Verwaltungsgericht Osnabrück
v. 14.05.2014, Az.: 6 A 158/13

Fahrerlaubnis; Mindestalter; Herabsetzung; Schaustellergewerbe

Bibliographie

Gericht
VG Osnabrück
Datum
14.05.2014
Aktenzeichen
6 A 158/13
Entscheidungsform
Gerichtsbescheid
Referenz
WKRS 2014, 42404
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand:

Der Kläger begehrt eine Befreiung vom erforderlichen Mindestalter für den Erwerb einer Fahrerlaubnis für Fahrzeuge der Klasse CE.

Der am 23.9.1995 geborene Kläger führt nach dem Tod seines Vaters gemeinsam mit seiner Mutter den elterlichen Schaustellerbetrieb fort. Seinen Befreiungsantrag vom 9.11.2012 begründet er mit betrieblichen Erfordernissen.

Mit Schreiben vom 3.12.2012 wies ihn der Beklagte darauf hin, dass ihm bislang noch kein Antrag auf Erteilung einer Fahrerlaubnis dieser Klassen vorliege, das Mindestalter für die Klasse CE 21 Jahre sei und die Ausnahmeregelung restriktiv gehandhabt werde. Am 4.12.2012 beantragte der Kläger die Ersterteilung einer Fahrerlaubnis für die Klassen B und BE einschließlich begleiteten Fahrens mit 17. Daraufhin merkten die Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 14.12.2012 an, dass das Mindestalter auch für die Klasse CE mit 18 Jahren anzunehmen sei. Am 2.1.2013 teilten sie dem Beklagten mit, der Antrag des Klägers auf Fahrerlaubnis der Klasse B und begleitetes Fahren sei anhängig, die Anträge auf Fahrerlaubnisklassen BE und CE würden gestellt, sobald vom Beklagten signalisiert werde, dass die Ausnahmegenehmigung erteilt werde.

Gemäß TÜV-Bescheinigungen vom 18. und 24.4.2013 hat der Kläger am 14.2.2013 die Prüfung für die Klasse B und am 18.4.2013 für die Klasse BE bestanden.

Mit Bescheid vom 30.8.2013 lehnte der Beklagte nach Einholung einer ministeriellen Auskunft vom 12.3.2013 unter Bezugnahme auf die ministerielle Arbeitsanweisung zu § 10 FeV vom 17.12.2008 den Antrag auf Erteilung einer Ausnahme vom Mindestalter für den vorzeitigen Erwerb der Fahrerlaubnisklassen CE und BE ab, wegen der Einzelheiten wird auf diesen Bescheid Bezug genommen.

Am 4.10.2013 hat der Kläger Klage erhoben, zu deren Begründung er in Weiterverfolgung seines Anliegens geltend macht, aufgrund seines Antrags im Jahr 2012 sei zu seinen Gunsten das zur damaligen Zeit geltende Recht anzuwenden, wonach ihm der Zugang zur Fahrerlaubnisklasse CE mit 18 Jahren möglich war. Aufgrund der Situation im elterlichen Schaustellerbetrieb und der nachgewiesenen besonderen persönlichen Härte habe zum Antragszeitpunkt ein gebundener Anspruch dahingehend bestanden, dass der Beklagte verpflichtet war, eine Ausnahme zum Mindestalter durch Reduzierung um 1 Jahr auf 17 Jahre zu erteilen. Die Beklagte stelle jedoch auf die zwischenzeitliche Gesetzesänderung zum 19.1.2013, nach der das Mindestalter 21 Jahre betrage, ab.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

die Beklagte unter Änderung ihres Bescheids vom 30.8.2013 zu verpflichten, ihm die beantragte Ausnahme vom Mindestalter für den vorzeitigen Erwerb der Fahrerlaubnis für Fahrzeuge der Klasse CE zu erteilen,

hilfsweise die Beklagte zur erneuten Bescheidung zu verpflichten.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält an seinem Bescheid fest. Die Ablehnung sei unabhängig von der gesetzlichen Mindestaltersregelung alter (18 Jahre) oder neuer (21 Jahre) Fassung der FeV erfolgt. Durch die Änderung der FeV werde seine Auffassung unterstrichen. Der Gesetzgeber habe zur Erhöhung der Verkehrssicherheit das Mindestalter erhöht und in § 10 Abs. 1 Nr. 7 a) FeV einfließen lassen.

Die Beteiligten wurden zur beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid sowie zur Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter angehört. Die Kammer hat den Rechtsstreit auf den Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat keinen Erfolg. Der Kläger weder einen Anspruch auf Erteilung der begehrten Ausnahme vom Mindestalter noch auf erneute Bescheidung seines Antrags.

Ein Anspruch auf Ausnahmeerteilung bzw. ermessensfehlerfreie Bescheidung seines entsprechenden Antrags kommt allein nach § 74 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 FeV in Betracht. Diese Bestimmung stellt die Genehmigung von Ausnahme von Bestimmungen der FeV in das Ermessen der zuständigen Behörde.

Eine solche Ausnahme begehrt der Kläger hinsichtlich des Mindestalters für die Erteilung der Fahrerlaubnis für Fahrzeuge der Klasse CE. Diese Bestimmung über das Mindestalter für die Erteilung einer Fahrerlaubnis für Fahrzeuge der Klasse CE findet sich in § 10 Abs. 1 Nr. 7 FeV i.d.F. ab dem 19.1.2013. Danach beträgt das Mindestalter 21 Jahre. Nach der bis zum 19.1.2013 geltenden Fassung der FeV betrug das Mindestalter 18 Jahre (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 FeV a.F.). Die Heraufsetzung des Mindestalters von 18 auf 21 Jahre erfolgte durch die 6. Änderungsverordnung vom 7.1.2011 mit Wirkung ab dem 19.1.2013 (Art. 4 der 6. ÄndVO).

Maßgeblich für die Beurteilung des vom Kläger verfolgten Verpflichtungs- und Bescheidungsbegehrens ist das seit dem 19.1.2013 geltende Mindestalter von 21 Jahren. Dies entspricht dem Grundsatz, dass das zum Zeitpunkt der Entscheidung über den im Klagewege verfolgten Anspruch geltende Recht maßgeblich ist, mithin der Anspruchssteller zu diesem Zeitpunkt die aktuellen gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen muss, die es erlauben, ihm das Begehrte zu gewähren, sofern nicht das einschlägige materielle Recht eine anderweitige Bestimmung trifft.

Die für die Beurteilung des klägerischen Begehrens einschlägigen Vorschriften erlauben es indes nicht, hiervon abzuweichen. Insbesondere fehlt es an einer Rechtsgrundlage dafür, auf den Zeitpunkt der Antragstellung hinsichtlich des Antrags auf Erteilung der begehrten Ausnahme bei dem Beklagten - vorliegend der Antrag vom 9.11.2012 - abzustellen.

Der Erwerb der Fahrerlaubnis erfolgt, so man auf § 22 Abs. 4 Satz 7 FeV abstellt, (erst) mit der Aushändigung des Führerscheins. Aus § 22 Abs. 3 FeV ergibt sich, dass der Antragsteller einen Rechtsanspruch auf Erteilung der Fahrerlaubnis unter Aushändigung des Führerscheins hat, sobald alle Voraussetzungen für die Erteilung der Fahrerlaubnis vorliegen. Dass dem Gesetzgeber in diesem Sinn an einer unmittelbar auf die Erfüllung der Erteilungsvoraussetzungen folgende Erteilung der Fahrerlaubnis durch Aushändigung des Führerscheins gelegen war, zeigen die nachfolgenden Regelungen des § 22 Abs. 4 FeV. Muss der Bewerber (nur noch) die nach § 15 FeV erforderliche Prüfung ablegen, so „hat“ die Fahrerlaubnisbehörde der mit der Prüfung beauftragten Stelle einen vorbereiteten Führerschein unmittelbar zu übersenden (Satz 1). Nach bestandener Prüfung händigt sodann der Sachverständige oder Prüfer den von ihm mit einem Ausstellungsdatum zu versehene Führerschein aus und erteilt damit in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem Vorliegen aller Erteilungsvoraussetzungen die Fahrerlaubnis. (Satz 3). Unabhängig davon, ob man indes den Zeitpunkt der Aushändigung des Führerscheins oder den Zeitpunkt des Vorliegens aller Voraussetzungen - regelmäßig mit Bestehen der abschließenden praktischen Fahrprüfung - als maßgeblich ansähe, verhülfe beides dem Kläger nicht zum Erfolg, denn er mangels Ablegung der Prüfungen erfüllt er nicht alle Voraussetzungen für die Erteilung der Fahrerlaubnis unter Aushändigung des Führerscheins.

Auch die Übergangsregelungen des § 76 FeV i.d.F.d. ebenfalls zum 19.1.2013 in Kraft getretenen 8. Änderungsverordnung (dort Art. 2 Nr. 9, Art. 9 Satz 1) erlauben es nicht, im Fall des Klägers auf den Zeitpunkt der Beantragung einer Ausnahmegenehmigung abzustellen. Die im vorliegenden Zusammenhang in den Blick zu nehmende Nr. 10 des § 76 FeV stellt zunächst den Grundsatz auf, dass ab dem 19.1.2013 Fahrerlaubnisprüfungen nur noch nach den ab diesem Tag geltenden Vorschriften durchgeführt werden (Satz 1). Nach Satz 2 richten sich die Erteilungsvoraussetzungen nach dem bisherigen Recht, wenn der „Antrag auf Erteilung der Fahrerlaubnis“ vor dem 19.1.2013 bereits gestellt war und der Antragsteller zudem „das bis dahin geltende Mindestalter erreicht“ hatte. An beiden Voraussetzungen fehlt es beim Kläger. Einen Antrag auf Erteilung der vorliegend begehrten Fahrerlaubnis für Fahrzeuge der Klasse CE hat er zu keinem Zeitpunkt gestellt. Auf einen entsprechenden Hinweis des Beklagten vom 13.12.2012 hat er mit Schreiben vom 2.1.2013 vielmehr mitteilen lassen, einen solchen Antrag erst stellen zu wollen, wenn der Beklagte die beantragte Ausnahmegenehmigung auch erteilen wolle. Auch in der Folgezeit kam es - wohl aus diesem Grund - auch nach Erwerb der Fahrerlaubnis für Fahrzeuge der Klasse BE nicht zu einer Antragstellung auf Erteilung der Fahrerlaubnis für Fahrzeuge der Klasse CE. Zudem fehlte es auch an der zweiten Voraussetzung der Übergangsbestimmung, denn der Kläger hatte vor dem 19.1.2013 das bis zu diesem Zeitpunkt geltende Mindestalter von 18 Jahren noch nicht erreicht. Dies war erst am 23.9.2013 und damit nach Inkrafttreten des neuen Fahrerlaubnisrechts zum 19.1.2013 der Fall. An die vorstehende Regelung anknüpfend und damit eine vorherige Antragstellung auf Erteilung der Fahrerlaubnis voraussetzend und für den Kläger mithin nicht einschlägig betreffen nachfolgende Regelungen des Übergangsrechts Fallgestaltungen, in denen die beantragte Fahrerlaubnis nicht bis zum Ablauf des 18.1.2013 erteilt worden ist. Nur für solche Fallgestaltungen - wie auch die sprachliche Formulierung der nachfolgenden Regelung des Satzes 5 augenfällig macht - sieht § 76 Nr. 10 Satz 4 FeV vor, dass die Mindestaltersregelungen in der bis zum Ablauf des 18.1.2013 geltenden Fassung anzuwenden sind. Eine analoge Anwendung dieser Bestimmung auf den Fall einer Antragstellung auf Erteilung einer Ausnahme vom Mindestalter kommt angesichts klares Wortlauts und Systematik der Übergangsbestimmungen bereits mangels ungewollter Regelungslücke nicht in Betracht.

Angesichts dessen ist die Ablehnung der Erteilung einer Ausnahme vom geltenden Mindestalter von 21 Jahren für den im Zeitpunkt des Bescheids noch 17, nunmehr 18-jährigen Kläger nicht zu beanstanden. Auf die Begründung des Ablehnungsbescheids wird Bezug genommen; diese macht sich das Gericht bezogen auf das vorgenannte Mindestalter, von dem im Übrigen auch der Bescheid ausgegangen ist, zu eigen. Für die danach erforderliche Ausnahme im Umfang von mehr als einem Lebensjahr war - im Sinn der Bescheidbegründung „erst recht“ - kein Raum. Eine nach dem klägerischen Rechtsstandpunkt von diesem als zielführend erachtete Herabsetzung „um ein Jahr“ verhülfe ihm nicht zu dem erhofften Erfolg, bereits gegenwärtig zum Erwerb der Fahrerlaubnis für Fahrzeuge der Klasse CE berechtigt zu sein. Über ein angepasstes Begehren des Klägers wird der Beklagte mit Blick auf den Zeitpunkt der Vollendung des 20. Lebensjahres durch den Kläger - eine Antragstellung vorausgesetzt - ggf. zeitnah zu bescheiden habe. Hierüber war und ist gegenwärtig mangels eines Sachbescheidungsinteresses des Klägers, der eine Ausnahme zum Erwerb der Fahrerlaubnis bei Erreichen des 20. Lebensjahres im vorliegenden Verfahren der Sache nach auch nicht verfolgt, noch nicht zu befinden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Gründe für eine Zulassung der Berufung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 4 i.V.m. § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO) liegen nicht vor.