Amtsgericht Cuxhaven
Urt. v. 22.07.2014, Az.: 5 C 58/14

Allgemeine Geschäftsbedingungen; Inhaltskontrolle; Mietvertrag; Präsentationsvertrag; Werkvertrag

Bibliographie

Gericht
AG Cuxhaven
Datum
22.07.2014
Aktenzeichen
5 C 58/14
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2014, 42482
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, nach der bei einem als "Präsentationsservice-Systemvertrag" bezeichneten Werkvertrag mit mietvertraglichen Elementen die Hälfte der vom Kunden insgesamt geschuldeten Leistung bereits mit Vertragsschluss fällig wird, benachteiligt den Kunden unbillig und ist daher gemäß § 307 BGB nichtig.

Tenor:

1. Die Klage wird als derzeit unbegründet abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt Zahlung von 4.046 € vom Beklagten aus einem „Präsentationsservice-System-Vertrag“.

Der Beklagte ist Inhaber des Restaurants „---“ in ---. Die Parteien schlossen am 08.08.13 einen „Präsentationsservice-System-Vertrag“, durch den sich die Klägerin verpflichtete, für den Beklagten eine Werbepräsentation zu erstellen und zu deren Präsentation die Schaufensterscheibe im Restaurant des Beklagten zu präparieren und einen Laptop nebst Beamer für die Zeit von 24 Monaten zur Verfügung zu stellen. Die Rechte an der Präsentation sollten mit Ablauf der Vertragslaufzeit an den Beklagten übergehen, das Eigentum am Laptop sowie am Beamer sollte bei der Klägerin verbleiben. Der Beklagte verpflichtete sich, eine einmalige Anschlussgebühr in Höhe von 280 € netto sowie eine monatliche Pauschale in Höhe von 260 € netto zu zahlen. Auf der Vorderseite der Vertragsurkunde, direkt unter dem monatlich vereinbarten Entgelt, befindet sich der Hinweis in Fettdruck: „Zahlweise:“ und nachfolgend in normaler Schriftgröße „jährlich im Voraus (vgl. § 1 AGB)“. § 1 der AGB lautet:

„§ 1Vorleistungspflicht der anderen Vertragspartei, Fälligkeit

(1) Das vereinbarte Entgelt ist jährlich im Voraus fällig. Der Berechnungszeitraum beginnt mit dem Datum der Unterschrift unter diesem Vertrag. Das nach diesem Vertrag geschuldete Entgelt ist am Tag des Vertragsschlusses und am selben Tag des folgenden Abrechnungszeitraums im Voraus fällig.“

Nach Vertragsschluss wurde am 20.09.13 ein „Medienberatungsgespräch“ zwischen dem Beklagten und der Klägerin durchgeführt, in dem der Umfang und der Inhalt der Präsentation festgelegt wurden. Zur Montage von Beamer und Laptop durch die Klägerin und zu einer Zahlung durch den Beklagten kam es nicht. Der Beklagte bot der Klägerin in einem nachfolgenden Gespräch an, eine Hälfte eines Jahresentgelts sogleich und die weitere Hälfte nach der Lieferung und Abnahme des Werkes zu zahlen. Ob die Klägerin dieses Angebot annahm, ist zwischen den Parteien streitig.

Nach Ansicht der Klägerin ist der Beklagte nach § 1 der AGB des „Präsentationsservice-System-Vertrags“ verpflichtet, die monatliche Pauschale jeweils und die Anschlussgebühr einmalig für ein Jahr im Voraus zu zahlen. Da der Beklagte trotz Vorleistungspflicht nicht gezahlt habe, stehe der Klägerin ein Zurückbehaltungsrecht zu. Die Klägerin behauptet, sie habe den Vorschlag des Beklagten angenommen, dass zuerst nur die eine Hälfte gezahlt werde und nach der Montage die andere Hälfte. Die erste Hälfte habe der Beklagte jedoch nicht gezahlt, sodass die Klägerin die Montage abgesagt habe.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 4.046 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.11.13 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Auffassung, nicht vorleistungspflichtig zu sein. Bei dem mit der Klägerin abgeschlossenen Vertrag handele es sich um einen Werkvertrag, bei dem der Werkunternehmer, also die Klägerin, vorleistungspflichtig sei. Eine Vorleistungspflicht seinerseits habe nie bestanden. Zwar sähen die Vertragsunterlagen vor, dass ein monatliches Entgelt jährlich im Voraus zahlbar sei. Dies beinhalte jedoch nicht die Vereinbarung, dass die Klägerin das Entgelt auch schon vor der Zurverfügungstellung der von ihr geschuldeten Leistung verlangen könne. Mangels Montage des Laptops und des Beamers sowie der Präparierung der Schaufensterscheibe habe keine Abnahme durch den Beklagten stattgefunden. Auch aus § 1 der AGB ergebe sich keine Vorleistungspflicht des Beklagten. Es handele sich um eine überraschende Klausel im Sinne des § 305c BGB, die somit nicht Vertragsbestandteil geworden sei. Schließlich habe die Klägerin den vom Beklagten gemachten Vorschlag der hälftigen Zahlung nicht angenommen. Ein Montagetermin sei nicht vereinbart worden.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze und das Protokoll der mündlichen Verhandlung (Bl. 39) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber derzeit unbegründet. Der geltend gemachte Anspruch ist nicht fällig.

Die Fälligkeit des Anspruchs richtet sich nach §§ 641 Abs. 2, 631 Abs. 1  BGB und tritt daher erst mit Abnahme des von der Klägerin zu erstellenden Werks ein. Der von den Parteien geschlossene Vertrag ist als Werkvertrag mit mietvertraglichen Elementen zu qualifizieren. Im Mittelpunkt des von den Parteien verfolgten Zieles stand die Erstellung einer Werbepräsentation. Diese sollte dann mit einem Beamer auf die durch die Klägerin besonders präparierte Schaufensterscheibe des Beklagten projiziert werden. Beim Werbevertrag ist zwischen Werk- und Dienstvertrag abzugrenzen. Kriterium hierbei ist, ob ein individualisierbares Werk oder eine Arbeitsleistung, also eine vielfältige Tätigkeit geschuldet wird. Zwar spricht das pauschalierte monatliche Entgelt hier für einen Dienstvertrag, im Mittelpunkt stand aber die Erstellung der Präsentation. Der von den Parteien geschlossene Vertrag ist damit als Werkvertrag zu qualifizieren, weil die Präsentation ein individualisierbares Werk darstellt (vgl. für die Videowerbung auf einem Videoboard BGH, Urt. v. 26.03.2008, NJW-RR 08, 1155 [BGH 26.03.2008 - X ZR 70/06]).

Zu berücksichtigen ist daneben, dass die Klägerin zusätzlich zur Präsentationserstellung dem Beklagten einen Beamer und einen Laptop als Abspielgeräte zur Verfügung stellen sollte. Weil der Vertrag hierzu ausdrücklich vorsieht, dass die Nutzungs- und Urheberrechte an der Präsentation nach dem Ende der Laufzeit des Vertrages an den Beklagten übergehen, das Eigentum an den Abspielgeräten jedoch bei der Klägerin verbleiben, liegt hier eine entgeltliche Gebrauchsüberlassung an den Geräten vor. Der von den Parteien geschlossene Werkvertrag hat insoweit also auch mietvertragliche Elemente. Diese sind für die Frage der Fälligkeit aber nicht von Bedeutung.

Es liegt auch keine wirksame abweichende Vereinbarung der Parteien über die Fälligkeit vor. Soweit die Klägerin sich auf das Bestehen einer teilweisen Vorleistungspflicht seitens des Beklagten aus einer Individualvereinbarung beruft, ist sie beweisfällig geblieben. Sie hat für ihre Behauptung, sie habe dem Angebot des Beklagten zugestimmt, die Hälfte der jährlichen Pauschale vor Abnahme zu zahlen, keinen Beweis angetreten. Die Voraussetzungen einer Parteivernehmung von Amts wegen liegen nicht vor. Das würde voraussetzen, dass nach dem bisherigen Stand des Verfahrens das Zustandekommen der Vereinbarung wahrscheinlicher ist als das Nichtzustandekommen (Greger, in: Zöller, Komm. z. ZPO, 30. Aufl. 2014, § 448 ZPO Rn 4). Das ist aber nicht der Fall.

Auch aus § 1 der allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin ergibt sich entgegen ihrer Auffassung keine Vorleistungspflicht des Beklagten.

Dabei kann dahinstehen, ob es sich um eine überraschende Klausel gemäß § 305c BGB handelt. Denn die Klausel hält schon einer Überprüfung nach der Generalklausel des 307 Abs. 1 nicht stand. Die Überprüfung der Wirksamkeit einer Klausel in AGB, die eine Vorleistungspflicht des Kunden begründet, richtet sich nach den Maßgaben des § 307 BGB. Danach ist eine Klausel, die den Kunden abweichend von der gesetzlichen Regelung zur Vorleistung verpflichtet, nur zulässig, wenn für sie ein sachlich rechtfertigender Grund gegeben ist und den berechtigten Interessen des Kunden hinreichend Rechnung getragen wird, insbesondere keine überwiegenden Belange des Kunden entgegenstehen. Diese Maßstäbe gelten auch, wenn die AGB wie hier gegenüber einem Unternehmer verwendet werden, wobei den Besonderheiten des unternehmerischen Verkehrs im Rahmen der nötigen Interessenabwägung Rechnung getragen werden muss.

Der Grundsatz der Leistung Zug um Zug gehört zu den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, weil er eine gleichmäßige Sicherheit für beide Vertragsparteien gewährleistet. Durch eine Vorleistungspflicht wird dem Kunden das Druckmittel der Einrede des nicht erfüllten Vertrags für die Durchsetzung seines Anspruchs auf vertragsgerechte Erfüllung genommen und das Risiko der Leistungsunfähigkeit seines Vertragspartners aufgebürdet. Dies gilt noch in erhöhtem Maß für das Werkvertragsrecht, weil bei diesem Vertragstyp die Fälligkeit noch von der Abnahme als weiterer Voraussetzung abhängt. Die Notwendigkeit der Abnahme schützt den Besteller davor, dass der Unternehmer das geschuldete Werk überhaupt nicht oder nicht in vertragsgerechter Weise erstellt. Vor diesem Hintergrund bedarf es im Rahmen der bei der Überprüfung nach § 307 BGB anzustellenden umfassenden Interessenabwägung eines sachlichen Grundes für die Verwendung einer Vorleistungsklausel. Das gilt regelmäßig auch dann, wenn der Kunde Unternehmer ist (zum Ganzen s. BGH, Urt. v. 04.03.2010, NJW 2010, 1449, 1450 [BGH 04.03.2010 - III ZR 79/09]).

Von den werkrechtlichen - und mietrechtlichen - Grundgedanken der §§ 641, 579 Abs. 1 BGB wurde hier derart abgewichen, dass eine unbillige Benachteiligung des Unternehmers vorliegt. Grundsätzlich wird die Vergütung des Unternehmers erst mit der Abnahme des Werkes fällig. Die bei der Prüfung der Zulässigkeit der vereinbarten Abweichung von diesem Grundsatz anzustellende Interessenabwägung zwischen den Interessen des Unternehmers und denen des Bestellers fällt zulasten der Klägerin aus.

Ein sachlicher Grund zu Gunsten des Unternehmers kann zwar eine Vertragsgestaltung sein, bei der die wesentliche Werkleistung des Unternehmers schon zu Beginn der Vertragslaufzeit erbracht wird (BGH a.a.O). Auch im vorliegenden Fall wird ein Teil der Werkleistung, nämlich die Erstellung der Präsentation, schon zu Beginn der zweijährigen Vertragslaufzeit erbracht. Jedoch wird in der hiesigen Vertragsgestaltung nicht nur ein Drittel, sondern sogar die Hälfte der Vergütung schon vor der Werkleistung des Unternehmers fällig. Das Interesse der Klägerin an der Vorleistung vermag die Nachteile für den Beklagten aber nicht zu rechtfertigen. Die Erstellung der Präsentation zu Beginn der Vertragslaufzeit allein ist kein hinreichender Grund, um eine solch hohe Vorleistungspflicht rechtfertigen zu können. Die Klägerin hat auch nicht im Einzelnen dargelegt, welche der geschuldeten Leistungen sie bereits vor der Abnahme erbringt und welche Kosten ihr dafür entstehen. Sie trägt dazu lediglich pauschal vor, sie erbringe einen ganz wesentlichen Teil ihrer Leistungen bereits unmittelbar nach Vertragsschluss. In dieser Allgemeinheit lässt sich daraus nicht der Schluss ziehen, dass sie ein überwiegendes Interesse an der Vorauszahlung einer Jahrespauschale noch vor Abnahme hat. Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, sie müsse durch die Vorleistung davor geschützt werden, dass der Beklagte die Abnahme zu Unrecht verweigern könnte. Denn zur Abnahme eines wie geschuldet erbrachten Werks ist der Besteller gemäß § 640 Abs. 1 BGB verpflichtet, es handelt sich dabei sogar um eine vertragliche Hauptpflicht (Sprau, in: Palandt, Komm. z. BGB, 73. Aufl. 2014, § 640 BGB Rn 8). Hinzu kommt, dass der Unternehmer die Fiktion der (zu Unrecht verweigerten) Abnahme eines abnahmefähigen Werks durch Fristsetzung gemäß § 640 Abs. 1 S. 3 BGB herbeiführen kann. Die Klägerin ist durch diese gesetzliche Regelung ausreichend vor der unberechtigten Verweigerung der Abnahme geschützt und insoweit nicht auf die Vorauszahlung des Beklagten angewiesen. Auch dass der Beklagte hier noch die Möglichkeit hat, den Teil der Werkleistung, welcher die Präsentationserstellung darstellt, bei mangelhafter Ausführung sanktionieren zu können, etwa im Rahmen einer Kündigung oder durch Zurückbehalten des zweiten Teils des Werklohns, wiegt den Nachteil der hohen anteiligen Vorleistungspflicht hier nicht auf.

Darüber hinaus sind auch die mietvertraglichen Elemente des Vertrages bei der Gesamtwürdigung zu berücksichtigen. Gemäß § 579 Abs. 1 BGB ist die Miete für bewegliche Sachen, jeweils zum Ende der einzelnen Zeitabschnitte zu entrichten, nach denen sie bemessen ist. Zwar kann auch von der Vorleistungspflicht des Vermieters zu Lasten des Mieters in AGB ohne Verstoß gegen § 307 BGB abgewichen werden (BGHZ 127, 245, Tz. 13 hier noch zur alten Rechtslage über Wohnraummiete, die aber der heutigen zur Miete über bewegliche Gegenstände iSd. § 579 Abs. 1 BGB entsprach). Ein wesentlicher Grund für die Zulässigkeit war in der dortigen Entscheidung jedoch, dass die Vorleistungspflicht wie im Regelfall nur für einen Monat im Voraus zu entrichten war (BGH aaO. Tz. 13, zit nach juris). Der vorliegende sehr lange Zeitraum von einem Jahr schlägt sich im Rahmen der Interessenabwägung aber zu Lasten der Klägerin als Verwenderin der AGB nieder. Denn der Mieter ist essentiell darauf angewiesen, im Rahmen des Mietverhältnisses Störung wirksam und kurzfristig sanktionieren zu können. So läuft vor allem die gesetzliche Mietminderung bei Sachmängeln, wie sie in § 536 Abs. 1 BGB angeordnet wird, leer, wenn die Miete statt im Voraus der einzelnen vereinbarten Zeitabschnitte, nach denen sie bemessen ist, schon ein Jahr im Voraus fällig wird. Auch ist gerade im vorliegenden Fall bedeutsam, dass dem Beklagten an einer besonders schnellen Behebung etwaiger Mängel an den Mietsachen gelegen sein wird. Denn der Werbezweck des hier geschlossenen Vertrages kann nur dann erreicht werden, wenn die hier überlassenen Laptop und Beamer einwandfrei funktionieren. Demgegenüber hätte die Klägerin bis zur Fälligkeit der zweiten Rate kein unmittelbares wirtschaftliches Interesse, Mängel an den Mietsachen unverzüglich zu beheben. Besonders bedeutsam wird dies im zweiten Vertragsjahr, in welchem dem Beklagten nach erbrachter Vorausleistung keine ausreichend wirksamen Sanktionsmechanismen mehr zur Seite stünden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 11 Alt. 2 ZPO.