Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 27.08.2007, Az.: Ss 249/07
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 27.08.2007
- Aktenzeichen
- Ss 249/07
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2007, 59883
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:2007:0827.SS249.07.0A
Fundstellen
- NStZ-RR 2008, V Heft 3 (amtl. Leitsatz)
- NStZ-RR 2008, 117-118 (Volltext mit amtl. LS)
Tenor:
Das Urteil der 5. kleinen Strafkammer des Landgerichts Osnabrück vom 10. Mai 2007 wird unter Verwerfung des Rechtsmittels im übrigen im Straffolgenausspruch aufgehoben und an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, zurückverwiesen.
Gründe
Das Amtsgericht Lingen (Ems) hat den Angeklagten am 15. August 2006 wegen der unerlaubten Abgabe von Betäubungsmitteln in siebzehn Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt.
Nach den getroffenen Feststellungen gab der Angeklagte im Januar 2005 in mindestens fünfzehn Fällen der gesondert verfolgten und selber heroinabhängigen S.... R.... Heroin zum Eigenverbrauch ab. Als diese sich in der Zeit vom 02. bis 20. Februar 2005 in stationärer Behandlung im B...-Krankenhaus in L.... aufhielt, brachte er ihr in mindestens zwei Fällen Heroin vorbei, das sie konsumierte. Der Angeklagte und S.... R.... waren zur damaligen Zeit befreundet, so dass sie sich gegenseitig ohne Bezahlung ausgeholfen hatten.
Gegen das Urteil hat der Angeklagte durch seinen Verteidiger fristgerecht Berufung eingelegt, die er in der Berufungshauptverhandlung am 10. Mai 2007 mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft auf das Strafmaß beschränkt hat. Das Landgericht hat die Beschränkung als wirksam angesehen und die Berufung des Angeklagten mit der Maßgabe verworfen, dass der Angeklagte unter Einbeziehung des Urteils des Amtsgerichts Leer vom 01. März 2006 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten verurteilt wurde.
Dagegen richtet sich die form- und fristgerechte eingelegte Revision des Angeklagten, mit der er rügt, dass die in der Hauptverhandlung vom 10. Mai 2007 erklärte Beschränkung der Berufung auf das Strafmaß unzulässig gewesen sei, ferner fehlten jegliche Feststellungen zum Wirkstoffgehalt des Heroins und dessen Qualität. Dies sei jedoch für die Strafzumessung von zentraler Bedeutung, so dass auch die Strafzumessung fehlerhaft sei.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat dem widersprochen.
Das Rechtsmittel des Angeklagten führt mit der Sachrüge zur Aufhebung des Straffolgenausspruchs.
Die vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfende Beschränkung der Berufung durch den Angeklagten hat das Landgericht zu Recht als wirksam beurteilt.
Ein Rechtsmittel kann grundsätzlich wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt werden. Eine wirksame Beschränkung ist nur in den Fällen nicht möglich, in denen Schuldspruch und Strafzumessung so eng miteinander verknüpft sind, dass eine getrennte Überprüfung der Strafzumessung nicht möglich wäre, ohne den nicht mitangefochtenen Schuldspruch zu berühren. Ansonsten gebietet es die dem Rechtsmittelberechtigten in § 318 S. 1 StPO eingeräumte Verfügungsmacht über den Umfang der Anfechtung, den in den Rechtsmittelerklärungen zum Ausdruck kommenden Gestaltungswillen im Rahmen des rechtlich Möglichen zu respektieren. Danach führt nicht jeder Mangel des infolge der Beschränkung grundsätzlich in Rechtskraft erwachsenden Teils, insbesondere auch nicht jede Lücke in den Schuldfeststellungen, zur Unwirksamkeit der Beschränkung. Das gilt auch, wenn infolge der Unvollständigkeit die Feststellungen für die erneut vorzunehmende Strafzumessung zu ergänzen sind, solange die neu zu treffenden Feststellungen den bindend gewordenen nicht widersprechen und der Schuldspruch als solcher davon nicht betroffen sein kann. Auch beim Fehlen von Angaben zum Wirkstoffgehalt des Betäubungsmittels kann der Schuldspruch je nach Lage des Einzelfalles - wenn tatbestandliche Voraussetzungen, wie zum Beispiel das Vorliegen einer nicht geringen Menge im Sinne des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, nicht in Frage stehen - revisionsrechtlicher Prüfung standhalten. Bei Vorliegen dieser Voraussetzungen ist auch die Rechtsmittelbeschränkung wirksam (vgl. insoweit OLG Frankfurt, 1. Strafsenat , Beschluss vom 15. Februar 2005, Az.: 1 Ss 384/04 m.w.Nw.).
Vorliegend führt das Fehlen von Angaben zum Wirkstoffgehalt des Heroins nicht zur Unwirksamkeit der Berufungsbeschränkung. Die eingangs wiedergegebenen, vom Berufungsgericht als bindend seiner Entscheidung über den Strafausspruch zugrunde gelegten Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils sind zwar knapp, jedoch weder unklar, noch widersprüchlich und lassen den Unrechts- und Schuldgehalt der Taten jedenfalls in groben Zügen erkennen. Dafür reicht die Beschreibung des Gegenstands des Handeltreibens mit der unentgeltlichen Abgabe von Heroin zum Eigenkonsum aus. Der Unrechts- und Schuldgehalt der Taten ist hier hinreichend dargestellt. Allerdings hätte es - wie noch darzulegen sein wird - für die Strafzumessung genauerer Feststellungen zu dem Wirkstoffgehalt des Heroins bedurft und werden diese in der erneuten Hauptverhandlung über das Strafmaß nachzuholen sein. Dieses Erfordernis steht der Wirksamkeit der Beschränkung jedoch nicht entgegen. Dass die grundsätzlich zulässige Ergänzung den Schuldspruch betreffen könnte, ist hier auszuschließen. In allen Fällen scheidet das Vorliegen einer "nicht geringen Menge" im Sinne von § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG bei den hier kostenlos abgegebenen Heroinmengen aus. Dies wird durch den Akteninhalt bestätigt, der bei der von Amts wegen im Wege des Freibeweises vorzunehmenden Prüfung der Wirksamkeit der Rechtsmittelbeschränkung herangezogen werden darf. Danach hatte S.... R.... jeweils zwei bis drei Packen Heroin erhalten, insgesamt jeweils O,4 g Heroin, wie sich aus ihrer polizeilichen Vernehmung vom 25. Juli 2005 in Verbindung mit ihrer Aussage in der Hauptverhandlung vom 15. August 2006 vor dem Amtsgericht ergibt. Zu Gunsten des Angeklagten war das Amtsgericht ersichtlich davon ausgegangen, dass die Abgabe unentgeltlich erfolgt war, so dass dies zugrunde zu legen ist. Da wegen der Konsumierung des Heroins und dessen damit zusammenhängender fehlender Sicherstellung kein Gutachten vorliegt, ist angesichts der kostenlosen Abgabe die Feststellung einer "nicht geringen Menge" im Sinne des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG ausgeschlossen, zumal bei nicht sichergestellten Betäubungsmitteln die Wirkstoffkonzentration unter Berücksichtigung des Grundsatzes "im Zweifel für den Angeklagten " zu bestimmen ist. Bei dieser Sachlage ist die Beschränkung der Berufung für wirksam zu erachten.
Bei der allein noch anstehenden Überprüfung des Strafausspruchs stellt das jegliche Fehlen von Feststellungen zum Wirkstoffgehalt des Betäubungsmittels einen Rechtsfehler dar, der insoweit zur Aufhebung des Urteils nötigt. Nach herrschender Meinung ist neben der Art des abgegebenen Betäubungsmittels und seiner Gefährlichkeit namentlich die Menge des Betäubungsmittels und seines Wirkstoffgehaltes für die Bestimmung des Unrechts- und Schuldgehalts der Tat für die Strafzumessung von erheblicher Bedeutung. Daher kann auf eine möglichst genaue Feststellung des Wirkstoffgehaltes grundsätzlich nicht verzichtet werden. Können dazu jedoch konkrete Feststellungen deshalb nicht mehr getroffen werden, weil die Betäubungsmittel nicht vorhanden sind, muss die Wirkstoffkonzentration unter Berücksichtigung aller feststellbaren Umstände und des Grundsatzes im Zweifel für den Angeklagten bestimmt werden. Von genauen Feststellungen dazu darf nur ausnahmsweise dann abgesehen werden, wenn ausgeschlossen werden kann, dass diese das Strafmaß zu Gunsten des Angeklagten beeinflussen können. Diese Voraussetzungen sind jedoch vorliegend nicht gegeben. So geht das Landgericht unter anderem von einem engen zeitlichen, örtlichen und sachlichen Zusammenhang aus und führt weiter aus, dass wegen der Anzahl der hier abzuurteilenden Taten keine Geldstrafe mehr festgesetzt werden könne, weil diese nicht mehr schuldangemessen seien. Soweit jedoch eine Häufung der BTM-Geschäfte als Straferschwerungsgrund in Betracht gezogen wird, kann dies nicht mehr losgelöst von dem Gewicht der einzelnen Taten und den jeweils gehandelten Mengen und deren Wirkstoffgehalt bewertet werden. Daher kann nicht ausgeschlossen werden, dass genauere Feststellungen zum Wirkstoffgehalt das Strafmaß zugunsten des Angeklagten beeinflusst hätte.
Dies musste deshalb zur Aufhebung der Einzelstrafe und des unter Einbeziehung der Entscheidung des Amtsgerichts Leer vom 01. März 2006 gebildeten Gesamtstrafenausspruchs führen, so dass das angefochtene Urteil im Strafausspruch aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts zurückzuverweisen war. Die weitergehende Revision war jedoch als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.