Verwaltungsgericht Stade
Beschl. v. 27.05.2014, Az.: 1 A 69/14

Rechtmäßigkeit der zwangsweisen Außerbetriebssetzung eines Fahrzeuges aufgrund einer nicht bestehenden Haftpflichtversicherung

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
27.05.2014
Aktenzeichen
1 A 69/14
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 35778
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGSTADE:2014:0527.1A69.14.0A

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die zwangsweise Außerbetriebssetzung ihres Fahrzeuges mit dem amtlichen Kennzeichen C. sowie gegen die Erhebung von Verwaltungskosten dafür.

Die Klägerin ist Halterin des genannten Fahrzeuges. Unter dem 27. Dezember 2012 teilte die D. Versicherungs-AG dem Beklagten mit, dass der Versicherungsschutz für dieses Fahrzeug am 10. Dezember 2013 geendet habe. Daraufhin teilte der Beklagte der Klägerin ebenfalls unter dem 27. Dezember 2013 mit, dass eine Meldung des Versicherers bei ihm eingegangen sei, und forderte die Klägerin dazu auf, spätestens bis zum 9. Januar 2014 zu veranlassen, dass eine neue, gültige Versicherungsbestätigung auf elektronischem Wege übermittelt werde. Am 8. Januar 2014 überwies die Klägerin den Betrag von 150,00 EUR an die D. Versicherungs-AG mit dem Betreff "haftpflicht E.". Am 14. Januar 2014 verfügte der Beklagte die zwangsweise Außerbetriebssetzung des Fahrzeugs der Klägerin und erhob Gebühren i.H. von 120,00 EUR. Weiterhin gab der Beklagte die Angelegenheit an den Vollzugsdienst ab.

Am 16. Januar 2014 hat die Klägerin Klage beim Verwaltungsgericht Stade erhoben und zugleich einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gestellt. Diesen hat das Gericht mit Beschluss vom 17. Februar 2014 abgelehnt.

Zur Begründung ihrer Klage trägt die Klägerin vor, dass sie am 8. Januar 2014 den Versicherungsbetrag überwiesen habe, dieser nach Auskunft des Versicherers jedoch noch nicht auf ihren Vertrag gebucht worden sei.

Sie beantragt,

den Bescheid des Beklagten zum Aktenzeichen E. aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält seinen Bescheid für rechtmäßig und trägt vor, dass für das Fahrzeug mit dem Kennzeichen C. seit März 2009 bereits zehnmal Versicherungsanzeigen wegen fehlenden Versicherungsschutzes eingegangen seien. Am 17. Januar 2014 sei er von der Klageerhebung der Klägerin unterrichtet worden. Trotz Bitte des Gerichts sei es ihm zeitlich nicht mehr möglich gewesen, die bereits eingeleitete Vollziehung anzuhalten. Am Morgen des 20. Januar 2014 um 7:02 Uhr sei elektronisch ein Nachweis über den seit dem 8. Januar 2014 bestehenden Versicherungsschutz des klägerischen Fahrzeugs eingegangen. Er habe daraufhin auch sofort den Rückruf des Vollstreckungsauftrages veranlasst. Das Kennzeichen des klägerischen Fahrzeugs sei jedoch zu diesem Zeitpunkt bereits entstempelt gewesen. Am 21. Januar 2014 habe er nach Vorsprache der Klägerin das Kfz-Kennzeichen neu gesiegelt und bestätigt, dass sie das Fahrzeug wieder im Straßenverkehr in Betrieb nehmen könne

Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakte sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Das Gericht kann gemäß § 84 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) über die Klage nach Anhörung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der (entscheidungserhebliche) Sachverhalt geklärt ist.

Zunächst ist klarzustellen, dass die Klägerin mit ihrer Klage sämtliche im Bescheid vom 14. Februar 2014 getroffenen Regelungen anficht. Eine Beschränkung auf die Kostenforderung kommt auch bei verständiger Auslegung ihres Klagebegehrens (vgl. § 88 VwGO) nicht in Betracht. Die Klägerin hat sich bei Klageerhebung ausdrücklich gegen den gesamten Bescheid gewendet. Weil die Klägerin zu einem Zeitpunkt Klage erhoben hat, zu dem die zwangsweise Außerbetriebssetzung mangels Vorlage einer Versicherungsbestätigung noch in Betracht kam, muss davon ausgegangen werden, dass sie nicht nur gegen die Kostenanforderung vorgehen möchte. Nach Erlass des Beschlusses im Verfahren des vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes (v. 17.2.2014 - 1 B 70/14) und auf einen entsprechenden gerichtlichen Hinweis vom 18. März 2014 hat die Klägerin nicht reagiert. Daher fehlt es an Anhaltspunkten, dass sie ihre Klage nur auf die Kostenanforderung begrenzen will. Ebenso wenig bestehen Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin ihre Klage bezüglich der Stilllegung auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage umgestellt hat.

Die Klage ist unzulässig, soweit die Klägerin die mit Bescheid vom 14. Februar 2014 verfügte zwangsweise Außerbetriebssetzung ihres Kraftfahrzeuges anficht. Denn insoweit fehlt ihrer Klage das Rechtsschutzbedürfnis, weil sich der Verwaltungsakt erledigt hat. Die Erledigung eines Verwaltungsaktes tritt ein, wenn dieser nicht mehr geeignet ist, rechtliche Wirkungen zu erzeugen oder wenn die Steuerungsfunktion, die ihm ursprünglich innewohnte, nachträglich entfallen ist (BVerwG, Urteil v. 25.9.2008 - 7 C 5/08 -, ). So liegt der Fall hier. Mit Vorlage der Versicherungsbestätigung am 20. Januar 2014 ist die zwangsweise Außerbetriebssetzung gegenstandslos geworden, weil weitere hierauf bezogene Vollstreckungsmaßnahmen nicht mehr in Betracht kommen (vgl. VG München, Beschluss v. 13.12.2013 - M 23 S 13.4138 -, ; VG Aachen, Gerichtsbescheid v. 3.1.2012 - 2 K 703/11 -, ). Der Beklagte hat zudem seine Vollstreckung unmittelbar nach Vorlage der Versicherungsbescheinigung rückgängig gemacht, indem er das Kennzeichen der Klägerin neu gesiegelt hat. Damit geht auch von der zunächst vollzogenen Stilllegung keine Belastung für die Klägerin mehr aus. Dass für die zwangsweise Außerbetriebssetzung im Bescheid vom 14. Februar 2014 Gebühren erhoben werden, ändert nichts daran, dass von der Stilllegungsverfügung keine rechtlichen Wirkungen mehr ausgehen. Denn die Gebührenerhebung fußt auf einer eigenen Rechtsgrundlage - der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr (GebOSt) vom 25. Januar 2011 - und ist selbständig anfechtbar. Die Gebührenerhebung setzt zwar die ursprüngliche Rechtmäßigkeit der Sachentscheidung voraus, diese ist aber nur inzident zu prüfen. Eine spätere Erledigung der zu Grunde liegenden Ordnungsverfügung schließt eine Gebührenerhebung nicht aus (VG Aachen, Gerichtsbescheid v. 3.1.2012 - 2 K 703/11 -, m.w.N.).

Soweit sich die Anfechtungsklage gegen die Kostenforderung in Höhe von 120,00 EUR richtet, ist sie zulässig, aber unbegründet. Die Gebührenerhebung ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Rechtgrundlage für die Festsetzung der angefochtenen Gebühr ist § 6a Straßenverkehrsgesetz (StVG) i.V. mit der GebOSt. § 6a Abs. 1 Nr. 3 StVG bestimmt, dass Kosten (Gebühren und Auslagen) für Maßnahmen im Zusammenhang mit der Stilllegung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern erhoben werden. Gemäß § 1 Abs. 1 GebOSt werden Gebühren für Amtshandlungen erhoben, wobei sich die gebührenpflichtigen Tatbestände und die Gebührensätze aus dem Gebührentarif für Maßnahmen im Straßenverkehr (Anlage) ergeben. Nach Ziffer 254 der Anlage beträgt die Höhe der Gebühren für sonstige Anordnungen nach der Fahrzeug-Zulassungsverordnung (FZV) zwischen 14,30 EUR und 286,00 EUR. Kostenschuldner ist gemäß § 4 GebOSt, wer die Amtshandlung, Prüfung und Untersuchung veranlasst hat oder zu wessen Gunsten sie vorgenommen wird.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Eine Maßnahme bzw. Amtshandlung im Zusammenhang mit der Stilllegung von Kraftfahrzeugen liegt vor. Der Beklagte hat die streitige Verwaltungsgebühr für die mit Bescheid vom 14. Februar 2014 angeordnete Außerbetriebssetzung festgesetzt. Es ist für die Rechtmäßigkeit der Gebührenerhebung ohne Belang, dass der Beklagte die Vollstreckung der Außerbetriebssetzung des PKW der Klägerin mittlerweile rückgängig gemacht hat, weil die Klägerin erneuten Versicherungsschutz nachgewiesen hat. Bereits der Erlass eines Bescheides über die Stilllegung eines Kraftfahrzeuges ist gebührenpflichtig. Aufgrund der bundesrechtlichen Spezialregelung des § 25 Abs. 4 FZV ist neben der Außerbetriebssetzung die Anordnung weiterer Zwangsmittel gemäß den Vorschriften des Niedersächsischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (Nds. SOG) nicht notwendig. Vielmehr ist die zwangsweise Durchsetzung der Außerbetriebssetzung von § 25 Abs. 4 FZV mitumfasst (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschluss v. 11.7.2011 - 12 ME 93/11 -, ). Davon geht auch Ziffer 254 der Anlage zur GebOSt aus, wonach die Gebühr für sonstige Anordnungen nach der FZV auch fällig ist, wenn die Voraussetzungen für die Anordnung erst nach Einleiten der Zwangsmaßnahme beseitigt sowie nachgewiesen worden sind.

Die Klägerin hat die Amtshandlung des Beklagten zurechenbar veranlasst. Gemäß § 25 Abs. 4 FZV hat die Zulassungsbehörde unverzüglich das Fahrzeug außer Betrieb zu setzen, wenn sie durch eine Anzeige des Haftpflichtversicherers oder auf andere Weise erfährt, dass für das Fahrzeug keine dem Pflichtversicherungsgesetz entsprechende Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung besteht. Allein der Zugang einer solchen Anzeige verpflichtet die Behörde zu unverzüglichem Handeln. Eine eigenständige Prüfung, ob die Anzeige des Versicherers zu Recht erfolgt ist, hat die Behörde nicht vorzunehmen. Dabei kann sie wegen der Dringlichkeit einer solchen Maßnahme sogar ohne vorherige Anhörung des Adressaten handeln. Demnach greifen die Einwände der Klägerin gegen die Gebührenerhebung nicht durch. Eine Anzeige der F. Versicherungs-AG über den seit dem 10. Dezember 2013 erloschenen Versicherungsschutz ist beim Beklagten am 27. Dezember 2013 eingegangen. Dieser war daher verpflichtet, unverzüglich Maßnahmen zu ergreifen. Dass die Klägerin ihre Versicherung schließlich am 8. Januar 2014 verspätet bezahlt hat, ändert nichts daran, dass sie als Veranlasserin i. S. des § 4 GebOSt anzusehen ist. Sie hat zudem nicht erwarten dürfen, dass ihr Versicherer aufgrund der Einzahlung sofort eine Versicherungsbestätigung an den Beklagten weiterleitet. Es fällt in die Sphäre der Klägerin, sich rechtzeitig um ihre Rechtsangelegenheiten zu kümmern.

Die Gebührenerhebung war nicht nach §§ 6 GebOSt i. V. mit § 14 Abs. 2 Satz 1 Verwaltungskostengesetz (VwKostG) wegen unrichtiger Behandlung der Sache durch die Behörde zu unterlassen. Denn die Anordnung der Außerbetriebsetzung des PKW der Klägerin ist gemäß § 25 Abs. 4 FZV rechtmäßig erfolgt. Es wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.

Die Gebührenhöhe ist nicht zu beanstanden. Nach § 9 Abs. 1 VwKostG, der gemäß § 6 GebOSt heranzuziehen ist, sind bei der Festsetzung der Gebühr innerhalb eines vorgesehenen Gebührenrahmens der Verwaltungsaufwand für die einzelne Amtshandlung einerseits und die Bedeutung der Amtshandlung für den Gebührenschuldner andererseits zu berücksichtigen. Damit sind der Behörde Maßstabshilfen an die Hand gegeben, die sie bei ihrer Entscheidung zu beachten und als Grundlage der Gebührenfestsetzung für den Adressaten erkennbar umzusetzen hat. Insoweit bedarf es allerdings nicht einer bis ins Einzelne gehenden betriebswirtschaftlichen Kostenberechnung, deren Aufwand regelmäßig außer Verhältnis zu der hier in Betracht zu ziehenden Gebühr stünde. Dem Äquivalenzprinzip in § 9 Abs. 1 VwKostG wird vielmehr in der Regel mit einer Pauschalierung des durchschnittlichen Verwaltungsaufwands und einer typisierenden Wertrelation von Verwaltungsleistung und Nutzen der Amtshandlung genügt (VG Braunschweig, Urteil vom 30.06.2004 - 6 A 454/03 -, ). Vorliegend sind Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte sich bei seiner Gebührenbemessung außerhalb dieser Maßstäbe bewegt hat, nicht ersichtlich. Die festgesetzte Gebühr von 120,00 EUR bewegt sich unterhalb der Mittelgebühr nach Ziffer 254 der Anlage zur GebOSt und steht nicht erkennbar außer Verhältnis zum Verwaltungsaufwand, der in durchschnittlichen Fällen mit der zwangsweisen Außerbetriebssetzung eines Pkw verbunden ist. Dies gilt auch deshalb, weil die Zwangsstilllegung die Befugnis zu weiteren Vollzugsmaßnahmen umfasst, die hier sogar durchgeführt worden sind. Die Voraussetzungen für eine Gebührenermäßigung nach § 15 Abs. 2 VwKostG liegen nicht vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Gründe für eine Zulassung der Berufung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 4 i.V.m. § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO) liegen nicht vor.