Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 19.04.2013, Az.: 1 W 13/13

Rechtfertigung eines Eingriffs in das Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters auf Grund von Sicherungseigentum

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
19.04.2013
Aktenzeichen
1 W 13/13
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2013, 51647
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2013:0419.1W13.13.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Osnabrück - 05.04.2013 - AZ: 3 O 852/13

In der Beschwerdesache
K .... Verwaltungsgesellschaft mbH & Co. KG, ............................., ...... H .... ,
vertreten durch die Komplementärin K .... Geschäftsführungs GmbH,
diese vertreten durch den Geschäftsführer ... T ... K .... "
Antragstellerin und Beschwerdeführerin,
Verfahrensbevollmächtigte:
Rechtsanwälte S .... & P .... , ..............., ........H .... ,
Geschäftszeichen: ........................
gegen
Rechtsanwältin A .....K .... , ..................., .... O ..... ,
als Insolvenzverwalterin über das Vermögen der r .......... - Gesellschaft für F ............... mbH, ..............., ..... H .... ... ... ...
Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin,
hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
durch
den .......................... und die ............................ und ..................
am 9. April 2013
beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück vom 5.4.2013 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren und das einstweiligen Verfügungsverfahren erster Instanz wird auf bis 10.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt unter Hinweis auf ihr durch Sicherungsübereignungsvertrag vom 14.10.2011 eingeräumtes Sicherungseigentum im Wege einstweiliger Verfügung eine Anordnung gegen die Antragsgegnerin als Insolvenzverwalterin über das Vermögen der r ...... - Gesellschaft für Fahrbahntechnik mbH, mit der der Antragsgegnerin unter Androhung von Ordnungsmitteln untersagt werden soll, bestimmte von der Sicherungsübereignung angeblich erfasste Gegenstände, Maschinen und Fahrzeuge zu verwerten, ohne zuvor die Unterrichtungs- und Mitteilungspflichten nach §§ 167, 168 InsO erfüllt und insbesondere der Antragstellerin ausreichende Gelegenheit zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach § 168 Abs. 3 InsO gegeben zu haben.

Die Antragsgegnerin hat sich vor Einleitung des einstweiligen Verfügungsverfahrens und im Rahmen des ihr vom Senat kurzfristig gewährten rechtlichen Gehörs darauf berufen, dass die Antragstellerin kein unanfechtbar wirksames Sicherungseigentum erworben habe, sondern aufgrund geltend gemachter Anfechtung nach §§ 129, 133 InsO die betreffenden Gegenstände und ihren Verwertungserlös der Masse zu überlassen habe.

Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Wegen der Einzelheiten der Begründung dieser Entscheidung wird auf den Beschluss des Landgerichts vom 5.4.2013 Bezug genommen.

Gegen diese Entscheidung des Landgerichts wendet sich die Antragstellerin mit der sofortigen Beschwerde, mit der sie ihren Verfügungsantrag weiter verfolgt.

Der zuständige Einzelrichter hat die Beschwerdeentscheidung nach § 568 Nr. 2 ZPO auf den Senat übertragen.

II.

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist nach § 567 Abs. 1 ZPO zulässig, in der Sache aber nicht begründet.

Es kann dabei dahingestellt bleiben, ob die von der Antragstellerin begehrte Anordnung den an die notwendige Bestimmtheit zu stellenden Anforderungen genügt und einen hinreichend vollstreckungsfähigen Inhalt hätte.

Der Senat kann im vorliegenden Fall auch offen lassen, ob und inwieweit die Regelungen über die Beaufsichtigung der Tätigkeit des Insolvenzverwalters bei Abwicklung des Insolvenzverfahrens durch das Insolvenzgericht und die dabei dem Insolvenzgericht zukommende Befugnis, gegen einen seine Pflichten verletzenden Insolvenzverwaltung vorzugehen und ggf. Zwangsgeld festzusetzen (vgl. § 58 InsO), einstweilige Verfügungen des Prozessgerichts ausschließen, die in diesen Aufgabenbereich eingreifen und Anordnungen für das formale Verhalten des Insolvenzverwalters bei der Insolvenzabwicklung vorsehen. Es ist dem Antragsteller zuzugestehen, dass eine abschließende und einstweilige Verfügungen des Prozessgerichts ausschließende Kompetenz des Insolvenzgerichts aus seiner Aufsichtspflicht über den Insolvenzverwalter jedenfalls zweifelhaft ist, wenn Streit und Unsicherheiten - wie im vorliegenden Fall - im Bereich des materiellen Rechts, etwa bei der Frage eines unanfechtbar erworbenen Sicherungseigentums, bestehen.

Entscheidend ist hier, dass aus dem Sicherungseigentum und einem daraus sich ergebenden Absonderungsrecht kein Verfügungsanspruch abgeleitet werden kann, der einen Eingriff in das dem Insolvenzverwalter nach § 166 Abs. 1 InsO zukommende umfassende Verwertungsrecht rechtfertigt, und dass - wie aus dem Gesamtzusammenhang der gesetzlichen Regelung abzuleiten ist - auch für eine entsprechende Regelungsverfügung, die in die Verwertungsbefugnisse des Insolvenzverwalters eingreift und diese einschränkt, kein Raum ist.

Dies ist in der Rspr. bereits für eine unter Hinweis auf eine Verletzung der Unterrichtungspflicht des Insolvenzverwalters und ein Abschneiden des Eintrittsangebots aus § 168 Abs. 3 InsO geltend gemachte einstweilige Verfügung entschieden worden, mit der eine Herausgabe des vermeintlichen Sicherungsguts an einen Sequester verlangt worden ist (vgl. OLG Celle ZInsO 2004, 42; zustimmend Gundlach/M.Schmidt EWiR 2004, 301; HK/Landfermann, InsO, 6. Aufl., § 168 InsO Rn. 6).

Es ist jedoch - auch bei einem angestrebten anderen Regelungsinhalt - grundsätzlich von einem Ausschluss einstweiliger Verfügung auszugehen, mit denen in die Verwertungsbefugnisse des Insolvenzverwalters eingegriffen und diese beschränkt werden sollen.

Der Insolvenzverwalter hat bei Bestehen eines Absonderungsrechts nach § 166 Abs. 1 InsO das alleinige Verwertungsrecht an beweglichen Sachen, die er in seinem Besitz hat. Das wirtschaftliche Interesse des Absonderungsberechtigten geht regelmäßig und typischerweise auf eine Verwertung des Absonderungsgegenstandes zu einem möglichst hohen Erlös. Den Interessen des Absonderungsberechtigten trägt das Gesetz durch die Unterrichtungs- und Mitteilungspflichten nach §§ 167, 168 InsO und das Recht zum Selbsteintrittsangebot Rechnung. Die Verwertungsbefugnisse des Insolvenzverwalters werden dadurch jedoch in keiner Weise eingeschränkt. Er kann von einer vom Absonderungsberechtigten aufgezeigten anderweitigen Verwertungsmöglichkeit Gebrauch machen oder den angebotenen Selbsteintritt des Absonderungsberechtigten zulassen. Verpflichtet ist er hierzu unstreitig nicht. Er ist nach § 168 Abs. 2 InsO bei Ablehnung des Angebots lediglich verpflichtet, Nachteilsausgleich

an den Absonderungsberechtigten zu leisten. Hat der Insolvenzverwalter - wie auch hier geltend gemacht - seine Unterrichtungsverpflichtung nach § 168 Abs. 1 InsO (schuldhaft) verletzt und dem Absonderungsberechtigten (auch) die Möglichkeit eines Selbsteintrittsangebots abgeschnitten, ist er nach allseitiger Auffassung persönlich zum Schadensersatz nach § 60 InsO verpflichtet (vgl. dazu zusammenfassend HK/Landfermann, § 168 InsO Rn. 6; Uhlenbruck/Brinkmann, InsO, 13. Aufl., § 168 InsO Rn. 14, 15, m.w.N.).

Dieses gesetzliche Regelungskonzept ist als abschließend anzusehen, und auch weitergehende Sanktionen für (vermeintliche) Pflichtverletzungen des Insolvenzverwalters kommen nicht in Betracht.

Wenn der Insolvenzverwalter nicht verpflichtet ist, sich auf vom Absonderungsberechtigten präsentierte anderweitige Verwertungsmöglichkeiten einzulassen, und nach der dargestellten Gesamtregelung sein Verwertungsrecht vorgeht und uneingeschränkt ist, kann auch bei streitigem Absonderungsrecht vom vermeintlichen Absonderungsberechtigten nicht im Wege einstweiliger Verfügung in die vom

Insolvenzverwalter betriebene Verwertung des Sicherungsguts eingegriffen werden.

Es besteht auch kein anerkennenswertes Bedürfnis, über die in der InsO vorgesehenen Regelungen hinausgehende, weitergehende Sanktionen bei Nichtannahme von Verwertungsvorschlägen des Absonderungsberechtigten und Verletzung des Vorschlagsrechts des Absonderungsberechtigten zuzulassen. Den typischerweise allein vorhandenen und berechtigt erscheinenden finanziellen Interessen des Absonderungsberechtigten, einen möglichst hohen Erlös zu realisieren und eine weitestgehende Befriedigung seiner Forderung zu erreichen, wird hinreichend durch den Nachteilsausgleich und den ggf. eingreifenden Schadensersatzanspruch aus § 60 InsO gegen die Insolvenzverwalterin Rechnung getragen.

Davon ist auch im vorliegenden Fall auszugehen.

Ob Einzelfälle denkbar sind, in denen das gesetzliche Konzept nicht ausreicht und eine Kompensation durch Nachteilsausgleich oder Schadensersatz nicht genügt, bedarf für den vorliegenden Fall keiner abschließenden Klärung. Eine solche Fallkonstellation ist hier jedenfalls nicht ersichtlich und insbesondere von der Antragstellerin auch nicht dargelegt worden.

Nach alledem kommt die von der Antragstellerin begehrte einstweilige Verfügung, mit der sie die beabsichtigte Verwertung seitens der Insolvenzverwalterin einschränken bzw. aufhalten will, nicht in Betracht. Das Landgericht hat danach den Verfügungsantrag im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 48, 53 Abs. 1 GKG, 3 ZPO.