Amtsgericht Hannover
Urt. v. 27.08.1991, Az.: 506 C 4532/91
Voraussetzungen eines Anspruchs auf Schadensersatz wegen unzureichender Beratung und Aufklärung beim Kauf von Wertpapieren
Bibliographie
- Gericht
- AG Hannover
- Datum
- 27.08.1991
- Aktenzeichen
- 506 C 4532/91
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1991, 21405
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGHANNO:1991:0827.506C4532.91.0A
Rechtsgrundlage
- § 826 BGB
Fundstellen
- WM 1992, 141-143 (Volltext mit amtl. LS)
- ZBB 1991, 276
- ZIP 1991, 1353-1354 (Volltext mit red. LS)
Verfahrensgegenstand
Schadensersatz
In dem Rechtsstreitverfahren
hat das Amtsgericht Hannover - Abt. 506 -
auf die mündliche Verhandlung vom 06. August 1991
durch
den Richter Dr. Scholz
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.
Die Klage wird abgewiesen.
- 2.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
- 3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheit oder Hinterlegung i.H.v. 100,- DM absenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Schadensersatz wegen unzureichener Beratung und Aufklärung beim Kauf von Wertpapieren in Anspruch.
Zwischen Januar und April 1989 kaufte die Klägerin durch Vermittlung der Beklagten in Stückelungen von 11, 11, 10 und 8.000,- DM, also insgesamt 40.000,- DM, eine 6,5 %ige Schuldverschreibung der australischen Bond-Gruppe mit 5-jähriger Laufzeit. Konsortialführerin der Emission in der Bundesrepublik war die BHF-Bank. Die Anleihe war mit einer Garantie der Bond-Corporation in Perth versehen.
Die für den 29.9.1990 fällige Zinszahlung konnte aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten der Bond-Gruppe nicht durchgeführt werden. Die Kursnotierung des Papiers an der Frankfurter Börse wurde Anfang Oktober 1990 ausgesetzt. Inzwischen wird in Gläubigerversammlungen darüber abgestimmt, ob ein dem deutschen Vergleich ähnliches "scheme of Arrangement" zustande kommt; die entsprechenden Verhandlungen werden vor Jahresende 1991 nicht abgeschlossen sein. Nach dem derzeitigen Stand ist mit einer Vergleichsquote von mehr als 19,8 % nicht zu rechnen.
Aufgrund dieser Entwicklung hat die Klägerin die Anleihe vertragsgemäß gekündigt. Eine Zahlung ist auch durch die Garantiegeberin nicht erfolgt.
Die Klägerin nimmt nunmehr die Beklagte auf Schadensersatz in Höhe eines Teilbetrages von 5.000,- DM (gegen Aushändigung der Papiere) sowie Zinsen in Höhe von 5,5 % p.a. in Anspruch. Sie ist der Auffassung, die Beklagte hafte ihr auf Schadensersatz wegen Verletzung bestehender Aufklärungs- und Beratungspflichten bei der Anlageentscheidung. Unter Vorlage einer Reihe von Mitteilungen der Börsenzeitung, auf die wegen der Einzelheiten bezug genommen wird (Bl. 14 ff. d.A.) meint sie, die Beklagte hätte schon im Zeitpunkt der Anlageentscheidung über die finanziellen Schwierigkeiten der Bond-Gruppe informiert sein und diese Information auch weitergeben müssen. Schon damals sei die finanziell schwierige Lage der Gruppe aus den Mitteilungen der Börsenzeitung erkennbar gewesen. Weiterhin verweist die Klägerin darauf, daß die Bond-Gruppe durch eine australische Privatagentur als fünfklassige Schuldnerin eingestuft worden ist.
Die Klägerin behauptet, sie sei aufklärungsbedürftig gewesen; zuvor habe sie nie spekulative Wertpapiere gekauft. Sie habe nach einer sicheren, fest verzinslichen Anlage gesucht. Vor diesem Hintergrund, so meint sie, hätte die Beklagte insbesondere auf die australische Herkunft der Emission, die mangelnde Garantie einer deutschen Bank sowie die ihrer Meinung nach riskante Finanzsituation der Gruppe hinweisen müssen. Unter diesen Umständen hätte sie vom Kauf der Papiere abgesehen und sich für eine deutsche Anleihe entschieden, deren Verzinsung mit mindestens 5,5 % anzunehmen sei.
Sie beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 5.000,- DM zuzüglich 5,5 % Zinsen seit dem 22.11.1989 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte bestreitet, im Zeitpunkt der Anlageentscheidung Kenntnis von den wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Bond-Gruppe gehabt zu haben. Diese seien überhaupt erst später bekannt geworden. Sie verweist darauf, daß die Bilanz- sowie die Gewinn- und Verlustrechnung der Bond-Gruppe per 30.6.1988 von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Arthur Andersen & Co. geprüft worden ist, die Gesellschaft keinen Hinweis auf Liquidationsschwierigkeiten gefunden und daher der Bond-Gruppe einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk erteilt hat. Daß im Zeitpunkt der Anlageentscheidung keine Hinweise auf Schwierigkeiten in der Bond-Gruppe bekannt gewesen seien, folge auch daraus, daß die Bond-Anleihe noch im März 1989 nach Durchlaufen des strengen Prüfungs- und Zulassungsverfahrens an der Börse zugelassen worden ist.
Weiterhin behauptet die Beklagte, die Klägerin sei nicht unerfahren in der Anlage von Geldern; sie verweist darauf, daß die Beklagte am 9.2.1984 eine 7,5 %ige Anleihe der Republik Brasilien gekauft habe. Zum Kauf der Bond-Anleihe sei es deshalb gekommen, weil es ausdrücklicher Wunsch der Klägerin gewesen sei, die Quellensteuer zu sparen. Darauf, daß es sich um eine ausländische Anleihe gehandelt habe, sei hingewiesen worden. Die Ausstattung einer solchen Anleihe mit der Garantie einer deutschen Bank sei unüblich.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Unterlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet.
Die Voraussetzungen für eine Haftung der Beklagten wegen unzureichender oder unrichtiger Raterteilung, wie sie sich aus positiver Vertragsverletzung, Verschulden bei Vertragsschluß oder anderen Rechtsgrundlagen herleiten lassen (vgl. dazu Baumbach/Duden/Hopt, HGB, 28. Auflage Bankgeschäft 7) Anm. I 6 A)) sind nicht gegeben.
1.
Zwar ist mit der Klägerin von einer Aufklärungsbedürftigkeit auszugehen. Die Klägerin ist als im Geschäft mit Wertpapieren nicht erfahren anzusehen. Aus dem Vortrag beider Parteien ergibt sich, daß sie in ihrem Depot während der vergangenen Jahre lediglich fest verzinsliche Wertpapiere gehabt habe, nicht jedoch Aktien oder sonstige Anlagen, bei denen spekulative Gewinne in größerem Umfang zu erwarten sind. Nichts anderes folgt aus dem einmaligen Kauf einer Brasilienanleihe im Jahre 1984. Auch hierbei handelte es sich um ein fest verzinsliches Wertpapier.
2.
Die sich aus der Geschäftsbeziehung der Parteien ergebenden Aufklärungspflichten sind jedoch von der Beklagten nicht verletzt worden.
a)
Verstöße gegen die Pflicht zur wahrheitsgemäßer Aufklärung, die ggf. eine Haftung nach § 826 BGB begründen könnten, liegen nicht vor. Insbesondere ist mit dem Vortrag der Klägerin selbst davon auszugehen, daß die Beklagte im Zeitpunkt der Vermittlung der Anleihe Anfang des Jahres 1989 und auch bis April des gleichen Jahres keine positive Kenntnis über finanzielle Schwierigkeiten des Emittenten, der Bond-Gruppe hatte.
b)
Auch von einer fahrlässigen Unkenntnis der Beklagten kann nicht ausgegangen werden. Zu Recht weist die Beklagte darauf hin, daß sie aufgrund der für das Wirtschaftsjahr 1988 vorliegenden Testate, in denen sich keine Hinweise auf Liquidationsschwierigkeiten der Gesellschaft befanden, kein Anlaß zu weiteren Nachforschungen hatte. Diese Testate sind von der Beklagten zutreffend ausgewertet worden. Diese Testate ergaben keinen Anlaß, die Klägerin auf ein besonderes Risiko der vermittelten Anleihe hinzuweisen.
Andere konkrete Hinweise, die hierfür Anlaß gegeben hätten, lagen nicht vor. Die seitens der Klägerin vorgelegten Auszüge aus der Börsenzeitung, beginnend im Juli 1988, spiegeln lediglich die subjektive Einschätzung der einzelnen Berichterstatter wider. So trägt beispielsweise die Überschrift des Artikels der Morgenzeitung vom 24.8.1988 die Überschrift "Bond-Corporation mit rasantem Gewinnanstieg", im Artikel der Börsenzeitung vom 28.9.1988 heißt es am Ende, ruhigere Analytiker verwiesen darauf, "daß der Gewinn der Bond Corp. im Geschäftsjahr per Ende Juni 1988 mit 355,7 Millionen austr. Dollar um fast ein Drittel höher ausgefallen war als von den größten Optimisten vorhergesagt." Im Ergebnis ist somit davon auszugehen, daß konkrete Hinweise auf finanzielle Schwierigkeiten der Bond-Gruppe, die trotz der vorliegenden Testate für die Beklagte hätten Anlaß sein müssen, diesen nachzugehen, nicht vorlagen Hierfür spricht auch der Umstand, daß im Nachhinein noch im April 1989 die Schuldverschreibung der Emissionsverfahren durchlief und zum Handel an der Börse zugelassen wurde.
c)
Schließlich hat die Beklagte auch nicht unzureichend über die vermittelte Anleihe selbst aufgeklärt. Soweit die Klägerin vorträgt, sie sei nicht darauf hingewiesen worden, daß es sich um eine ausländische Anleihe handelte, kann dies dahinstehen. Zweifel sind allerdings am Vortrag der Klägerin angebracht, da jedenfalls über die Quellensteuerfreiheit der Anlage gesprochen wurde und eine Quellensteuerfreiheit nur durch Anlage in ausländischen Wertpapieren zu erreichen war. Zudem hat die Klägerin den Kaufauftrag, in dem die Wertpapiere bezeichnet sind, unterzeichnet. Daß es sich bei der Bond-Corporation nicht um einen deutschen Schuldner handelte, war danach offensichtlich. Ein unterlassener Hinweis dahingehend würde jedoch die Haftung der Beklagten auch nicht begründen. Es sind keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, daß ausländische Anleihen grundsätzlich unsicherer sind als die deutscher Emittenten. Etwas anderes würde lediglich dann gelten, wenn es sich um eine Anleihe ausländischer Währung handelte, so daß das Kursrisiko der Anleihe zusätzlich durch Währungsdifferenz verschärft würde. Diese Voraussetzungen sind jedoch hier nicht gegeben, es handelte sich um eine DM-Anleihe.
Entgegen dem Vortrag der Klägerin ist auch nicht davon auszugehen, daß ausländische Anleihen regelmäßig mit der Garantie einer deutschen Bank ausgestattet werden. Die von der Klägerin selbst vorgelegte Anlage K 8 (Bl. 21 d.A.), in der die zwischen dem 23. August und 6. Oktober 1988 emittierten Anleihen aufgelistet sind, belegt das Gegenteil: Keine der dortigen DM-Anleihen ausländischer Schuldner ist mit einer Garantie einer deutschen Bank versehen.
Im Ergebnis sind damit die Voraussetzungen einer Haftung der Beklagten wegen unrichtiger Raterteilung oder Auskunftserteilung sind nicht gegeben. Die Höhe eines möglichen Schadens kann damit dahingestellt bleiben.
3.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Ziff. 11, 711 ZPO.