Amtsgericht Salzgitter
Urt. v. 21.12.2009, Az.: 26 C 20/09

Bibliographie

Gericht
AG Salzgitter
Datum
21.12.2009
Aktenzeichen
26 C 20/09
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2009, 44894
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGSALZG:2009:1221.26C20.09.0A

Fundstelle

  • ZMR 2010, 650-651

Tenor:

  1. 1.

    Die Klage wird abgewiesen.

  2. 2.

    Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

  3. 3.

    Das Urteil ist wegen der Kosten für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung von 2.000,00 Euro vorläufig vollstreckbar.

  4. 4.

    Der Gegenstandswert wird auf die Gebührenstufe bis 13.000,00 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Klägerin und die Beklagten sind Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft X-Straße.

2

Mit Einladung der Verwalterin vom 29. Mai 2009 wurde eine ordentliche Eigentümerversammlung auf den 22.06.2009 anberaumt. Im Einladungsschreiben wurden u.a. folgende Tagesordnungspunkte festgelegt:

  1. TOP 7:

    Aussprache und Beschlussfassung über die Erhöhung der jährlichen Rücklage, Zuführung von derzeit 10.000,00 Euro auf 15.000,00 Euro,

  2. TOP 8:

    Genehmigung des Haushaltsplanes 2009,

  3. TOP 11:

    Aussprache und Beschlussfassung über die Erneuerung der Wohnungstüren, ggf. Beschlussfassung über die Finanzierung der Maßnahme.

3

Die in Liquidation befindliche Klägerin nahm an der anberaumten Wohnungseigentümerversammlung nicht teil. Sie erteilte der Hausverwalterin mit Schreiben vom 22.06.2009 zu den abstimmungsrelevanten Tagesordnungspunkten Vollmacht mit entsprechender Weisung. Unter anderem wies sie die Verwalterin an, dem Tagesordnungspunkt 7 nicht zuzustimmen. Hinsichtlich des Tagesordnungspunktes 8 wurde im Wege des angedachten Abstimmungsverhaltens der Haushaltsplan 2009 nur unter der Bedingung genehmigt, dass die Position Rücklagen auf 10.000,00 Euro reduziert werde. Zum Tagesordnungspunkt 11 sollte die Zustimmung der Klägerin nur unter der Auflage erfolgen, dass eine strikte Trennung der Instandhaltungsrücklage des gewerblichen Eigentümers (der Klägerin) zukünftig von der Instandhaltungsrücklage der Wohnungseigentümer getrennt erteilt werde.

4

Dem liegt zugrunde, dass die Klägerin einen SB-Verbrauchermarkt in den Räumlichkeiten betreibt und im Übrigen die Wohnungseigentumsanteile zu Wohnzwecken genutzt werden.

5

In der Eigentümerversammlung vom 22. Juni 2009 wurde dann zu TOP 7 beschlossen: "Die Verwaltung schlägt den Wohnungseigentümern vor, eine gesonderte zweckgebundene Rücklage in Höhe von jährlich 2.500,00 Euro für die Erneuerung der Heizungsanlage anzusparen, die nur von den Wohnungseigentümern zu erbringen ist. Beschlussfassung: Ja 3341 Stimmen, Nein 0 Stimmen, Enthaltungen 5.581 Stimmen. Damit war der Vorschlag mehrheitlich genehmigt.

6

Zu Tagesordnungspunkt 8 wurde beschlossen: "Der Entwurf des Haushaltsplanes 2009 wurde den Miteigentümern mit der Einladung zu dieser Versammlung übersandt. Aufgrund der vorstehenden Beschlüsse zu TOP 7 beträgt die Position Rücklagen 10.000,00 Euro, eine gesonderte Position "zweckgebundene Rücklage Heizung" in Höhe von 2.500,00 Euro wird zusätzlich in den Haushaltsplan aufgenommen. Der Haushaltsplan hat somit eine Gesamtsumme in Höhe von 53.900,00 Euro. Er tritt am 1. August 2009 in Kraft und bleibt so lange gültig, bis ein neuer Haushaltsplan beschlossen wurde."

7

Zu Tagesordnungspunkt 11 wurde beschlossen: "Die Versammlung beschließt die Einzahlung einer rückzahlbaren, aber unverbindlichen Liquiditätshilfe in Höhe von 8.000,00 Euro, die von den 20 Wohnungseigentümern zu gleichen Teilen, also jeweils 400,00 Euro zu zahlen ist. Die Zahlung sollte erfolgen bis spätestens 30.11.2009. Damit ist die Möglichkeit gegeben, diese Zahlung in bis zu 4 Teilbeträgen zu tilgen. Die Rückzahlung kann erst nach einem entsprechenden Beschluss der Eigentümergemeinschaft erfolgen, wenn unter Berücksichtigung von anstehenden Instandhaltungsaufwendungen ausreichend liquide Mittel verfügbar bleiben."

8

Gegen die vorgenannten Beschlüsse hat die Klägerin Anfechtungsklage erhoben, die, bei Gericht am 22. Juli 2009 eingegangen ist. Sie begehrt, die Beschlüsse zu den Tagesordnungspunkten 7, 8 und 11 für ungültig zu erklären. Hintergrund der angefochtenen Beschlussfassungen in der Wohnungseigentümerversammlung war die Erneuerung von Wohnungstüren, die Abdichtung von Terrassenböden und die Erneuerung einer Heizungsanlage. In dem Objekt befanden sich zwei Heizungsanlagen. Eine Heizungsanlage versorgte die von der Klägerin genutzte Gewerbeeinheit und die zweite Heizungsanlage die Wohnungen der Beklagten. Es sollte hier lediglich die Heizungsanlage, die die Wohnungen betraf, erneuert werden. Dafür sollte die in TOP 7 angesprochene Rücklage gebildet werden.

9

Die Klägerin ist der Ansicht, ihr könne nicht zugemutet werden, formal rechtswidrige WEG-Beschlüsse hinzunehmen. Die angegriffenen Beschlüsse seien nicht von den zuvor mitgeteilten Tagesordnungspunkten mit umfasst und es sei zu befürchten, dass die Klägerin bei einer Rückerstattung oder Auskehrung wirtschaftlich belastet werde.

10

Die Klägerin beantragt,

  1. 1.

    Der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 22.06.2009 zum Tagesordnungspunkt 7: "Die Wohnungseigentümer beschließen eine gesonderte zweckgebundene Rücklage in Höhe von jährlich 2.500,00 Euro für die Erneuerung der Heizungsanlage anzusparen, die nur von den Wohnungseigentümern zu erbringen ist", wird für ungültig erklärt.

  2. 2.

    Der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 22.06.2009 zum Tagesordnungspunkt 8: "Die Eigentümer beschließen im Rahmen des als Anlage beigefügten Haushaltsplans 2009 eine gesonderte Position "zweckgebundene Rücklage Heizung" in Höhe von 2\500,00 Euro, welche zusätzlich in den Haushaltsplan aufgenommen wird, mit der Folge, dass der Haushaltsplan somit seine Gesamtsumme in Höhe von 53.900,00 Euro hat und am 01.08.2009 in Kraft tritt und so lange gültig bleibt, bis ein heuer Haushaltsplan beschlossen wird", wird für ungültig erklärt.

  3. 3.

    Der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 22.06.2009 zum Tagesordnungspunkt 11: "Die Eigentümer beschließen die Einzahlung einer rückzahlbaren, aber unverzinslichen Liquiditätshilfe in Höhe von 8.000,00 Euro, die von den 20 Wohnungseigentümern zu gleichen Teilen, also jeweils 400,00 Euro zu zahlen ist und die Zahlung bis spätestens bis zum 30.11.2009 erfolgen soll", wird für ungültig erklärt.

11

Die Beklagten beantragen,

  1. die Klage abzuweisen.

12

Sie sind der Ansicht, die Klägerin werde durch den Geschäftsführer der Liquidatoren nicht ordnungsgemäß vertreten. Die Anfechtungsklage sei damit nicht wirksam innerhalb der Anfechtungsfrist erhoben. Weiter fehle der Klägerin das für die Klage erforderliche Rechtsschutzbedürfnis.

Entscheidungsgründe

13

Die Anfechtungsklage der Klägerin ist durch den Liquidator zwar rechtzeitig innerhalb der Monatsfrist des § 46 Abs. 1 WEG erhoben worden. Die Anfechtungsklage ist aber mangels Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin für die Klage abzuweisen. Auf die Frage, ob die Klägerin durch den Liquidator bei der Klageerhebung ordnungsgemäß vertreten worden ist, kommt es danach nicht mehr an.

14

In TOP 7 wurde beschlossen, eine gesondert zweckgebundene Rücklage in Höhe von jährlich 2.500,00 Euro für die Erneuerung der Heizungsanlage anzusparen, die nur von den Wohnungseigentümern zu erbringen war. Durch diesen Beschluss ist die Klägerin nicht nur belastet, sondern sogar bevorzugt. Beide Heizungsanlagen, die in dem Objekt vorhanden sind, stehen im Gemeinschaftseigentum. Dies hat zur Folge, dass bei Reparaturbedarf grundsätzlich alle Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft zur anteiligen Übernahme der Reparaturkosten verpflichtet wären. Der angefochtene Beschluss ändert dies aber gerade zum Vorteil der Klägerin ab und legt die Umlage nur den Wohnungseigentümern, aber nicht den gewerblichen Nutzern auf. Irgendwelche Nachteile für die Klägerin im Rahmen der Rückerstattung oder Auskehrung von nicht verbrauchten Geldern sind für das Gericht nicht ersichtlich oder auch nur denkbar.

15

Zwar ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (NJW 2003, 3124 [BGH 17.07.2003 - V ZB 11/03]) ein Rechtsschutzbedürfnis im Beschlussanfechtungsverfahren im Regelfall nicht zu prüfen. Dadurch wird es jedoch nicht ausgeschlossen, dass ein Antrag auf Ungültigerklärung eines Eigentümerbeschlusses im Einzelfall wegen Rechtsmissbrauch unzulässig sein kann. Ein solches rechtsmissbräuchliches Verhalten liegt hier vor, da die Klägerin durch die von ihr gewünschte Handhabung ausschließlich Nachteile erleiden würde und die übrigen Wohnungseigentümer mit der bisherigen Umlegungsweise einverstanden waren.

16

Aus diesem Grunde ist ebenso auch die Klage hinsichtlich des Beschlusses zu Tagesordnungspunkt 8 der Eigentümerversammlung vom 22.06.2009 zurückzuweisen. Sie stellt diese Haltungsrücklage lediglich in den gesamten Haushaltsplan ein.

17

Gleiches gilt auch für den Beschluss vom 22.06.2009 zum Tagesordnungspunkt 11. Mit der hier aufgeführten Liquiditätshilfe in Höhe von 8.000,00 Euro sollten weitere Instandsetzungsmaßnahmen, insbesondere Reparaturen an Wohnungseingangstüren finanziert werden. Auch hier handelte sich um eine Sonderumlage. Auch diese Sonderumlage betraf die Klägerin nicht. Die Liquiditätshilfe sollte ausschließlich von den 20 Wohnungseigentümern und nicht der Klägerin aufgebracht werden. Auch hier wäre also eine andere Handhabung ausschließlich zum Nachteil der Klägerin.

18

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in § 709 ZPO.

19

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 49 a Abs. 2 GKG. Richtet sich eine Klage, wie hier gegen die übrigen Wohnungseigentümer, darf der Streitwert danach maximal das 5-fache des Wertes ihres Interesse sowie des Interesses der auf ihrer Seite Beigetretenen betragen. Weiter darf der Wert in keinem Fall dem Verkehrswert des Wohnungseigentums des Klägers und der auf seiner Beigetretenen übersteigen. Im vorliegenden Fall hat die Klägerin mit 5.581 von 10.000 Stimmen (eine Stimme für jeweils 1/10.000 Miteigentumsanteil) ein Interesse zumindest in Höhe von 55,81 % der Klageforderung. Da hier aber die gesamte Beschlussfassung angegriffen wird, erscheint es gerechtfertigt, nicht den 5-fachen, sondern nur den einfachen Wert der Rücklagen in Ansatz zu bringen.