Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 15.02.2024, Az.: 7 B 2582/23

"Mamba"; Beseitigung; Pflanzenschutzmittel; Vernichtung; Anordnung Beseitigung Pflanzenschutzmittel Mamba; Ermessensentscheidung; Anschluss an VG Köln, Beschluss vom 19. Oktober 2022 9 L 144/22 , juris

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
15.02.2024
Aktenzeichen
7 B 2582/23
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2024, 11811
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGOLDBG:2024:0215.7B2582.23.00

Amtlicher Leitsatz

Es liegen hinsichtlich des Pflanzenschutzmittel Mamba hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass ein Verstoß gegen die Zulassungspflicht aus Art. 28 i.V.m. Art. 52 VO (EG) 1107/2009 vorliegt, wenn die stoffliche Zusammensetzung der Parallelhandelsprodukte von der zugelassenen Formel des Referenzproduktes abweicht.

Tenor:

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 74.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der am 4. September 2023 eingegangenen Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 1. August 2023 (7 A 2534/23), mit dem diese der Antragstellerin unter Anordnung sofortiger Vollziehung auferlegte, 4.755 Liter des Pflanzenschutzmittels Mamba (GP-Nr. XXX, Wirkstoff Mesotrione) nach vorheriger Absprache mit dem Prüfdienst der Antragsgegnerin bei einem regionalen Entsorger zu beseitigen und für den Fall, dass die Antragstellerin der Beseitigungsverpflichtung nicht nachkommt, die kostenpflichtige Ersatzvornahme androhte, hat keinen Erfolg.

Der Antrag ist zulässig, aber nicht begründet.

Die Anordnung des Sofortvollzugs hinsichtlich der Beseitigungsverpflichtung in Nr. 1) und Nr. 2) des Bescheids vom 1. August 2023 ist zunächst nicht aus formellen Gründen zu beanstanden. Insbesondere genügt die durch die Antragsgegnerin angeführte Begründung den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO. Ausreichend ist hiernach jede schriftliche Begründung, die zu erkennen gibt, dass die Behörde aus Gründen des zu entscheidenden Einzelfalles eine sofortige Vollziehung ausnahmsweise für geboten hält. Es kommt dabei nicht darauf an, ob die zur Begründung der Vollziehungsanordnung angeführten Gründe den Sofortvollzug tatsächlich rechtfertigen und ob die für die sofortige Vollziehung angeführten Gründe erschöpfend und zutreffend dargelegt sind. Ob die Abwägung inhaltlich tragfähig ist, ist keine Frage des Formerfordernisses gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18. Dezember 2017 - 13 B 1397/17 -, juris, Rn. 3 f.).

Nach diesen Maßstäben ist die Begründung für die Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht zu beanstanden. Die Antragsgegnerin hat ausgeführt, dass die Gefahr des Diebstahls des eingelagerten Pflanzenschutzmittels bestehe, da in der Vergangenheit bei einem Einbruch in das Pflanzenschutzmittellager eines Händlers dieses Pflanzenschutzmittel entwendet wurde und auf diese Weise in den Verkehr gelangen könnte, sowie, dass es bei langer Lagerdauer des Pflanzenschutzmittels zu Umweltgefährdungen kommen könnte. Aus diesen Ausführungen wird jedenfalls noch in hinreichendem Maße deutlich, dass die Antragsgegnerin den gesetzlichen Ausnahmecharakter des Sofortvollzuges erkannt und aus einzelfallbezogenen Gründen zur Gewährleistung des Umweltschutzes der Auffassung ist, den rechtskräftigen Abschluss eines Hauptsacheverfahrens nicht abwarten zu können.

Auch die Interessenabwägung geht zu Lasten der Antragstellerin aus. Im Rahmen der gerichtlichen Entscheidung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist eine Interessenabwägung zwischen dem Aussetzungsinteresse der Antragstellerin und dem öffentlichen Interesse an einer sofortigen Vollziehung vorzunehmen. Die Interessenabwägung richtet sich im Wesentlichen nach den Erfolgsaussichten in der Hauptsache. Ergibt die allein mögliche, aber auch ausreichende summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage, dass der Rechtsbehelf mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos bleiben wird und ein besonderes öffentliches Vollzugsinteresse besteht, so scheidet die Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung regelmäßig aus. Stellt sich der angefochtene Verwaltungsakt dagegen als offensichtlich rechtswidrig dar und verletzt er die Antragstellerin in ihren Rechten, so kann kein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung bestehen. Ist der Ausgang des Verfahrens offen, so ist eine reine Interessenabwägung erforderlich.

Gemessen daran überwiegt im vorliegenden Fall das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung. Dabei ist maßgeblich zu berücksichtigen, dass die Anfechtungsklage der Antragstellerin voraussichtlich keinen Erfolg haben wird. Die angefochtene Ordnungsverfügung vom 1. August 2023 ist bei summarischer Prüfung rechtmäßig ergangen.

1. Rechtsgrundlage der unter Ziffer 1) des Bescheides angeordneten Beseitigung der verbliebenen 4.755 Liter des Pflanzenschutzmittels Mamba (GP-Nr. XXX, Wirkstoff Mesotrione) ist § 3 Abs. 1 Satz 3 Pflanzenschutzgesetz (PflSchG) in Verbindung mit § 60 PflSchG und Art. 138 der Verordnung (EU) 2017/625 des europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2017 über amtliche Kontrollen und andere amtliche Tätigkeiten zur Gewährleistung der Anwendung des Lebens- und Futtermittelrechts und der Vorschriften über Tiergesundheit und Tierschutz, Pflanzengesundheit und Pflanzenschutzmittel (Abl. L 095 vom 7. April 2017, S. 1 - VO (EU) 2017/625 -).

Wird ein Verstoß gegen pflanzenschutzrechtliche Vorschriften festgestellt, ergreifen die zuständigen Behörden gemäß Art. 138 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b) VO (EU) 2017/625 geeignete Maßnahmen, um zu gewährleisten, dass der betreffende Unternehmer den Verstoß beendet und dass er erneute Verstöße dieser Art verhindert. Nach Art. 138 Abs. 2 VO (EU) 2017/625 ergreifen die Behörden die ihnen geeignet erscheinenden Maßnahmen, um die Einhaltung der Vorschriften gemäß Art. 1 Absatz 2 zu gewährleisten. Zu den u.a. geeigneten Maßnahmen gehören nach Art. 138 Abs. 2 g) VO (EU) 2017/625 auch der Rückruf, die Rücknahme, die Beseitigung und die Vernichtung von Waren. Gegebenenfalls gestattet die Behörde die Verwendung von Waren für andere als die ursprünglich vorgesehenen Zwecke.

2. Die Beseitigungsanordnung begegnet in formeller Hinsicht keinen durchgreifenden Bedenken.

a) Die Antragsgegnerin ist für den Erlass der Beseitigungsanordnung zuständig. Gemäß Art. 138 VO (EU) 2017/625 ergreifen die zuständigen Behörden die geeigneten Maßnahmen. Was unter dem Begriff "zuständige Behörde" zu verstehen ist, wird in Art. 3 Nr. 3 b) VO (EU) 2017/625 legal definiert. Danach bezeichnet der Begriff die zentralen Behörden eines Mitgliedstaats, die für die Durchführung amtlicher Kontrollen und anderer amtlicher Tätigkeiten nach dieser Verordnung und den Vorschriften gemäß Artikel 1 Absatz 2 verantwortlich sind (Buchst. a); sowie alle anderen Behörden, denen diese Verantwortung übertragen wurde (Buchst. b). Nach Art. 4 Abs. 1 VO (EU) 2017/625 benennen die Mitgliedstaaten, für jeden der durch die Vorschriften gemäß Art. 1 Absatz 2 der Verordnung geregelten Bereiche, eine oder mehrere zuständige Behörden, denen sie die Verantwortung für die Organisation oder die Durchführung amtlicher Kontrollen und anderer amtlicher Tätigkeiten übertragen.

Gemäß § 1 Ziffer 3 der Verordnung zur Übertragung von staatlichen Aufgaben auf die Landwirtschaftskammer Niedersachsen (AufgÜVO-LwK, NI) werden der Landwirtschaftskammer Niedersachsen zur Erfüllung nach Weisung die Aufgaben der zuständigen Behörde nach dem Pflanzenschutzgesetz (PflSchG) vom 6. Februar 2012 (BGBl. I S. 148, 1281), zuletzt geändert durch Artikel 4 Abs. 84 des Gesetzes vom 18. Juli 2016 (BGBl. I S. 1666), und den aufgrund des Pflanzenschutzgesetzes erlassenen Verordnungen, mit - hier nicht einschlägigen - Ausnahmen übertragen sowie nach § 1 Ziffer 3b AufgÜVO-LwK, NI die Durchführung von amtlichen Kontrollen zur Gewährleistung der Anwendung der Vorschriften über Pflanzengesundheit und Pflanzenschutzmittel nach der Verordnung (EU) 2017/625 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 15. März 2017 über amtliche Kontrollen und andere amtliche Tätigkeiten zur Gewährleistung der Anwendung des Lebens- und Futtermittelrechts und der Vorschriften über Tiergesundheit und Tierschutz, Pflanzengesundheit und Pflanzenschutzmittel, zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 999/2001, (EG) Nr. 396/2005, (EG) Nr. 1069/2009, (EG) Nr. 1107/2009, (EU) Nr. 1151/2012, (EU) Nr. 652/2014, (EU) 2016/429 und (EU) 2016/2031 des Europäischen Parlaments und des Rates, der Verordnungen (EG) Nr. 1/2005 und (EG) Nr. 1099/2009 des Rates sowie der Richtlinien 98/58/EG, 1999/74/EG, 2007/43/EG, 2008/119/EG und 2008/120/EG des Rates und zur Aufhebung der Verordnungen (EG) Nr. 854/2004 und (EG) Nr. 882/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates, der Richtlinien 89/608/EWG, 89/662/EWG, 90/425/EWG, 91/496/EEG, 96/23/EG, 96/93/EG und 97/78/EG des Rates und des Beschlusses 92/438/EWG des Rates (Verordnung über amtliche Kontrollen) (ABl. EU Nr. L 95 S. 1, Nr. L 137 S. 40; 2018 Nr. L 48 S. 44, Nr. L 322 S. 85), geändert durch die Delegierte Verordnung (EU) 2019/478 der Kommission vom 14. Januar 2019 (ABl. EU Nr. L 82 S. 4). Vor diesem Hintergrund bestehen keine Zweifel, dass die Antragsgegnerin für die Durchführung amtlicher Kontrollen nach der VO (EU) 2017/625 zur Überprüfung der Einhaltung der VO (EG) 1107/2009 und zur Ergreifung geeigneter Maßnahmen bei festgestellten Verstößen zuständig ist.

b) Mit Schreiben vom 1. März 2022 ist die Antragstellerin zu der beabsichtigten Anordnung auch ordnungsgemäß (§ 28 VwVfG i. V. m. § 1 NVwVfG) angehört worden.

3. Die Beseitigungsanordnung ist bei summarischer Prüfung materiell-rechtmäßig. Gemäß Artikel 138 Abs. 2 VO (EU) 2017/625 kann die zuständige Behörde die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, wenn Verstöße festgestellt werden. Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Es liegen Verstöße gegen pflanzenschutzrechtliche Bestimmungen vor.

a) Es liegen hinsichtlich des Pflanzenschutzmittel "Mamba" hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass ein Verstoß gegen die Zulassungspflicht aus Art. 28 i.V.m. Art. 52 VO (EG) 1107/2009 vorliegt, da die stoffliche Zusammensetzung der Parallelhandelsprodukte von der zugelassenen Formel des Referenzproduktes abweicht.

Nach Art. 52 Abs. 1 VO (EG) 1107/2009 kann ein Pflanzenschutzmittel, das in einem Mitgliedstaat (Ursprungsmitgliedstaat) zugelassen ist, sofern eine Genehmigung für den Parallelhandel erteilt wurde, in einem anderen Mitgliedstaat eingeführt, in Verkehr gebracht oder verwendet werden (Einfuhrmitgliedstaat), wenn dieser Mitgliedstaat feststellt, dass das Pflanzenschutzmittel in seiner Zusammensetzung mit einem Pflanzenschutzmittel identisch ist, das in seinem Gebiet bereits zugelassen ist (Referenzmittel). Gemäß Art. 52 Abs. 3 VO (EG) 1107/2009 gelten Pflanzenschutzmittel als identisch mit dem Referenzmittel, wenn a) sie von demselben Unternehmen oder einem angeschlossenen Unternehmen oder unter Lizenz nach demselben Verfahren hergestellt wurden; b) sie in Spezifikation und Gehalt an Wirkstoffen, Safenern und Synergisten sowie in Formulierungsart identisch sind; und c) sie hinsichtlich der enthaltenen Beistoffe und der Größe, des Materials oder der Form der Verpackung im Hinblick auf die potenziellen nachteiligen Auswirkungen auf die Sicherheit des Produkts in Bezug auf die Gesundheit von Mensch oder Tier oder auf die Umwelt identisch oder gleichwertig sind.

Insoweit ergibt sich aus den Prüfberichten des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) vom 24. März 2021 (Beiakte 002, Bl. 109-114) und vom 06./10. Februar 2023 (Beiakte 001, Bl. 155-181) folgendes:

Die entnommene Probe des Mittels "Mamba" wurde mit Prüfbericht vom 24. März 2021 in zweifacher Hinsicht beanstandet. Zum einen weist das Produkt einen zu geringen Gehalt der Beistoffsubstanz 1-Octanol auf. Der ermittelte Gehalt liegt unterhalb der Berichtsgrenze von 0,24 g/l und somit außerhalb der für den deklarierten Gehalt zulässigen Toleranz. Zum anderen wurde die Probe auf das Vorliegen von organischen Lösungsmitteln untersucht und der ermittelte Gehalt eines Frostschutzmittels liegt mit 56,1 g/l oberhalb der für Fremdstoffe zulässigen Toleranz. Darüber hinaus ist das festgesetzte Produkt auch wegen einer nicht eindeutigen Zuordnung der Parallelhandels-Nummer (GP-Nummer) nicht verkehrsfähig. Denn nach den Feststellungen des BVL waren auf dem untersuchten Gebinde zwei unterschiedliche GP-Nummern aufgedruckt. Auf der Vorderseite des Gebindes fand sich die GP-Nummer des Mittels "Mamba" und auf der Rückseite des Gebindes die GP-Nummer des Mittels "Estrela". Die chemische Zusammensetzung des festgesetzten Mittels entspricht im Übrigen weder der Zulassungsformel von "Mamba" noch der des Mittels "Estrela". Die Prüfberichte vom 06. Februar 2023 bzw. 10. Februar 2023 (Beiakte 001, Bl. 155-181), denen die Untersuchung auch der Gebinde aller einzelnen Unterchargen zugrundelag, haben den Prüfbericht vom 24. März 2021 nochmals bestätigt.

Die Ergebnisse der Prüfberichte des BVL können für die Frage der Verkehrsfähigkeit der Produkte auch herangezogen werden. Soweit die Antragstellerin vorbringt, die Antragsgegnerin behaupte lediglich, dass das Mittel "Mamba" vom zugelassenen Referenzmittel (Callisto) abweiche, negiert sie die besondere Kompetenz des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, zu dessen übertragenen Aufgaben es gehört jährliche Berichte und Daten zur Qualität von Lebensmitteln in Deutschland und über die Ergebnisse der Verkehrs- und Anwendungskontrollen im Pflanzenschutz zu sammeln und zu veröffentlichen und dessen Laboruntersuchungen nach wissenschaftlichen Maßstäben erfolgt.

b) Das Pflanzenschutzmittel ist weiterhin unter Verstoß gegen Art. 52 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 VO (EG) 1107/2009 eingeführt worden.

Ein echtes Parallelhandel-Pflanzenschutzmittel (GP-Pflanzenschutzmittel) ist danach dadurch charakterisiert, dass es identisch ist mit dem Referenzmittel des Landes, das die Genehmigung erteilt hat. Diese Identität bezieht sich jedoch nicht ausschließlich auf die chemische Zusammensetzung, sondern auch auf formale Aspekte, wie das ausschließliche innergemeinschaftliche Verbringen durch den Genehmigungsinhaber und aus dem Land heraus für dessen Ursprungspflanzenschutzmittel die Genehmigung erteilt wurde. Weiterhin bezieht sich die Forderung nach Identität auf den Hersteller und die Art der Herstellung (vgl. EuGH, Urteil vom 4. März 2021 - C-912/19 -, juris). Die Firma D. Ltd. hatte indes kein Recht das GP-Pflanzenschutzmittel in Deutschland in den Verkehr zu bringen und auch nicht innergemeinschaftlich zu verbringen, denn sie war nicht Inhaber der GP-Genehmigung. Allein dem Genehmigungsinhaber E. Ltd. wäre dies erlaubt gewesen - wenn es sich um das "echte" Mamba gehandelt hätte.

c) Die Antragstellerin ist taugliche Adressatin einer Anordnung nach Art. 138 VO (EU) 2017/625, da sie als Unternehmerin im Sinne des Art. 3 Ziffer 29 VO (EU) 2017/625 den Pflichten aus Art. 1 Abs. 2 Buchst. h) der Verordnung über das Inverkehrbringen und die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln unterliegt. Sie hielt ursprünglich das in Nr. 1) der Verfügung vom 1. August 2023 erfasste Pflanzenschutzmittel zum Zwecke des Verkaufs bereit und brachte es damit im Sinne des Art. 3 Ziffer 9 VO (EG) 1107/2009 in Verkehr (VG Köln, Beschluss vom 28. Juli 2021 - 13 L 1018/21 -, www.nrwe.de). Dabei ist auch die besondere Verantwortung von Firmen hervorzuheben, die mit Pflanzenschutzmitteln handeln, da von den gehandelten Produkten potentielle Gefahren für die Gesundheit von Mensch und Tier und für die Umwelt ausgehen (siehe dazu im Einzelnen den Leitfaden der Bund-/Länder-Arbeitsgemeinschaft "Hinweise und Pflichten der Parallelhändler von Pflanzenschutzmitteln", veröffentlich auf der Homepage des BVL).

d) Die Beseitigungsanordnung ist bei summarischer Prüfung nicht ermessensfehlerhaft. Mit der Beseitigungsanordnung verfolgt die Antragsgegnerin das legitime Ziel Gefahren für Menschen, Tiere und die Umwelt, die von nicht zulassungskonformen Pflanzenschutzmitteln bzw. Mitteln, die unter Verstoß gegen die europäischen Vorschriften zum Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln in die Union eingeführt wurden, zu beseitigen.

Um dieses - sich aus den europarechtlichen Ermächtigungsgrundlagen ergebende, (vgl. Erwägungsgrund 58 der VO (EU) 2017/625 sowie Erwägungsgründe 7 ff. der VO (EG) 1107/2009, - Ziel zu erreichen, ist die streitgegenständliche Anordnung geeignet und aller Voraussicht nach auch erforderlich und angemessen.

Es erweist sich zunächst nicht als ermessenfehlerhaft, dass die Antragsgegnerin in Nrn. 1) und 2) der Verfügung vom 1. August 2023 die Beseitigung unter Begleitung durch den Prüfdienst der Antragsgegnerin angeordnet hat. Dass durch die Beseitigungsanordnung eine mögliche Rückgabe der Pflanzenschutzmittel an den Verkäufer ausgeschlossen wird, macht diese nicht ermessensfehlerhaft. Eine Rückgabe an die Firma D. Ltd. erweist sich in dem hier zu entscheidenden Fall nicht als ebenso effektiv, die Gefahr im Sinne eines Verstoßes gegen die pflanzenschutzrechtlichen Vorschriften zu beseitigen, wie die angeordnete Beseitigung des nicht zulassungs- bzw. nicht parallelhandelskonformen Pflanzenschutzmittels. Die Antragsgegnerin hat insoweit anschaulich dargelegt, dass gehäuft nicht verkehrsfähige Ware aus dem Firmengeflecht des F. Konzerns und dessen Filialunternehmen, zu denen auch die Firma D. Ltd. gehört, in den Verkehr gebracht wurde. Die Kammer hat insoweit keinen Anlass an den Feststellungen des BVL zu zweifeln, wonach angebliche Verwertungsmöglichkeiten in anderen Ländern vorgegeben wurden und werden, um die Mittel an die Firma D. Ltd. zurückzuführen. Nach den Feststellungen des BVL versuchte der Konzern, dem auch die die Firma D. Ltd. angehört, jeweils dann, wenn sich herausstellte, dass das in Rede stehende Pflanzenschutzmittel in dem vorgesehenen Absatzmarkt nicht verkehrsfähig ist, andere Zielländer zu benennen in denen das Mittel angeblich vertrieben werden dürfe, um wieder die Verfügungsgewalt über das Pflanzenschutzmittel zu erlangen. Die Angaben des Konzerns etwa, dass das Mittel in der Ukraine oder Litauen zugelassen wäre und legal importiert werden könne, erwiesen sich danach als nicht plausibel (GA Bl. 100 ff.). Dementsprechend dürften auch die jetzigen Bemühungen der Firma D. Ltd. (vgl. Beiakte 002: Bl. 71, 76-81, 155, 161) wieder in den Besitz des Pflanzenschutzmittels zu gelangen, nicht dazu führen, dass das Mittel tatsächlich in Indonesien in den Verkehr gebracht würde. Nach den bisherigen Recherchen des BVL ist die kaufwillige Firma G. nämlich nicht der rechtmäßige Inverkehrbringer für ein Pflanzenschutzmittel mit dem von der Antragstellerin für Indonesien angegebenen Bezeichnung Mesonin. Vor diesem Hintergrund hält es die Kammer nicht für ermessenfehlerhaft, dass die Antragsgegnerin die Rückführung an ein Tochterunternehmen des wiederholt negativ aufgefallenen Konzerns in Bezug auf die Nichteinhaltung pflanzenschutzrechtlicher Vorschriften ausschließt, denn es ist nicht zu beanstanden, wenn die Antragsgegnerin im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung zu dem Ergebnis gelangt, dass ein verantwortungsvoller Umgang mit den festgesetzten Pflanzenschutzmitteln durch den Lieferanten in diesem Fall nicht mehr gewährleistet ist. Denn bei der Entscheidung über die zu ergreifenden Maßnahmen haben die zuständigen Behörden auch das bisherige Verhalten in Bezug auf die Einhaltung der Vorschriften zu berücksichtigen (Art. 138 Abs. 1 Satz 2 VO 2017/625).

Im Übrigen hatte die Firma D. Ltd. kein Recht das GP-Pflanzenschutzmittel in Deutschland in den Verkehr zu bringen und auch nicht innergemeinschaftlich zu verbringen, da sie nicht Inhaber der GP-Genehmigung war. Allein dem Genehmigungsinhaber E. Ltd. wäre dies erlaubt gewesen - wenn es sich um das "echte" Mamba gehandelt hätte. Sie hat somit auch kein Recht, diese nicht verkehrsfähige Ware zurückzufordern.

Die Beseitigung des Mittels unter Begleitung durch den Prüfdienst der Antragsgegnerin bei einem regionalen Entsorger dient dazu, die von dem Mittel ausgehenden Umweltgefahren gering zu halten, indem einerseits auf die Kenntnisse des Prüfdienstes zurückgegriffen wird und andererseits lange Transportwege vermieden werden und ist deshalb nicht ermessensfehlerhaft. Die Antragstellerin ist den Ausführungen der Antragsgegnerin, dass durch eine lange Lagerung eine zunehmende Umweltgefährdung bereits dadurch entstehen kann, dass aufgrund chemischer Prozesse des Mittels oder des Gebindematerials eine Undichtigkeit der Kanister hervorgerufen werden kann, nicht substantiiert entgegengetreten. Dass diese Gefahr sich durch fortschreitenden Zeitablauf erhöht, ist ohne weiteres nachvollziehbar. Da es sich bei dem Pflanzenschutzmittel Mamba um einen Gefahrstoff handelt und die für solche Gefahrstoffe zugelassenen Behälter, hier Kunststoffkanister mit UN-Code, eine gebindebezogene Transportsicherheit nur für maximal fünf Jahre garantieren, steigen die Umweltgefahren mit zunehmender Lagerungszeit und angesichts des Produktionsdatum der hier verwendeten Kanister (4/2020, siehe Beiakte 001, Bl. 49) drohen demnächst Unfallgefahren, bei denen es zur Beschädigung und zum Freisetzen des Inhaltes kommen kann.

Eine andere Bewertung folgt auch nicht aus Art. 3 Ziffer 9 VO (EG) 1107/2009. Nach dieser Vorschrift gilt die Rückgabe zwar nicht als Inverkehrbringen im Sinne der Verordnung und bedarf deshalb keiner Zulassung nach Art. 28 Abs. 1 VO (EG) 1107/2009. Dies schließt jedoch nicht aus, dass die zuständige Behörde im Rahmen ihres Auswahlermessens - wie hier - zu dem Ergebnis gelangen kann, dass eine Rückgabe an den Verkäufer im konkreten Einzelfall nicht ermessensgerecht ist (VG Köln, Beschluss vom 19. Oktober 2022 - 9 L 1449/22 -, www.justiz.nrw/nrwe/ovgs/vg_koeln/j2022/9 _L_1449_22_Beschluss_20221019.html, Rn. 58).

Es ist auch nicht ermessenfehlerhaft, dass die Antragsgegnerin beabsichtige mit der Beseitigungsanordnung mit Sofortvollzug den Inverkehrbringer "spürbar zu maßregeln". Zugegeben mag die Wortwahl etwas irritieren und zu der Annahme führen, die Anordnung habe strafenden Charakter, was verwaltungsrechtlichen Maßnahmen nicht beigemessen werden darf. Die Antragsgegnerin hat insoweit aber verdeutlicht, dass es ihr nicht um strafrechtliche Sanktionen im echten Sinne gehe, sondern darum, Akteure im Pflanzenschutzhandel zu rechtskonformen Handeln anzuhalten, was aufgrund der von Pflanzenschutzmitteln ausgehenden Gefahren für Mensch, Tier und Umwelt einen legitimen Zweck darstellt.

Die Antragsgegnerin hat auch nicht in ermessenfehlerhafter Weise Rückgaberechte der Antragstellerin unberücksichtigt gelassen. Ein Recht auf Rückgabe folgt dabei zunächst nicht aus § 27 Abs. 1 PflSchG. Danach ist nach Beendigung der Zulassung eines Pflanzenschutzmittels dessen Rückgabe an den Zulassungsinhaber (Nr. 1), den Einführer oder dessen Vertreter (Nr. 2) oder an einen von Personen nach den Nummern 1 oder 2 beauftragten Dritten (Nr. 3) zulässig. Die Rückgabe gilt nicht als Inverkehrbringen. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor, weil es sich nicht um Fälle der Rückgabe nach Beendigung einer Zulassung handelt. Einer erweiternden Auslegung, in dem Sinne, dass unter die Norm auch solche Pflanzenschutzmittel fallen, die nicht der zulässigen Spezifikation entsprechen, dürfte der eindeutige Wortlaut des § 27 PflSchG und dessen Sinn und Zweck entgegenstehen (vgl. VG Aachen, Urteil vom 28. September 2022 - 7 K 612/22 -, juris, Rn. 77).

Es ist auch nicht ermessensfehlerhaft, dass die bisher allein im Raum stehende theoretische Möglichkeit der Verwertung der festgesetzten Pflanzenschutzmittel durch eine Ausfuhr in ein Drittland die Antragsgegnerin nicht zu einer anderen Entscheidung bewogen hat. Insoweit teilt die Kammer die im hiesigen Rechtsstreit eingeführte Auffassung des VG Köln (Beschluss vom 19. Oktober 2022 - 9 L 1449/22 -, a.a.O.), dass es nicht dem Sinn und Zweck des Pflanzenschutzrechtes und der VO (EG) 1107/2009 entspricht, ein Problem dadurch zu beheben, dass man das Produkt aus dem Geltungsbereich eines Mitgliedstaates oder einer EU-Verordnung schafft. Das VG Köln hat insoweit ausgeführt (Rn. 65):

"Der Schutz der Verordnung dürfte vielmehr so weit gehen, dass einmal unzulässig in die Union eingeführte Produkte, nach dem Ermessen der zuständigen Behörde nirgendwo mehr in den Verkehr gebracht werden dürfen. Das Ergebnis bestätigt sich schließlich unter dem Gesichtspunkt einer effektiven Gefahrenabwehr. Müssten die Betroffenen bei Feststellung eines Verstoßes gegen das Pflanzenschutzrecht stets nur die Rückführung an den Hersteller oder die weitere Veräußerung an einen Drittstaat fürchten, bestünde beim Handel mit nicht verkehrsfähigen Produkten in der EU nur ein geringes wirtschaftliches Risiko für die verantwortlichen Unternehmer. Der Antragsgegner hat insoweit zu Recht darauf hingewiesen, dass dies dem Zweck der VO (EG) 1107/2009 und der VO (EU) 2017/625, den Handel mit illegalen, nicht dem europäischen Pflanzenschutzrecht entsprechenden, Pflanzenschutzmitteln wirksam zu verhindern bzw. zu unterbinden, entgegenstehen würde (A.A. VG Aachen, Urteil vom 28. September 2022 - 7 K 612/22 -, juris.)"

3. Es besteht das für die Anordnung der sofortigen Vollziehung erforderliche, über die Rechtmäßigkeit der Ordnungsverfügung hinausgehende besondere Vollzugsinteresse. Bei der Abwägung der wirtschaftlichen Interessen der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Ordnungsverfügung überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Durchsetzung der auf den Verbraucherschutz, den Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier und der Umwelt zielenden Anordnung der Beseitigung des in Frage stehenden Pflanzenschutzmittels. Unabhängig davon, ob von der chemischen Zusammensetzung des fraglichen Produkts eine konkrete Gesundheitsgefahr ausgeht, besteht im Interesse des Verbraucherschutzes ein erhebliches öffentliches Interesse daran, das Inverkehrbringen nicht zugelassener Pflanzenschutzmittel schnellstmöglich, d.h. vor dem rechtskräftigen Abschluss eines ggf. mehrere Jahre dauernden verwaltungsgerichtlichen Hauptsacheverfahrens, zu unterbinden (VG Köln, Beschluss vom 19. Oktober 2022 - 9 L 1449/22 -, a.a.O., Rn. 71), sowie Umweltgefahren bei fortschreitender Lagerung zu unterbinden.

4. Die in Ziffer 3) des Bescheids vom 1. August 2023 angedrohte Ersatzvornahme begegnet ebenfalls keinen Bedenken. Rechtsgrundlage für die Androhung der Ersatzvornahme sind § 70 NVwVG i.V.m. § 64, § 65 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2, § 66, § 70 NPOG. Die Ersatzvornahme wurde der Antragstellerin in der Verfügung, durch die die Handlung aufgegeben wurde (§ 70 Abs. 2 NPOG) schriftlich angedroht und ist auch sonst rechtlich nicht zu beanstanden, insbesondre ist auch die Höhe der voraussichtlichen Beseitigungskosten angegeben worden (§ 70 Abs. 4 NPOG).

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

6. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) und berücksichtigt die Angaben der Klägerin, die Firma D. Ltd. habe ein Angebot über 48.000,00 US$ (gerundet 44.000,00 €) für das Pflanzenschutzmittel erhalten sowie die geschätzten Beseitigungskosten in Höhe 30.000,00 €. Nach den Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (NordÖR 2014, 11) bleibt die neben der Grundverfügung angedrohte Ersatzvornahme bei der Streitwertfestsetzung unberücksichtigt (Ziffer 1.7.2). Hiernach ist für die Hauptsache ein Wert von 74.000,00 € anzusetzen. Dieser Wert ist für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht gemäß Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs zu halbieren, da im Falle der Vernichtung die Hauptsache vorweggenommen wird.