Landgericht Stade
Urt. v. 06.03.2013, Az.: 5 O 66/12
Bibliographie
- Gericht
- LG Stade
- Datum
- 06.03.2013
- Aktenzeichen
- 5 O 66/12
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2013, 64296
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Tenor:
1. Es wird festgestellt, dass der Beklagten aus dem seitens der Klägerin mit ... geschlossenen Darlehensvertrag vom 10.10.2002 keine Ansprüche mehr zustehen
2. Es wird festgestellt, dass der mit der ... geschlossenen Darlehensvertrag der Klägerin vom 10.10.2002 sich mit Zugang der Widerrufserklärung der Klägerin (Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 06.04.2011) bei der Beklagten in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt hat.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 30.000 EUR vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt Rückabwicklung eines Verbraucherdarlehensvertrages.
Die Klägerin hatte im Oktober 2002 Kredit-Verbindlichkeiten gegenüber verschiedenen Banken und Sparkassen.
Am 10.10.2002 schloss die Klägerin mit der ... einen Darlehensvertrag über eine Kreditsumme von 25.000 EUR. Dabei handelte es sich um ein sog. Beamten-Vorsorge-Darlehen, mit dem bestehende Darlehensverträge abgelöst werden. Der Zinssatz betrug 6,8 % mit einer Zinsbindung bis 30.09.2017, wobei monatlich 141,67 EUR Zinsen (ohne Tilgung), insgesamt 25.500,60 EUR Zinsen zu zahlen waren.
Der Darlehensantrag war mit einem Antrag auf Abschluss einer tilgungsersetzenden Kapitallebensversicherung bei der ... mit einer Versicherungssumme in Höhe von 17.520 EUR und Risikozusatzversicherung für den Todesfall verbunden, wofür eine Prämie von monatlich 92,92 EUR, insgesamt 16.725,60 EUR zu zahlen waren.
Ansprüche aus dem Lebensversicherungsvertrag trat die Klägerin bis zu einem Betrag in Höhe von 25.000 EUR an die Bank am 10.10.2002 ab.
Das von der Klägerin unterzeichnete Antragsformular enthält folgende Widerrufsbelehrung:
„Jeder Darlehensnehmer kann seine auf den Abschluss dieses Verbraucherdarlehensvertrages gerichtete Willenserklärung innerhalb einer Frist von zwei Wochen in Textform widerrufen.
Die Widerrufsfrist beginnt an dem Tag, welcher der Aushändigung dieser Belehrung und einer Vertragsurkunde, des schriftlichen Darlehensantrages oder einer Abschrift der Vertragsurkunde oder des Darlehensantrages an den Darlehensnehmer folgt.
Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs.
Der Widerruf muss keine Begründung enthalten und muss schriftlich oder in lesbarer Form auf einem anderen dauerhaften Datenträger erfolgen. Der Widerruf ist an die ..., K-straße 108, 40227 Düsseldorf, Telefax (…), E-Mail-Adresse (…) zu richten.
Hat der Darlehensnehmer das Darlehen bereits empfangen, gilt der Widerruf als nicht erfolgt, wenn er das Darlehen nicht innerhalb von zwei Wochen entweder nach Erklärung des Widerrufs oder nach Auszahlung des Darlehens zurückzahlt.“
Mit Schreiben vom 31.10.2002 nahm ... den Darlehensantrag mit Lebensversicherung an.
Von dem Darlehensnennbetrag in Höhe von 25.000 EUR wurden eine Bearbeitungsgebühr von 750 EUR sowie die erste Lebensversicherungsprämie in Höhe von 92,92 EUR abgezogen.
Aus dem Darlehen wurden fünf vorbestehende Darlehensverträge der Klägerin entsprechend der Zahlungsanweisung vom 10.10.2002 (Anlage K 5), wegen derer Einzelheiten auf diese Bezug genommen wird, abgelöst und am 24.01.2003 ein Betrag in Höhe von 3.108,12 EUR an die Klägerin zur freien Verwendung gezahlt.
Die Beklagte ist Rechtsnachfolgerin der ...
Mit anwaltlichem Schreiben vom 06.04.2011 erklärte die Klägerin den Widerruf gegenüber der Beklagten als auch gegenüber der ...
Mit Schreiben vom 31.08.2011 wies die Beklagte den Widerruf zurück.
Die Klägerin meint, Darlehensvertrag und Kapitallebensversicherungsvertrag seien verbundene Geschäfte, worauf Widerrufsbelehrung hätte in der Weise hinweisen müssen, dass der Widerruf des Darlehensvertrages auch zur Rückabwicklung des anderen Vertrages führt und dass allein der andere Vertrag widerruflich ist, wenn auch für ihn ein Widerrufsrecht besteht.
Die Klägerin beantragt,
1. festzustellen, dass der Beklagten aus dem seitens der Klägerin ... geschlossenen Darlehensvertrag vom 10.10.2002 keine Forderungen mehr zustehen,
2. die Beklagte zu verurteilen, hinsichtlich der von der Klägerin geleisteten Zahlungen auf den im Klageantrag zu 1 erwähnten Kreditvertrag gegenüber der Klägerin Abrechnung zu erteilen und den sich zu Gunsten der Klägerin ergebenden Rückzahlungsbetrag mit Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2011 zu zahlen
hilfsweise
festzustellen, dass der mit der ... geschlossenen Darlehensvertrag der Klägerin vom 10.10.2002 unwirksam ist.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte meint, der Widerruf der Klägerin sei verspätet, da die Widerrufsbelehrung mangels verbundenen Geschäfts hierüber nicht habe belehren müssen. Hinsichtlich des Klageantrags zu 2 müsste die Klägerin Leistungsklage erheben.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nur im tenorierten Umfang zulässig und begründet.
A.
Die Klägerin hat einen Anspruch auf Feststellung, dass der Beklagten aus dem seitens der ... geschlossenen Darlehensvertrag vom 10.10.2002 keine Forderungen mehr zustehen und dass der zwischen ihr und der Rechtsvorgängerin der Beklagten, ... am 10.10.2002 / 31.10.2002 geschlossene Darlehensvertrag sich in ein Rückgewährschuldverhältnis gem. § 357 Abs. 1 S. 1 BGB umgewandelt hat.
Die Klägerin hat den Darlehensvertrag gem. § 355 BGB wirksam widerrufen. Der Widerruf erfolgte mangels Lauf der Widerrufsfrist rechtzeitig.
a. Die seinerzeit erfolgte Widerrufsbelehrung verstößt gegen § 355 Abs. 2 BGB a. F., da die Klägerin jedenfalls hinsichtlich des Beginns der Widerrufsfrist eindeutig zu informieren ist. Durch die verwendete Formulierung, die Frist beginne „an dem Tag, welcher der Aushändigung dieser Belehrung und einer Vertragsurkunde, des schriftlichen Darlehensvertrages oder einer Abschrift der Vertragsurkunde oder des Darlehensantrages an den Darlehensnehmer folgt“, entsteht aus der Sicht eines unbefangenen durchschnittlichen Kunden, auf den abzustellen ist (vgl. BGH vom 13. Januar 2009 - XI ZR 118/08; BGH, Urteil vom 18. April 2005 - II ZR 224/04), der Eindruck, diese Voraussetzungen seien bereits mit der Übermittlung des die Widerrufsbelehrung enthaltenden Vertragsantrags der kreditgebenden Bank erfüllt und die Widerrufsfrist beginne ohne Rücksicht auf eine Vertragserklärung des Verbrauchers bereits am Tag nach Zugang des Angebots der kreditgebenden Bank zu laufen. Es kommt nicht darauf an, ob in dem von der ... verwendeten Formular ein Angebot für einen "Darlehensantrag" zu sehen ist. Entscheidend ist, dass die von der Beklagten verwendete Formulierung der Widerrufsbelehrung dem Deutlichkeitsgebot des § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht entspricht, weil sie die unzutreffende Vorstellung hervorrufen kann, die Widerrufsfrist beginne unabhängig von einer Vertragserklärung des Verbrauchers bereits am Tag nach dem der Verbraucher das Vertragsformular nebst Widerrufsbelehrung erhalten hat (BGH, Urteil vom 10.03.2009 - XI ZR 33/08).
b. Rechtsfolge des Widerrufs ist die Umwandlung des Darlehensvertrages in ein Rückgewährschuldverhältnis gem. § 357 Abs. 1 S. 1 BGB. Daraus folgt zugleich, dass der Beklagten gegen die Klägerin aus dem Darlehensvertrag vom 10.10.2002 / 31.10.2002 keine Ansprüche mehr zustehen.
B.
Die Klägerin kann dagegen aufgrund des Widerruf keine Rechte hinsichtlich des auf den zusammen mit dem Darlehensvertrag geschlossenen tilgungsersetzenden Kapitallebensversicherungvertrag herleiten. Insoweit ist der Widerruf mangels Widerrufsrecht unwirksam. Die Widerrufsbelehrung in dem Vertragsformular musste sich nicht auch auf die Kapitallebensversicherung beziehen, da die Voraussetzungen des § 358 Abs. 3 BGB nicht vorliegen.
Nach § 358 Abs. 3 Satz 1 BGB sind ein Vertrag über die Erbringung einer entgeltlichen Leistung und ein Verbraucherdarlehensvertrag verbunden, wenn das Darlehen ganz oder teilweise der Finanzierung des anderen Vertrages dient und beide Verträge eine wirtschaftliche Einheit bilden.
Vorliegend diente der Darlehensvertrag nicht der Finanzierung der Kapitallebensversicherung. Zwar ist von der Darlehensvaluta die erste Prämie für den Monat Oktober 2002 in Höhe von 92,92 EUR einbehalten worden und direkt an die Lebensversicherungsgesellschaft gezahlt worden. Bei einer wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung diente das Darlehen jedoch nicht der Finanzierung des Lebensversicherungsvertrages, da die Klägerin - was unstreitig ist - die restlichen Prämienzahlungen in Höhe von insgesamt 16.632,68 EUR selbst zu tragen hatte.
Einer Klagabweisung bedurfte es insoweit mangels entsprechenden Klageantrages nicht.
C.
Die Klage ist unbegründet, soweit die Klägerin einen Abrechnungsanspruch gegenüber der Beklagten hinsichtlich der von der Klägerin geleisteten Zahlungen auf den Kreditvertrag geltend macht. Eine Anspruchsgrundlage steht der Klägerin insoweit nicht zu, da die Klägerin über die von ihr geleisteten Zahlungen selbst Kenntnis hat. Die Klägerin ist demnach - wie mit Schriftsatz vom 14.02.2013 auch deutlich wurde, selbst in der Lage, die von ihr geleisteten Zahlungen zu beziffern.
D.
Die hilfsweise geltend gemachte Klage, mit dem Ziel festzustellen, dass der mit der mit der ... geschlossenen Darlehensvertrag der Klägerin vom 10.10.2002 unwirksam ist, ist überwiegend unbegründet. Die Wirkungen des Widerrufs ergeben sich - wie oben aufgezeigt - aus § 357 BGB. Daraus folgt keine Unwirksamkeit sondern - wie tenoriert - die Umwandlung in ein Rückabwicklungsschuldverhältnis.
E.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nummer 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 S. 1 ZPO.