regelung der Haftung für fehlerhafte Produkte werde zur Gänze von der Richtlinie selbst festgelegt und sei aus deren Wortlaut, Zweck und Systematik abzuleiten. Die Richtlinie enthalte keine Bestimmung, die die Mitgliedstaaten ausdrücklich ermächtige, in den durch die Richtlinie geregelten Punkten strengere Bestimmungen zu erlassen oder beizubehalten, um ein höheres Schutzniveau für die Verbraucher zu gewährleisten. Artikel 13 der Richtlinie, wonach Ansprüche, die ein Geschädigter u.a. aufgrund einer zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der Richtlinie bestehenden besonderen Haftungsregelung geltend machen kann, durch diese nicht berührt werden, könne nicht dahin ausgelegt werden, dass er den Mitgliedstaaten die Möglichkeit lasse, eine allgemeine Regelung der Haftung für fehlerhafte Produkte beizubehalten, die von der in der Richtlinie vorgesehenen Regelung abweiche. Die durch Artikel 4 der Richtlinie eingeführte Regelung, wonach der Geschädigte Schadensersatz verlangen könne, wenn er den Schaden, den Fehler des Produktes und den ursächlichen Zusammenhang zwischen diesem Fehler und dem Schaden beweist, schließe aber nicht die Anwendung anderer Regelungen der vertraglichen oder außervertraglichen Haftung aus, die wie die Haftung für verdeckte Mängel oder für Verschulden auf anderen Grundlagen beruhten (EuGH, Urteil vom 25.4.2002 - C-52/00 -, juris Rn. 16 ff.).

Von der Vollharmonisierung ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs auch die Regelung des Schuldners der in Artikel 1 der Richtlinie vorgesehenen Gefährdungshaftung umfasst. Diesbezüglich hat der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 10. Januar 2006 (- C-402/03 -, juris) ausgeführt:

"27. Die Gründe, aus denen es angebracht erschien, sich für die Haftung des Herstellers zu entscheiden, werden in Artikel 1 Buchstabe e der Begründung des Vorschlags einer Richtlinie (Dokument KOM[76] 372 endg. [ABl. C 241, S. 9]) dargelegt, auf die die dänische Regierung Bezug genommen hat. Diese Gründe, die sich auf die Artikel 1 und 2 dieses Vorschlags beziehen, die ohne sachliche Änderung zu den Artikeln 1 und 3 der Richtlinie geworden sind, lassen sich wie folgt zusammenfassen.

28. Zwar wird anerkannt, dass die Möglichkeit, den Lieferanten eines fehlerhaften Produktes in der Art, wie es die Richtlinie vorsieht, haftbar zu machen, die Verfolgung der Rechte des Geschädigten erleichtern würde, es wird aber festgestellt, dass diese Erleichterung teuer würde erkauft werden müssen, da jeder Lieferant sich gegen eine solche Haftung würde versichern müssen, was zu einer starken Verteuerung der Produkte führen würde. Darüber hinaus würde diese Erleichterung zu einer zahlenmäßigen Zunahme der Klagen führen, da der Lieferant seinerseits seinen eigenen Lieferanten bis hin zum Hersteller in Anspruch nehmen würde. Da der Lieferant in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle lediglich das gekaufte Produkt unverändert weitergebe und nur der Hersteller die Möglichkeit habe, auf die Qualität des Produktes einzuwirken, wird es als angebracht angesehen, die Haftung für fehlerhafte Produkte auf den Hersteller zu konzentrieren.

29. Aus diesen Erwägungen geht hervor, dass nach Abwägung der jeweiligen Rollen der verschiedenen in den Herstellungs- und Vertriebsketten tätig werdenden Wirtschaftsteilnehmer die Entscheidung getroffen wurde, die Haftung für durch fehlerhafte Produkte verursachte Schäden in der durch die Richtlinie geschaffenen rechtlichen Regelung grundsätzlich dem Hersteller und nur in einigen beschränkten Fällen dem Importeur und dem Lieferanten aufzubürden.

30. Entgegen der von den Geschädigten und von der dänischen Regierung vertretenen Auffassung beschränken die Artikel 1 und 3 der Richtlinie sich also nicht darauf, die Haftung des Herstellers eines fehlerhaften Produktes zu regeln, sondern bestimmen unter den an den Herstellungs- und Vertriebsvorgängen berufsmäßig Beteiligten denjenigen, der die durch die Richtlinie eingeführte Haftung wird übernehmen müssen."

Die Richtlinie sei dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehe, nach der der Lieferant über die in Artikel 3 Absatz 3 der Richtlinie abschließend aufgezählten Fälle hinaus in die verschuldensunabhängige Haftung eintrete, die die Richtlinie einführe und dem Hersteller aufbürde (EuGH, Urteil vom 10.1.2006 - C-402/03 -, juris Rn. 45).

Gerade dies geschieht jedoch durch § 84 Absatz 1 Satz 1 AMG. Wird infolge der Anwendung eines zum Gebrauch bei Menschen bestimmten Arzneimittels, das im Geltungsbereich des Arzneimittelgesetzes an den Verbraucher abgegeben wurde und der Pflicht zur Zulassung unterliegt oder durch Rechtsverordnung von der Zulassung befreit worden ist, ein Mensch getötet oder der Körper oder die Gesundheit eines Menschen nicht unerheblich verletzt, so ist der pharmazeutische Unternehmer, der das Arzneimittel im Geltungsbereich des Gesetzes in den Verkehr gebracht hat, gemäß § 84 Absatz 1 Satz 1 AMG verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstandenen Schaden zu ersetzen.

Anders als die Produkthaftungsrichtlinie knüpft der deutsche Gesetzgeber in § 84 Absatz 1 Satz 1 AMG erneut nicht an die in der Richtlinie genutzten Begriffe des Herstellers, Importeurs (in die Gemeinschaft!) oder Lieferanten eines Arzneimittels an, sondern an den Begriff des pharmazeutischen Unternehmers, der das Arzneimittel im Geltungsbereich des Arzneimittelgesetzes in den Verkehr gebracht hat. Hierin läge - jedenfalls soweit es um eine Haftung des Parallelvertreibers (ohne Umpacken) geht - eine unzulässige Abweichung von den Bestimmungen der Produkthaftungsrichtlinie, weil hierdurch der Kreis der im Rahmen der Gefährdungshaftung haftenden Personen erweitert würde.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Artikel 13 der Produkthaftungsrichtlinie 85/374/EWG, selbst wenn man davon ausgeht, dass es sich bei § 84 AMG um eine zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der Richtlinie bereits bestehende besondere Haftungsregelung handelt. Denn diesbezüglich hat die Klägerin zutreffend darauf hingewiesen, dass der Parallelvertreiber erst seit einem Zeitpunkt nach der Bekanntgabe der Richtlinie - nämlich seit der Neufassung von § 4 Absatz 18 Satz 2 AMG mit Wirkung zum 29. Juli 2017 - unter den Begriff des pharmazeutischen Unternehmers fällt und in der Folge nach § 84 AMG haften soll, sodass in Bezug auf den Parallelvertreiber von einer bereits bestehenden Haftungsregelung keine Rede sein kann.

Zwar ist dem Beklagten darin zuzustimmen, dass auch durch den Parallelvertrieb Risiken entstehen, die potentiell zu einem Schadenseintritt führen können und dem Parallelvertreiber zuzurechnen sind. Abgesehen davon, dass sich diese Gefahr im Falle des Umpackens noch um ein Vielfaches erhöht, weil zahlreiche potentielle Fehlerquellen hinzutreten, rechtfertigt dieser Umstand es aber noch lange nicht, den Parallelvertreiber (ohne Umpacken) der Gefährdungshaftung nach dem Arzneimittelgesetz für von dem Arzneimittel selbst ausgehende Gefahren zu unterwerfen. Eine Haftung des Parallelvertreibers nach anderen - ggf. zivilrechtlichen - Vorschriften käme hingegen selbstverständlich in Betracht.

cc) Aus alledem ergibt sich, dass der Begriff des pharmazeutischen Unternehmers i.S.d. § 4 Absatz 18 Satz 2 AMG dahingehend zu verstehen ist, dass dieser Parallelvertreiber, die - wie die Klägerin - die von ihnen vertriebenen Arzneimittel nicht umpacken, nicht erfasst. Dies gilt zumindest, soweit es um die nach dem Arzneimittelgesetz vorgeschriebenen Kennzeichnungspflichten und die Gefährdungshaftung nach § 84 Absatz 1 AMG geht.

dd) Ob die Klägerin darüber hinaus auch in ihrer Berufsausübungsfreiheit (Artikel 12 Absatz 1 des Grundgesetzes) sowie in ihrem Recht auf Gleichbehandlung (Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes) verletzt ist, kann vor diesem Hintergrund offenbleiben.

b) Die Rechtswidrigkeit des Grundverwaltungsakts hat zur Folge, dass auch die Kostenentscheidung aus dem Bescheid vom 31. Juli 2018 rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt, § 113 Absatz 1 Satz 1 VwGO. Sie ist daher aufzuheben.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Absatz 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 der Zivilprozessordnung.

Gründe für eine Zulassung der Berufung gemäß § 124 Absatz 2 Nummern 3, 4 in Verbindung mit § 124a Absatz 1 Satz 1 VwGO liegen nicht vor.