Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 17.05.2016, Az.: 2 Ws 88/16

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
17.05.2016
Aktenzeichen
2 Ws 88/16
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2016, 29704
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2016:0517.2WS88.16.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Nieburg - 07.04.2016 - AZ: 4 Ls 19/15

Amtlicher Leitsatz

Verfahrensweisen die lediglich prozessualen Vorgaben zuwiderlaufen beinhalten für sich genommen noch keine Ungebühr. In der Weigerung eines Angeklagten zu einem Fortsetzungstermin zu erscheinen, weil er zur Vermeidung von Stornierungskosten einen gebuchten Urlaub wahrnehmen will, kann ohne das Hinzutreten weiterer Umstände noch keine Herabsetzung oder Provokation des Gerichtes gesehen werden.

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben, soweit gegen den Angeklagten ein Ordnungsgeld von 1.000 €, ersatzweise eine Woche Ordnungshaft verhängt wurde.

Im Übrigen ist der Senat zu einer Entscheidung über die Beschwerde nicht berufen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen der Landeskasse zur Last.

Gründe

I.

Die Staatsanwaltschaft Verden erhob unter dem 28. Juni 2015 Anklage zum Amtsgericht - Schöffengericht - Nienburg gegen den Angeklagten wegen des Vorwurfs des Bankrotts und der Insolvenzverschleppung.

Termin zur Hauptverhandlung wurde auf den 8. März 2016 bestimmt. In diesem Termin wurden die Beteiligten zur Fortsetzung der Hauptverhandlung auf den 17. März 2016 geladen. Im Fortsetzungstermin am 17. März 2016 wurde erörtert, an welchem weiteren Tag die Hauptverhandlung fortgesetzt werden soll. Der Angeklagte erklärte, dass er sich ab dem 26. März 2016 auf einer Südamerikareise befinde und während dieses Urlaubs nicht zur Fortsetzung der Hauptverhandlung zur Verfügung stehe. Einen eigenen Terminsvorschlag unterbreitete er nicht. Der Vorsitzende des Schöffengerichts wies ihn darauf hin, dass er bei eigenmächtiger Abwesenheit mit einem Haftbefehl rechnen müsse. Eine Übereinkunft über einen Fortsetzungstermin wurde in der Hauptverhandlung letztlich nicht erzielt. Die Hauptverhandlung wurde hierauf ohne weitere Terminsbestimmung unterbrochen.

Mit Verfügung vom 23. März 2016 bestimmte der Vorsitzende des Schöffengerichts Termin zur Fortsetzung der Hauptverhandlung auf den 7. April 2016. Dabei wies er den Angeklagten darauf hin, dass er zur Anwesenheit verpflichtet sei und die Hauptverhandlung im Falle seiner Abwesenheit ohne ihn fortgesetzt werden könne. Die Reise sei kein ausreichender Entschuldigungsgrund, da der Angeklagte bereits seit Zugang der Ladung am 11. November 2015 Kenntnis vom Beginn der Hauptverhandlung habe. Es sei für ihn vorauszusehen gewesen, dass sich die Hauptverhandlung in dem umfangreichen und unter Beteiligung eines Sachverständigen geführten Verfahren mit der Reise überschneiden könnte. Der Angeklagte habe aber weder die Reise verlegt noch das Gericht von Beginn der Hauptverhandlung hiervon in Kenntnis gesetzt. Das Gericht sei daher nicht in der Lage gewesen, die Hauptverhandlung auf einen Zeitpunkt nach der Rückkehr des Angeklagten zu verlegen.

Zum Fortsetzungstermin am 7. April 2016 erschien der Angeklagte nicht. Mit in der Hauptverhandlung verkündetem Beschluss verhängte das Schöffengericht gegen den Angeklagten wegen Ungebühr ein Ordnungsgeld von 1.000 €, ersatzweise eine Woche Ordnungshaft. Daneben ordnete es an, dass die Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten fortgesetzt wird. Zur Begründung verwies es auf die Ausführungen in der Verfügung vom 23. März 2016. Das Nichterscheinen zur Fortsetzung der Hauptverhandlung aufgrund der Teilnahme an einer Kreuzfahrt trotz ausdrücklicher Belehrung über die Anwesenheitspflicht stelle einen erheblichen Angriff auf die Gerichtsehre dar. Der Angeklagte spreche hiermit dem Gericht, den übrigen Beteiligten und dem gerichtlichen Verfahren durch grobe Missachtung den verdienten Anerkennungsanspruch ab.

Dagegen richtet sich die Beschwerde des Angeklagten.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, den Beschluss hinsichtlich der Verhängung des Ordnungsgeldes von 1.000 €, einschließlich des Ausspruchs, ersatzweise Ordnungshaft zu verhängen, aufzuheben.

II.

Die Beschwerde gegen das Ordnungsmittel ist nach § 181 Abs. 1 GVG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Hierüber hat der Senat zu entscheiden (§ 181 Abs. 3 GVG).

1. In der Sache hat das Ordnungsmittel keinen Bestand.

Voraussetzung für die Verhängung eines Ordnungsmittels nach § 178 GVG gegen einen der dort genannten Beteiligten ist, dass sich dieser einer Ungebühr in der Sitzung schuldig gemacht hat. Darunter fällt jedes Verhalten, welches den ordnungsgemäßen Ablauf der Sitzung gefährdet oder beeinträchtigt und die Würde des Gerichts und der Verfahrensbeteiligten angreift oder missachtet (vgl. KG, Beschluss vom 6. November 2007 - 4 Ws 140/07 = StraFo 2008, 33; Diemer in Karlsruher Kommentar, StPO, 7. Aufl. (2013), § 178 RdNr. 1, 2; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl. (2015), § 178 RdNr. 2). Solche Verfahrensweisen, die lediglich prozessualen Vorgaben zuwiderlaufen, beinhalten für sich genommen noch keine Ungebühr, sondern ziehen ggf. die im Verfahrensrecht vorgesehenen Konsequenzen nach sich (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 3. Dezember 1990 - 1 Ws 252/90 = NStZ 1991, 297; Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 15. August 1995 - 6 W 15/95 = SchlHA 1995, 293).

In dem bloßen Nichterscheinen zu dem Fortsetzungstermin ist eine Ungebühr des Angeklagten nach diesen Maßstäben auch nicht vor dem Hintergrund zu sehen, dass sich der Angeklagte dazu entschlossen hat, stattdessen die geplante Urlaubsreise anzutreten. Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Zuschrift an den Senat hierzu Folgendes ausgeführt:

"Allein die Teilnahme an der Kreuzfahrt lässt nicht erkennen, dass dem Gericht kein hinreichender Respekt gegenüber gebracht wird. Der Angeklagte hat den Interessenkonflikt bezüglich des von ihm gewünschten Urlaubs und der Teilnahme an der Hauptverhandlung dahingehend für sich gelöst, sich für seinen Urlaub zu entscheiden. Dass er damit aber das Gericht provozieren oder herabsetzen wollte, ist nicht ersichtlich.

Gleiches gilt für den Umstand, dass er seine Meinung gegenüber dem Gericht kommuniziert hat, was in keiner anstößigen Art und Weise erfolgt ist.

Ihm ist es offenbar lediglich darum gegangen, den gebuchten Urlaub auch wahrzunehmen und Stornierungskosten zu vermeiden. Durch seinen Verteidiger ist er offenkundig auch darin bestärkt worden, dass von ihm Unzumutbares abverlangt werde und er deshalb die Reise auch antreten dürfe. Sein Verhalten zielt nicht auf eine Provokation oder Herabsetzung des Gerichts ab. Eine Ungebühr ist vor diesem Hintergrund nicht zu erkennen."

Dem tritt der Senat bei und hebt den Beschluss hinsichtlich des Ordnungsmittels auf.

2. Soweit sich der Angeklagte gegen die Anordnung wendet, dass die Hauptverhandlung in seiner Abwesenheit fortgesetzt wird, ist der Senat zu einer Entscheidung nicht berufen. Beschwerdegericht ist hierfür eine Strafkammer des Landgerichts Verden (§ 73 Abs. 1 GVG).

Der Senat weist jedoch darauf hin, dass die Beschwerde insoweit nach § 305 S. 1 StPO unzulässig sein dürfte (vgl. Becker in Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. (2009), § 231 RdNr. 42; Gmel in Karlsruher Kommentar, StPO, a.a.O., § 231 RdNr. 15; Julius in Gercke/Julius/Temming u. a., StPO, 5. Aufl. (2012), § 231 RdNr. 16).

3. Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung von § 467 Abs. 1 StPO.

4. Gegen diese Entscheidung ist keine Beschwerde gegeben (§ 304 Abs. 4 StPO).