Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 19.02.2009, Az.: 1 Ws 89/09

Nachweis des Aufwandes durch eine möglichst konkrete Beschreibung des Getätigten als Voraussetzung für die Geltendmachung eines Verdienstausfalls durch einen Freigesprochenen

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
19.02.2009
Aktenzeichen
1 Ws 89/09
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2009, 15356
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2009:0219.1WS89.09.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hildesheim - 11.02.2009 - AZ: 21 KLs 4222 Js 13795/05

Verfahrensgegenstand

Betrug

Amtlicher Leitsatz

Macht ein Freigesprochener Verdienstausfall für die Zeiträume geltend, in denen er an der Hauptverhandlung und an den Besprechungen mit seinem Verteidiger teilgenommen hat, und die er für die Fahrten zu diesen Terminen benötigte, so muss er diesen Aufwand unter Angabe möglichst konkreter Beschreibungen des Getätigten nachweisen, bevor überhaupt eine Entscheidung über die Notwendigkeit des Aufwandes getroffen werden kann. Diesen Nachweis kann der Freigesprochene nicht erbringen, wenn er in der Darlegung des Zeitaufwandes unverständliche Abkürzungen verwendet und die Tätigkeiten nur stichpunktartig beschreibt.

In der Strafsache
...
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle
nach Anhörung des Bezirksrevisors beim Landgericht Hildesheim
auf die sofortige Beschwerde des Freigesprochenen gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Rechtspflegers
beim Landgericht Hildesheim vom 11. Februar 2009
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Siolek,
den Richter am Oberlandesgericht Schmidt-Clarner und
den Richter am Oberlandesgericht Hillebrand
am 19. Februar 2009
beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben, soweit darin bei der Berechnung für die Entschädigung für Verdienstausfall des Freigesprochenen nicht mehr als 162 ½ Stunden angesetzt worden sind.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Entscheidung, auch über die Kosten der sofortigen Beschwerde, an den Rechtspfleger beim Landgericht Hildesheim zurückverwiesen.

Gegen diese Entscheidung ist keine Beschwerde gegeben (§ 304 Abs. 4 StPO).

Gründe

1

I.

Der Antragsteller wurde durch Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 23. April 2007 vom Vorwurf des Betruges auf Kosten der Landeskasse, die auch seine notwendigen Auslagen zu ersetzen hat, freigesprochen. Das Urteil ist am 19. Juni 2008 rechtskräftig geworden. Unter dem 2. September 2009 begehrte der Antragsteller die Festsetzung seiner notwendigen Auslagen gegen die Landeskasse. Dabei machte er unter anderem Verdienstausfall für die Zeiträume geltend, in denen er an der Hauptverhandlung und an Besprechungen mit seinem Verteidiger teilgenommen hat, die er für die Fahrten zu diesen Terminen benötigte und die er vor- und nachbereitend für die erforderliche Führung seiner Verteidigung in Anspruch genommen habe. Unter Vorlage einer tabellarischen Übersicht über insoweit benötigte Stunden und eines Jahresabschlussberichts seines von ihm geführten Unternehmens hat er als Verdienstausfall 382 Stunden à 17 EUR (= 8 494 EUR) geltend gemacht.

2

Der Rechtspfleger beim Landgericht Hildesheim hat mit dem angefochtenen Beschluss die zu erstattenden Auslagen, soweit sie den Verdienstausfall betreffen, auf 2 762,50 EUR - davon 36 EUR im Wege der Abhilfe - festgesetzt (162 ½ Stunden à 17 EUR) und in Höhe von 3 731,50 EUR den Antrag auf Festsetzung zurückgewiesen. Lediglich die für die Hauptverhandlung, die Besprechungen mit seinem Verteidiger und die hierfür erforderlichen Fahrten benötigten Zeiten seien danach erstattungsfähig. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Freigesprochenen.

3

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§ 11 Abs. 1 RPflG i.V.m. § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO, § 311 Abs. 1 StPO) und hat im sich aus dem Tenor ergebenden Umfang (vorläufigen) Erfolg.

4

Zu den nach § 464b StPO festzusetzenden notwendigen Auslagen gehört nach § 464a Abs. 2 Nr. 1 StPO auch die Entschädigung für eine notwendige Zeitversäumnis des Freigesprochenen, wobei sich Höhe und Umfang der Entschädigung nach den Regeln des JVEG über die Entschädigung von Zeugen richten. Gerade weil es sich bei der Regelung in § 464a Abs. 2 Nr. 1 StPO um eine Rechtsfolgenverweisung handelt, ist die entsprechend § 22 Satz 1 JVEG zu gewährende Entschädigung nicht auf den Verdienstausfall beschränkt, der nach § 1 JVEG infolge Heranziehung durch Gericht oder Staatsanwaltschaft entstanden ist (vgl. Meyer-Goßner, § 464a StPO, Rn. 6 m.w.N.). Wie ein Zeuge unter Umständen Vorbereitungen für seine Aussage treffen muss, um überhaupt etwas Sachdienliches zu bekunden, und dafür selbstverständlich entschädigt wird (vgl. Hartmann, Kostengesetze, § 22 JVEG Rn. 4 m.w.N.), kann je nach Fallkonstellation auch ein Beschuldigter in die Lage versetzt sein, etwa für eine sachdienliche Einlassung oder zur sachdienlichen Befragung von Zeugen oder Sachverständigen in der Hauptverhandlung zeitintensive Vorbereitungen treffen zu müssen. Dabei kommt es allein darauf an, ob der Zeitaufwand sich bei vernünftiger Betrachtung aus der Sicht des Beschuldigten als unabweislich notwendig darstellt (vgl. LG Marburg, RPfl 1985, 210 (211)). Es mag zwar der Umstand eines "ausgesprochen komplexen Strafverfahrens mit stark baurechtlichem Einschlag", wie ihn der Antragsteller beschreibt - der Senat ist zu einer solchen Beurteilung nicht in der Lage, weil ihm allein Band XII des Vorganges, dem weder eine Anklage noch das Urteil der Kammer zu entnehmen ist, vorgelegt wurde - einen ungewöhnlichen Zeitaufwand zur Vorbereitung begründen. Gleichzeitig sind hierzu aber die besonderen beruflichen Fähigkeiten des Antragstellers in Korrelation zu setzen, die es rechtfertigen könnten, angemessene Kürzungen bei der Feststellung des notwendigen Zeitaufwandes zu berücksichtigen.

5

Der Senat sieht sich daran gehindert, anhand der ihm vorliegenden Unterlagen eine abschließende Entscheidung darüber zu treffen, ob der vom Freigesprochenen geltend gemachte Aufwand für die Verteidigung notwendig gewesen ist. Die von diesem mit dem Antrag auf Festsetzung vorgelegte tabellarische Obersicht über die aufgebrachten Zeiträume (Bd. XII Bl. 221 bis 223) ist dem Senat größtenteils inhaltlich nicht verständlich. Dieser war aufgrund der dort verwendeten Abkürzungen und nur stichpunktartig katalogisierten Tätigkeit des Antragstellers nicht einmal in der Lage, die (bereits mit dem angefochten Beschluss entschädigten) Zeiträume herauszufiltern, die die Besprechungen des Freigesprochenen mit seinem Verteidiger betreffen. Insoweit obliegt es aber dem Antragsteller, seinen tatsächlich entstandenen Aufwand unter Angabe möglichst konkreter Beschreibungen des Getätigten nachzuweisen, bevor überhaupt eine Entscheidung über die Notwendigkeit des Aufwandes getroffen werden kann (vgl. LG Marburg a.a.O.).

6

Dem Antragsteller wird daher Gelegenheit gegeben, seine Aufstellung zu präzisieren. Genügt diese sodann den Anforderungen an die Darlegungspflicht, wird der Rechtspfleger beim Landgericht unter Beachtung der oben dargestellten Rechtsauffassung den geltend gemachten Aufwand unter dem Gesichtspunkt der Notwendigkeit zu überprüfen haben. Hierfür war die Sache unter Aufhebung des Beschlusses im angefochtenen Umfang an den Rechtspfleger zurückzuverweisen.