Verwaltungsgericht Osnabrück
Urt. v. 20.03.2001, Az.: 1 A 131/00

Voraussetzungen und Verfahren für das Ausscheiden und den Ausschluss von Verbandsmitgliedern; Voraussetzungen und Verfahren für den freiwilligen Beitritt neuer Verbandsmitglieder; Voraussetzungen und Verfahren für die Auflösung des Zweckverbandes sowie für sonstige Änderungen der Verbandssatzung

Bibliographie

Gericht
VG Osnabrück
Datum
20.03.2001
Aktenzeichen
1 A 131/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2001, 25897
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGOSNAB:2001:0320.1A131.00.0A

Fundstellen

  • FStNds 2002, 418-420
  • NdsVBl 2002, 111

Verfahrensgegenstand

Mitgliedschaft in einem Zweckverband

Prozessführer

...

Prozessgegner

Bezirksregierung ...

Sonstige Beteiligte

Stadt ...

Das Verwaltungsgericht Osnabrück - 1. Kammer - hat
auf die mündliche Verhandlung vom 20. März 2001
durch
den Präsidenten des Verwaltungsgerichts Schlukat,
den Richter am Verwaltungsgericht Brinkmann und
den Richter am Verwaltungsgericht Beckmann sowie
die ehrenamtlichen Richter ... und
...
für Recht erkannt:

Tenor:

Der Bescheid der Beklagten vom 20.03.2000 i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 11.09.2000 wird aufgehoben.

Die Beklagte und die Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Klägerin ist ein 1991 gegründeter Zweckverband mit der Aufgabe, für seine Mitglieder EDV-Dienstleistungen zu erbringen, und dem seinerzeit auch die Beigeladene beigetreten ist.

2

Nachdem diese mit Ablauf des 31.03.1994 bereits auf Leistungen der Klägerin im Bereich "Sozialhilfeverfahren" verzichtet hatte, kündigte sie mit Schreiben vom 28.12.1995 auch die Inanspruchnahme von Leistungen in den Bereichen "Einwohnerwesen, Finanzwesen, Wohngeld und Personalabrechnung". Schließlich erklärte sie "vorbehaltlich der Zustimmung des Rates" unter dem 30.12.1996 - der Klägerin zugegangen am gleichen Tage - die vollständige Kündigung zum "31.12.1996". Am 16.10.1997 stimmte der Rat der Beigeladenen der Kündigung zu.

3

Nachdem die Klägerin einen Antrag der Beigeladenen, auf Grund der Kündigung vom 28.12.1995 und 20.12.1996 einer Beendigung der Mitgliedschaft zum 31.12.1999 zuzustimmen, abgelehnt hatte, suchte sie mit Schreiben vom 10.11.1999 bei der Beklagten um eine Entscheidung nach, dass sie ohne Auflagen und Bedingungen zum 31.12.1999 aus der Klägerin ausscheide. Dem entsprach die Beklagte nach Anhörung der Klägerin durch Verfügung vom 20.03.2000 mit der Begründung, dass die am 20.12.1996 ausgesprochene Kündigung mit Ablauf des 31.12.1999 zur Beendigung der Mitgliedschaft der Beigeladenen geführt habe, da es einer Zustimmung der Klägerin zur Kündigung nicht bedurft habe. Aber selbst wenn die Zustimmung der Klägerin zur Beendigung der Mitgliedschaft erforderlich gewesen wäre, wäre die Beigeladene wirksam zum 31.12.1999 ausgeschieden, da die Klägerin sich fast drei Jahre Zeit gelassen habe,über das Kündigungsbegehren der Beigeladenen zu entscheiden, und diese zwischenzeitlich gezwungen gewesen sei, erhebliche Investitionen zu tätigen, um von die von der Klägerin übernommenen Aufgaben selbst erledigen zu können. Im Hinblick darauf hätte die Klägerin ermessensgerecht nur eine positive Entscheidung zu Gunsten der Beigeladenen treffen können, und zwar ohne finanzielle Auflagen zu Lasten derselben. Die Übernahme von Personal- und Abwicklungskosten sehe das Zweckverbandsgesetz nur für den Fall der Verbandsauflösung vor. Zwar würden in Folge Umstrukturierung die Aufgaben der Klägerin durch die inzwischen gegründete ... GmbH wahrgenommen. Dadurch sei die Klägerin aber nicht aufgelöst worden. Sie existiere vielmehr als Personal- und Vermögensholding fort.

4

Die Klägerin widersprach und machte geltend, dass die Kündigung als einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung unwirksam sei, weil sie an eine (auflösende) Bedingung geknüpft sei, nämlich an die Zustimmung des Rates der Beigeladenen. Darüber hinaus scheitere die Kündigung an der fehlenden Zustimmung der Verbandsversammlung. Eine solche Zustimmung sei erforderlich, auch wenn dies in der Verbandssatzung nicht ausdrücklich geregelt sei. Die Verbandssatzung mache die Auflösung des Verbandes von einer Entscheidung der Verbandsversammlung abhängig. Da in § 21 Abs. 1 Zweckverbandsgesetz (ZweckVerbG) die Änderung der Auflösung gleichgestellt werde, müsse dies auch für die Änderung gelten. Sie, die Klägerin, sei auch keineswegs gehalten gewesen, die Zustimmung zum Ausscheiden der Beigeladenen zu erteilen. Der Beigeladenen sei spätestens seit Sommer 1998 bekannt gewesen, dass ein Ausscheiden aus dem Verband ohne Beteiligung an den Lasten nach Auseinandersetzung des Verbandes nicht zustimmungsfähig sein werde. Demzufolge habe die Beigeladene nicht darauf vertrauen können, zum 31.12.1999 aus dem Verband ausscheiden zu können, ohne an den Folgen der absehbaren Verbandsauflösung beteiligt zu werden. Vertrauensschutz der Beigeladenen ergebe sich auch nicht aus getätigten Investitionen, die sie sonst nicht vorgenommen hätte. Es sei nicht belegt, dass die Beigeladene diese Investitionen nicht auch bei einem weiteren Verbleiben im Verband hätte tätigen müssen. Nicht zugestimmt werden könne schließlich der Ansicht der Beklagten, dass das Gesetz eine Beteiligung an den Lasten des Verbandes nur für den Fall einer Auflösung vorsehe. Die Beklagte verkenne, dass eine einseitige Kündigung ohne Beteiligung an den Lasten der Personalübernahme im Hinblick auf die absehbare und zeitnahe Auflösung des Verbandes für die übrigen Verbandsmitglieder unzumutbar und deswegen nicht zustimmungsfähig gewesen sei.

5

Den Widerspruch wies die Beklagte durch Bescheid vom 11.09.2000 unter Vertiefung der Gründe der angefochtenen Entscheidung und dem ergänzenden Hinweis zurück, dass die Wirksamkeit der Kündigung vom 30.12.1996 nicht von einem entsprechenden Ratsbeschluss abhängig sei. Das gelte selbst dann, wenn der Bürgermeister der Beklagten, der die Kündigung erklärt habe, irrtümlich geglaubt habe, er müsse den Vorbehalt der Zustimmung des Rates nach außen dokumentieren. EinÜberschreiten der Vertretungsmacht habe nur interne Konsequenzen haben können. Eine Berufung der Klägerin auf die Unwirksamkeit der Kündigung verstoße im Übrigen gegen Treu und Glauben. Denn auf den Vorbehalt eines zustimmenden Ratsbeschlusses habe sich die Klägerin zu keinem Zeitpunkt während des Laufes der Kündigungsfrist berufen.

6

Dagegen ist am 12.10.2000 Klage erhoben worden.

7

Die Klägerin vertieft ihr Vorbringen aus dem Vorverfahren und beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 20.03.2000 i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 11.09.2000 aufzuheben.

8

Die Beklagte und die Beigeladene beantragen,

die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

Die Klage ist begründet. Denn die gem. § 32 Abs. 1 ZweckVerbG ergangene Entscheidung der Beklagten, dass die Beigeladene mit Ablauf des 31.12.1999 aus der Klägerin ausgeschieden sei, erweist sich als rechtswidrig.

10

Gemäß § 21 Abs. 1 ZweckVerbG kann die Verbandssatzung Vorschriften über die Voraussetzungen und das Verfahren für das Ausscheiden und den Ausschluss von Verbandsmitgliedern, für den freiwilligen Beitritt neuer Verbandsmitglieder, für die Auflösung des Zweckverbandes sowie für sonstige Änderungen der Verbandssatzung vorsehen. Von dieser Möglichkeit ist vorliegend Gebrauch gemacht und hinsichtlich des Ausscheidend der Verbandsmitglieder in § 18 Abs. 1 Verbandssatzung (VS) bestimmt worden, dass jedes Verbandsmitglied berechtigt ist, die Mitgliedschaft unter Einhaltung einer Frist von drei Jahren zum Abschluss eines Haushaltsjahres durch einseitige Erklärung gegenüber dem Verband schriftlich zu kündigen. Da das Gesetz selbst keine Voraussetzungen für das Ausscheiden eines Mitgliedes aus einem Zweckverband vorsieht, sondern es den Verbandsmitgliedern überlässt, dies in der Verbandssatzung zu regeln, hat das Gericht keine Bedenken gegen die Wirksamkeit dieser Bestimmung. Durch die Dauer der selbst gesetzten Kündigungsfrist von drei Jahren ist die Klägerin auch hinreichend davor geschützt, durch eine kurzfristige Kündigung vor unlösbare Probleme gestellt zu werden. In Anbetracht dessen vermag das Gericht der Klägerin nicht darin zu folgen, dass entgegen dem eindeutigen Wortlaut des § 18 Abs. 1 VS ("einseitige Erklärung") die Wirksamkeit einer Kündigung von der Zustimmung der Verbandsversammlung abhängig sei. Das folgt auch nicht schon daraus, dass es sich bei der Klägerin um eine Körperschaft öffentlichen Rechts handelt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Beendigung der Mitgliedschaft durch einseitige Kündigung von den Verbandsmitgliedern wie hier in die Verbandssatzung aufgenommen worden ist.

11

Gleichwohl erweist sich die angefochtene Streitentscheidung der Beklagten als rechtswidrig, weil die Erklärung der Beigeladenen vom 30.12.1996 nicht geeignet war, die Mitgliedschaft der Beigeladenen zum 31.12.1999 zu beenden. Zwar nicht schon deshalb, weil in dieser Erklärung die Kündigung zum 31.12.1996 ausgesprochen worden ist. Hierbei handelt es sich um einen - auch von der Klägerin so verstandenen - offensichtlichen Schreibfehler. Die Mitgliedschaft der Beigeladenen endete jedoch deshalb nicht zum 31.12.1999, weil durch die Erklärung vom 30.12.1996 die dreijährige Kündigungsfrist nicht eingehalten worden ist.

12

Die Kündigung ist ein Gestaltungsrecht und als solches bedingungsfeindlich, weil dem Erklärungsempfänger keine Ungewissheit und kein Schwebezustand zugemutet werden kann, es sei denn, der Eintritt der Bedingung ist vom Willen des Erklärungsempfängers abhängig (BAG, Urt. v. 10.11.1994 - NJW 1995, 1981; Palandt, BGB, 58. Aufl., Einführung vor § 158 Rdnr. 12 und 13). Das gilt nicht nur für privatrechtliche Kündigungen, sondern muss auch für Kündigungen von Mitgliedern eines Zweckverbandes gelten. Da das kündigende Mitglied anders als bei der Auflösung (§ 20 Abs. 2 VS) an derÜbernahme von Verbandslasten nicht teilnimmt, soll es der Klägerin durch die Einhaltung der Kündigungsfrist ermöglicht werden, sich rechtzeitig auf das Ausscheiden eines Mitgliedes einzustellen, um ggf. einem lastenfreien Ausscheiden eines Mitglieds durch die Auflösung des Verbands zuvorzukommen. Dieses berechtigte Interesse ist jedoch nur dann gewahrt, wenn vom Beginn der Kündigungsfrist an und für deren Dauer an der Wirksamkeit der Kündigung für die Klägerin keine Zweifel bestehen können und diese Wirksamkeit nicht durch eine Bedingung in Frage gestellt wird. Das ist hier jedoch der Fall.

13

Bedingung ist die durch eine Partei in ein Rechtsgeschäft eingefügte Bestimmung, die die Wirksamkeit des Geschäftes von dem Eintritt eines ungewissen Ereignisses abhängig macht. Die Erklärung des Bürgermeisters der Beigeladenen vom 30.12.1996, nämlich dass er sich dafür entschieden habe, "dem Rat der Stadt ... in der nächsten Sitzung vorzuschlagen, die Vollkündigung der Mitgliedschaft bei der ... zum 31.12.1996 zu beschließen" und "zur Wahrung der dafür erforderlichen Frist diese Kündigung hiermit vorbehaltlich der Zustimmung des Rates" ausspreche, konnte die Klägerin unter Berücksichtigung aller Umstände nur dahin verstehen, dass sich die Beigeladene nur bei Zustimmung ihres Rates an die Kündigung gebunden fühlen wollte. Daran können insbesondere in Anbetracht des ausdrücklichen Vorbehaltes der Zustimmung des Rates zur Kündigung ernsthafte Zweifel nicht bestehen.

14

Der Beklagten und der Beigeladenen ist zwar darin beizutreten, dass es sich bei der erforderlichen Zustimmung des Rates um ein Verwaltungsinternum handelt ohne rechtliche Relevanz für die Wirksamkeit von rechtlichen Erklärungen des Bürgermeisters gegenüber Dritten, weil (nur) der Bürgermeister die Gemeinde in Rechtsgeschäften nach außen vertritt (§ 63 Abs. 1 Satz 2 NGO). Dies hindert den Bürgermeister jedoch nicht, ein solches Verwaltungsinternum in Form einer Bedingung zum Inhalt eines Rechtsgeschäftes und dessen Wirksamkeit wie hier damit vom Eintritt der Bedingung abhängig zu machen. Dabei kann dahinstehen, ob die vorbehaltene Zustimmung des Rates als aufschiebende oder auflösende Bedingung anzusehen ist. Zwar dürfte eine bedingungslose Kündigung vorgelegen haben, nachdem die Beigeladene der Klägerin die Zustimmung des Rates vom 16.10.1997 mit Schreiben vom 23.10.1997 mitgeteilt hatte. Diese Kündigung war jedoch nicht mehr geeignet, bis zum 31.12.1999 die dreijährige Kündigungsfrist zu waren.

15

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 und 3 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 167 VwGO, 708 Ziff. 11 ZPO.

Streitwertbeschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 20.000 DM festgesetzt.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.

Schlukat
Brinkmann
Beckmann