Landgericht Stade
Urt. v. 06.02.2013, Az.: 5 O 186/11
Bibliographie
- Gericht
- LG Stade
- Datum
- 06.02.2013
- Aktenzeichen
- 5 O 186/11
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2013, 64294
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Tenor:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits, mit Ausnahme der Kosten der Nebenintervention, die die Streithelferin zu tragen hat.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Die Klägerin macht als Gläubigerin einer GmbH & Co.KG gegen die Beklagte Zahlungsansprüche aus Kommanditistenhaftung geltend. Diese Ansprüche verfolgt sie zugleich gegenüber ca. 130 weiteren Kommanditisten.
Die Rechtsvorgängerin der Klägerin, die B AG, war Mit-Initiatorin und mit einer Einlage von 100.000 DM Gründungskommanditistin der Streithelferin, für den sie mit einem Prospekt Kapitalanleger als Kommanditisten warb. An der Komplementärin der Streithelferin hält die Klägerin über ihre Tochtergesellschaft, die S GmbH, eine Beteiligung von 50 %. Die Geschäftsführung der Streithelferin obliegt seit 2002 (vor allem aus steuerlichen Gründen) nicht mehr der Komplementärin, sondern wurde auf Vorschlag der Klägerin F P als geschäftsführender Kommanditistin übertragen.
Der in dem Prospekt (Anlage K 14) auf Seite 33 abgedruckte Gesellschaftsvertrag lautet u. a.:
§ 3 Nr. 7:
„Die Kommanditisten übernehmen weder gegenüber Gesellschaftern noch gegenüber Dritten irgendwelche Zahlungsverpflichtungen, Haftungen oder irgendwelche Nachschussverpflichtungen, die über die Verpflichtung zur Leistung der in der Beitrittserklärung gezeichneten Kommanditbeteiligung zuzüglich Agio hinausgehen. Dies gilt auch für den Fall der Liquidation. Der vertragliche Ausschluss einer Nachschusspflicht lässt die gesetzliche Regelung über die Haftung der Kommanditisten gegenüber Gesellschaftsgläubigern gemäß § 171 ff. HGB unberührt.“
§ 11 Nr. 6:
„Gewinnausschüttungen bzw. Ausschüttungen freier Liquidität erfolgen jeweils bis zum 31. März für das vorangegangene Geschäftsjahr, und zwar auch dann, wenn die Kommanditeinlage durch aufgelaufene Verluste gemindert ist. Die persönlich haftenden Gesellschafter sind berechtigt, Gewinnausschüttungen bzw. Auszahlungen freier Liquidität auch bereits vor einem Beschluss gemäß Absatz 5 vorzunehmen. Sofern Auszahlungen die im selben Zeitraum erwirtschafteten Gewinne übersteigen, kann dies gemäß § 172 Abs. 4 HGB zu einem Wiederaufleben der beschränkten Kommanditistenhaftung in Höhe der vorgenommenen Auszahlungen führen.“
Die B AG gewährte der Streithelferin im Jahre 1993 für den Erwerb des Geschäftshauses Straße in Berlin, die zu diesem Zeitpunkt für zehn Jahre vollständig an die Investitionsbank des Landes B vermietet war, zunächst einen Zwischenfinanzierungskredit über 200 Mio. DM und sodann einen langfristigen Kredit über 100 Mio. DM bis zum 15.11.2003. Mit Vertrag vom 22.03./15.06.2004 wurde zur Teilablösung dieses Kredits ein Darlehen in Höhe von 35 Mio. € bis zum 15.11.2013 gewährt. Die Klägerin führt die Konten der Streitverkündeten.
Spätestens als nach dem Auslaufen des Mietvertrags zum 30.09.2003 eine Anschlussvermietung des Fondsobjekts nicht gelang, geriet die Streithelferin in wirtschaftliche Schwierigkeiten und konnte den Kredit nicht mehr ordnungsgemäß bedienen. Ab dem Jahr 2004 wurden zwischen der Klägerin und ihr mehrfach Tilgungsaussetzungs- und Stundungsvereinbarungen bezüglich der aufgelaufenen Zinsen geschlossen. In der letzten vor der Klageerhebung in diesem Verfahren vorgelegten Stundungsvereinbarung der Klägerin vom 07.09.2011 (Anlagenkonvolut K 12) heißt es:
„Mit Schreiben vom 16.12.2010 hatten wir bereits einen Zinsbetrag von € 650.000,00 b.a.w. gestundet. Es handelt sich dabei um die ältesten Zinsen seit 15.11.2003. Von den somit zum 01.09.2011 fälligen Zinsen in Höhe von € 7.581.183,01 stunden wir hiermit € 7.081.183,01 b.a.w. zunächst bis zum 30.11.2011. Ein Teilbetrag in Höhe von € 500.000,00 der zuletzt aufgelaufenen Zinsen ist hiermit zur Rückzahlung fällig.“
Die Beklagte beteiligte sich im Jahr 1993 an der Streithelferin als Kommanditist und leistete seine vollständige Einlage in Höhe von 50.000 DM + 5 % Agio.
Nach Ablauf des Mietvertrages zum 30.09.2003 wurden die Gesellschafter aufgefordert, die in den vergangenen Jahren erhaltenen Ausschüttungen freiwillig zurückzuzahlen. Dieser Aufforderung kam die Beklagte nicht nach.
Mit der Klage werden gegenüber der Beklagten Zinsteilforderungen für August 2011 in Höhe von 8.883,70 EUR geltend gemacht.
Die Klägerin behauptet, die Beklagte habe im Zeitraum vom 27.01.1995 bis zum 19.02.2001 Ausschüttungen in Höhe von insgesamt 17.375 DM erhalten und meint, die geleisteten Ausschüttungen an die Beklagte würden Entnahmen darstellen, da diese erfolgten, als das Kapitalkonto der Beklagten nach einer Verlustzuweisung an alle Kommanditisten von etwa 80 % im ersten Jahr 1993, die durch spätere kleinere Gewinne nicht ausgeglichen worden sei, unter dem Betrag der vereinbarten Einlage herabgemindert gewesen sei. Dies ergebe sich auch bereits aus dem Prospekt der Streithelferin. Zur Konkretisierung verweist sie auf eine Modellrechnung für die Kapitalkontoentwicklung bei einer Beteiligung von 100.000 DM zuzüglich 5.000 DM Agio (Anlage K 16 a bis c). Die Beklagte habe zum Zeitpunkt der jeweiligen Ausschüttungen gewusst, dass in allen Jahren jeweils nur Verluste erzielt worden seien. Die Klägerin habe gegen die Streithelferin offene und fällige Zinszahlungsverpflichtungen per 31.08.2011 in Höhe von 500.000 EUR, die sich durch Zahlungen anderer Kommanditisten auf 161.861,71 EUR reduziert hätten.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 8.883,70 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.07.2011 zu zahlen.
Die Streithelferin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 8.883,70 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.07.2011 zu zahlen und der Beklagten die durch die Nebenintervention verursachten Kosten aufzuerlegen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte meint, die Klägerin sei keine Drittgläubigerin im Sinne des § 172 Abs. 4 HGB, da sie gleichzeitig Gesellschafterin der Streithelferin ist. Im Übrigen habe das seitens der Klägerin an die Streithelferin ausgereichte Darlehen kapitalersetzenden Charakter, da es dazu diente die Insolvenz abzuwenden. Die Inanspruchnahme der Beklagten verstoße gegen das Schikaneverbot. Die Klägerin verstoße auch gegen gesellschaftsrechtliche Treuepflichten.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Die Beklagte haftet der Klägerin gegenüber nicht für die geltend gemachte Forderung. Dabei kann letztlich dahingestellt bleiben, ob der mit der Klage verfolgte Anspruch auf Rückzahlung der Ausschüttungen in der geltend gemachten Höhe der Klägerin gem. den §§ 171, 172 Abs. 4 HGB zusteht. Insbesondere kommt es auch nicht darauf an, ob die Beklagte die von der Klägerin behaupteten Ausschüttungen erhalten hat und ob diese als Entnahmen bzw. Rückzahlung der Einlage zu qualifizieren sind. Eine persönliche Haftung der Beklagten gegenüber der Klägerin als Mitgesellschafterin scheitert hier schon an der gesellschaftsvertraglich vereinbarten Haftungsbeschränkung der Gesellschafter untereinander und auch an den besonderen Treuebindungen der Klägerin gegenüber den Anlegerkommanditisten, die ihr eine vorrangige Inanspruchnahme der Gesellschaft (Streithelferin) gebietet und im Innenverhältnis zu einer lediglich subsidiären Haftung der Mitgesellschafter (auch) für die hier formal als Drittgläubigeransprüche geltend gemachten Zinsforderungen aus Darlehen führen (OLG Celle, Urteil vom 31.10.2012, Az. 9 U 36/12).
I.
Der umfassende Haftungsausschluss folgt aus dem Wortlaut der Klausel des § 3 Nr. 7 des Gesellschaftsvertrages, der mit Satz 1 jegliche Zahlungs- oder Einstandspflichten des Kommanditisten, die über die (ursprüngliche) Leistung seiner Kommanditeinlage hinausgehen, vertraglich ausschließt. In Bezug auf Dritte entspricht dies zwar der gesetzlichen Regelung in § 171 Abs. 1 Satz 2 HGB und bleibt insoweit deklaratorisch. Darüber hinaus erfasst die Klausel aber ausdrücklich auch mögliche Verpflichtungen im Innenverhältnis gegenüber anderen Gesellschaftern - auch gegenüber etwaigen Drittforderungen, die nicht (unmittelbar) aus dem Gesellschaftsverhältnis resultieren. Dies wird auch durch den Wortlaut des Satz 3 von § 3 Nr. 7 des Gesellschaftsvertrages bestätigt, der u. a. klarstellt, dass sich dieser umfassende gesellschaftsvertragliche Haftungsausschluss nicht auf das unabdingbare Wiederaufleben der Haftung des Kommanditisten gegenüber Dritten nach § 172 Abs. 4 HGB bezieht. Einer ausdrücklichen Freistellungsregelung für die Kommanditisten (bezüglich ihrer Haftung im Außenverhältnis) bedurfte es dagegen nicht, um der Klausel einen sinnvollen Regelungsgehalt zu geben.
Mit dieser Regelung sollte das Haftungsrisiko für den potentiellen Anleger überschaubar gehalten werden, da von Anfang an klar war, dass die planmäßige Zuweisung von Verlusten und Ausschüttungen an die Kommanditisten zu einem sicheren Wiederaufleben der Kommanditistenhaftung nach § 172 Abs. 4 HGB im Außenverhältnis führen würde (vgl. den Hinweis im Prospekt auf S. 24 und im § 11 Nr. 6 des Gesellschaftsvertrages).
Der allgemeine Hinweis im Prospekt (S. 24) bzw. in § 11 Nr. 6 des Gesellschaftsvertrages, dass die geplanten Auszahlungen die im selben Zeitraum erwirtschafteten Gewinne übersteigen würden und gemäß § 172 Abs. 4 HGB zu einem Wiederaufleben der beschränkten Kommanditistenhaftung in Höhe der vorgenommenen Auszahlungen führen würden, ändert daran nichts. Die (Rechtsvorgängerin der) Klägerin war von Anfang an (schon vor der Einwerbung der Publikumskommanditisten) neben ihrer Rolle als Gründungsgesellschafterin und Initiatorin auch Kreditgeberin und damit Gläubigerin der Fondsgesellschaft. Wenn sie im Rahmen dieser Doppelrolle einen umfassenden Haftungsausschluss im Innenverhältnis mit den übrigen Kommanditisten vereinbart, kann sie sich nicht später auf ihre formale Gläubigerposition als Kreditgeberin zurückziehen und ihre gesellschaftsvertraglichen Bindungen abstreifen. Vielmehr bleibt sie an den umfassenden Haftungsausschlusses nach § 3 Nr. 7 Satz 1 des Gesellschaftsvertrages gegenüber den Kommanditisten gebunden und kann deshalb (auch) keine Ansprüche mehr als Gesellschaftsgläubigerin nach § 172 Abs. 4 HGB geltend machen (vgl. OLG Celle, Urteil vom 31.10.2012, Az. 9 u 36/12).
II.
Darüber hinaus scheidet eine Haftung der Beklagten aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht der Klägerin gem. §§ 705, 242 BGB aus. Vielmehr ist die Klägerin gehalten, in erster Linie die Streithelferin in Anspruch zu nehmen (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 10.072.012, Az. 17 U 217/11, LG Stade, Urteil vom 26.09.2012, Az. 2 O 198/11 und OLG Celle, Urteil vom 31.12.2012, Az. 9 U 36/12). Denn die Klägerin treffen gegenüber den Kommanditisten besondere Treuepflichten, weil sie selbst als Initiatorin und Gründungsgesellschafterin aufgetreten ist und im konzernrechtlichen Verbund mit einer der Gesellschafterinnen der Komplementärin der Streitverkündeten steht. Hieraus erwächst der Klägerin eine Verpflichtung gegenüber den übrigen Anlegern, auf deren Belange in besonderer Weise Rücksicht zu nehmen. Unter Berücksichtigung dieser Umstände ist es treuwidrig, wenn die Klägerin das Geschäftsrisiko der Streitverkündeten mit den wirtschaftlich nachteiligen Folgen für ihre Tochtergesellschaft auf die Anleger und Mitgesellschafter abzuwälzen versucht. Deshalb ist sie verpflichtet, ihre Eigeninteressen bei der Verfolgung ihrer Gläubigerrechte zurückzustellen und primär die Streitverkündete in Anspruch zu nehmen. Dass die Inanspruchnahme der Streitverkündeten aussichtlos wäre, ist weder dargelegt noch aus den Umständen erkennbar, sodass eine Haftung der Beklagten auch insoweit nicht in Betracht kommt.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 101 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit erging gemäß § 709 ZPO.