Oberlandesgericht Braunschweig
Urt. v. 18.11.1999, Az.: 8 U 136/99
Anspruch des Bauunternehmers gegen Subunternehmer auf Rückzahlung von Werklohn und Erstattung von Gutachterkosten; Präklusion aufgrund vertraglicher Abrede vor Durchführung der Arbeiten; Auslegung einer gemeinsamen Aufstellung über Mehrstärken als Feststellung der Ist-Beschaffenheit; Bestimmbarkeit der Vergütung für Verputzungsarbeiten; Bedeutung der Verwendung des Begriffs "Aufmaß"; Schlüssige Genehmigung des Einwendungsverzichts des Bauleiters; Voraussetzungen der Anpassung nach den Allgemeinen Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen (VOB/B)
Bibliographie
- Gericht
- OLG Braunschweig
- Datum
- 18.11.1999
- Aktenzeichen
- 8 U 136/99
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1999, 29540
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGBS:1999:1118.8U136.99.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Braunschweig - 19.03.1999 - AZ: 1 O 191/98
Rechtsgrundlagen
- § 133 BGB
- § 157 BGB
- § 164 Abs. 1 BGB
- § 177 Abs. 1 BGB
- § 242 BGB
- § 812 Abs. 1 S. 1 BGB
- § 2 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B
- § 2 Nr. 7 Abs. 1 S. 2 VOB/B
Fundstellen
- BauR 2000, 1912 (amtl. Leitsatz)
- BauR 2001, 412-415 (Volltext mit amtl. LS)
- IBR 2001, 9
- NJW-RR 2000, 1334-1336 (Volltext mit red. LS)
- OLGReport Gerichtsort 2000, 296-298
Redaktioneller Leitsatz
Fertigen die Parteien eines Werkvertrages über durchzuführende Verputzungsarbeiten vor Beginn dieser Arbeiten eine gemeinsame Aufstellung über die Mehrstärken, so liegt hierin nicht die bloße Bestimmung des Bausolls (Sollbeschaffenheit), sondern die eines Ist-Zustandes als Grundlage für die Leistungsberechnung, mit der Folge, dass spätere Einwendungen hinsichtlich der zutreffenden Ermittlung der Mehrstärken ausgeschlossen sind.
In dem Rechtsstreit
hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig
durch
die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht ... und
die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
auf die mündliche Verhandlung vom 28. Oktober 1999
fürRecht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 19.03.1999 - 1 O 191/98 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 13.000,00 DM abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Klägerin ist in Höhe von 73.144,10 DM beschwert.
Tatbestand
Die Klägerin, ein Bauunternehmen, nimmt den beklagten Subunternehmer nach Ausführung von Putzarbeiten auf Rückzahlung angeblich überzahlten Werklohnes und Erstattung von Gutachterkosten in Anspruch.
Nachdem die Klägerin im Januar 1992 von der streithelfenden Stadt Braunschweig mit der Durchführung der Rohbauarbeiten für den Neu-/Umbau für das Sozialgebäude des Betriebshofes des Stadtreinigungsamtes beauftragt worden war, erteilte sie im März 1992 dem Beklagten als Subunternehmer den Auftrag zur Ausführung der Putzarbeiten.
Der schriftliche Vertrag vom 30. März/05. April 1992, auf den wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen wird, sah unter anderem eine Erbringung und Abrechnung der Leistungen gemäß dem Einheitspreisangebot des Beklagten sowie die Geltung der "Werkvertragsbedingungen für Nachunternehmer" der Klägerin vor, welche ihrerseits in Ziffer 1e) die Bestimmungen der VOB/B zur, Vertragsgrundlage erklärten. Im Leistungsverzeichnis waren unter der Position 0010 und 0030 jeweils eine einlagige Putzstärke bis 15 mm für Innenwände und Innendecken ausgeschrieben. Als Putzmehrstärken war in Ziffer 0050 für Mehrdicken bis zu je weiteren 5 mm eine Zulage angesetzt. Diese Ausführung sollte nur nach Absprache mit der Bauleitung der Klägerin erfolgen.
Im August 1992 - vor Beginn der Putzarbeiten - fertigten der Bauleiter der Klägerin und der Beklagte eine gemeinsame Aufstellung über die Mehrstärken. Mittels Richtscheites und Wasserwaage loteten sie die Wand- und Deckenflächen aus und bildeten aus dem optischen Gesamteindruck für jeden Raum mittlere Mehrstärken, die sie in einem gemeinsam erstellten Protokoll aufnahmen und festhielten, welches mit folgendem Passus endet:
"Für die Richtigkeit und ein ordnungsgem. gemeinsames Aufmaß bzw. Festlegen der Leistung "Mehrstärken" - Gewerke "Putzarbeiten - innen" gem. VOB/B."
Für die weiteren Einzelheiten wird auf das Protokoll vom 03. August 1992 (Anlage K 9, Bl. 19-23 Anlagenheft) verwiesen.
Der Beklagte führte in der Folgezeit die Putzarbeiten aus und rechnete hierüber ab. Dabei legte er bezüglich der Mehrstärken in Position 0050 des Leistungsverzeichnisses die in dem Protokoll vom 03.08.1992 festgestellten Werte zugrunde. Die Klägerin beglich die ihr von dem Beklagten in Rechnung gestellten Arbeiten und legte ihrer Abrechnung gegenüber der Streithelferin das Zahlenwerk des Beklagten einschließlich der im Protokoll vom 03.08.1992 festgestellten Mehrstärken zugrunde. Die Stadt Braunschweig beglich ihrerseits die Arbeiten der Klägerin.
1997 beanstandete das Rechnungsprüfungsamt der Streithelferin die abgerechneten Mehrstärken und strengte ein selbständiges Beweisverfahren (1 OH 48/97 Landgericht Braunschweig) an, wobei dem Beklagten der Streit verkündet wurde; Aufgrund der in diesem Verfahren von dem Sachverständigen Lindenberg mittels Probebohrungen festgestellter geringerer Putzstärken errechnete die Streithelferin für die in Frage stehenden Flächen eine Zuvielzahlung, die die Klägerin der Stadt Braunschweig ebenso erstattet hat, wie die Kosten des Sachverständigengutachtens in Höhe von 10.204,29 DM.
Die Klägerin hat die Rechtsauffassung vertreten, den Differenzbetrag in Höhe von brutto 62.939,81 DM unter dem Gesichtspunkt ungerechtfertigter Bereicherung erstattet verlangen zu können. Diese ergebe sich aus der Differenz der Massen, wie sie einerseits der Beklagte berechnet hat (9.669,03 qm) und andererseits der vom Sachverständigen ... als tatsächlich vorhanden (1.549,86 qm) festgestellt worden sind. Die Vereinbarung vom 03.08.1992 habe nicht den Charakter eines Aufmaßes, weil es vor Beginn der Putzarbeiten des Beklagten aufgenommen worden sei. Ebenso stelle die Regelung keine Pauschalvereinbarung hinsichtlich der zu erbringenden Leistung dar. Selbst wenn eine Pauschalvereinbarung getroffen worden wäre, müßte nach ihrer Auffassung eine Anpassung der Pauschale nach § 2 Nr. 7 VOB/B erfolgen, weil eine Abweichung von 500 % zwischen der vorgesehenen und tatsächlich erbrachten Putzleistung bestünde. Letztendlich hat sie dem Beklagten vorgeworfen, arglistig gehandelt zu haben, weil dieser anhand des verarbeiteten Materials hätte erkennen müssen, weniger Putz verarbeitet zu haben als später in Rechnung gestellt worden sei. Weiter hat sie gerügt, dass der Bauleiter nicht vertretungsberechtigt gewesen sei, um rechtsgeschäftliche Erklärungen abzugeben.
Die Streithelferin hat sich den Ausführungen der Klägerin im wesentlichen angeschlossen.
Beide haben beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 73.234,10 DM nebst 9,25 % Zinsen seit dem 17. November 1998 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat die sich aus dem Protokoll vom 03 August 1992 ergebenden Massen im Verhältnis zur Klägerin allein für maßgeblich gehalten. Im übrigen habe der Sachverständige bei seinem Gutachten an wesentlichen Teilen der Putzfläche keine Probebohrungen vorgenommen. Auch sei aus den unterschiedlichen. Putzstärken erkennbar, dass die Findung eines Mittelwertes vor Ausführung der Arbeiten notwendig gewesen sei.
Das Landgericht hat nach Anhörung des Sachverständigen ... in der mündlichen Verhandlung vom 24. Februar 1999 mit Urteil vom 19-März 1999 die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Klägerin habe nicht ausreichend darlegen können, "ohne Rechtsgrund" gezahlt zu haben. Es legt die Vereinbarung vom 03. August 1992 dahin aus, dass Einigkeit zwischen den Parteien bestanden habe, für die zukünftige Abrechnung allein von den im Protokoll festgehaltenen gemeinsamen Mehrstärken auszugehen. Eine Weitere Bestandsaufnahme nach Durchführung der Arbeiten sei von Anfang an nicht vorgesehen gewesen und daher auch nicht erfolgt. Die Klägerin habe die Festlegungen jedenfalls stillschweigend dadurch genehmigt, dass sie diesen Durchschnittswerten nicht nur nicht widersprochen habe, sondern die hierauf fußende Abrechnung des Beklagten - ohne Aufmaß - akzeptiert, bezahlt und zur Grundlage ihrer eigenen Abrechnung gegenüber der Stadt Braunschweig gemacht habe.
§ 2 Nr. 7 VOB/B könne nicht zur Anwendung kommen, weil der ursprüngliche Leistungsumfang nicht verändert worden sei. Auch ein Wegfall der Geschäftsgrundlage käme nicht zum Tragen, weil die Klägerin ein voraussehbares Risiko eingegangen sei.
Gegen dieses der Klägerin am 26. März 1999 zugestellte Urteil hat sie Berufung, eingegangen am 26. April 1999, eingelegt, die sie mit Schriftsatz vom 05. Mai 1999, eingegangen am nächsten Tag, begründet hat.
Sie rügt die Auslegung der Vereinbarung vom 03. August 1992. Sinn der Abrede sei gewesen, die "Sollbeschaffenheit" der vertraglichen Leistung des Beklagten festzulegen. Sie räumt zwar ein, dass die Vereinbarung auch der Vereinfachung der Abrechnung diene. Wenn der Beklagte in Übereinstimmung mit der Festlegung des Sollzustandes abrechne, gebe er lediglich zu erkennen, vereinbarungsgemäß gehandelt zu haben. Eine Bindung an die Vereinbarung sei nach Treu und Glauben ausgeschlossen. Wie bei jeder anderen Leistung eines Werkunternehmers sei sie berechtigt, Überzahlungen zurückzufordern. Der Verzicht auf eine Kontrolle der Werkleistung der Klägerin könne nicht dazu führen, aus Rechtsgründen gehindert zu sein, Zahlungen zurückzufordern. Außerdem rügt sie, das Landgericht habe eine Prüfung des § 2 Nr. 7 VOB/B unterlassen, obwohl eine Abweichung von über 500 % zu den Vordersätzen vorgelegen habe.
Sie beantragt daher,
das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 19. März 1999 abzuändern und dem Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 73.144,10 DM nebst 9,25 % Zinsen seit dem 17.11.1998 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Der Sinn der Vereinbarung sei gerade gewesen, späteren Streit über die Mehrstärken zu vermeiden. Auch sei der Dipl.-Ing. ... von der Ingenieurgesellschaft ..., die die örtliche Bauaufsicht für die Stadt Braunschweig übernommen hatten, während der Aufmessung anwesend gewesen. Anhaltspunkte dafür, weniger Putz verbraucht zu haben, als sich aus dem Aufmaß errechne, bestünden nicht. Im übrigen macht er geltend, dass, wenn man der Argumentation der Klägerin folge, lediglich von einem Mangel auszugehen sei. Die daraus folgenden Gewährleistungsansprüche seien aber verjährt.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Akten des selbständigen Beweisverfahrens 1 OH 48/97 LG Braunschweig Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet. Das Landgericht hat mit zutreffenden Gründen einen Anspruch auf Rückzahlung angeblich zuviel gezahlten Werklohnes abgewiesen.
I.
Die Klägerin hat weder einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung, § 812 Abs. 1 S. 1 BGB, noch aus einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt gegen den Beklagten. Mit dem Landgericht kann dahinstehen, ob der Beklagte die abgerechneten Mehrstärken auch zuvor erbracht hat.
1.
Die Klägerin ist aufgrund der Abrede vom 03.08.1992 mit dem Anspruch auf Rückforderung präkludiert. Dies folgt aus der Auslegung, §§ 133, 157 BGB, der Vereinbarung, wie sie nach dem objektiven Empfängerhorizont unter Berücksichtigung von Treu und Glauben, § 242 BGB, und der Verkehrssitte vorzunehmen ist.
Im Einzelnen:
a.
Zutreffend ist zunächst der Ausgangspunkt der Klägerin, wonach entsprechend der Position 0050 des Leistungsverzeichnisses vor Beginn der Arbeiten eine Absprache mit der Bauleistung zu erfolgen hatte. Diese Absprache ist am 03.08.1992 erfolgt. Sie ist aber nicht auf die Feststellung der hierbei erforderlichen Mehrstärken (Sollbeschaffenheit) gerichtet gewesen. In der Aufnahme der Mehrstärken liegt vielmehr die Feststellung eines Istzustandes. Denn die Position Mehrstärken ist alleine eine Zulagenposition. Sie dient dazu, besondere Erschwernisse bei Putzarbeiten und den erhöhten Materialverbrauch angemessen zu berücksichtigen. Sie bestimmt mithin nicht, die Voraussetzungen für ein mangelfreies Werk. Hierfür kommt es allein darauf an, ob die Wände nach dem Verputzen eben und gerade sind. Vielmehr dient diese Position allein nach ihrem Sinn und Zweck dazu, eine angemessene Vergütung der Werkleistung zu bestimmen. Der Zusatz im Leistungsverzeichnis "Ausführung nur nach Absprache mit der Bauleitung des AG" soll der Klägerin vor Beginn der Arbeiten eine Prüfungsmöglichkeit verschaffen. Es soll verhindert werden, dass der Beklagte die Flächen verputzt und im Nachhinein nicht mehr oder nur unter unverhältnismäßigem Aufwand festgestellt werden kann, welche Leistung erbracht worden ist. Da es sich mithin allein um eine Abrechnungsposition handelt, hat die gemeinschaftliche Bestimmung der Mehrstärken nicht dazu gedient, festzulegen, welche Dicken für eine ordnungsgemäße Erbringung der Leistung notwendig sind, sondern nur dazu, vor Beginn der Leistung festzuhalten, in welchem Zustand sich die Wände und Decken befunden haben. Dies ist mithin die Feststellung des Istzustandes. Für die mangelfreie Erbringung der Putzarbeiten hätte es einer solchen Position im Leistungsverzeichnis auch nicht bedurft. Wenn dann vor Beginn der Arbeiten jede einzelne Wand oder Decke ausgemessen wird und man sich letztendlich auf ein Mittelwert einigt, dient dies nicht dazu, die Position der zu erbringenden Leistung zu beschreiben, sondern einen Abrechnungsfaktor für die spätere Abrechnung verbindlich festzulegen.
b.
Weiter ist in der Abrede am Ende angeführt, dass es sich um ein gemeinsames "Aufmaß" handelt. Ein solches liegt zwar im bautechnisehen Sinne nicht vor. Denn unter Aufmaß versteht man grundsätzlich eine Berechnung bereits erbrachter Leistungen. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Beklagte unstreitig mit den Putzarbeiten aber noch nicht begonnen. Dies haben die Parteien auch selbst so gesehen. Denn in der Abrede ist das "Aufmaß" gleichgesetzt worden mit dem "Festlegen der Mehrstärken", was durch die Formulierung "bzw." erkennbar ist. Wenn dann die Bauleute vor Ort den Begriff "Aufmaß" verwenden, obwohl die Leistung noch nicht erbracht worden ist, machen sie damit deutlich, dass das gleiche gelten soll, wie sonst beim Aufmaß. Durch den weiteren Zusatz "gemeinschaftlich" wird deutlich, dass die Beteiligten die gleichen Rechtswirkungen vor Augen hatten, wie wenn die Leistung bereits erbracht worden wäre. Da ein gemeinsames Aufmaß gerade dazu führt, Einwendungen auszuschließen, zu deren Zweck das Aufmaß erstellt worden ist (vergleiche BGH NJW - RR 1992, 727; BGH NJW 1974, 646; OLG Stuttgart BauR 1972, 318), folgt daraus, dass die Beteiligten auch gerade diese Rechtswirkungen erzeugen wollten.
c.
Ferner wird durch die Formulierung "für die Richtigkeit" im Schlußsatz der Abrede deutlich, dass nicht eine Leistungspflicht näher beschrieben und konkretisiert wie die Klägerin meint, sondern damit eine verbindliche ("richtige") und damit nicht später mehr überprüfbare Regelung getroffen werden sollte.
d.
Gegen die von der Klägerin vorgenommene Auslegung als bloße Bestimmung der Sollbeschaffenheit spricht, dass es hierzu keiner Einigkeit mit dem Beklagten bedurft hätte. Wie in der mündlichen Verhandlung der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin zutreffend angemerkt hat, ist die Bestimmung der Leistungspflicht ein einseitiger Vorgang.
Durch die bereits vertragliche Regelung über zu erbringende Leistungen und den im Gegenzug zu zahlenden Werklohn (gerechnet in der Form eines Einheitspreises) hätte die Klägerin allein und ohne Zutun des Beklagten die nach ihrer Ansicht erforderlichen Mehrstärken einseitig festlegen können. Dadurch, dass dieses in Form eines Vertrages geschehen ist, wird deutlich, dass hier etwas anderes als die bloße Bestimmung eines Bausolls geregelt werden sollte.
e.
Weiter spricht entscheidend der Sinn und Zweck der Vereinbarung dafür, dass durch das gemeinschaftliche Aufmessen spätere Einwendungen hinsichtlich der zutreffenden Ermittlung der Mehrstärken ausgeschlossen werden sollten. Denn wie die Parteien auch übereinstimmend bekundet haben, konnte das zutreffende Aufmaß im Nachhinein und durch Zerstörung der Werkleistung ermittelt werden. Die vom Sachverständigen vorgenommenen Probebohrungen sind aus der Sicht vor Erbringung der Leistung keine geeignete Grundlage zur Ermittlung der Mehrstärken. Denn eine - wenn auch nur teilweise - Zerstörung der Werkleistung führt zu erheblichen Kosten und Verzögerungen bei der Erstellung des gesamten Werkes. Darüber hinaus sind es auch nur stets Schätzungen, die lediglich eine Annäherung an die tatsächlichen Verhältnisse bieten könne. Angesichts dessen, dass unstreitig altes Mauerwerk und alter Putz sowie Ausbrüche zu berücksichtigen waren, hat ein wirtschaftlich sinnvolles Bedürfnis bestanden, die Mehrstärken vorab zu ermitteln. Da keine naturwissenschaftlich exakte Berechnung der Mehrstärken mit zumutbaren Kosten möglich ist, kann der Zweck der Abrede nur gewesen sein, die Leistung des Beklagten abrechenbar zu machen und damit ein für alle Male festzulegen.
f.
Wenn man der Auslegung der Klägerin dagegen folgen würde, wäre letztendlich nichts gewonnen. Denn bei einem Bestreiten der Massen durch die Klägerin hätte genau das erfolgen müssen, was vermieden werden sollte. An den Wänden hätten Probebohrungen stattfinden und damit zur Bestimmung einer exakten Masse die Werkleistung zerstört werden müssen.
g.
Auch die weitere Handhabung der Parteien spricht für die Auslegung des Landgerichts. Denn ein Aufmessen der Putzstärken öder eine entsprechende stichprobenartige Kontrolle ist nicht dargetan oder ersichtlich. Vielmehr hat die Klägerin die Mehrstärken akzeptiert und bezahlt und ihrer eigenen Abrechnung gegenüber der Stadt zugrunde gelegt. Auch diese hat die Mehrstärken als zutreffend angenommen. Demzufolge sind alle Beteiligten von den Mehrstärken ausgegangen, die vorab vereinbart worden und damit verbindlich festgelegt worden sind. Die Klägerin hat auch nicht dargetan, Kontrollen anderer Art (z. B. Lieferschein für Putzmaterial) verlangt zu haben, um die Leistung überprüfen zu können. Demzufolge haben sich alle Beteiligten so verhalten, als ob die Leistung - hinsichtlich dieses Faktors - schon verbindlich ermittelt worden ist. Wenn Kontrollen weder vorgesehen noch vorgenommen worden sind, spricht dies letztendlich auch dafür, dass von vornherein auf eine Überprüfung der Leistung verzichtet werden sollte.
2.
Aus dieser Auslegung der Vereinbarung folgt wiederum, dass die Klägerin an die beim Aufmaß getroffenen Feststellungen über den Umfang der zu erbringenden Leistung gebunden ist (vgl. BGH NJW 1974, 648). Sie kann auch nicht einwenden, dass die Decken und Wände entgegen der DIN 18350 aufgemessen worden seien. Zwar tritt eine Bindungswirkung stets nur soweit ein, wie die Regeln des Abrechnens eingehalten worden sind (vgl. BGH BauR 1975, 211; 212OLG Düsseldorf BauR 1991, 772 [OLG Düsseldorf 07.05.1991 - 23 U 165/90]). Hierüber besteht aber zwischen den Parteien keine unterschiedliche Auffassung. Denn die Parteien streiten nicht um die Abrechnungsmethode oder die Anwendung von Aufmaßbestimmungen, sondern nur um die bei dem gemeinsamen Aufmessen gefundenen Ergebnisse. Gerade hieran knüpft aber die Bindungswirkung an, denn ansonsten wäre das Aufmessen überflüssig gewesen. Im übrigen verstößt die Massenermittlung nicht - wie die Klägerin meint - gegen die DIN 18350. Diese trifft keine Regelung über die Berechnung von Mehrstärken. Für die Berechnung gilt vielmehr nach Nr. 5 der DIN 18299 (allgemeine Regelungen für Bauarbeiten jeder Art), dass nach den Abrechnungsregeln abzurechnen ist, die vereinbart worden sind, mithin nach den insoweit vor Beginn der Arbeiten festgelegten Mehrstärken.
3.
Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, ist die Klägerin auch an die beim gemeinsamen Aufmessen abgegebenen Willenserklärungen ihres Bauleiters gebunden. Denn in der Vereinbarung vom 03.08.1992 liegt rieben dem bloßen technischen Ermitteln eine vertragliche Abänderung der Abrechnungsgrundlage und damit ebenso ein teilweiser Verzicht auf Einwendungen bezüglich der Geltendmachung von geringeren Mehrstärken. Ob für diese Willenserklärung (vgl. OLG Stuttgart a.a.O.; Kleine - Möller, Handbuch des Privaten Baurechts, 2. Aufl., § 10 Rdnr. 175) der Bauleiter i. S. d. §§ 164 ff. BGB bevollmächtigt gewesen ist, kann mit dem Landgericht dahinstehen. Denn die Klägerin hat die Aufmessung spätestens nach § 177 BGB schlüssig dadurch genehmigt, dass sie die Arbeiten des Beklagten beglichen und ihrer eigenen Abrechnung (einschließlich Aufmaß) gegenüber der Stadt Braunschweig zugrunde gelegt hat.
4.
Der Klägerin ist daher der Nachweis abgeschnitten, die gemeinschaftlichen Feststellungen entsprächen nicht den Tatsachen (vgl. Werner/Pastor, Der Bauprozeß, 9. Aufl., Rdnr. 2034). Die Klägerin hat sich von dieser Feststellungswirkung auch nicht nachträglich dadurch befreit, dass sie die abgegebenen Willenserklärungen nach §§ 119 oder 121 BGB angefochten hat (vgl. OLG Stuttgart a.a.O.; Kleine - Möller, a.a.O., § 10 Rdnr. 172; Ingenstau - Korbion, VOB, 13. Aufl., B § 14 Nr. 2 Rdnr. 41; Heiermann/Riedel, VOB, 8. Aufl., § 2.2 Rdnr. 69). Sie hat weder eine Anfechtungserklärung noch einen Anfechtungsgrund dargetan. Sie hat nicht vorgetragen, dass die in der gemeinsamen Aufmessung getroffenen Feststellungen nicht der Wirklichkeit entsprechen und dass ihr - und auch ihrem Bauleiter (§ 166 BGB) - dieses erst nach dem gemeinsamen Aufmessen bekannt geworden ist (vgl. OLG Hamm, BauR 1992, 242, 243) [OLG Hamm 12.07.1991 - 26 U 146/89]. Denn das gemeinsame Aufmessen ist gerade dazu erfolgt, die Schichtendicke festzulegen. Bei der Ermittlung der jeweiligen Mehrstärken ist erkennbar gewesen, wieviel Putz aufzubringen gewesen ist. Die Klägerin hat keinen Umstand vorgetragen, der ihr erst nach dem Aufmessen bekannt geworden ist. Auch für ein arglistiges Verhalten des Beklagten bietet der Sachverhalt keinen Anhalt. Die Klägerin ist mithin an die gemeinsam festgestellten Mehrstärken gebunden.
II.
Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg auf § 242 BGB berufen. Es verstößt nicht gegen Treu und Glauben, wenn die Klägerin ggfs. weniger Mehrstärken eingebracht als später abgerechnet hat. Dies scheidet schon deshalb aus, weil die Klägerin nicht hinreichend dargetan hat, dass die Beklagte eine bestimmte Menge Putz unerwarteterweise nach Erbringung der Arbeiten unverbraucht übrig hatte. Die Klägerin hat keinen Vergleich vorgenommen zwischen den Mengen, die nach der Vereinbarung vom 03.08.1992 hätten verbraucht werden müssen, zu denen, die tatsächlich verbraucht worden sind.
III.
Weiter scheidet eine Anpassung der Vergütung nach § 2 Nr. 7 Abs. 1 S. 2 VOB/B aus. Denn die Vorschrift verlangt eine Pauschalierung der Vergütung oder der Leistung (vgl. Beck'scher - Kommentar - Jagenburg, VOB/B, § 2 Nr. 7 Rdnr. 26 ff.). Durch die Vereinbarung vom 03.08.1992 ist aber weder die Vergütung noch die Leistung in Bezug auf die Massen pauschaliert, sondern nur ein Faktor für eine spätere Berechnung der Leistung vorab bestimmt worden. Die Abrechnung, die die Klägerin vorgenommen hat, ist immer noch nach Einheitspreisen erfolgt.
Die Klägerin kann sich auch nicht auf ein Anfall von Mehrmengen nach § 2 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B berufen. Durch das Aufmessen hat die Klägerin davon Kenntnis erhalten, dass Mehrmassen an Mehrstärken anfallen, als im Leistungsverzeichnis vorgesehen waren. Dies hätte die Möglichkeit eröffnet, nach § 2 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B auf Verlangen der Klägerin den Einheitspreis anzupassen. Dieses Verlangen ist bisher nicht gestellt worden, im übrigen auch verwirkt. Denn mit der Bezahlung der Schlußrechnung ohne Änderungsverlangen und der Inrechnungstellung der gleichen Mehrstärken gegenüber der Stadt Braunschweig ist die Herabsetzung des Einheitspreises für die Zukunft ausgeschlossen (vgl. Beck'scher - Kommentar, Jagenburg, a.a.O., § 2 Nr. 3 Rdnr. 43).
IV.
Für die Erstattung der Gutachterkosten ist keine Anspruchsgrundlage ersichtlich. Sie ergibt sich nicht aus dem Gesichtspunkt des Verzuges, weil der Beklagte zur teilweisen Rückzahlung des Werklohnes nicht verpflichtet ist. Auch scheidet ein Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag aus, weil die Einholung der Gutachten nicht in den Pflichtenkreis des Beklagten fallt.
V.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO.
Die Regelung der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Der Beschwerdewert ist nach § 546 Abs. 2 ZPO festgesetzt worden.