Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 03.09.2007, Az.: 1 Ws 478/07
Aufhebung; Beendigung; Beschwerde; Beschwerdeverfahren; Erstattung; Freilassung; Kostenentscheidung; Kostenfestsetzungsverfahren; notwendige Auslagen; selbständiges Zwischenverfahren; Sicherungshaftbefehl; Staatskasse; Verfahrensabschluss; Verfahrensabschnitt; Verfahrensbeendigung; Zwischenverfahren
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 03.09.2007
- Aktenzeichen
- 1 Ws 478/07
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2007, 71973
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG - 05.04.2007 - AZ: 13 BRs 38/03 StVK
Rechtsgrundlagen
- § 453c Abs 1 StPO
- § 464 Abs 1 StPO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Die gerichtliche Kostenentscheidung ist im Kostenfestsetzungsverfahren grundsätzlich bindend.
2. Das Verfahren über die Beschwerde gegen einen nach § 453c Abs. 1 StPO erlassenen Sicherungshaftbefehl beendet einen selbständigen Verfahrensabschnitt und ist deshalb mit einer Kostenentscheidung zu versehen.
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss des Rechtspflegers des Landgerichts Osnabrück - Strafvollstreckungskammer bei dem Amtsgericht Lingen - vom 5. April 2007 aufgehoben.
Die Sache wird an den Rechtspfleger zurückverwiesen. Dieser hat über den Kostenfestsetzungsantrag des Verurteilten unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden.
Gründe
Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Osnabrück bei dem Amtsgericht Lingen hatte nach § 453c Abs. 1 StPO gegen den Verurteilten einen Sicherungshaftbefehl erlassen. Der Senat hatte diesen mit Beschluss vom 21. Dezember 2006 auf die Beschwerde des Verurteilten aufgehoben, die sofortige Freilassung des Verurteilten angeordnet und die im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen des Verurteilten entsprechend § 467 StPO der Staatskasse auferlegt.
Der Verurteilte hat mit Antrag vom 10. Januar 2007 die Festsetzung seiner ihm aus der Staatskasse zu erstattenden notwendigen Auslagen des Beschwerdeverfahrens beantragt.
Der Rechtspfleger der Strafvollstreckungskammer hat - einer Stellungnahme des Bezirksrevisors folgend - mit Beschluss vom 5. April 2007 eine Festsetzung zu erstattender Kosten abgelehnt, weil die Kostenentscheidung des Senats unzulässigerweise bei einer Entscheidung ergangen sei, die kein Verfahren abgeschlossen habe, und die mangels einer späteren, das Verfahren abschließenden Kostenentscheidung nicht verbindlich sei.
Die hiergegen eingelegte, nach § 464b StPO, § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO statthafte sofortige Beschwerde des Verurteilten ist form- und fristgerecht eingelegt worden und damit zulässig. Sie ist auch begründet und führt zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
Die angefochtene Entscheidung, die auf eine vermeintlich falsche Kostenentscheidung des Senats gestützt wird, kann keinen Bestand haben.
Unabhängig davon, dass die der Kostenfestsetzung zu Grunde liegende rechtskräftige gerichtliche Kostenentscheidung im Kostenfestsetzungsverfahren grundsätzlich bindend ist (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl., § 464b Rdn. 1 m. w. Nachw.), ist die Argumentation des Rechtspflegers auch sachlich verfehlt. Spricht schon vieles dafür, Beschwerdeverfahren generell als eine Kostenentscheidung erfordernde Verfahren im Sinne von § 464 StPO anzusehen (vgl. Meyer-Goßner, a. a. O. § 464 Rdn. 11a m. w. Nachw.), so gilt das jedenfalls im Fall einer Beschwerde gegen einen Sicherungshaftbefehl. Denn deren Bescheidung stellt den Abschluss eines selbständigen Zwischenverfahrens dar, das vom Abschluss der Hauptsache sachlich unabhängig ist. So wurde hier mit der Beschwerde erreicht, dass der Sicherungshaftbefehl aufgehoben und der verhaftete Verurteilte sofort auf freien Fuß gesetzt wurde. Damit wurde das Sicherungshaftverfahren endgültig beendet. Auf den weiteren Ablauf und das Ergebnis des Widerrufverfahrens war das ohne Einfluss. Im Verlauf eines Strafvollstreckungsverfahrens nach vorangegangener Strafaussetzung zur Bewährung ist ein Sicherungshaftbefehl auch nicht etwa ein regelmäßig durchlaufener Verfahrensabschnitt. Schon der Erlass eines solchen Haftbefehls kommt gemäß § 453c Abs. 1 StPO vielmehr nur ganz ausnahmsweise in Betracht. Auch beinhaltet die Anordnung von Sicherungshaft eine im Vollstreckungsverfahren singuläre Belastung des Verurteilten, nämlich den Verlust seiner Freiheit trotz noch nicht widerrufener Strafaussetzung. Der Beschwerde hiergegen kommt demgemäß eine besondere, eigenständige Bedeutung im Vollstreckungsverfahren zu, die eine abschließende Kostenentscheidung des Beschwerdegerichts gebietet.
Im Übrigen trifft es derzeit auch nicht mehr zu, dass das Strafvollstreckungsverfahren nicht beendet sei, wovon der angefochtene Beschluss noch ausgeht. Inzwischen ist - ohne jede Änderung der ursprünglichen Bewährungsentscheidung - die Strafe erlassen worden. Auch deshalb ist der Auslagenentscheidung des Senats im Beschluss vom 21. Dezember 2006 im Kostenfestsetzungsverfahren Folge zu leisten.
Da bislang nur über den Grund des Erstattungsanspruchs entschieden worden ist verweist der Senat die Sache in Anwendung der §§ 464b S. 3 StPO, 572 Abs. 3 ZPO unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses an den zuständigen Rechtspfleger der Strafvollstreckungskammer zurück. Dieser wird - unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats - nunmehr über die Höhe der erstattenden notwendigen Auslagen zu befinden haben.