Arbeitsgericht Hameln
Urt. v. 07.05.2004, Az.: 3 Ga 3/04
Anspruch auf Unterlassung von Arbeitskampfmaßnahmen ; Parteifähigkeit von Gewerkschaften im arbeitsgerichtlichen Verfahren; Voraussetzungen für die Parteifähigkeit von Unterorganisationen von Gewerkschaften ; Notwendigkeit einer eigenständigen körperschaftlichen Organisation der Unterorganisation; Anforderungen an den Antrag auf Grund des Bestimmtheitserfordernisses; Zulässigkeit des Erlasses einer Einstweiligen Verfügung im Zusammenhang mit einem rechtswidrigen Arbeitskampf ; Anspruch auf Unterlassung von Arbeitskampfmaßnahmen noch auf Unterlassung von weiteren Aufrufen zu Arbeitsniederlegungen ; Wahrung der relativen Friedenspflicht ; Verletzung des Kernbereichs der Unternehmensautonomie ; Möglichkeit einer Verletzung der Koalitionsfreiheit des Arbeitgeberverbandes bei einem Arbeitskampf um einen firmenbezogenen Abwicklungstarifvertrag ; Zulässigkeit einer weiteren Regelung von Firmentarifverträgen neben dem üblichen Verbandstarif; Rechtmäßigkeit des Abschlusses eines Firmentarifvertrages; Sperrwirkung des Betriebsverfassungsrechts gegenüber einem Tarifvertrag ; Folgen eines Verstoßes gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip
Bibliographie
- Gericht
- ArbG Hameln
- Datum
- 07.05.2004
- Aktenzeichen
- 3 Ga 3/04
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 33138
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:ARBGHM:2004:0507.3GA3.04.0A
Verfahrensgang
Rechtsgrundlagen
- § 50 ZPO
- § 10 ArbGG
- § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO
- § 1004 BGB
- § 823 Abs. 1 BGB
- Art. 14 GG
- Art. 9 Abs. 3 GG
- § 1 Abs. 1 TVG
Fundstellen
- AUR 2004, 277 (amtl. Leitsatz)
- AuR 2004, 277 (amtl. Leitsatz)
- schnellbrief 2004, 7
In dem einstweilige Verfügungsverfahren
hat die 3. Kammer des Arbeitsgerichts Hameln
auf die mündliche Verhandlung vom 07.05.2004
durch
die Richterin ... als Vorsitzende und
die ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.
- 2.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Verfügungsklägerin.
- 3.
Der Streitwert wird auf 108.000,00 Euro festgesetzt.
- 4.
Die Berufung wird nicht besonders zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Unterlassung von Arbeitskampfmaßnahmen.
Die Antragstellerin und Verfügungsklägerin, die Mitglied im Verband der Metallindustriellen Niedersachsen e.V. ist, produziert in ihrer Niederlassung in Stadthagen mit 360 Arbeitnehmern Fahrtreppen. Bereits im Interessenausgleich von 1999 hatte sich die Verfügungsklägerin zum Erhalt des Standortes Stadthagen bis zum 31.12.2005 verpflichtet. Die Geschäftsleitung hat den Entschluss gefasst, das Werk Stadthagen nunmehr bereits zum 31.12.2004 stillzulegen und sämtliche Arbeitnehmer zu entlassen. Die Produktion soll ins Ausland verlegt werden.
Die Verfügungsklägerin hat am 4. März 2004 den Wirtschaftsausschuss und den Betriebsrat hiervon informiert. Mit Schreiben vom 29. März 2004 forderte die Verfügungsbeklagte zu 2) den Verband der Metallindustriellen Niedersachsen e.V. auf, ein auf den Betrieb Stadthagen bezogenen Ergänzungstarifvertrag zu vereinbaren und erhob hierbei folgende Forderungen :
1.
Beschäftigte, die betriebsbedingt gekündigt werden, haben Anspruch auf Qualifizierungsmaßnahmen für bis zu 36 Monate nach Ablauf der Kündigungsfrist unter Fortzahlung eines Entgeltes in Höhe der bisherigen Vergütung. Die Firma trägt die Kosten der Qualifizierungsmaßnahmen.Der Firma bleibt es unbenommen, sämtliche Förderungsmöglichkeiten zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit nach dem SGB III in Anspruch zu nehmen.
2.
Zur Milderung der mit dem Verlust des Arbeitsplatz verbundenen Nachteile erhalten die aus Anlass der Betriebsänderung ausscheidenden Beschäftigten eine Abfindung in Höhe von zwei Monatseinkommen pro Beschäftigungsjahr.Außerdem wird ein Fonds für Fälle besonderer Härte eingerichtet .
Die Aufstellung weiterer Forderungen behalten wird uns vor.
Am 6. April 2004 lehnte die große Tarifkommission die Tarifverhandlungen ab. Dies wurde der Verfügungsbeklagten zu 2) am 7. April 2 0 04 mitgeteilt. Ebenfalls mit Schreiben vom 7. April 2004 forderte die Verfügungsbeklagte zu 2) nunmehr die Verfügungsklägerin selbst auf, mit ihr einen ergänzenden Firmentarifvertrag mit den oben genannten Forderungen zu vereinbaren. Die Aufnahme von Tarifverhandlungen lehnte die Verfügungsklägerin mit Schreiben vom 19. April 2004 ab, weil sie die erhobenen Tarifforderungen für rechtswidrig hält und signalisierte lediglich Gesprächsbereitschaft.
In einem Gespräch der Verfügungsklägerin mit den Verfügungsbeklagten zu 1) und 2) am 28. April 2004 versuchte die Verfügungsklägerin eine außertarifliche Regelung nahe zu legen und lehnte erneut Verhandlungen über die Tarifforderungen ab. Die Verfügungsklägerin ermittelte auf der Basis eines durchschnittlichen Arbeitnehmerverdienstes von 3.300,00 Euro monatlich ein Volumen der Forderungen der Verfügungsbeklagten von 97,3 Millionen Euro.
Noch am gleichen Tag riefen die Verfügungsbeklagten zu 1) und 2) die Arbeitnehmer zu Warnstreiks und einer Kundgebung vor den Werkstoren für den 29. April 2004, 9.30 Uhr, auf. Die Kundgebung dauerte bis 11.00 Uhr. Im Anschluss daran kehrten nur wenige Arbeitnehmer an ihren Arbeitsplatz zurück, sodass 1.080 Arbeitsstunden entfielen.
Ebenfalls am 28.04.2004 forderte die Verfügungsklägerin den Betriebsrat auf, mit ihr am 30. April 2004 Verhandlungen über einen Interessenausgleich zu führen und wies daraufhin, dass sie im Fall einer Weigerung des Betriebsrates die tarifliche Schlichtungsstelle anrufen werde. Hierauf bat der Betriebsrat um Verschiebung der Beratungen, um die Frage der Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrates zu prüfen.
Bei nicht zeitgerechter Ausführung der Aufträge drohen der Verfügungsklägerin Vertragsstrafen. Auf die Eidesstattliche Versicherung und E-Mail vom 27. April 2004 wird Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 30. April 2004 forderte die Verfügungsbeklagte zu 2) die Verfügungsklägerin erneut zur Verhandlung zum Tarifvertrag auf und drohte für den Fall der Weigerung mit der Einleitung weiterer Maßnahmen.
Die Verfügungsklägerin hält sämtliche Arbeitskampfmaßnahmen für rechtswidrig und behauptet, dass das eigentliche Ziel der Verfügungsbeklagten die Verhinderung der Standortverlagerung sei. Bei Festsetzung der Streiks drohten erhebliche wirtschaftliche Schäden.
Die Verfügungsklägerin meint: Die Friedenspflicht sei verletzt. Darüber hinaus sei ihre Koalitionsfreiheit und diejenige des Arbeitgeberverbandes verletzt, der seine Funktion verliere, wenn er seine Mitgliedsunternehmen nicht durch Abschluss eines Flächentarifvertrages schützen könne. Die abschließenden betriebsverfassungsrechtlichen Normen zur Betriebsänderung hätten unbedingten Vorrang, sodass die Tarifvertragsparteien zu sozialplan-gleichen Regelungen nicht befugt seien. Würde man den Gewerkschaften die Befugnis einräumen, bliebe inhaltlich kein Raum mehr für Verhandlungen der Betriebspartner.
Ein besonderer Vorrang ergebe sich aus § 30 Abs. 2 des gemeinsamen Manteltarifvertrages (GMTV) , da dort die Zuständigkeit der Tarifvertrags -Parteien ausdrücklich nachrangig geregelt sei. Darüber hinaus sei die Forderung tariflich nicht regelbar und nicht rechtmäßig in ihrer kumulativen Realisierung.
Der Verfügungsgrund ergebe sich, weil ein gerichtliches Streikverbot zur Abwendung wesentlicher Nachteile erforderlich sei.
Die Verfügungsklägerin beantragt,
den Antragsgegnerinnen unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro für jeden Fall der Zuwiderhandlung ersatzweise Ordnungshaft gegen die gesetzlichen Vertreter der Antragsgegnerinnen aufzugeben,
"1.
Beschäftigte, die betriebsbedingt gekündigt werden, haben Anspruch auf Qualifizierungsmaßnahmen für bis zu 36 Monate nach Ablauf der Kündigungsfrist unter Fortzahlung eines Entgeltes in Höhe der bisherigen Vergütung. Die Firma trägt die Kosten der Qualifizierungsmaßnahmen.Der Firma bleibt es unbenommen, sämtliche Förderungsmöglichkeiten zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit nach dem SGB III in Anspruch zu nehmen.
2.
Zur Milderung der mit dem Verlust des Arbeitsplatz verbundenen Nachteile erhalten die aus Anlass der Betriebsänderung ausscheidenden Beschäftigten eine Abfindung in Höhe von zwei Monatseinkommen pro Beschäftigungsjahr.Außerdem wird ein Fonds für Fälle besonderer Härte eingerichtet.
Die Aufstellung weiterer Forderungen behalten wird uns vor."
Die Verfügungsbeklagten beantragen,
den Antrag zurückzuweisen.
Die Verfügungsbeklagten meinen: Die Tarifforderungen seien legitimer Ausdruck der Koalitionsfreiheit, die auch den Streik um firmenbezogene Ergänzungstarifverträge umfasse. Es handele sich um tariflich regelbare Ziele. Die Einrichtung einer tariflichen Schlichtungsstelle konstituiere keine besondere Friedenspflicht .
Wegen der weiter gehenden Einzelheiten des gegenseitigen Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungründe
I.
Die Einstweilige Verfügung ist zulässig, allerdings nur gegenüber der Verfügungsbeklagten zu 3).
1.
Die Verfügungsbeklagte zu 3) ist parteifähig gemäß § 50 ZPO, § 10 ArbGG, nicht hingegen die Verfügungsbeklagten zu 1) und 2).
Gemäß § 10 ArbGG sind im arbeitsgerichtlichen Verfahren auch Gewerkschaften parteifähig. Unterorganisationen von Gewerkschaften können parteifähig sein, wenn sie selbst körperschaftlich organisiert sind, gegenüber der Gesamtorganisation selbstständig tätig werden können und handlungsfähig sind (Germelmann, Matthes/Prütting, ArbGG, Rdn. 11 zu § 10; Düwel/Lipke/Krönig ArbGV, Rdn. 5 zu § 10; BAG, Urteil vom 22. Dezember 1960, 2 AZR 140/58; BAG, Urteil vom 19.11.1985, 1 ABR 37/85) . Die körperschaftliche Organisation drückt sich dabei in einer eigenen Satzung und der darin zum Ausdruck kommenden weit gehenden Selbstständigkeit gegenüber der Gesamtorganisation aus. Keine Parteifähigkeit liegt vor, wenn die Unterorganisation praktisch nur "Außenstelle" der Gesamtorganisation ohne nennenswerte eigene Befugnisse ist (BAG, Urteil vom 26. Februar 1964, 5 AZR 66/64, AP Nr. 5 zu § 36 ZPO; Grunsky, ArbGG, Rdn. 15 zu § 10).
Diese Voraussetzungen erfüllen die Verfügungsbeklagten zu 1) und 2) nicht, sondern nur die Verfügungsbeklagte zu 3). Denn nach der Satzung haben die Verfügungsbeklagten zu 1) und 2) keine eigene kooperative Verfassung und keine eigene Entscheidungsbefugnis.
2.
Der Antrag der Verfügungsklägerin ist auch bestimmt genug gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
Das Bestimmtheitserfordernis aus § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO erfordert, dass der Antrag die konkrete Handlung, deren Unterlassung für die Zukunft begehrt wird, so genau bezeichnet, dass die Beklagte sich hierzu verteidigen kann und die Entscheidung rechtskraft- und vollstreckungsfähig ist (BAG, Beschluss v. 17.08.1982, 1 ABR 50/80, AP Nr. 5 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebs).
Der Antrag zu 1) ist hierzu auszulegen.
Die Verfügungsklägerin begehrt die Unterlassung sämtlicher Arbeitskampfmaßnahmen bezogen auf die genannten Tarifforderungen und damit die Unterlassung jedweder denkbarer Arbeitskampfmaßnahme durch die Verfügungsbeklagte. Damit genügt sie dem Bestimmtheitserfordernis.
3.
Der Erlass einer Einstweiligen Verfügung im Zusammenhang mit einem rechtswidrigen Arbeitskampf ist gemäß §§ 62,85 ArbGG, §§ 935 ff. ZPO, grundsätzlich zulässig.
II.
Der gegenüber der Verfügungsbeklagten zu 3) (künftig nur noch Verfügungsbeklagte genannt) geltend gemacht Unterlassungsanspruch ist nicht begründet.
Die Verfügungsklägerin hat keinen Verfügungsanspruch gegenüber der Verfügungsbeklagten weder auf Unterlassung von Arbeitskampfmaßnahmen noch auf Unterlassung von weiteren Aufrufen zu Arbeitsniederlegungen aus §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB analog.
Die beabsichtigten Arbeitskampfmaßnahmen sind kein rechtswidriger Eingriff in das durch Artikel 14 GG geschützte Recht der Verfügungsklägerin auf den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Ein Anspruch auf die begehrte Unterlassung von Arbeitskampfmaßnahmen besteht nur dann, wenn es sich um die Verhinderung eines rechtswidrigen Arbeitskampfes handelt (§ 1004 Abs. 2 BGB).
Die von der Verfügungsklägerin befürchteten Arbeitskampfmaßnahmen der Verfügungsbeklagten sind nicht rechtswidrig.
1.
Eine Rechtswidrigkeit der befürchteten Arbeitskampfmaßnahmen folgt nicht aus der Tatsache, dass die Verfügungsklägerin Mitglied in einem Arbeitgeberverband ist, der mit der Verfügungsbeklagten bereits einen gemeinsamen Verbandstarif abgeschlossen hat.
Das Recht der Verfügungsbeklagten, einen weiteren Tarifvertrag auch mit der Verfügungsklägerin abzuschließen, ist durch Art. 9 Abs. 3 GG garantiert. Von Art. 9 Abs. 3 GG umfasst ist neben der Koalitionsbestandsgarantie auch die koalitionsmäßige Betätigung, d. h. die Möglichkeit eigenverantwortlich Tarifverträge abzuschließen. Damit wird der Kernbereich der Tarifautonomie gewährleistet.
Neben den üblichen Verbandstarifverträgen ist eine weitere Regelung in auf den Arbeitgeber bezogenen Firmentarifverträgen zulässig, soweit noch keine abschließenden Regelungen in den Verbandstarifverträgen enthalten sind (BAG, Urteil vom 10. Dezember 2002, 1 AZR 96/02, NZA 2003, 735, AP Nr. 162 Art. 9 GG Arbeitskampf; LAG Köln, Urteil vom 14. Juni 1996, 4 Sa 177/96, AP Nr. 149 zu Art. 9 GG Arbeitskampf; Meyer, NZA 2004, 366 ff.; a.A. Reuter, NZA 01, 1097 ff.). Für die Prüfung ist deshalb der Inhalt der Tarifforderungen aus dem Schreiben der Verfügungsbeklagten vom 07.04.2004 maßgeblich. Die darin begehrten Qualifizierungsmaßnahmen stellen ebenso wie die Abfindungsforderungen Tarifnormen dar, die bislang in den Verbandstarifverträgen nicht geregelt sind.
2 .
Dem von der Verfügungsbeklagten begehrten Abschluss eines Tarifvertrages steht auch nicht eine relative Friedenspflicht wegen zwischen den Verbänden bestehender Tarifverträge entgegen.
Die Wahrung der relativen Friedenspflicht setzt einen zwischen den Tarifvertragsparteien bestehenden Tarifvertrag voraus. Die Parteien dieses Tarifvertrages und deren Mitglieder sind an die beiderseitige Friedenspflicht in dem Umfang gebunden, wie bereits Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen ausdrücklich geregelt sind (BAG, Urteil vom 10. Dezember 2002, 1 AZR 96/02, a.a.O.; LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 27. März 2003, 5 Sa 137/03, Juris; LAG Köln, Urteil vom 14. Juni 1996, 4 Sa 177/96, Juris). Schließt ein Verband nach seiner Satzung für seine Mitglieder Tarifverträge ab und verbietet die Satzung den Abschluss von Firmentarifverträgen, steht auch dies dem Abschluss von Tarifverträgen und dem Arbeitskampf um den Firmentarifvertrag gegenüber dem Verbandsmitglied nicht entgegen, solange der Verband keinen Tarifvertrag abgeschlossen hat (BAG, Urteil vom 4. August 1993, 4 AZR 499/92 AP Nr. 15 zu § 3 TVG).
Auf der Grundlage dieses Beurteilungsmaßstabes ist der von der Verfügungsbeklagten geforderte "Abwicklungstarifvertrag" von der Friedenspflicht für den GMTV vom 17. Oktober 1994 31. März 2000 nicht umfasst. Denn die Normen, die bezüglich der Qualifizierung und Abfindungszahlung - gefordert werden, sind bisher in keiner Form Gegenstand des GMTV oder anderer zwischen dem Verband der Metallindustriellen Niedersachsens e.V. und einer der Verfügungsbeklagten geschlossenen Tarifverträge.
An dieser Betrachtung ändert sich auch nichts durch die in § 30 Abs. 2 des GMTV aufgenommene Regelung, wonach bei Streitigkeiten zwischen Betriebsrat und Geschäftsleitung um Interessenausgleiche und Sozialpläne an die Stelle der Einigungsstelle gemäß § 76 Abs. 8 BetrVG die tarifliche Schlichtungsstelle tritt. Denn diese tarifliche Regelung stellt nur eine Ausgestaltung des Verfahrens bezüglich der Einigung der Betriebspartner vor dem Hintergrund des Streikverbots der Betriebspartner gemäß § 74 Abs. 2 BetrVG dar. Eine irgendwie geartete inhaltliche Gestaltung ist dieser Tarifnorm nicht zu entnehmen. Denn es gibt keinerlei inhaltliche Vorgaben, für die dann von einem der Betriebspartner einberufene tarifliche Schlichtungsstelle.
3.
Die Zulässigkeit des streitigen Arbeitskampfes entfällt auch nicht deshalb, weil mit ihm rechtswidrig tariflich nicht regelbare Ziele verfolgt werden.
Für die Beurteilung der Frage, ob Ziele tariflich regelbar sind, sind die von der Verfügungsbeklagten genannten Tarifforderungen heranzuziehen.
Die in Art. 9 Abs. 3 GG dargelegten Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen, die durch die Koalitionen gewahrt und gefördert werden können, hat der Gesetzgeber in § 1 Abs. 1 TVG konkretisiert. Gemäß § 1 Abs. 1 TVG enthält der Tarifvertrag Rechtsnormen, die den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnisses sowie betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen ordnen können.
a)
Danach unterfallen tarifliche Regelungen, die die Durchführung von Qualifizierungsmaßnahmen ausgestalten, den Normen, die die Beendigung von Arbeitsverträgen betreffen, da sie die Folgewirkungen der unternehmerischen Entscheidung erfassen (so auch LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 27. März 2003, 5 Sa 137/03, Juris; Arbeitsgericht Lübeck, Urteil vom 29. Mai 2001, 6 Ga 21/01, Juris; Arbeits-Gericht Kiel, Urteil vom 14. März 2003, 5 Ga 10b/03; Juris).
Denn die von der Verfügungsbeklagten gewünschten 36 Monate Qualifizierungsmaßnahmen nach Ablauf der Kündigungsfrist fallen unter diese Normen, weil sie bereits zum Zeitpunkt des Bestehens des Arbeitsverhältnisses für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist Regelungen treffen. Dem steht nicht entgegen, dass durch diese tariflichen Normen möglicherweise befristet ein neues Vertragsverhältnis eigener Art begründet wird.
b)
Die von der Verfügungsbeklagten geforderten Abfindungszahlungen und Härteregelungen sind ebenso Regelungen, die mit der Beendigung von Arbeitsverhältnissen in Zusammenhang stehen. Insoweit wird auf a) Bezug genommen (für Abfindungen auch Rolfs/Clemens, DB 2003, 1678, 1681) [BGH 20.11.2002 - VIII ZR 65/02]. Selbst wenn diese Tarifforderungen nicht als Normen zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses angesehen werden, so handelt es sich um betriebsverfassungsrechtliche Fragen, die ebenfalls vom Regelungsgehalt des § 1 Abs. 1 TVG umfasst sind.
c)
Mit einer Regelung zu den Qualifizierungsmaßnahmen und den geforderten Abfindungen wird auch nicht die Freiheit der Verfügungsklägerin aus Art. 12 und 14 GG verletzt. Denn der Kernbereich der Unternehmensautonomie ist nur dann verletzt, wenn dem Arbeitgeber jeglicher Gestaltungsspielraum für die beabsichtigte unternehmerische Entscheidung genommen wird (BAG, Urteil vom 21. Juni 2000, 4 AZR 379/99, Juris).
Anders als die Verfügungsklägerin vermag die Kammer nicht zu erkennen, woraus sich ergeben soll, dass die Verfügungsbeklagte unzulässigerweise die Verlagerung des Betriebssitzes als solche verhindern will, wie dies z.B. durch einen Standortsicherungstarifvertrag möglich wäre. Vielmehr zeigen die bisher benannten Forderungsdetails, dass es der Verfügungsbeklagten um eine möglichst langfristige soziale Absicherung der Arbeitnehmer geht. Damit geht es nicht um das "Ob" der unternehmerischen Entscheidung, sondern um das zulässigerweise auszugestaltende "Wie", welches unternehmerische Gestaltungsspielräume offen lässt. Die von der Verfügungsbeklagten benannten Forderungen stellen den Standortverlagerungsentschluss noch nicht in Frage. Insoweit vermag die Aufstellung der Verfügungsklägerin über die zu erwartenden Kosten von 97,3 Millionen Euro nichts darüber auszusagen, ob dadurch eine Entscheidung über das "Ob" noch einmal in Frage gestellt wird.
4 .
Der Arbeitskampf um einen firmenbezogenen Abwicklungstarifvertrag verletzt auch nicht die Koalitionsfreiheit des Arbeitgeberverbandes, dem die Verfügungsklägerin angehört.
Die Absicherung der positiven Koalitionsfreiheit durch Art. 9 Abs. 3 GG betrifft das Recht, Koalitionen zu bilden und umfasst damit die Koalitionsbetätigungsgarantie. Hierin ist auch die Art der Mitgliederbetreuung eingeschlossen. Zwar wird durch Art. 9 Abs. 3 GG grundsätzlich auch die koalitionsmäßige Betätigungsfreiheit des Arbeitgeberverbandes insofern geschützt, als die Möglichkeit eröffnet wird, Tarifverträge mit Wirkung für seine Mitglieder abzuschließen (und damit sich gegebenenfalls auch gegen einen Abschluss zu entscheiden). Auf der anderen Seite wird den Gewerkschaften ebenfalls durch Art. 9 Abs. 3 GG die Möglichkeit eingeräumt, durch einen Streik gegen den jeweils tariffähigen Arbeitgeber einen Firmentarifvertrag zu erkämpfen. Damit relativiert sich die Koalitionsfreiheit des Arbeitgeberverbandes insoweit, als er darauf keinen Einfluss hat. Die Gewerkschaft hat damit die Möglichkeit, zulässigerweise die Nichtabschlussfreiheit des Arbeitgeberverbandes zu unterlaufen. Dies ist vom Arbeitgeberverband und der Arbeitgeberin hinzunehmen, da der Gesetzgeber ausdrücklich keinen Vorrang des Verbandstarifvertrages vor dem Firmentarifvertrag ausgestaltet hat. Soweit die Gewerkschaften auf Grund der garantierten Koalitionsfreiheit die Wahlmöglichkeit haben und sich innerhalb ihrer satzungsmäßigen Tarifzuständigkeit an den einzelnen Arbeitgeber wenden, ist dies kein Verstoß gegen die Tarifautonomie des Arbeitgeberverbandes (so auch Kissel, Arbeits-kampfrecht, Rdn. 121 zu § 26). Mit der grundrechtlichen Garantie wird ein Freiraum gewährleistet, in dem Arbeitnehmer und Arbeitgeber ihre unterschiedlichen Interessen in eigener Verantwortung austragen können. Eine Einschränkung der Betätigungsgarantie der Gewerkschaften einseitig auf den Verhandlungspartner Arbeitgeberverband würde die eigenverantwortliche Interessenwahrnehmung unzulässig beeinträchtigen.
Aus Art. 9 Abs. 3 GG ergibt sich - abweichend von der Auffassung der Verfügungsklägerin - kein Anspruch des Arbeitgeberverbandes auf Verhinderung von Tarifverträgen. Die Kammer kann auch nicht nachvollziehen, inwieweit hier ein Verlust der Funktion des Arbeitgeberverbandes vorliegen soll. Denn der Verband hat die Möglichkeit, nahezu umfassende Verbandstarifverträge mit den Gewerkschaften abzuschließen und so auf Grund der relativen Friedenspflicht zu verhindern, dass seine Mitgliedsunternehmen für den gewünschten Abschluss von Firmentarifverträgen in Anspruch genommen werden. Der Gesetzgeber hat dieses Abwägungsergebnis zwischen den einzelnen Koalitionsbetätigungsgarantien der Arbeitnehmer und Arbeitgeber dadurch ermöglicht, weil er keine Regelung zur Rangordnung der unterschiedlichen Tarifverträge vorgesehen hat.
Darüber hinaus ist hier zu berücksichtigen, dass sich die Verfügungsbeklagte zu 2) zunächst mit Schreiben vom 29.03.2004 beim zuständigen Arbeitgeberverband um den Abschluss eines ergänzenden Verbandstarifvertrages bemüht hat und dieser einen solchen mit Schreiben vom 0 7.04.2 0 04 abgelehnt hatte.
5.
Der Abschluss eines Firmentarifvertrages verstößt auch nicht gegen die Koalitionsfreiheit der Verfügungsklägerin.
Art. 9 Abs. 3 GG garantiert ebenfalls die koalitionsmäßige Betätigungsfreiheit des einzelnen Arbeitgebers und damit die Möglichkeit, Tarifverträge über seinen Verband abzuschließen. Um eine funktionierende Tarifautonomie sicherzustellen, kann jeder ebenso wie der Koalitionsgegner die Mittel zur Erreichung eines Tarifvertrages frei wählen. Das Betätigungsrecht der Gewerkschaften wird nur in einem Kernbereich geschützt, zu dem vor allem der Abschluss von Tarifverträgen gehört (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 26. Juni 1991, 1 BvR 779/85 AP. Nr. 117 Art. 9 GG Arbeitskampf). Soweit die wechselseitigen Koalitionsbetätigungsgarantien der Gegner in Kollision geraten, muss eine Abwägung vorgenommen werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Tarifverträge dem Schutz des Arbeitnehmers dienen und die in der Regel bestehende wirtschaftliche Überlegenheit des Arbeitgebers ausgleichen und soziale Spannungen lösen sollen. Zur Betätigungsfreiheit gehört auch das Recht, den Abschluss eines konkreten Tarifvertrages abzulehnen, aber dieses Recht wird nicht durch die gegnerische Druckausübung beeinträchtigt, da es kein druckfreies Verhandeln gibt (BAG, Urteil vom 12. September 1984, 1 AZR 342/83, AP Nr. 81 zu Art. 9 GG Arbeitskampf).
Auf der Grundlage dieses Beurteilungsmaßstabes hat die Verfügungsklägerin keinen Anspruch darauf, dass die Verfügungsbeklagte auf den Druck bezüglich der Aufnahme von Tarifverhandlungen verzichtet, wenn tariflich regelbare Ziele betroffen sind (s.o.). Es liegt an ihr, im Rahmen von Verhandlungen ggf. auch durch ihren Arbeitgeberverband durch andere Mittel als den Abschluss eines Tarifvertrages auf die geltend gemachten Forderungen einzugehen. Die Anrufung der tariflichen Schlichtungsstelle ist hierfür keine ausreichende Maßnahme um Tarifverhandlungen zu verhindern. Die Verfügungsklägerin kann sich nicht darauf zurückziehen, dass sie die Entscheidungen um die Umsetzung der Betriebsverlagerung ohne den Druck eines Tarifvertrages umsetzen kann.
6.
In dem von der Verfügungsbeklagten begehrten Abschluss eines Tarifvertrages liegt auch kein Verstoß gegen § 74 Abs. 2 BetrVG vor.
Gemäß dieser Vorschrift sind lediglich die Arbeitskampfmaßnahmen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat unzulässig. Hier handelt die Verfügungsbeklagte gerade nicht als Betriebsrat, sondern als Tarifvertragspartei und deren Möglichkeiten werden ausdrücklich durch § 74 , Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz ausgenommen.
Soweit die Verfügungsklägerin meint, dass so über die "Hintertür" des Sozialplan-Tarifvertrages ein Streik über betriebsverfassungsrechtliche Frage möglich werde, verkennt sie, dass für die tariflich regelbaren Ziele durchaus zwei Wege, nämlich der tarifvertragliche und der betriebsverfassungsrechtliche Weg nebeneinander beschritten werden können. Das gewünschte Ziel der sozialen Absicherung von zu kündigenden Arbeitnehmern kann sowohl durch eine Betriebsvereinbarung als auch durch einen Firmentarifvertrag geregelt werden. Damit der einzelne Arbeitgeber nicht durch doppelte Forderungen überfordert wird, gibt es für den Fall, dass zuerst die Betriebsvereinbarung abgeschlossen worden ist, das Korrektiv der Überprüfung der Rechtmäßigkeit von weiteren Streikmaßnahmen und für den Fall, dass zuerst die tarifliche Regelung (z.B. zu den Abfindungen) abgeschlossen worden ist, insoweit eine Anrechnungsmöglichkeit im Rahmen der Entscheidung der tariflichen Schlichtungsstelle gemäß § 30 Abs. 2 GMTV zu den Sozialplanverhandlungen.
7 .
Den begehrten Regelungen zur Qualifizierung und Abfindungszahlung steht auch nicht ein Vorrang von betrieblichen Regelungen gemäß §§ 111 ff. BetrVG entgegen.
Wie oben bereits ausgeführt, gehört zur verfassungsrechtlich Gewähr leisteten Betätigung, dass die Koalitionen beim Abschluss eines Tarifvertrages über seinen Inhalt weitgehend frei sind. Sie können auch die Mittel zur Erreichung selbst wählen (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 2. März 1993, AP. Nr. 103 zu Art. 9 Grundgesetz Arbeitskampf) . Danach ist der Regelungsgehalt für die begehrten Tarifnormen im Gesetz durch den im § 1 TVG genannten Rahmen zulässig. Beschränkungen ergeben sich auch nicht aus § 111 BetrVG.
Anders als in den §§ 77 Abs. 3 und 87 Abs. 1 BetrVG, die den Vorrang von tariflichen Normen gegenüber betriebsverfassungsrechtlichen Normen einräumen gibt es keine entsprechende Regelung in umgekehrter Richtung. Weder das Tarifvertragsgesetz noch das Betriebsverfassungsgesetz enthalten Regelungen die es der Verfügungsbeklagten untersagen, neben der vom Gesetzgeber in § 111 ff. BetrVG aufgenommenen Regelung durch die Betriebspartner auch noch eine Regelung mit dem Arbeitgeber im Wege des Tarifvertrages auszuhandeln.
Aus §§ 111 ff. BetrVG folgt nicht, dass die Entscheidung des Arbeitgebers, seinen Betrieb zu verlegen, tariffrei bleiben muss. Vielmehr folgt aus dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 TVG, das hier eine Sperrwirkung des Betriebsverfassungsrechts gegenüber dem gewünschten Tarifvertrag nicht gegeben ist, weil im § 1 Abs. 1 TVG ausdrücklich betriebsverfassungsrechtliche Fragen als möglicher Regelungsinhalt genannt werden. Die Auffassung der Verfügungsklägerin, dass es keine Streiks geben dürfe, solange Verhandlungen zu Sozialplanansprüchen stattfinden und die tarifliche Schlichtungsstelle eingeschaltet wurde, führt nicht zu einer anderen Betrachtung, da es durchaus nebeneinander Verhandlungen sowohl zum Sozialplan als auch zum Tarifvertrag geben kann (s.o.), deren Ergebnis gegebenenfalls im Verhältnis zueinander abgestimmt werden muss .
Der streitige Arbeitskampf ist auch nicht rechtswidrig wegen Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und das Ultima Ratio Prinzip.
Voraussetzung für einen rechtsmäßigen Arbeitskampf ist die Verhältnismäßigkeit als Konkretisierung des Rechtsmissbrauchsgedanken (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 26. Juli 1991, AP Nr. 117 zu Art. 9 Grundgesetz Arbeitskampf; BAG 12. März 1985 AP Nr. 84 zu Art. 9 Grundgesetz Arbeitskampf). Es ist umstritten, ob aus dem allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz weitere Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen abgeleitet werden können. Selbst wenn man diese Grundsätze anwendet, führt dies zurzeit nicht zur Rechtswidrigkeit der zu erwartenden Arbeitskampfmaßnahmen.
a)
Ein Verstoß gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip liegt vor, wenn die Maßnahmen zur Erreichung des Zieles nicht geeignet sind. Eine solche abstrakte Geeignetheit liegt vor, wenn durch den Einsatz des Mittels der gewünschte Erfolg eines Tarifabschlusses gefördert wird, zumindest aber der Erfolg näher rückt (BAG, Urteil vom 18. Februar 2003, 1 AZR 142/02, AP Nr. 163 zu Art. 9 Grundgesetz Arbeitskampf; Kissel, Arbeitskampfrecht, Rdn. 21 zu § 29). Entscheidend ist, ob das Arbeitskampfmittel den Gegner derart unter Druck setzen kann, dass er zum Nachgeben, jedenfalls zum Verhandeln über die im Arbeitskampf angestrebte Forderung bereit gemacht wird.
Unter Berücksichtigung dieser Anforderungen sind die von der Verfügungsklägerin befürchteten Arbeitskampfmaßnahmen der Verfügungsbeklagten "geeignet", um die Verfügungsklägerin überhaupt erst einmal zu Verhandlungen über die geltend gemachten Tarifforderungen zur Abfederung der sozialen Folgen für die zu entlassenden Arbeitnehmer an den Verhandlungstisch zu bringen. Denn die Verfügungsklägerin hat bislang kategorisch jede Verhandlung zu den Tarifzielen wegen vermeintlicher Rechtswidrigkeit der Forderungen abgelehnt.
b)
Eine Arbeitskampfmaßnahme ist u.a. dann nicht verhältnismäßig, wenn sie bei Vorliegen milderer Eingriffsmöglichkeiten zur Erreichung des Zieles nicht erforderlich ist. Dabei ist nicht konkret feststehend, welches jeweils das schonenste Mittel ist. Zu beachten ist, dass gerade ein Teil der Arbeitskampffreiheit darin besteht, die Auswahl des Kampfmittels vorzunehmen (Kissel, a.a.O., Rdn. 29 zu § 29).
Entsprechend dieser Vorgaben sind die von der Verfügungsbeklagten nicht konkret bezeichneten Arbeitskampfmaßnahmen "erforderlich". Jedenfalls hat die Verfügungsbeklagte ohne die Androhung von Arbeitskampfmaßnahmen keinerlei Möglichkeiten, die Verfügungsklägerin zu Verhandlungen zu veranlassen, da diese bislang jedwede Verhandlung über einen Tarifvertrag abgelehnt und nur eine betriebsverfassungsrechtliche Regelung in Aussicht gestellt hat. Es ist nicht davon auszugehen, dass weitere schriftliche oder mündliche Aufforderungen die Verhandlungsbereitschaft der Verfügungsklägerin erhöhen.
c)
Ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 1iegt auch nicht wegen Verletzung des Übermaßverbotes vor. Dieses Verbot erfordert, dass der Arbeitskampf nicht außer Verhältnis zu dem angestrebten Ziel stehen darf (BAG, Urteil vom 11. Mai 1993, AP Nr. 63 zu § 1 FeiertagslohnsZG). Hierzu sind die Interessen der Arbeitskampfparteien unter Berücksichtigung der Tarifautonomie abzuwägen, wobei eine gerichtliche Kontrolle in Bezug auf arbeitskampfrechtliche Abwehr und Arbeitskampfmaßnahmen stattzufinden hat, nicht aber schon bei den Angriffsmitteln zum Arbeitskampf (BAG, Urteil vom 26. Juni 1991, AP Nr. 117 zu Art. 9 Grundgesetz Arbeitskampf).
Da der Verfügungsbeklagten sämtliche denkbare Arbeitskampfangriffsmittel untersagt werden sollen, kommt eine Verhältnismäßigkeitskontrolle bezüglich des Übermaßverbotes einer Tarifzensur gleich, die mit der koalitionsgemäßen Selbstbestimmung nicht vereinbar ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Die Berufung war nicht besonders zuzulassen, da sie bereits gem. § 64 Abs. 2 b) ArbGG zulässig ist.
Streitwertbeschluss:
Der Streitwert wird auf 108.000,00 Euro festgesetzt.
Der Streitwert war gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG, § 3 Ziff. 9, § 8 Abs. 2 BRAGO, festzusetzen.