Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 09.04.2003, Az.: 222 Ss 42/03 (Owi)
Einstellung eines im Rahmen eines mutmaßlichen Verstoßes gegen das Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit (SchwArbG) eingeleiteten Bußgeldverfahrens wegen Vorliegens eines Verfahrenshindernisses; Nichtvorliegen eines wirksamen Bußgeldbescheides aufgrund nicht konkreter Bezeichnung der vorgeworfenen Ordnungswidrigkeiten; Notwendigkeit einer exakten Benennung der einzelnen als "Schwarzarbeit" deklarierten Tätigkeiten; Anforderungen an die Pflicht zur Anzeige von Beginn des selbstständigen Betriebs eines stehenden Gewerbes
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 09.04.2003
- Aktenzeichen
- 222 Ss 42/03 (Owi)
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 34661
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2003:0409.222SS42.03OWI.0A
Rechtsgrundlagen
- § 14 GewO
- § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG
- § 46 Abs. 1 OWiG
- § 66 OWiG
- § 130 OWiG
- § 1 Abs. 1 Nr. 2 SchwArbG
Verfahrensgegenstand
Verstoß gegen das Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit
In der Bußgeldsache
...
hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Celle
auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft ....... gegen das Urteil des Amtsgerichts ....... vom 25. November 2002
nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht .......,
den Richter am Oberlandesgericht ....... und
den Richter am Oberlandesgericht .......
am 9. April 2003
beschlossen:
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird aufgehoben.
Das Bußgeldverfahren wird eingestellt.
Die Kosten des Bußgeldverfahrens sowie die notwendigen Auslagen der Betroffenen werden der Landeskasse auferlegt.
Gründe
I.
Die Stadt ....... - Fachbereich 2 Recht und Sicherheit - hatte gegen die Betroffene durch Bußgeldbescheid vom 18. Oktober 2001 wegen Verstoßes gegen § 1 Abs. 1 Nr. 2 und 3 des Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit (SchwArbG) eine Geldbuße von 20.000 DM sowie einen Betrag von 7.500 DM zur Abschöpfung des wirtschaftlichen Vorteils festgesetzt. In dem Bußgeldbescheid heißt es u.a.:
" ....... GmbH wurde erst am 29.03.2001, rückwirkend zum 19.06.2000 angemeldet, als gegen diese GmbH bereits Verfahren eingeleitet wurden.... Festzustellen ist auch, dass die Eintragung erst am 11.06.01 vorgenommen wurde. Am 19.03.2001 wurden Sie aufgefordert, dass Gewerbe anzumelden. Die ....... GmbH wurde erst am 28.03.2001, rückwirkend zum 19.06.2000 angemeldet, nachdem die Durchsuchung der Geschäftsräume stattgefunden hat. Sie haben zumindest vom 19.06.2000 bis zur Eintragung in die Handwerksrolle am 11.06.2001 Arbeiten ausgeführt, ohne hierzu befugt zu sein, da diese Arbeiten unter die Tätigkeiten der Anlage A zur Handwerksordnung aufgeführten Berufe gehören und zwingend einer Eintragung in die Handwerksrolle bedürfen..... Sie haben Dienst- und Werkleistungen in erheblichem Umfang erbracht, indem Sie ein Handwerk als stehendes Gewerbe selbständig betrieben, ohne in der Handwerksrolle eingetragen zu sein (§ 1 Handwerksordnung). Als Geschäftsführerin warten Sie für den genannten Zeitraum verantwortlich. Sie wurden erst am 06.09.2001 beim AG ....... als Geschäftsführerin ausgetragen.
Außerdem haben Sie in erheblichem Umfang Dienst- u. Werkleistungen erbracht, die wesentliche vollhandwerkliche Tätigkeiten des Maurer-, Beton- und Tiefbauhandwerks, deren Ausübung nur den in der Handwerksrolle A eingetragenen natürlichen und juristischen Personen und Personengesellschaften gestattet ist (§ 12 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Anlage A der Handwerksordnung)."
Auf den Einspruch der Betroffenen hat das Amtsgericht die Betroffene frei gesprochen, weil ihr nicht zu widerlegen sei, dass sie nur "pro forma" zur Geschäftsführerin bestellt worden sei, die Geschäfte jedoch allein von dem Mitgesellschafter und Prokuristen ....... geführt worden seien. Die Betroffene habe sich darauf verlassen, dass die Geschäfte erst nach Eintragung des Unternehmens aufgenommen werden würden. Zur Zeit der Durchführung der vorgeworfenen Bauarbeiten sei die Eintragung der GmbH im Handelsregister noch nicht erfolgt gewesen, sodass eine Verantwortlichkeit der Betroffenen gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG nicht in Betracht komme, weil noch keine juristische Person, sondern lediglich eine Vor-GmbH bestanden habe. Ein Ahndung nach § 130 OWiG sei nicht in Betracht gekommen, weil die Baumaßnahmen nur durch den Mitgesellschafter und Prokuristen ....... veranlasst worden seien, und sich auf diesen die Kontrollpflichten der Betroffenen nicht erstreckten.
II.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts.
Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Urteils und zur Einstellung des Bußgeldverfahrens gem. §§ 46 Abs. 1 OWiG, 206 a Abs. 1 StPO wegen Vorliegens eines Verfahrenshindernisses. Es fehlt an der Verfahrensvoraussetzung eines wirksamen Bußgeldbescheids. Der Bußgeldbescheid vom 18. Oktober 2001 genügt nicht den gem. § 66 OWiG zu stellenden Anforderungen und bietet keine tragfähige Grundlage für eine gerichtliche Sachentscheidung.
1.
Hinsichtlich des Verstoßes gegen § 1 Abs. 1 Nr. 3 SchwArbG hat der zuständige Dezernent der Generalstaatsanwaltschaft in seiner Stellungnahme vom 5. März 2003 zu den Bedenken gegen die Wirksamkeit des Bußgeldbescheids ausgeführt:
"Sie ergeben sich daraus, dass die Leistungen, die die ....... GmbH i.Gr. erbracht haben soll, nicht konkret bezeichnet werden. Es wird lediglich mitgeteilt, dass es sich um vollhandwerkliche Tätigkeiten des Maurer-, Beton- und Tiefbauhandwerks handeln soll, die in der Zeit vom 19.06.2000 (dem rückwirkend angegebenen Anmeldedatum) bis zur Eintragung in die Handwerksrolle am 11.06.2001 in erheblichem Umfang erbracht worden seien. Dabei lässt der Bußgeldbescheid nicht nur das konkrete Handwerk, sondern auch offen, ob es sich um Dienst- oder Werkleistungen oder beides gehandelt hätte. Insbesondere aber werden die erbrachten Leistungen vom Tatsächlichen her nicht näher bezeichnet. Es fehlen konkrete Angaben zum Bauvorhaben oder sonst zu den einzelnen Gewerken nach Zeit, Ort, Bauherr/Auftraggeber, konkreter Tätigkeit und Leistungsumfang. Unklar ist auch, ob ein oder mehrere einzelne Verstöße vorliegen sollen, d.h. ob Leistungen auf Grund einer einzelnen oder auf Grund mehrerer Auftragserteilungen in Rede stehen. Grundsätzlich muss nämlich von einzelnen, selbständigen Verstößen bei jeder Auftragserteilung ausgegangen werden, soweit nicht die einzelnen Aufträge durch besondere Umstände miteinander verbunden sind oder sich zu einem einheitlichen Lebenssachverhalt zusammen fassen lassen (Senat, Beschluss vom 22.11.2002 - 222 Ss 64/02 (OWi) -). Die hier der Betroffenen gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 SchwarbG zur Last gelegte Ordnungswidrigkeit sehe ich deshalb in tatsächlicher Hinsicht als zu unbestimmt bezeichnet an."
Dem tritt der Senat mit dem ergänzenden Hinweis bei, dass dem Bußgeldbescheid auch nicht zu entnehmen ist - wie dies für eine Verantwortlichkeit der Betroffenen erforderlich wäre -, dass die Betroffene in der Gründungsphase der GmbH etwa selbst handwerkliche Tätigkeiten entfaltet hätte.
2.
Auch hinsichtlich eines Verstoßes gegen § 1 Abs. 1 Nr. 2 SchwArbG genügt der Bußgeldbescheid in tatsächlicher Hinsicht nicht den Mindestanforderungen. Ein Verstoß gegen die genannte Vorschrift setzte voraus, dass die Betroffene der Pflicht zur Anzeige vom Beginn des selbständigen Betriebs eines stehenden Gewerbes i.S. des § 14 Gewerbeordnung (GewO) nicht nachgekommen wäre. Die Anzeigepflicht nach § 14 GewO besteht gem. § 1 der Verordnung über die Regelung von Zuständigkeiten in Gewerbe- und Arbeitsschutzrecht sowie in anderen Rechtsgebieten (Zust. VO GewAR 1991) i.V.m. Anlage 1 der Verordnung (Niedersächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt 1990, 491 ff.) gegenüber der Stadt ........ In dem Bußgeldbescheid wird jedoch ein Verstoß der Betroffenen gegen eine solche Anzeigepflicht nicht erwähnt. Es wird, soweit der Bußgeldbescheid dies überhaupt nachvollziehen lässt, offenbar allein auf die nicht erfolgte Eintragung in die Handwerksrolle (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 SchwarbG) abgestellt. Dem entsprechend lässt der Bußgeldbescheid auch nicht erkennen, in welchem zeitlichen Verhältnis der Beginn der Gewerbetätigkeit zu der Eintragung der GmbH, deren Geschäftsführerin die Betroffene war, steht, obwohl die Verantwortlichkeit der Betroffenen für die unterlassene Gewerbeanmeldung wohl nur dann in Betracht kommt, wenn sie bei Entstehen der Anmeldepflicht bereits Geschäftsführerin der im Handelsregister eingetragenen GmbH war. Von persönlicher Gewerbetätigkeit der Betroffenen ist jedenfalls nichts gesagt.
Es bedarf danach keiner Erörterung mehr, dass das Amtsgericht den Freispruch nicht in allen Punkten tragfähig begründet hat.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 OwiG, 467 Abs. 1 StPO.