Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 15.05.2024, Az.: 9 K 151/23

gegenüber dem FG; gegenüber dem Finanzamt; Auslegung; Ausschlussfrist; Gegenstand des Klagebegehrens; Steuererklärung; Wiedereinsetzung; Bezeichnung des Gegenstands des Klagebegehrens

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
15.05.2024
Aktenzeichen
9 K 151/23
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2024, 22055
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE::2024:0515.9K151.23.00

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - AZ: X R 20/24

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Hat das Finanzgericht wirksam eine Ausschlussfrist nach § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO zur Bezeichnung des Gegenstands des Klagebegehrens gesetzt, kann die Ausschlussfrist nicht allein durch die fristgerechte Einreichung einer Steuererklärung beim Finanzamt gewahrt werden (ständige Rechtsprechung; vgl. BFH, Beschlüsse vom 26. Januar 1995 V B 63/94, BFH/NV 1995, 896; und vom 25. Juli 2023 VIII B 31/22, BFH/NV 2023, 1215).

  2. 2.

    Auch für Schätzungsfälle, in denen der Gegenstand des Klagebegehrens durch Einreichung der Steuererklärung bezeichnet wird, ergibt sich aus der fehlenden Möglichkeit, Steuererklärungen an das Finanzgericht elektronisch zu übermitteln, keine abweichende rechtliche Beurteilung.

  3. 3.

    Das Finanzgericht ist nach wirksamer Setzung der Ausschlussfrist - auch nach § 71 Abs. 2 FGO - nicht verpflichtet, den Inhalt weiterer, bis zum Ablauf der Ausschlussfrist allein zur Steuerakte, nicht aber zur Gerichtsakte gelangter Vorgänge zu berücksichtigen.

  4. 4.

    Durfte der Kläger mit einer im gewöhnlichen Geschäftsgang rechtzeitigen Weiterleitung seiner beim Finanzamt nachgereichten Steuererklärung an das Finanzgericht rechnen, kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht.

Tatbestand

Streitig ist, ob die Klägerin den Gegenstand des Klagebegehrens innerhalb der Ausschlussfrist nach § 65 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bezeichnet hat, und ob - für den Fall der Versäumung der Ausschlussfrist - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden kann.

Die Klägerin erzielte in den Streitjahren 2018 bis 2020 Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus einer Pension, Einkünfte aus der Vermietung einer Eigentumswohnung sowie Rentenbezüge aus der gesetzlichen Rentenversicherung.

Der Beklagte veranlagte die Klägerin mit Bescheiden vom ... März 2023 zur Einkommensteuer 2018 und zur Umsatzsteuer 2018 bis 2020. Dabei setzte der Beklagte die Besteuerungsgrundlagen im Schätzungswege an, weil die Klägerin keine Steuererklärungen abgegeben hatte.

Der Beklagte schätzte die Einkünfte aus Gewerbebetrieb für 2018 in Höhe von XX € und die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von XX €. Für Zwecke der Umsatzsteuerveranlagung schätzte der Beklagte die Umsätze zum Regelsteuersatz mit XX € für 2018, mit XX € für 2019 und mit XX € für 2020, die Umsätze zum ermäßigten Steuersatz mit XX € für 2018, mit XX € für 2019 und mit XX € für 2020 sowie die unentgeltlichen Wertabgaben für Lieferungen und sonstige Leistungen mit XX € für 2018, mit XX € für 2019 und mit XX € für 2020.

Gegen die vorgenannten Bescheide über Einkommensteuer 2018 und Umsatzsteuer 2018 bis 2020 legte die Klägerin (...) auf elektronischem Wege Einsprüche ein.

Der Beklagte forderte die Klägerin (...) auf, ihre Einsprüche zu begründen und die Steuererklärungen für die Streitjahre vorzulegen.

Der Beklagte wies die Einsprüche mit Einspruchsentscheidung vom ... September 2023 als unbegründet zurück, weil die Klägerin auch im Einspruchsverfahren die Erklärungen zur Einkommensteuer und Umsatzsteuer nicht abgegeben hatte.

Mit Schriftsatz vom ... Oktober 2023, eingegangen am selben Tag beim Gericht, erhob die Prozessbevollmächtigte der Klägerin Klage.

Die Klägerin beantragt,

den Einkommensteuerbescheid 2018 sowie die Umsatzsteuerbescheide 2018 bis 2020, jeweils vom ... März 2023, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom ... September 2023 mit der Maßgabe zu ändern, dass die Besteuerungsgrundlagen auf der Grundlage der von der Klägerin übermittelten Steuerklärungen angesetzt werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Berichterstatter hat der Klägerin mit Schreiben vom 19. Januar 2024 eine Ausschlussfrist nach § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO zur Bezeichnung des Gegenstands des Klagebegehrens bis zum 26. Februar 2024 gesetzt. Das Schreiben ist der Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 27. Januar 2024 per Zustellungsurkunde zugegangen.

Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat die Erklärungen zur Einkommensteuer 2018, zur Umsatzsteuer 2018, 2019 und 2020, die Bilanzen zum 31. Dezember 2018 und zum 31. Dezember 2019 sowie die - nicht streitgegenständlichen - Erklärungen zur Gewerbesteuer 2018 und 2019 innerhalb der Ausschlussfrist am 26. Februar 2024 elektronisch beim Beklagten eingereicht. Eine korrigierte Erklärung zur Umsatzsteuer 2020, die Bilanz zum 31. Dezember 2020 sowie die - nicht streitgegenständlichen - Erklärungen zur Einkommensteuer 2019 und 2020 und zur Gewerbesteuer 2020 hat die Prozessbevollmächtigte am 27. Februar 2024 beim Beklagten eingereicht. Im Einzelnen gingen die Steuererklärungen zu folgenden Zeiten beim Beklagten ein:

SteuererklärungTag/UhrzeitSteuererklärungTag/Uhrzeit
Einkommensteuer 201826.02., 19:00Gewerbesteuer 201826.02., 18:42
Einkommensteuer 201927.02., 12:54Gewerbesteuer 201926.02., 23:05
Einkommensteuer 202027.02., 18:59Gewerbesteuer 202027.02., 18:42
Umsatzsteuer 201826.02., 18:52
Umsatzsteuer 201926.02., 23:09
Umsatzsteuer 202026.02., 23:09
berichtigte Umsatzsteuer 202027.02., 18:51

Mit Schriftsatz vom 27. Februar 2024 hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin dem Gericht mitgeteilt, dass "die fraglichen Erklärungen dem Finanzamt B fristgerecht übermittelt wurden". Der Schriftsatz ist am 27. Februar 2024 um 16:46 Uhr elektronisch bei Gericht eingegangen.

Der Berichterstatter hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schreiben vom 29. Februar 2024, zugestellt am 6. März 2024, darauf hingewiesen, dass der Schriftsatz vom 27. Februar 2024 nicht innerhalb der Ausschlussfrist bei Gericht eingegangen und gegebenenfalls Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu beantragen sei.

Mit Schriftsatz vom 13. März 2024 hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin einen Antrag auf Wiedereinsetzung der Ausschlussfrist in den vorigen Stand gestellt. Die Klägerin sei ohne Verschulden gehindert gewesen, die Ausschlussfrist einzuhalten.

Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin habe das Gericht nicht unnötig mit Dokumenten belasten wollen. Sie habe sich auf die Erstellung der Steuererklärungen fokussiert, um den Gegenstand des Klagebegehrens über die Bezugnahme auf die nachträglich beim Beklagten eingereichten Steuererklärungen zu bezeichnen. Diese Vorgehensweise sei in der Rechtsprechung zur Bezeichnung des Klagebegehrens anerkannt. Sie habe die Steuererklärungen innerhalb der Ausschlussfrist beim Beklagten vollständig eingereicht. Der daneben erforderliche Hinweis an das Finanzgericht sei eine im Verhältnis dazu einfache und abrundende Tätigkeit, der sie auch im Streitfall trotz fortgeschrittener Stunde umgehend habe nachkommen wollen.

Jedoch sei am späten Abend des 26. Februar 2024 nach der Übermittlung der Umsatzsteuererklärung 2020 sowohl das IT-System als auch die Internetverbindung bei der Prozessbevollmächtigten der Klägerin zusammengebrochen, in die auch das Fax und eFax eingebunden gewesen sei. Sämtliche Versuche eines Neustarts seien der Prozessbevollmächtigten nicht gelungen. Ihr IT-Dienstleister sei außerhalb der Bürozeiten nicht zu erreichen gewesen. Der Support über die Hotline des Providers sei zunächst nicht erreichbar und sodann - nach Einschätzung der dort tätigen Personen - bis zum Ablauf des 26. Februars 2024 für die vorliegende lokale Hardware-Herausforderung nicht hilfreich gewesen.

Im Laufe des 27. Februars 2024 habe die Prozessbevollmächtigte schließlich nach mehrfachem Neustart des Systems und der Internetverbindung wieder uneingeschränkt arbeiten können und könne dies bis heute. In der Folge habe die Prozessbevollmächtigte dem Finanzgericht auch ohne weiteres Zögern den bereits vorbereiteten Schriftsatz vom 27. Februar 2024 umgehend zukommen lassen.

Der Ausfall der EDV sei nicht zu erwarten gewesen. Die EDV der Büroerweiterung sei technisch auf der Höhe der Zeit, die EDV-Infrastruktur erst vor kurzem überarbeitet worden. Die im Anschluss auch mit dem Provider bestehenden technischen Herausforderungen habe die Prozessbevollmächtigte der Klägerin nach und nach strukturiert abgearbeitet. Um die IT-Stabilität und IT-Sicherheit weiter zu erhöhen, habe sie zudem einen zusätzlichen Glasfaseranschluss im Rahmen des in der Region und im Ort aktuell erfolgenden Ausbaus beantragt.

Da die Prozessbevollmächtigte alles getan habe, um dem Totalausfall ihrer EDV als Systemanwender zum gegebenen Tageszeitpunkt angemessen zu begegnen, sei ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

Der Beklagte ist der Ansicht, dass die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung der Ausschlussfrist in den vorigen Stand nicht vorlägen.

Es erschließe sich nicht, warum die Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Steuererklärungen für 2020 erst am 27. Februar 2024 in der Zeit zwischen 15:12 Uhr und 18:59 Uhr übermittelt habe, wenn um 12:54 Uhr des Tages der Neustart der IT erfolgreich gewesen sei. Die Steuererklärungen für 2020 seien vermutlich erst im Laufe des 27. Februar 2024 erstellt worden. Die lange Unterbrechung in den übermittelten Daten von 12:54 Uhr bis 15:12 Uhr erscheine anderenfalls nicht plausibel. So wäre es der Prozessbevollmächtigten der Klägerin auch bei einer bestehenden Internetverbindung nicht bis zum Ablauf des 26. Februar 2024 möglich gewesen, ihren vollständigen Klageantrag bei dem Beklagten im Rahmen der Ausschlussfrist bis zum 26. Februar 2024 einzureichen.

Einen Nachweis über die Störung der Internetverbindung und den Zusammenbruch der EDV habe die Prozessbevollmächtigte der Klägerin nicht erbracht.

Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat hieraufhin entgegnet, dass sie zunächst die aus der Sicht der Klägerin wesentlichen Steuererklärungen, die zu einer niedrigeren Zahllast führten, eingereicht habe.

Es sei unrichtig, dass die Steuererklärungen für 2020 erst im Laufe des 27. Februar 2020 erstellt worden seien. Der Beklagte überschätze die Arbeitsgeschwindigkeit der Prozessbevollmächtigte, wenn er davon ausgehe, dass die Prozessbevollmächtigte die Bilanz und die gesamten Steuererklärungen für 2020 in etwas mehr als zwei Stunden fertigstellen könne. Gegen eine Erstellung am 27. Februar 2024 spreche auch, dass die Umsatzsteuererklärung 2020 bereits am 26. Februar 2024 übermittelt worden sei. Die Unterbrechung bei der Erklärungsübermittlung von 12:54 Uhr bis 15:12 Uhr sei darauf zurückzuführen, dass die Prozessbevollmächtigte nach der Spät- und Nachtschicht eine Mittags- und Konzentrationspause gebraucht habe.

Einen Nachweis über die Störung der Internetverbindung oder der EDV könne die Prozessbevollmächtigte nicht führen. In der Stresssituation habe sie sich auf die Lösung fokussiert und nicht auf die Dokumentation der Störung mithilfe von Screenshots.

Hinsichtlich der Einzelheiten der mündlichen Verhandlung wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unzulässig.

I. Die Klage ist unzulässig, weil die Klägerin den Gegenstand ihres Klagebegehrens nicht innerhalb der vom Berichterstatter wirksam gesetzten Ausschlussfrist nach § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO bezeichnet hat.

1. Nach § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO muss ein Kläger den Beklagten und den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen. Dazu gehört, dass auch das Ziel der Klage hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht wird (vgl. BFH, Beschluss des Großen Senats vom 26. November 1979 GrS 1/78, BStBl II 1980, 99); denn das Gericht kann dem sich aus § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO ergebenden Verbot, über das Klagebegehren hinauszugehen, nur entsprechen, wenn der Kläger den Umfang des begehrten Rechtsschutzes bestimmt hat. Für eine ausreichende Bezeichnung des Streitgegenstandes ist es daher erforderlich, dass der Kläger substantiiert darlegt, inwiefern der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig sei und ihn in seinen Rechten verletze.

a) Wie weit das Klagebegehren zu substantiieren ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls, insbesondere dem Inhalt des angefochtenen Verwaltungsakts, der Steuerart und der Klageart, ab und kann nicht in abstrakt-genereller Form vorab bestimmt werden. Vielmehr kommt es entscheidend darauf an, ob das Gericht durch die Angaben des Klägers im konkreten Fall in die Lage versetzt worden ist zu erkennen, worin die den Kläger betreffende Rechtsverletzung nach dessen Ansicht jeweils liegt (vgl. BFH, Beschlüsse vom 13. März 2014 X B 158/13, BFH/NV 2014, 892; und vom 29. Juni 2017 X B 170/16, BFH/NV 2017, 1613).

Als prozessuale Willenserklärung ist die Klageschrift in gleicher Weise wie Willenserklärungen im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) analog § 133 BGB auszulegen. Dabei sind zur Bestimmung des Gegenstands des Klagebegehrens alle dem Finanzgericht und dem Beklagten bekannten und vernünftigerweise erkennbaren Umstände tatsächlicher und rechtlicher Art zu berücksichtigen. Insoweit hat das Finanzgericht hinsichtlich des Mussinhalts einer Klage insbesondere auf den Inhalt der Klageschrift und die hierin bezeichneten Bescheide und Einspruchsentscheidungen zurückzugreifen (vgl. BFH, Beschlüsse vom 26. März 2014 III B 133/13, BFH/NV 2014, 894; und vom 14. November 2017 IX B 66/17, BFH/NV 2018, 216).

Handelt es sich - wie im Streitfall - um eine Klage gegen Steuerbescheide (d.h. eine Anfechtungsklage), ist der Gegenstand des Klagebegehrens nicht gleichzusetzen mit der bloßen Benennung der angegriffenen Verwaltungsentscheidungen. Nach dem Ziel der Regelung, nämlich das Verfahren durch eine wirksame Durchsetzung der Verpflichtung zur Vervollständigung des Klageinhalts zu beschleunigen (BT-Drs. 12/1061, S. 15), sind Angaben erforderlich, die es dem Gericht ermöglichen, die Grenzen seiner Entscheidungsbefugnis zu bestimmen und eine effektive und auf das erforderliche Maß reduzierte Sachaufklärung zu betreiben. Zu Ermittlungen ins Blaue hinein, die es anstellen würde, wenn es einem nicht beanstandeten Teilaspekt der Streitsache nachginge, ist es nicht verpflichtet (vgl. BFH, Beschlüsse vom 18. November 2013 X B 130/13, BFH/NV 2014, 371; und vom 29. Juni 2017 X B 170/16, BFH/NV 2017, 1613).

b) Fehlt die Angabe des Gegenstands des Klagebegehrens, kann das Gericht dem Kläger für die Ergänzung der Klage eine Frist mit ausschließender Wirkung setzen (§ 65 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 FGO). Versäumt der Kläger die Ausschlussfrist, ist die Klage - soweit keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist (§ 56 FGO) - unheilbar unzulässig (vgl. BFH, Urteile vom 8. Juli 1998 I R 23/97, BFHE 186, 309, BStBl II 1998, 628; und vom 24. Oktober 2001 X R 39/99, BFH/NV 2002, 498; BFH, Beschlüsse vom 18. Juni 2013 III B 83/12, BFH/NV 2013, 1596; vom 11. November 2019 IX B 61/19, BFH/NV 2020, 228; vom 15. November 2021 VIII B 2/21, BFH/NV 2022, 239; und vom 25. Juli 2023 VIII B 31/22, BFH/NV 2023, 1215).

Eine zunächst unzulässige Klage kann auch nicht in die Zulässigkeit hineinwachsen, wenn nach Ablauf der gemäß § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO gesetzten Frist eine Gewinnermittlung und eine Steuererklärung eingereicht werden (vgl. BFH, Beschluss vom 18. Juni 2013 III B 83/12, BFH/NV 2013, 1596).

2. Im Streitfall hat die Klägerin den Gegenstand des Klagebegehrens in Bezug auf die angefochtene Einkommensteuerfestsetzung 2018 sowie die Umsatzsteuerfestsetzungen 2018, 2019 und 2020 nicht innerhalb der Ausschlussfrist bezeichnet.

Die Klägerin konnte die vom Gericht gesetzte Ausschlussfrist nicht allein durch die fristgerechte Einreichung der Steuererklärungen am 26. Februar 2024 beim Beklagten wahren. Erforderlich war es vielmehr, dass innerhalb der Frist gemäß § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO das Finanzgericht auf die beim Beklagten eingereichten Steuererklärungen hingewiesen wird. Der Schriftsatz, mit dem die Prozessbevollmächtigte das Gericht auf die eingereichten Steuererklärungen hingewiesen hat, ist jedoch erst am 27. Februar 2024 und damit nach Fristablauf bei Gericht eingegangen.

a) Es genügte für die hinreichende Bezeichnung des Gegenstands des Klagebegehrens innerhalb der Ausschlussfrist nicht, dass die von der Klägerin an den Beklagten übermittelten Steuererklärungen noch innerhalb der Ausschlussfrist zur Steuerakte gelangten.

aa) Bei Klagen gegen Schätzungsbescheide kann der Gegenstand des Klagebegehrens durch Einreichung der Steuererklärung beim Gericht hinreichend bezeichnet werden. Es genügt aber auch, wenn innerhalb der Frist gemäß § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO das Finanzgericht auf die nach Erlass der angefochtenen Steuerbescheide beim Finanzamt eingereichten Steuererklärungen hingewiesen wird (vgl. BFH, Urteile vom 16. März 1988 I R 93/84, BFHE 153, 290, BStBl II 1988, 895, vom 2. Juli 1997 I R 28/97, BFH/NV 1998, 175 [BFH 02.07.1997 - I R 82/96]; vom 17. Februar 2000 I R 119/97, BFH/NV 2000, 972; und vom 24. Oktober 2001 X R 39/99, BFH/NV 2002, 498). Die Vorlage von Kopien der beim Finanzamt eingereichten Steuererklärung ist in diesen Fällen nicht mehr erforderlich (BFH, Urteil vom 24. Oktober 2001 X R 39/99, BFH/NV 2002, 498).

Nicht ausreichend ist allerdings die bloße Ankündigung einer noch einzureichenden Steuererklärung (vgl. BFH, Beschlüsse vom 22. Februar 2005 III S 17/04 (PKH), BFH/NV 2005, 1124; und vom 16. August 2005 XI B 235/03, BFH/NV 2005, 2239) oder die Behauptung, die Besteuerungsgrundlagen seien zu hoch geschätzt worden (vgl. BFH, Urteil vom 8. Juli 1998 I R 23/97, BFHE 186, 309, BStBl II 1998, 628; BFH, Beschluss vom 4. April 2011 VIII B 96/10, BFH/NV 2011, 1172).

Die Bezeichnung des Gegenstands des Klagebegehrens ist gegenüber dem Finanzgericht vorzunehmen. Eine Konkretisierung des Klagebegehrens gegenüber dem Beklagten allein reicht nicht aus (vgl. BFH, Beschluss vom 26. Januar 1995 V B 63/94, BFH/NV 1995, 896; BFH, Urteile vom 22. April 1998 XI R 31-32/97, BFH/NV 1998, 1245; und vom 24. Oktober 2001 X R 39/99, BFH/NV 2002, 498; BFH, Beschluss vom 25. Juli 2023 VIII B 31/22, BFH/NV 2023, 1215).

bb) Der Senat schließt sich diesen vorgenannten Grundsätzen des Bundesfinanzhofs an.

Der Wortlaut des § 65 Abs. 2 Sätze 1 und 2 FGO enthält keine ausdrückliche Regelung dazu, ob die vom Berichterstatter gesetzte Ausschlussfrist nur gegenüber dem Gericht oder auch gegenüber dem Beklagten gewahrt werden kann. Aus dem Umstand, dass es sich um eine Frist mit ausschließender Wirkung handelt, folgt aber, dass ihre Wahrung eine Prozesserklärung und damit einen bestimmenden Schriftsatz voraussetzt (vgl. BFH, Urteil vom 14. Dezember 1994 XI R 13/94, BFH/NV 1995, 699; FG Düsseldorf, Urteil vom 8. Juni 2021 10 K 3452/18 E,U, EFG 2021, 1669). Adressat eines bestimmenden Schriftsatzes ist jedoch - wie § 52a Abs. 1 FGO zeigt - grundsätzlich das Gericht und nicht der Beklagte als Prozessgegner.

Die systematische Auslegung gebietet es ebenfalls, dass die Ausschlussfrist lediglich gegenüber dem Finanzgericht als Erklärungsempfänger gewahrt werden kann. So hat der Gesetzgeber für die Erhebung der Klage in § 47 Abs. 2 Satz 1 FGO eine Sonderregelung geschaffen, nach der eine Klage auch bei der Finanzbehörde angebracht werden kann. Eine solche Regelung existiert für die Wahrung der Ausschlussfrist nicht. Eine unmittelbare oder entsprechende Anwendung von § 47 Abs. 2 Satz 1 FGO auf die Bezeichnung des Klagebegehrens kommt nicht in Betracht (vgl. BFH, Beschluss vom 26. Januar 1995 V B 63/94, BFH/NV 1995, 896).

Auch die Klagerücknahme ist nach § 151 Satz 1 FGO i.V.m. § 269 Abs. 2 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) gegenüber dem Finanzgericht zu erklären. Eine dennoch bei der Finanzbehörde angebrachte Klagerücknahme wird erst mit der Weiterleitung an das Finanzgericht wirksam (vgl. BFH, Beschluss vom 5. März 1971 VI R 184/68, BFHE 101, 483, BStBl II 1971, 461). Keine andere rechtliche Würdigung kann sich deshalb für die Wahrung der Ausschlussfrist ergeben, sodass eine gegenüber dem Beklagten erfolgte Bezeichnung des Gegenstands des Klagebegehrens erst mit der tatsächlichen Weiterleitung des entsprechenden Schriftsatzes an das Finanzgericht wirksam werden kann.

Zudem gebietet auch der Zweck des § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO, das Gericht in die Lage zu versetzen, seinen Prüfungsumfang im Sinne des § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO festzustellen (vgl. BT-Drs. 12/1061, S. 15), dass die Wahrung der Ausschlussfrist gegenüber dem Finanzgericht und nicht gegenüber dem Beklagten erfolgt (vgl. BFH, Beschluss vom 26. Januar 1995 V B 63/94, BFH/NV 1995, 896; BFH, Urteile vom 22. April 1998 XI R 31-32/97, BFH/NV 1998, 1245; und vom 24. Oktober 2001 X R 39/99, BFH/NV 2002, 498; BFH, Beschluss vom 25. Juli 2023 VIII B 31/22, BFH/NV 2023, 1215). Denn bezeichnet der Kläger sein Klagebegehren allein gegenüber dem Beklagten, so ist das Gericht nicht ebenso zeitnah in der Lage, den Umfang seines Prüfungsprogramms zu bestimmen. Eine andere rechtliche Beurteilung könnte sich in der Zukunft allenfalls dann ergeben, wenn das Finanzgericht jederzeit einen vollautomatischen Zugriff auf die bei der Finanzbehörde geführten Steuerakten hätte. Da die Finanzbehörden keine - zumindest vollständigen - elektronischen Akten führen, ist das Finanzgericht aber auf die Übersendung der Aktenbestandteile angewiesen.

cc) Demnach konnte die Klägerin im Streitfall die Ausschlussfrist nicht allein durch die fristgerechte elektronische Übermittlung der Steuererklärungen an den Beklagten wahren. Erforderlich war es zumindest, dass die Klägerin innerhalb der gesetzten Ausschlussfrist einen Hinweis auf die übermittelten Steuererklärungen gegenüber dem Finanzgericht erteilte. Dies ist bis zum Tag des Fristablaufs am 26. Februar 2024 nicht erfolgt, sondern erst am darauffolgenden 27. Februar 2024.

dd) Keine andere rechtliche Beurteilung ergibt sich daraus, dass die Klägerin nach § 150 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. § 25 Abs. 4 Satz 1 EStG und § 18 Abs. 3 Satz 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) verpflichtet war, ihre Einkommensteuer- und Umsatzsteuererklärungen elektronisch an den Beklagten zu übermitteln und für eine solche elektronische Übermittlung gegenüber dem Finanzgericht keine Daten-Schnittstelle zur Verfügung stand. Die Verpflichtung zur Bezeichnung des Klagebegehrens nach § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO erfordert nicht die Übersendung der Steuererklärungen an das Finanzgericht. Es genügt vielmehr ein Hinweis an das Finanzgericht, dass die Steuererklärungen an die Finanzbehörde übermittelt wurden. Aus diesem Grund konnte die Klägerin ihrer Verpflichtung zur Bezeichnung des Klagebegehrens nachkommen, ohne dass hierzu die Möglichkeit einer elektronischen Übermittlung der Steuererklärungen an das Finanzgericht erforderlich gewesen wäre.

b) Diese rechtliche Beurteilung widerspricht nach der Rechtsauffassung des Senats nicht dem Grundsatz, wonach bei der Ermittlung des Gegenstands des Klagebegehrens auch der Inhalt der Steuerakten (§ 71 Abs. 2 FGO) heranzuziehen ist. Der Senat war bei der Bestimmung des Gegenstands des Klagebegehrens insbesondere nicht verpflichtet, den Inhalt sämtlicher, bis zum Ablauf der Ausschlussfrist zu den Steuerakten gelangter Vorgänge, zu berücksichtigen.

aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs hat das Finanzgericht bei der Auslegung des in der Klageschrift formulierten Klagebegehrens auch den Inhalt der Steuerakten heranzuziehen (vgl. BFH, Urteil vom 13. Juni 1996 III R 93/95, BFHE 180, 247, BStBl II 1996, 483). Es hat Unterlagen zur Kenntnis zu nehmen, auf die in der Klageschrift durch ausdrückliche Bezeichnung Bezug genommen wird (vgl. BFH, Urteil vom 27. Juli 1999 VIII R 55/98, BFH/NV 2000, 196; BFH, Beschlüsse vom 5. Februar 2014 XI B 73/13, BFH/NV 2014, 872; und vom 30. Dezember 2022 XI B 61/22, BFH/NV 2023, 379), insbesondere die Einspruchsentscheidung, wenn dort zuletzt nur ein einzelner Punkt streitig war (vgl. BFH, Beschluss vom 28. Juni 2012 XI B 44/12, BFH/NV 2012, 1811).

Nach § 71 Abs. 2 FGO hat die Finanzbehörde die den Streitfall betreffenden Akten nach Empfang der Klageschrift an das Gericht zu übermitteln, und zwar ohne schuldhaftes Zögern. Auch wenn die Vorlage der vollständigen Akten aus prozessökonomischen Gründen in der Regel bis zur Übersendung der Klageerwiderung zurückgestellt werden kann, schließt dies nicht aus, dass für die Auslegung der Klageschrift notwendige Unterlagen vorab von der Finanzbehörde zu übersenden oder vom Finanzgericht anzufordern sind (vgl. BFH, Beschluss vom 26. März 2014 III B 133/13, BFH/NV 2014, 894). Die Verpflichtung der Finanzbehörde zur Übersendung der den Streitfall betreffenden Akten gemäß § 71 Abs. 2 FGO erstreckt sich aber auch auf später noch eingehende oder entstehende Aktenteile, die den Streitfall betreffen (BFH, Urteil vom 24. Oktober 2001 X R 39/99, BFH/NV 2002, 498). Dies betrifft auch nachgereichte elektronische Steuererklärungen.

bb) Demgegenüber können nach der Überzeugung des Senats die Verpflichtung des Beklagten zur Übersendung nachträglich eingereichter und zum Bestandteil der Steuerakten gewordener Steuererklärungen sowie die Verpflichtung des Finanzgerichts, fehlende Aktenbestandteile beim Beklagten anzufordern, nicht zur Wahrung der Ausschlussfrist durch die Klägerin führen.

(1) So ist einerseits im Streitfall die von der Klägerin - ohne weitere Begründung - erhobene Klage einer weitergehenden Auslegung bereits nicht zugänglich.

Eine Heranziehung der Steuerakten am Tag des Fristablaufs um 23:59 Uhr hätte zwar zur Kenntnis des Senats von den nachgereichten Steuererklärungen geführt. Ohne einen Hinweis der Klägerin auf diese nachgereichten Steuererklärungen konnte der Senat aber keine Verknüpfung der Klage mit den nachgereichten Steuererklärungen vornehmen, sodass eine Auslegungsfähigkeit des Klageschriftsatzes bereits verneint werden muss. Die Auslegung, dass die Klägerin eine Änderung der angegriffenen Steuerbescheide auf der Grundlage der in den nachgereichten Steuererklärungen angegebenen Besteuerungsgrundlagen wünscht, muss im Wortlaut des von der Klägerin formulierten Klagebegehrens angelegt sein. Dies ist vorliegend nicht der Fall.

(2) Andererseits widerspräche die Berücksichtigung des gesamten Inhalts der bis zum Fristablauf zu den Steuerakten gelangten Vorgänge bei der Auslegung des Gegenstands des Klagebegehrens der Regelung über die Ausschlussfrist nach § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO.

Nach den Darlegungen des Senats unter I. 2.) a) bb) gebieten es der Sinn und Zweck sowie die Systematik der Vorschrift des § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO, dass die Wahrung der Ausschlussfrist nur gegenüber dem Finanzgericht und nicht gegenüber dem Beklagten erfolgen kann (vgl. BFH, Beschluss vom 26. Januar 1995 V B 63/94, BFH/NV 1995, 896; BFH, Urteile vom 22. April 1998 XI R 31-32/97, BFH/NV 1998, 1245; und vom 24. Oktober 2001 X R 39/99, BFH/NV 2002, 498; BFH, Beschluss vom 25. Juli 2023 VIII B 31/22, BFH/NV 2023, 1215). Wäre das Finanzgericht demgegenüber verpflichtet, den gesamten Inhalt der bis zum Ablauf der Ausschlussfrist zu den Steuerakten gelangten Vorgänge bei der Bestimmung des Gegenstands des Klagebegehrens zu berücksichtigen, könnte der Kläger die Ausschlussfrist faktisch durch Bezeichnung des Klagebegehrens gegenüber dem Beklagten als Prozessgegner wahren. Dieses Auslegungsergebnis ist aber - wie unter I. 2.) a) bb) vom Senat dargelegt - erkennbar nicht gewollt.

Vielmehr soll das Gericht als Erklärungsempfänger in die Lage versetzt werden, bis zum Ablauf der Ausschlussfrist das Klagebegehren in eigener Zuständigkeit zu bestimmen, ohne auf die Übersendung weiterer, nachgereichter und zum Inhalt der Steuerakte gewordener Vorgänge warten zu müssen.

(3) Demzufolge kann nach der Rechtsauffassung des Senats der Kläger den Gegenstand seines Klagebegehrens nach wirksamer Setzung einer Ausschlussfrist im Sinne des § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO allein dem Finanzgericht gegenüber bezeichnen. Erfolgt die Bezeichnung des Klagebegehrens in diesen Fällen - wie im Streitfall - allein dem Beklagten gegenüber, kann der Kläger allenfalls Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 65 Abs. 2 Satz 3 FGO i.V.m. § 56 Abs. 1 FGO beantragen, falls er zur Wahrung der Ausschussfrist mit einer rechtzeitigen Weiterleitung seines Schriftsatzes von der Finanzbehörde an das Finanzgericht im gewöhnlichen Geschäftsgang rechnen durfte.

Im Streitfall konnte die Klägerin demnach mit der Einreichung der Steuererklärungen beim Beklagten am Tag des Ablaufs der Ausschlussfrist diese Ausschlussfrist nicht wahren. In Anbetracht der Übermittlung der Steuererklärungen nach 18:00 Uhr am Tag des Fristablaufs konnte die Klägerin auch nicht mehr mit einer Weiterleitung der Steuererklärungen durch den Beklagten an das Finanzgericht rechnen, sodass der Klägerin auch insoweit nach § 56 Abs. 1 FGO keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden kann. In einem solchen Fall kann das Verschulden der Klägerin, die Bezeichnung des Klagegegenstandes nicht gegenüber dem Finanzgericht vorgenommen zu haben, nicht von einem Mitwirkungsverschulden des Beklagten bei der Weiterleitung überlagert werden (vgl. hierzu etwa BFH, Beschluss vom 22. August 2023 VIII B 76/22, BFH/NV 2023, 1324 zu den Anforderungen an die Weiterleitung eines Irrläuferschreibens durch das Finanzamt im ordnungsgemäßen Geschäftsgang).

(4) Über den vorliegenden Streitfall hinaus weist der Senat darauf hin, dass nach seiner Rechtsauffassung eine bei der Finanzbehörde vor Setzung einer Ausschlussfrist eingereichte Steuererklärung den Gegenstand des Klagebegehrens - zumindest in den Fällen, in denen die Nachreichung der Steuererklärung im Klageschriftsatz angekündigt wird - hinreichend bezeichnet (so wohl auch BFH, Urteil vom 17. Februar 2000 I R 199/97, BFH/NV 2000, 972 [BFH 17.02.2000 - I R 119/97]). In diesen Fällen ist die zum Inhalt der Steuerakten gewordene Steuererklärung vom Berichterstatter bei Setzung der Ausschlussfrist zu beachten. Eine dennoch gesetzte Ausschlussfrist ist unwirksam und entfaltet keine Wirkung (so möglicherweise BFH, Beschluss vom 29. Juni 2017 X B 170/16, BFH/NV 2017, 1613).

Gleichfalls ist der Gegenstand des Klagebegehrens auch dann hinreichend bezeichnet, wenn die erforderlichen Steuererklärungen erst nach Setzung der Ausschlussfrist bei der Finanzbehörde eingereicht werden, und - zwar nicht der Kläger, aber - die Finanzbehörde das Finanzgericht über den Erklärungseingang noch innerhalb der Ausschlussfrist informiert (vgl. so auch Paetsch, in: Gosch, AO/FGO, 182. EL, Mai 2024, § 65 FGO Rn. 68).

3. Im Streitfall hat das Gericht die Ausschlussfrist mit Verfügung vom 19. Januar 2024 auch wirksam gesetzt.

Die Verfügung enthält insbesondere eine elektronische Signatur des Berichterstatters und bot der Klägerin mit einer Frist bis zum 26. Februar 2024 auch unter Berücksichtigung der - durch einen verzögerten Postlauf von acht Tagen - erfolgten Zustellung am 27. Januar 2024 eine den Umständen des vorliegenden Streitfalls ausreichende Frist zur Bezeichnung des Klagebegehrens von 30 Tagen. Diese Frist von 30 Tagen zur Erstellung der - zur Bezeichnung des Klagebegehrens erforderlichen - Steuererklärungen ist insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Klägerin die Klage bereits am 11. Oktober 2023 bei Gericht eingereicht hatte und der Berichterstatter die Klägerin bereits mit Schreiben vom 16. Oktober 2023 zur Bezeichnung des Gegenstands des Klagebegehrens mit einer Frist bis zum 27. November 2023 aufgefordert hatte, angemessen.

Die Fristsetzung vom 19. Januar 2024 enthielt darüber hinaus auch den - für ihre Ausschlusswirkung - notwendigen Hinweis nach § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO, wonach die Klage bei nicht fristgerechter Bezeichnung des Klagebegehrens unzulässig wird.

4. Der Klägerin ist keine Wiedereinsetzung der Ausschlussfrist in den vorigen Stand gemäß § 65 Abs. 2 Satz 3 FGO i.V.m. § 56 Abs. 1 und 2 FGO zu gewähren. Sie hat keine Tatsachen schlüssig vorgetragen bzw. vortragen lassen, die eine Wiedereinsetzung rechtfertigen könnten.

a) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist auf Antrag zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten (§ 56 Abs. 1 FGO). Dabei ist dem Beteiligten ein etwaiges Verschulden seines Verfahrensbevollmächtigten und dessen gesetzlicher Vertreter zuzurechnen. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs kann bei der Beteiligung von rechtskundigen Prozessbevollmächtigten die Fristversäumung nur dann als entschuldigt angesehen werden, wenn sie durch die äußerste, den Umständen des Falls angemessene und vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhindert werden konnte (vgl. BFH, Beschlüsse vom 24. Januar 2005 III B 34/04, BFH/NV 2005, 720; und vom 31. Januar 2011 III B 98/09, BFH/NV 2011, 823).

Nach § 56 Abs. 2 FGO ist der Antrag binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Ist dies - wie im Streitfall durch die Übersendung des Schriftsatzes mit dem Hinweis auf die eingereichten Steuererklärungen vom 27. Februar 2024 - geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden (§ 56 Abs. 2 Sätze 2 bis 4 FGO).

b) Im Streitfall liegen die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht vor, weil die Prozessbevollmächtigte der Klägerin nicht ohne Verschulden verhindert war, die Ausschlussfrist einzuhalten, § 56 Abs. 1 FGO. Dieses Verschulden muss sich die Klägerin nach § 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen.

Das Vorbringen der Prozessbevollmächtigten ist nicht geeignet, ein Verschulden ihrerseits an der Fristversäumnis auszuschließen.

Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat die von ihr behauptete Störung der Internetverbindung und ihres IT-Systems nicht durch Darlegung der Art des Defekts substantiiert dargelegt. Auch hat sie nicht konkretisiert, welche Maßnahmen zur Behebung von ihr ergriffen werden mussten (vgl. hierzu BFH, Beschlüsse vom 23. Dezember 2005 VI R 79/04, BFH/NV 2006, 787; und vom 17. Juli 2006 VII B 291/05, BFH/NV 2006, 1876). Der bloße Hinweis, das IT-System und die Internetverbindung seien am Tag des Fristablaufs temporär ausgefallen und am nächsten Tag nach mehreren Neustarts wieder funktionstüchtig gewesen, genügt den Anforderungen an eine substantiierte Darlegung der technischen Defekte nicht.

Der Vortrag der Prozessbevollmächtigten, dass sie den Schriftsatz zur Wahrung der Ausschlussfrist erst nach Abschluss der Übermittlung sämtlicher Steuererklärungen an das Finanzamt habe versenden wollen, ist auch nicht widerspruchsfrei. Denn die Prozessbevollmächtigte hat tatsächlich einzelne Steuererklärungen auch am Tag nach dem Fristablauf, dem 27. Februar 2024, erst nach Übermittlung des Schriftsatzes an das Gericht beim Beklagten eingereicht.

Auch verhält sich der Vortrag der Prozessbevollmächtigten nicht umfassend dazu, inwieweit es ihr in Anbetracht der verbliebenen Zeit bis zum Fristablauf möglich gewesen wäre, den Schriftsatz an das Gericht auf einem anderen Übermittlungsweg zu übersenden (vgl. hierzu BFH, Beschluss vom 17. Juli 2006 VII B 291/05, BFH/NV 2006, 1876). Allein der Hinweis, dass auch die Faxübermittlung gestört gewesen sei, genügt nicht.

Schlussendlich kann der Senat auch nicht ausschließen, dass die Fristversäumnis von einem Tag nicht doch auf einer fehlerhaften Berechnung der Frist beruhen könnte (vgl. BFH, Beschluss vom 31. Januar 2011 III B 98/09, BFH/NV 2011, 823). Anhaltspunkte hierfür ergeben sich daraus, dass die Prozessbevollmächtigte mehrere der von der Klägerin abzugebenden Steuererklärungen erst am Tag nach dem Fristablauf an den Beklagten übermittelte. Die Prozessbevollmächtigte hat die ordnungsgemäße Fristenkontrolle weder dargelegt noch glaubhaft gemacht.

Die Prozessbevollmächtigte hat die behaupteten technischen Defekte ebenfalls nicht nach § 56 Abs. 2 Satz 2 FGO glaubhaft gemacht, weder durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung noch durch eine Bestätigung des genannten IT-Dienstleisters.

c) Zudem sind die zuvor genannten Darlegungen der Prozessbevollmächtigten zur Begründung ihres Wiedereinsetzungsantrags auch nicht innerhalb der zweiwöchigen Antragsfrist nach § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO erfolgt.

Nach § 56 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 FGO ist der Wiedereinsetzungsantrag binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Auch die den Antrag begründenden Tatsachen sind innerhalb dieser Frist schlüssig vorzutragen (vgl. BFH, Beschlüsse vom 26. April 2005 I B 248/04, BFH/NV 2005, 1591; und vom 17. Juli 2006 VII B 291/05, BFH/NV 2006, 1876). Nach Ablauf der Frist können nur noch unklare und unvollständige Angaben ergänzt oder vervollständigt werden (vgl. BFH, Beschlüsse vom 26. April 2005 I B 248/04, BFH/NV 2005, 1591; vom 9. Februar 2006 VIII B 47/05, BFH/NV 2006, 1119; und vom 13. September 2012 XI R 13/12, BFH/NV 2013, 60).

Im Streitfall war das Hindernis nach dem Vorbringen der Klägerin spätestens am 27. Februar 2024 beseitigt, nachdem das IT-System und die Internetverbindung wieder funktionsfähig waren. Für die Kenntnis der Prozessbevollmächtigten vom Wegfall des Hindernisses bedurfte es nicht erst des Hinweises des Berichterstatters auf die Fristversäumnis, welcher der Prozessbevollmächtigten am 6. März 2024 zuging.

Die zweiwöchige Frist zur Antragsbegründung begann demnach am 28. Februar 2024 und endete am 12. März 2024 (Mittwoch). Die Prozessbevollmächtigte begründete ihren Wiedereinsetzungsantrag jedoch erstmalig mit einem Schriftsatz, der am 13. März 2024 bei Gericht einging, und damit nach Fristablauf.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

III. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.

Es ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bislang nicht geklärt, inwieweit Bestandteile der Steuerakten, die erst nach dem wirksamen Setzen einer Ausschlussfrist im Sinne des § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO zu den Steuerakten gelangt sind, vor dem Hintergrund des § 71 Abs. 2 FGO auch ohne separate Mitteilung an das Gericht bei der Ermittlung des Gegenstands des Klagebegehrens (§ 65 Abs. 1 Satz 1 FGO) zu berücksichtigen sind.

Siesenop