Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 07.07.2016, Az.: 1 Ws 333/16

Beantragung der Festsetzung von Prozesskostenhilfevergütung für Adhäsionsklagen; Anwaltliche Gebührenforderung in der selben Sache; Einheitlicher Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
07.07.2016
Aktenzeichen
1 Ws 333/16
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2016, 33241
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2016:0707.1WS333.16.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Osnabrück - 22.04.2016 - AZ: 2 KLs 1/14

Fundstelle

  • JurBüro 2017, 82-83

In der Strafsache
gegen
wegen
Verteidiger:
hier: Anträge des dem Angeklagten bestellten Verteidigers, Rechtsanwalt
, auf Festsetzung der Prozesskostenhilfevergütung betreffend
die Adhäsionsanträge
- der Eheleute
- des Herrn
-. des Herrn,
-. des Herrn,
alle vertreten durch Rechtsanwälte, -
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
am 7. Juli 2016
- zu 1. durch den Richter am Oberlandesgerichts Leemhuis als Einzelrichter, zu 2. durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Janßen, den Richter am Oberlandesgericht Leemhuis und den Richter am Landgericht Weigmann - beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Die Verfahren werden wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssachen dem Senat übertragen.

  2. 2.

    Die Beschwerden des dem Angeklagten bestellten Verteidigers gegen die Beschlüsse des Landgerichts Osnabrück vom 22. April 2016,

    durch den seine Erinnerungen gegen die Zurückweisungen seiner Vergütungsanträge für die bezeichneten Adhäsionsverfahren als unbegründet verworfen worden sind,

    werden als unbegründet verworfen.

    Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Gegen den Angeklagten und weitere Beschuldigte hatte die Staatsanwaltschaft Oldenburg vor dem Landgericht Osnabrück Anklage wegen Betruges zum Nachteil von Kapitalanlegern im Zusammenhang mit dem Erwerb von Photovoltaikanlagen erhoben. Während der laufenden Hauptverhandlung waren seitens dieser Kapitalanleger insgesamt 83 Adhäsionsanträge, darunter die hier maßgeblichen Anträge der Eheleute, des Herrn, des Herrn und des Herrn (Anträge 2.-5.), sowie ein Antrag der Eheleute (Antrag 1.) angebracht worden. Sämtliche der jeweils durch die Kanzlei M. angebrachten Adhäsionsanträge richteten sich gegen den Angeklagten und den Mitangeklagten. Mit Beschluss vom 15. Dezember 2015 hatte das Landgericht von einer Entscheidung über diese Adhäsionsanträge abgesehen.

Unter dem 21. Januar 2016 hat der dem Angeklagten auch für die Adhäsionsverfahren beigeordnete Rechtsanwalt die Festsetzung von Prozesskostenhilfevergütung wegen der oben bezeichneten Adhäsionsklagen in Höhe von jeweils insgesamt 1.087,66 Euro beantragt. Hinsichtlich des Antrages der Eheleute (Antrag 1.) setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle daraufhin am 25. Februar 2016 die Vergütung gemäß VV RVG Nr. 4143 (2,0 Gebühren) unter Zugrundelegung der sich aus der höchsten Wertstufe des § 49 RVG (über 30.000 Euro) ergebenden Gebühr (447,00 Euro) unter Absetzung der geltend gemachten Auslagenpauschale gemäß VV RVG Nr. 7002 (20,00 Euro) auf insgesamt 1.063,86 Euro fest. Im übrigen (Anträge 2.-5.) lehnte sie die Festsetzung mit der Begründung ab, es handele sich gebührenrechtlich um eine Angelegenheit mit mehreren Gegenständen, so dass dem Rechtsanwalt nur die nach dem Gesamtwert zu berechnenden Gebühren zustünden. Die Werterhöhungen - die Streitwerte für die Anträge 2.-5. betragen nach dem Beschluss des Landgerichts vom 30. Dezember 2015 87.829,41 Euro, 77.322,00 Euro, 88.082,80 Euro und 89.040,00 Euro - wirkten sich aber nicht aus, da bereits durch den Antrag zu 1. - Streitwert 87.893,27 Euro - der Höchstwert nach § 49 RVG erreicht sei.

Die hiergegen gerichteten Erinnerungen des Rechtsanwalts hat die 2. große Strafkammer (Wirtschaftsstrafkammer) des Landgerichts Osnabrück mit Beschlüssen des Einzelrichters vom 22. April 2016 als unbegründet verworfen. Gegen diese, erst am 2. Juni 2016 in den Geschäftsgang gelangten und dem Rechtsanwalt formlos übersandten Entscheidungen richten sich die Beschwerden des Rechtsanwalts vom 15. Juni 2016, auf die wie auch bezüglich der Erinnerungen und der angefochtenen Entscheidungen wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird. Das Landgericht hat den Beschwerden nicht abgeholfen und die Sachen dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die Rechtsmittel, über die der Senat nach Übertragung durch den Einzelrichter wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssachen gemäß §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 8 S. 2 RVG in voller geschäftsplanmäßiger Besetzung zu entscheiden hat, sind zwar zulässig, jedoch nicht begründet.

1.

Nach § 15 Abs. 2 RVG kann der Rechtsanwalt die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern. Mithin hängt die Beantwortung der Frage, ob der Beschwerdeführer die sich aus den jeweiligen Streitwerten ergebenden Gebühren gesondert verdient hat oder ob die - vorliegend durch die Festsetzung bezüglich des Adhäsionsantrages zu 1. bereits abgegoltene - Verfahrensgebühr sich aus dem Gesamtstreitwert berechnet, der sich aus der Addition sämtlicher geltend gemachter Einzelansprüche der Adhäsionskläger gemäß § 22 RVG ergibt, davon ab, ob die geltend gemachten Ansprüche der Adhäsionskläger eine Angelegenheit im Sinne der genannten Vorschriften sind.

Soweit hierzu die Auffassung vertreten wird, es handele sich bei der Abwehr von Adhäsionsansprüchen im Rahmen ein und desselben Strafverfahrens stets um dieselbe Angelegenheit, wobei es regelmäßig nicht darauf ankomme, wie viele Adhäsionskläger aufträten und wie viele Ansprüche erhoben würden (so OLG Brandenburg, Beschluss v. 17.02.2009, 2 Ws 8/09; in diese Richtung auch OLG Düsseldorf, Beschluss v. 12.12.2013, 1 Ws 416/13, beide bei ), vermag der Senat dem nicht zu folgen. Denn trotz der aus Gründen der Prozessökonomie und zur Durchsetzung der berechtigten Interessen des Opfers der Straftat erfolgten Anbindung an das Strafverfahren handelt es sich um die Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche, für die es deshalb auch insoweit auf die hierfür geltenden Maßstäbe ankommen muss (so auch OLG Stuttgart, Beschluss v. 18.12.2014, 2 Ws 74/14, StraFo 2015, 86).

Danach betreffen anwaltliche Leistungen in der Regel dieselbe Angelegenheit, wenn zwischen ihnen ein innerer Zusammenhang besteht und sie sowohl inhaltlich als auch in der Zielsetzung so weitgehend übereinstimmen, dass von einem einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit gesprochen werden kann. Die Annahme einer Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne setzt nicht voraus, dass der Anwalt nur eine Prüfungsaufgabe zu erfüllen hat. Von einem einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit kann vielmehr auch dann gesprochen werden, wenn der Anwalt zur Wahrnehmung der Rechte des Mandanten verschiedene, in ihren Voraussetzungen voneinander abweichende Anspruchsgrundlagen zu prüfen oder mehrere getrennte Prüfungsaufgaben zu erfüllen hat. Denn unter einer Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne ist das gesamte Geschäft zu verstehen, das der Rechtsanwalt für den Auftraggeber besorgen soll. Ihr Inhalt bestimmt den Rahmen, innerhalb dessen der Rechtsanwalt tätig wird.

Die Angelegenheit ist von dem Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit abzugrenzen, der das konkrete Recht oder Rechtsverhältnis bezeichnet, auf das sich die anwaltliche Tätigkeit bezieht. Eine Angelegenheit kann mehrere Gegenstände umfassen. Für die Annahme eines einheitlichen Rahmens der anwaltlichen Tätigkeit ist es grundsätzlich ausreichend, wenn die verschiedenen Gegenstände in dem Sinne einheitlich vom Anwalt bearbeitet werden können, dass sie verfahrensrechtlich zusammengefasst oder in einem einheitlichen Vorgehen geltend gemacht werden können. Ein innerer Zusammenhang liegt vor, wenn die verschiedenen Gegenstände bei objektiver Betrachtung und unter Berücksichtigung des mit der anwaltlichen Tätigkeit nach dem Inhalt des Auftrags erstrebten Erfolgs zusammengehören (vgl. zu alledem BGH, Urteil v. 08.05.2014, IX ZR 219/13, NJW 2014, 2126). Dieses ist, bezogen auf das Adhäsionsverfahren, regelmäßig zu bejahen, wenn die Ansprüche auf ein und demselben historischen Vorgang beruhen (vgl. OLG Hamburg, Beschluss v. 22.09.1983, 1 Ws 173/83, MDR 1984, 166), hingegen zu verneinen, wenn den Ansprüchen materiell-rechtlich verschiedene, auf einem neuen Tatentschluss beruhende Taten zu Grunde liegen (vgl. KG, Beschluss v. 16.03.2009, 1 Ws 11/09, bei ).

Vorliegend ist von einer Angelegenheit in diesem Sinne, wenn auch von mehreren Gegenständen, auszugehen. Der erforderliche innere Zusammenhang besteht, und die von dem Beschwerdeführer zu erbringenden Leistungen stimmten sowohl inhaltlich als auch in der Zielsetzung so weitgehend überein, dass von einem einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit gesprochen werden kann. Denn die Adhäsionskläger machten jeweils dem Angeklagten und dem Mitangeklagten falsche Angaben in dem Verkaufsprospekt der GmbH & Co. KG zum Vorwurf. Die Adhäsionsanträge enthalten deswegen auch für alle Adhäsionskläger einheitliche Ausführungen zu falschen Angaben in diesem Prospekt. Nur die Zahlungsanträge und auf den jeweils abgeschlossenen Darlehnsvertrag bezogenen Feststellungsanträge sind individuell auf die konkreten Ansprüche des einzelnen Adhäsionsklägers bezogen. Letzteres bedeutet jedoch nur, dass hier im Hinblick auf die unterschiedlichen individuellen Ansprüche der jeweiligen Adhäsionskläger unterschiedliche Gegenstände vorliegen, was dem Vorliegen derselben Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne jedoch nicht entgegensteht.

Bei dieser Sachlage spricht für die Annahme nur einer Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne schließlich auch, dass bei einer Geltendmachung der mit den Adhäsionsklagen verfolgten Ansprüche vor einem Zivilgericht eine Streitgenossenschaft im Sinne von § 60 ZPO zu bejahen wäre (vgl. Zöller, ZPO, 31. Aufl., § 60 Rz. 7; BGH, Urteil v. 08.05.2014, IX ZR 219/13, NJW 2014, 2126; der Beschluss des BGH v. 19.11.1991, X ARZ 10/91, NJW 1992, 981, steht nicht entgegen, weil dort auch unterschiedliche Beteiligte auf der Beklagtenseite) und in einem solchen Fall gebührenrechtlich nur eine Angelegenheit anzunehmen ist (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss v. 18.12.2014, 2 Ws 74/14, StraFo 2015, 86).

2.

Auch ein Anspruch auf die bislang nicht festgesetzte Auslagenpauschale gemäß VV RVG Nr. 7002 besteht nicht, da Straf- und Adhäsionsverfahren dieselbe gebührenrechtliche Angelegenheit betreffen und eine Auslagenpauschale bereits im Rahmen der Pflichtverteidigervergütung zu berücksichtigen war (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 12.12.2013, 1 Ws 416/13, bei ).

Nach alledem hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Landgerichts Osnabrück es zu Recht abgelehnt, eine über die bereits im Hinblick auf den Adhäsionsantrag zu 1. bewilligte hinausgehende Prozesskostenvergütung festzusetzen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 56 Abs. 2 S. 2 und 3 RVG.

Dr. Janßen
Weigmann
Leemhuis