Amtsgericht Braunschweig
Urt. v. 01.12.1995, Az.: 4 U 27/95
Schadenersatz aufgrund verlorener Güter durch Verladung an einem falschen Zielort; Anwendbarkeit des § 413 Abs. 2 Handelsgesetzbuch (HGB) auf Frachtverträge; Unterscheidung zwischen einem Frachtvertrag und einem Speditionsvertrag; Bestimmung der Verjährungsfrist bei Verlust von Beförderungsgütern durch eine Spedition; Verpflichtung eines Spediteurs hinsichtlich der Organisation zur Beförderung von Gütern
Bibliographie
- Gericht
- AG Braunschweig
- Datum
- 01.12.1995
- Aktenzeichen
- 4 U 27/95
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1995, 32586
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGBRAUN:1995:1201.4U27.95.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Braunschweig - 05.04.1995 - AZ: 22 O 19/93
Rechtsgrundlagen
- § 353 HGB
- § 413 Abs. 2 HGB
- § 414 Abs. 1 HGB
- § 41a ADSp
- § 64 ADSp
Verfahrensgegenstand
Verfilmt für das Oberlandesgericht
Schadensersatzforderung
...
hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig
auf die mündliche Verhandlung vom 10. November 1995
durch
die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht ... sowie
die Richter am Oberlandesgericht ...
fürRecht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 05. April 1995 abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 178.000,00 DM nebst 5 % Zinsen seit dem 23.09.1991 zuzahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 250.000,00 DM abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Beiden Parteien wird gestattet, Sicherheit durch Beibringung der selbstschuldnerischen, unbedingten, unbefristeten und unwiderruflichen Bürgschaftserklärung einer im Inland als Zoll- und Steuerbürgin zugelassenen Bank oder einer öffentlichen Sparkasse zu leisten.
Die Beklagte ist in Höhe von178.000,00 DM beschwert.
Tatbestand
Die Klägerin verlangt aus übergegangenem Recht Schadensersatz wegen des Verlustes von Beförderungsgut.
Die Klägerin ist Transportversicherer der Firma .... Diese hatte es übernommen, für die Herstellerfirma B. ... zwei Sendungen mit Laborbedarf befördern zu lassen, und zwar die eine Sendung, die aus drei Kisten bestand und um deren Verlust der Streit geht, nach Wilna (Vilnius), die andere Sendung, die aus sieben Packstücken bestand, nach Moskau. Die Firma ... beauftragte wiederum mit der Versendung bzw. deren Besorgung die Beklagte. Mit Telefax vom 29.08.1990 kündigte die Firma ... der Beklagten die Anlieferung von Ware der Firma ... unter der Auftragsnummer 89200, Spec. 2 an und bat, weitere Instruktionen abzuwarten und die Auslieferung vorläufig nicht vorzunehmen; wegen des weiteren Inhalts wird auf die Kopie Bl. 159 d.A. Bezug genommen. Am 30.08.1990 lieferte die Firma ... drei Kisten zur Auftragsnummer 89200 mit dem Vermerk "zur Verfügung ..." bei der Beklagten an (Dokument Bl. 53 d.A.). Am 19.09.1990 lieferte die Firma ... bei der Beklagten sieben Kartonpaletten zur Auftragsnummer 90260 ebenfalls mit dem Vermerk "zur Verfügung ..." an. Im Anlieferfrachtbrief (Bl. 54 = 93 d.A.) waren die Packstücke mit "vier Paletten (und) drei Kisten" bezeichnet; außerdem waren zumindest drei Colli nicht mit den im Anlieferfrachtbrief aufgeführten Markierungsnummern versehen, sondern trugen andere Nummern. Mit Versandauftrag vom 21.09.1990 (Bl. 55 = 92 d.A.) erteilte die Firma ... der Beklagten den Auftrag, die Versendung der sieben Colli zu Auftragsnummer 90260 nach Moskau durchzuführen bzw. zu besorgen. Am 02.10.1990 wurden neben vier Kartonpaletten aus dem Auftrag Nr. 90260 auch die drei Kisten mit der Auftragsnummer 89200 auf den Lkw nach Moskau verladen und anschließend dorthin transportiert.
Mit Versandauftrag vom 08.11.1990 (Bl. 20 d.A.) erteilte die Firma ... der Beklagten den Auftrag, drei Colli zur Auftragsnummer 89200, die im Versandauftrag als Fermenter bezeichnet sind, nach Wilna transportieren zu lassen. Als diese Colli am 14.11.1990 nach Wilna verladen werden sollten, waren sie im Lager der Beklagten nicht aufzufinden. Nachforschungen der Beklagten blieben erfolglos. Mit Schreiben vom 18.12.1990 (Bl. 21 d.A.) sowie später mit Telefax vom 30.04.1991 (Bl 41 d.A.) teilte die Beklagte der Firma ... mit, daß die Kisten unauffindbar seien. Die Klägerin zahlte im August 1991 178.000,00 DM an die Firma ... für den Verlust der für Wilna bestimmten Fermenter, die diesen Wert gehabt hatten. Im Februar 1992 stellte das Moskauer Institut, an das die Sendung zur Auftragsnummer 90260 gehen sollte, fest, daß statt drei fehlender Packstücke aus dieser Sendung die drei für Wilna bestimmten Kisten dorthin geliefert worden waren; der Inhalt war beschädigt und nicht mehr verwendbar. Im Sommer 1992 wurden von der Beklagten bei der Auslagerung einer größeren anderen Partie die drei fehlenden Paletten aus dem Moskau-Auftrag in ihrem Speditionslager aufgefunden. Mit Schreiben vom 29.09.1992 teilte die Beklagte dies dem mit der Klärung von Ersatzansprüchen beauftragten Rechtsanwalt ... in Hamburg mit. Die Firma ... hat ihre Ansprüche gegen die Beklagte an die Klägerin abgetreten.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte hafte als Sammelladungsspediteur gemäß internationalem Frachtrecht (CMR) sowie wegen offenkundigen groben Organisationsverschuldens.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 178.000,00 DM nebst 5 % Zinsen seit 23.09.1991 zuzahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich auf Verjährung gemäß § 64 ADSp berufen und die Auffassung vertreten, ihre Lagerorganisation, zu der sie Näheres vorgetragen hat, sei nicht mangelhaft.
Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf den Tatbestand des Urteils des Landgerichts vom 05. April 1995 Bezug genommen.
Das Landgericht hat durch Vernehmung der von der Beklagten benannten Zeugen ... über die Lagerorganisation der Beklagten sowie die Frage von Falschbezeichnungen der Frachtgüter Beweis erhoben. Es hat durch Urteil vom 05. April 1995 die Klage wegen Verjährung abgewiesen und dazu ausgeführt, daß die Beklagte als Spediteurin beauftragt gewesen sei, Frachtrecht auch nicht über § 413 HGB anwendbar sei und grobe Fahrlässigkeit der Beklagten bei der Lagerorganisation bzw. der Schadensverursachung nicht feststellbar sei. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des Landgerichtsurteils Bezug genommen.
Gegen das der Klägerin am 07.04.1995 zugestellte Urteil hat sie mit am Montag, dem 08.05.1995 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese, nachdem auf den am 06.06.1995 eingegangenen Antrag die Berufungsbegründungsfrist bis zum 10.07.1995 verlangen worden war, mit an diesem Tage eingegangenem Schriftsatz begründet.
Die Klägerin ist der Auffassung: Der Vertrag zwischen der Firma ... und der Beklagten sei als Frachtvertrag anzusehen, da es der Firma ... nur um die frachtrechtliche Transportdurchführung gegangen sei. Die Beklagte könne sich auf das Auftragsformular nicht berufen, da sie dies selbst konzipiert und dessen Verwendung initiiert habe. Im übrigen sei zwingend CMR anzuwenden, da nach § 413 Abs. 2 HGB die Sendung im Sammelverladungswege mit der fehlerhaften Verladung nach Moskau bewirkt worden sei; hingegen fehle die Ablieferung beim bestimmungsgemäßen Empfänger und damit die Beendigung des Transports, so daß es darauf, die Beschädigung während des Transports zu beweisen, nicht ankomme. Das Landgericht habe die Beweisaufnahme unzutreffend gewürdigt, in der die groben Organisationsmängel nicht ausgeräumt, sondern - wie die Klägerin näher ausführt - bestätigt worden seien. Die Beklagte habe ihrer Darlegungslast für die internen Betriebsabläufe, die sie für den konkreten Einzelfall spezifiziert anhand entsprechender Dokumentation darzustellen habe, nicht genügt.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 178.000,00 DM nebst 5 % Zinsen seit dem 23.09.1991 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil, hält die Anwendung von Speditionsrecht für richtig und etwaige Ansprüche für verjährt. Sie meint, grobe Fahrlässigkeit sei ihr nicht zur Last zu legen, da die Fehlversendung letztlich auf den unzutreffenden Angaben des Anlieferers über die Moskau-Sendung beruhe. Sie hält ihre Vorkehrungen gegen Fehler und Schäden beim Güterumschlag für ausreichend. Sie behauptet: Anhand der Anlieferpapiere werde eine Sendungseingangskontrolle auf Stückzahl und Markierungen vorgenommen, wobei Unregelmäßigkeiten auf dem Anlieferpapier vermerkt und dem Absender per Telex mitgeteilt würden. Jede Sendung werde auf einem speziellen, ihr zugeordneten Platz abgestellt, im vorliegenden Fall auf dem GUS-Lagerplatz. Die Papiere würden dann vom Lager in das Exportbüro weitergegeben und dort per EDV erfaßt. Anschließend würden die Speditionsakten in einer speziellen Mappe aufbewahrt bzw., solange noch keine endgültigen Exportaufträge vorlägen, in separaten Mappen mit der Aufschrift des jeweiligen Kunden verfügbar gehalten. Am Verladungstage würden die zur Verladung bestimmten Einzelsendungen auf einer Ladeliste ausgedruckt, die Markierung, Anzahl, Art, Inhalt, Gewicht und im Einzelfall auch die Abmessungen der Packstücke enthalte. Die Lkw's würden durch eigenes Personal anhand der Ladelisten beladen; bei Verladungen in die GUS überwache ein Mitarbeiter der Exportabteilung aufgrund der Ladeliste die Verladung am Lager. Die Lagerfläche sei übersehbar und kontrollierbar, die Standplätze übersichtlich. Wertvolle Güter und Zollgut würden in einem separat abschließbaren Teil gelagert. Aufgrund der sehr kurzen Zwischenlagerfristen fänden im allgemeinen keine regelmäßigen Inventuren statt, jedoch würden Inventuren und Kontrollen durchgeführt, wenn Zwischenlagergut ungewöhnlich lange auf den Sammelplätzen lagere.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf Berufungsbegründung und Berufungserwiderung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung hat Erfolg. Die Klage ist begründet.
1.
Der - unabhängig von einer Abtretung - nach § 67 Abs. 1 S. 1 VVG auf die Klägerin übergegangene Schadensersatzanspruch der Firma ... gegen die Beklagte beruht auf § 407 Abs. 2 i.V.m. § 390 Abs. 1 HGB i.V.m. § 51 a ADSp. Danach ist der Spediteur für den Verlust des von ihm übernommenen Gutes verantwortlich, wenn er sich nicht von jedem Verschuldensvorwurf entlastet.
a.
Die Beklagte haftet nach Speditionsrecht, weil, wie auch das Landgericht angenommen hat, zwischen der Firma ... und der Beklagten hinsichtlich der für Wilna bestimmten Kisten ein Speditionsvertrag und kein Frachtvertrag abgeschlossen worden ist. Auf die zutreffenden Ausführungen auf S. 4 des Landgerichtsurteils, denen sich der Senat anschließt, wird Bezug genommen. Das Berufungsvorbringen der Klägerin führt zu keiner anderen Beurteilung. Wenn die Firma ... die aus den ihr von der Beklagten überlassenen Formularen erkennen konnte, daß die Beklagte daran interessiert war, nach Möglichkeit Speditionsverträge und keine Frachtverträge abzuschließen, die Beklagte nicht mit der Besorgung der Beförderung, sondern deren Durchführung beauftragen wollte, hätte sie ihren von den dem Formular des Auftragnehmers abweichenden Geschäftswillen deutlich machen müssen; dies gilt zumindest für Großverlader wie die Firma ... die die Unterschiede zwischen Speditions- und Frachtvertrag und die abweichenden Rechtsfolgen kennen bzw. kennen müssen (vgl. OLG München NJW-RR 1991, 230, 231 [OLG München 12.04.1990 - 23 U 3161/88]; Koller NJW 1988, 1759). Das im Versandauftrag vom 08.11.1990 enthaltene Vertragsangebot hat die Beklagte dadurch, daß sie die Güter zur Verladung am 14.11.1990 vorsah, angenommen (§ 151 BGB), ansonsten aber jedenfalls nach § 362 Abs. 1 HGB.
b.
Frachtrecht ist auch nicht über § 413 Abs. 2 HGB anzuwenden.
In I. Instanz hat die Klägerin allerdings unter Benennung des Zeugen Lüders behauptet, aus der ständigen Geschäftsbeziehung der Beklagten zur Firma ... sei von vornherein klar gewesen, daß die fragliche Sendung im CMR-Sammelladungsverkehr befördert werden sollte. Dieser Vortrag ist nicht ausreichend, da nicht im mindesten erläutert ist, woraus sich eine eventuelle Vereinbarung, die die Beklagte verpflichtet hätte, die Sendung im Sammelladungsverkehr zu befördern, hätte ergeben sollen. Imübrigen reicht die bloße Vereinbarung über eine Sammelladungsversendung noch nicht aus, um schon die Rechtsfolgen des § 413 Abs. 2 HGB herbeizuführen (BGH NJW-RR 1989, 992 [BGH 09.03.1989 - I ZR 138/87]).
Auch die tatsächliche Beförderung der für Wilna bestimmten Kisten nach Moskau im Sammelladungstransport kann nicht zur Anwendung von Frachtrecht führen. Unter dem Bewirken der Versendung i.S.d.§ 413 Abs. 2 HGB kann nur die bewußte Aufgabe zur Beförderung zum vorgesehenen Bestimmungsort verstanden werden, nicht aber die unbeabsichtigte Verladung in einen anderen Transport zum falschen Zielort.
c.
Die unter Auftragsnummer 89200 angelieferten und von der Beklagten übernommenen, für Wilna bestimmten drei Kisten sind verloren gegangen. Daran ändert es auch nichts, daß sie über ein Jahr später wieder aufgetaucht sind. Nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 18.12.1990 mitgeteilt hatte, die Kisten seien unauffindbar, spätestens aber nachdem sie mit Fax vom 30.04.1991 mitgeteilt hatte, ihr lägen keine neuen Erkenntnisse über den Verbleib der drei Kisten vor, mußten alle Beteiligten vom endgültigen Verlust ausgehen. Dadurch ist der Firma ... wie zwischen den Parteien nicht streitig ist, ein Schaden in Höhe des Wertes der Kisten, also von 178.000,00 DM, entstanden, der sich durch das spätere Auffinden der Kisten mit beschädigtem und nicht verwendbarem Inhalt auch nicht nachträglich verringert hat. Für diesen Schaden hat die Beklagte einzustehen, da sie sich von einem Verschulden an dem Verlust dieser Güter nicht entlastet hat, sie vielmehr sogar, wie unten auszuführen sein wird, der Vorwurf groben Verschuldens trifft.
d.
Der Schadensersatzanspruch der Firma ... gegen die Beklagte ist nicht nach § 41 a ADSp ausgeschlossen. Denn eine Speditionsversicherung hat die Beklagte für den Wilna-Auftrag nicht abgeschlossen und brauchte sie auch nicht abzuschließen, weil ihr die Firma ... dies mit den Worten "Wir sind Verbotskunde" im schriftlichen Versandauftrag ausdrücklich untersagt hatte (vgl. § 39 a S. 1 ADSp).
2.
Der Ersatzanspruch der Klägerin ist nicht verjährt.
a.
Nach § 414 Abs. 1 HGB verjähren die Ansprüche gegen den Spediteur wegen Verlustes des Gutes in einem Jahre; die Verjährung beginnt gemäß § 414 Abs. 2 HGB im Falle des Verlustes mit dem Ablaufe des Tages, an welchem die Ablieferung hätte bewirkt sein müssen. Die verloren gegangenen Kisten sollten am 14.11.1990 verladen werden und demgemäß einige Tage später in Wilna eintreffen. Die Verjährungsfrist kann frühestens am 16.11.1990 begonnen und demgemäß nicht vor dem 15.11.1991 abgelaufen sein. Der Mahnbescheid über die Schadensumme ist der Beklagten am 14.11.1991 zugestellt worden und hat die Verjährung rechtzeitig unterbrochen (§ 209 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Auch im weiteren Verfahrensverlauf ist keine Verjährung eingetreten. Zwar ist der Prozeß, nachdem die Beklagte mit am 27.11.1991 eingegangenem Schreiben Widerspruch eingelegt hatte, zunächst in Stillstand geraten (§ 211 Abs. 2 S. 1 BGB); jedoch hat die Klägerin wiederum innerhalb der Jahresfrist, nämlich durch Einzahlung der angeforderten weiteren Gebühren am 25.11.1992, den Prozeß weiter betrieben und dadurch die Verjährung wiederum unterbrochen (§ 211 Abs. 2 S. 2 BGB).
b.
Maßgeblich ist die einjährige Verjährungsfrist des § 414 Abs. 1 HGB und nicht die Frist von nur acht Monaten, die in § 64 ADSp bestimmt wird und bei deren Geltung die Klageforderung in der Tat verjährt wäre. Zwischen der Firma ... und der Beklagten ist zwar die Geltung der ADSp vereinbart; auch verstößt die Regelung des § 64 ADSp nicht gegen§ 9 AGBG (BGH WM, 1988, 1707, 1709 f). Die kurze Verjährung des § 64 ADSp kommt jedoch in entsprechender Anwendung des§ 51 b S. 2 ADSp nicht zum Tragen, wenn der Schaden durch grobe Fahrlässigkeit des Spediteurs oder seiner leitenden Angestellten verursacht worden ist (BGH VersR 1987, 1130, 1231[BGH 04.06.1987 - I ZR 159/85]). Diese Ausnahmevoraussetzungen liegen vor; nach dem Parteivorbringen ist davon auszugehen, daß der Verlust der für Wilna bestimmten Kisten, der auf die Fehlverladung im Betrieb der Beklagten zurückzuführen ist, durch grobe Fahrlässigkeit der Beklagten bzw. ihrer Organe oder leitenden Angestellten verursacht worden ist.
Die Beweislast für grobe Fahrlässigkeit liegt nach§ 51 b S. 2 ADSp bei der Klägerin; diese Beweislastregelung ist wirksam, da sie nicht gegen Vorschriften des AGB-Gesetzes verstößt (BGH VersR 1995, 604 ff; Urteil vom 04. Mai 1995 - I ZR 70/93 -, S. 6 ff). Dies bedeutet jedoch nicht, daß auch die volle Darlegungslast bei dem Speditionskunden liegt. Vielmehr hat im Hinblick darauf, daß der Vertragspartner in der Regel keinen Einblick in die Betriebsabläufe der Spedition hat, der Spediteur hierzu eingehend vorzutragen und substantiiert darzulegen, welche Sorgfalt er aufgewandt hat; diese Einlassungspflicht beschränkt sich nicht auf allgemeine Angaben zur Lagerorganisation, sondern umfaßt die Darlegung der Kontrollmaßnahmen und deren Ineinandergreifen (BGH VersR 1995, 604, 606[BGH 03.11.1994 - I ZR 100/92]; Urteil vom 04. Mai 1995, S. 10 f). Kommt der Spediteur seiner Obliegenheit zur vereinzelten Darlegung nicht nach, kann dies nach den Umständen des Falles den Schluß auf grobe Fahrlässigkeit zulassen.
So liegt es hier. Das Vorbringen der Beklagten ist nur unzureichend und läßt in Verbindung mit den offenbar aufgetretenen Pannen, die zu der Fehlverladung geführt haben, auf eine Verletzung der für die Lagerorganisation eines Speditionskaufmanns erforderlichen Sorgfalt, an die in diesem schadensanfälligen Bereich hohe Anforderungen zu stellen sind (BGH im Urteil vom 06. Juli 1995 - I ZR 20/93 -, S. 11) in besonders schwerem Maße und damit auf grobe Fahrlässigkeit bei der Schadensverursachung schließen.
Nach der Behauptung der Beklagten werden die eingehenden Sendungen stückzahlmäßig und markierungsspezifisch anhand der Anlieferpapiere überprüft, um eventuelle Unregelmäßigkeiten festzustellen und den Absender darüber zu informieren. Diese Kontrolle ist jedoch bei den zur Auftragsnummer 90260 angelieferten sieben Kartonpaletten, die für das Moskauer Institut bestimmt waren, offenbar nicht erfolgt. Wäre die Sendung mit den Begleitpapieren abgeglichen worden, wäre aufgefallen, daß die Bezeichnung auf dem Anlieferfrachtbrief mit vier Paletten und drei Kisten unzutreffend war und daß mindestens drei Packstücke nicht die vom Anlieferer angegebenen Markierungsnummern aufwiesen. Es liegt nahe, daß die Beklagte zumindest ihre Verpflichtung versäumt hat,Überprüfungen daraufhin vorzunehmen, ob tatsächlich die Eingangskontrollen entsprechend der allgemeinen Anordnung ordnungsgemäß und vollständig vorgenommen werden; jedenfalls hat sie zu derartigen Überprüfungen nicht das Geringste vorgetragen, wozu sie aber gehalten gewesen wäre (vgl. BGH im Urteil vom 06. Juli 1995 - I ZR 20/93 -, S. 12, mit ähnlichen Erwägungen). Wären die Abweichungen bemerkt und bei der Firma ... oder der Firma ... reklamiert worden, so wäre die Verwechslungsgefahr, die die Beklagte auf die unzutreffende Bezeichnung und die fehlerhaften Markierungen zurückführen will, ausgeräumt oder jedenfalls wesentlich gemindert worden.
Nach Durchführung der Eingangskontrolle werden die Sendungen nach dem Beklagtenvorbringen auf dem ihnen zugeordneten Platz abgestellt, der hier der sog. GUS-Lagerplatz war. Weitere Ausführungen hierzu fehlen. Es hätte nahegelegen, sämtliche Packstücke einer Sendung, die zum gleichen Speditionsauftrag gehören, derart zusammenzustellen und von anderen Gütern zu sondern, daß die Gefahr, daß Packstücke aus verschiedenen Auftragen durcheinander geraten, wie es hier geschehen ist, ausgeschlossen oder wesentlich herabgesetzt wird.
Wie die Beklagte weiter vorträgt, werden die Anlieferpapiere vom Lager anschließend an das Exportbüro weitergegegeben, dort EDV-mäßig erfaßt und in speziellen Mappen aufbewahrt. Am Versandtag werden Ladelisten mit genauen Angaben zu den einzelnen Packstücken ausgedruckt. Gegen diese Handhabung wird grundsätzlich nichts einzuwenden sein. Die Beklagte hat allerdings trotz, mehrfacher schriftsätzlicher Aufforderung der Klägerin die Ladeliste für den 02.10.1990 nicht vorgelegt, so daß nicht nachgeprüft werden kann, ob darin die Packstücke aus dem Auftrag Nr. 90260 richtig angegeben und wie sie weiter bezeichnet waren, Da auch nicht vereinzelt vorgetragen ist, auf welcher Grundlage die Ladelisten erstellt wurden, kann der Senat nicht überprüfen, ob schon hier Fehlerquellen liegen, die für den eingetretenen Schaden ursächlich gewesen sein können.
Wenn der Lkw der Firma ... wie die Beklagte weiter behauptet, durch ihr eigenes zuverlässiges Personal anhand der Ladelisten beladen worden ist und zusätzlich ein Mitarbeiter der Exportabteilung die Beladung kontrolliert und aufgrund der Ladeliste überwacht hat, ist völlig unerklärlich, wieso niemandem aufgefallen ist, daß es sich bei den drei für Wilna bestimmten Kisten nicht um die Packstücke handeln konnte, die nach Moskau befördert werden sollten. Daß die drei Kartonpaletten, die später im Lager der Beklagten vorgefunden wurden, vom Anliefererfrachtbrief abweichende Bezeichnungen trugen, mag erklären, daß sie zunächst diesem Transport nicht zugeordnet werden konnten. Die für Wilna bestimmten Kisten aber trugen nicht nur eine völlig andere Markierungsnummer, sondern zusätzlich noch eine andere Auftragsnummer (89200) und konnten demnach mit den für Moskau bestimmten Colli nur verwechselt werden, wenn man die verschiedenen Nummern überhaupt nicht miteinander verglichen hat. Dies spricht dafür, daß die behaupteten und vom Zeugen ... bestätigten Kontrollen nicht ständig durchgeführt wurden, daß zumindest aber bei der Verladung am 02.10.1990 nach Moskau jegliche Verladungs- und Ausgangskontrolle unterblieben ist Welche Vorkehrungen die Beklagte getroffen hat, um die tatsächliche Durchführung der angeordneten Kontrollen zu sichern und wie es ggf. dennoch zu einer offenbar unkontrollierten Verladung gekommen sein kann, ist nicht vorgetragen.
Schließlich fehlen ausreichende Kontrollen während der Lagerzeit, zu denen der Spediteur ebenfalls verpflichtet ist (BGH VersR 1995, 604, 606[BGH 03.11.1994 - I ZR 100/92] a.E.). Die Behauptung der Beklagten, Inventuren und Kontrollen würden jedenfalls dann durchgeführt, wenn Zwischenlagergut ungewöhnlich lange auf den Sammelplätzen lagere, ist zwar vom Zeugen ... bestätigt worden; dem hat aber der Zeuge ... widersprochen. Ihr steht entgegen, daß die drei für Moskau bestimmten Kartonpaletten, die am 02.10.1990 nicht mitverladen worden waren, von der Beklagten über eineinhalb Jahre lang nicht aufgefunden worden sind, und zwar nicht einmal dann, als die Beklagte aufgrund des Verlustes der Wilna-Kisten allen Anlaß hatte, ihren Lagerbestand auf liegengebliebenes Gut, mit dem die Wilna-Kisten verwechselt worden sein konnten, durchzusehen. Zudem könnte ein regelmäßiger Abgleich zwischen Eingangsmeldungen und Ladelisten, der aber offenbar nicht vorgenommen wird, unschwer zur Ermittlung von Gütern führen, die angeliefert, aber noch nicht abgeholt worden sind; regelmäßiger Inventuren des Lagerbestandes bedarf es dazu noch nicht einmal. Schließlich könnten auch die Mappen; in denen nach dem Beklagtenvorbringen die Speditionspapiere bis zur Versendung aufbewahrt werden, ohne große Probleme in regelmäßigen Abständen auf länger lagernde Güter hin durchgesehen werden, um so durch Nachfragen eventuelle Unregelmäßigkeiten aufzudecken. All dies ist offenbar nicht geschehen. Auch hierdurch kann der eingetretene Schaden verursacht worden sein, da es eher wahrscheinlich ist, daß die für Wilna bestimmten Kisten erst beschädigt worden sind, als sie lange Zeit in dem offenbar im Bau befindlichen Moskauer Institut standen (vgl. Protokoll vom 18.02.1992, Bl. 32 d.A.), als daß die Schäden schon beim Transport eingetreten sind. Dementsprechend hätte bei frühzeitiger Aufdeckung der Fehlversendung durchaus festgestellt werden können, wohin die drei Kisten gegangen waren, und eine rechtzeitige Sicherstellung veranlaßt werden können.
Die zusammenfassende Würdigung der aufgeführten Problembereiche und des hierzu nicht ausreichenden Beklagtenvorbringens führt den Senat zu der Annahme, daß der Beklagten grobes Organisationsverschulden vorzuwerfen ist und daß der eingetretene Schaden hierauf zurückzuführen ist. Die Versäumnisse der Beklagten liegen klar genug auf der Hand, so daß es der Einholung eines Sachverständigengutachtens hierzu nicht bedarf.
Der Senat sieht keinen Anlaß, der Beklagten durch eine Vertagung noch Gelegenheit zu geben, ergänzend vorzutragen. Denn die Beklagte ist durch die Berufungsbegründung auf ihre Obliegenheit zur konkreten und auf den Einzelfall bezogenen Darlegung ihrer Betriebsabläufe unter Zitat von BGH VersR 1995, 604 ff ausdrücklich hingewiesen worden; ferner hat die Klägerin in der Berufungsbegründung auf verschiedene Fehlerquellen und organisatorische Lücken hingewiesen. Die Beklagte konnte und mußte sich demgemäß darauf einrichten, in der Berufungserwiderung oder jedenfalls bis zur Berufungsverhandlung umfassenden Sachvortrag zu halten.
3.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 352, 353 HGB. Die auf die Klägerin übergegangene Schadensersatzforderung ist eine Forderung aus einem beiderseitigen Handelsgeschäft i.S.d.§ 353 HGB. Der Ersatzanspruch ist spätestens Mitte 1991 fällig geworden, als alle Beteiligten von der Unauffindbarkeit der für Wilna bestimmten Sendung und damit von deren Verlust ausgingen. Der spätere Forderungsübergang auf die Klägerin ändert nichts an Grund und Höhe des Zinsanspruchs.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Nebenentscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgen aus §§ 708 Nr. 10, 711, 108 Abs. 1 ZPO.
Die Beschwer der Beklagten ist gemäß § 546 Abs. 2 ZPO festgesetzt.