Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 21.03.2000, Az.: 1 A 41/98
Auflösungsvertrag; Besoldung; Deutsche Telekom; Dienstbezüge; Eintritt in den Ruhestand; Rechtsfolgeverweisung; Rechtsgrundverweisung; Ruhestand; Veränderungsgeld
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 21.03.2000
- Aktenzeichen
- 1 A 41/98
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2000, 41909
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 4 Abs 1 S 1 BBesG
- Art 15 Abs 2 PTNeuOG
- Art 9 § 3 Abs 4 ENeuOG
Tatbestand:
Der Kläger erstrebt die Fortzahlung von Dienstbezügen für 3 Folgemonate nach seinem Eintritt in den vorzeitigen Ruhestand.
Der am 3. April 1942 geborene, seit 1993 zu 30 % behinderte Kläger stand als Technischer Fernmeldebetriebsinspektor im Dienste der ehem. Deutschen Bundespost. Nach der Neuordnung des Post- und Telekommunikationswesens führte die Dt. TELEKOM AG umfangreiche Personalstrukturmaßnahmen durch, d.h. es wurden Mitarbeiter entlassen oder vorzeitig pensioniert. Weil die Bereitschaft, sich vorzeitig pensionieren zu lassen und auf mindestens 25 % der Bezüge zu verzichten, nicht groß war, wurde „zur Forcierung der dringend notwendigen Personalanpassungsmaßnahmen“ den Beamten der Geburtsjahrgänge 1939 bis 1942 in den Laufbahnen des einfachen techn. und mittleren techn. Dienstes, die in aller Regel noch ca. 10 Jahre Dienst abzuleisten hatten, ein sog. „Veränderungsgeld“ - gestaffelt nach Geburtsjahrgängen (1939: 30.000,- DM, 1940: 40.000,- DM, 1941: 50.000,- DM, 1942: 60.000,- DM) - für den Fall angeboten, dass sie vorzeitig aus dem Dienst ausscheiden. Die Staffelung des „Veränderungsgeldes“ war so bemessen, dass der Einsparungsvorteil aus der vorzeitigen Pensionierung zu ca. 45-50 % an die pensionswilligen Beamten weitergegeben wurde. Die Zahlung des Geldes kam nur unter der Voraussetzung in Betracht, dass sich der Beamte beurlauben und in ein Arbeitsverhältnis übernehmen ließ, bei dessen Abschluss dann das Geld aus einem „Auflösungsvertrag“ als vertraglicher Anspruch gezahlt wurde.
Der Kläger machte von diesem Angebot Gebrauch und beantragte mit Schreiben vom 30. September 1997 die
„Insichbeurlaubung ohne Bezüge für die Zeit vom 1.12.97 - 31.12.97 gemäß § 13 Abs. 1 der Sonderurlaubsverordnung in Verbindung mit § 4 Abs. 3 des Postpersonalrechtsgesetz für eine Tätigkeit bei der Deutschen Telekom AG“.
Am 1. Oktober 1997 schloss er mit der Dt. TELEKOM AG zum 1.12.1997 einen Arbeitsvertrag mit der Nebenabrede ab, dass die bisherigen Brutto-Bezüge fortgezahlt und eine „Spitzabrechnung“ auf der Basis tarifvertraglicher Regelungen unverzüglich nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfolge. Gleichzeitig wurde ein Auflösungsvertrag geschlossen, demzufolge das Arbeitsverhältnis zum 31.12.1997 einvernehmlich „auf Veranlassung der Deutschen Telekom AG aus betriebs-/rationalisierungsbedingten Gründen“ wieder beendet und deshalb ein einmaliges Veränderungsgeld von 60.000,- DM gezahlt werde, welches bei Durchführung der gen. „Spitzabrechnung“ fällig werde.
Auf seinen Antrag vom 9. Oktober 1997 wurde der Kläger sodann mit Bescheid der Beklagten vom 1. Dezember 1997 - zugestellt am 2. Dezember 1997 - gem. Art. 9 § 3 des Eisenbahnneuordnungsgesetzes iVm Art. 15, Art. 4 § 4 Abs. 6 des Postneuordnungsgesetzes in den Ruhestand versetzt, wobei der Beginn „nach Ablauf des Monats Dezember 1997“ festgelegt wurde. Dem Kläger wurde mitgeteilt, dass er eine entsprd. Urkunde später erhalte und die Zahlung des Ruhegehaltes am 1. Januar 1998 beginne, worüber noch ein besonderer Bescheid ergehe.
Gegen diesen Festsetzungsbescheid der Beklagten vom 21. Januar 1998 erhob der Kläger Widerspruch mit der Begründung, der festgesetzte Beginn der verminderten Zahlung in Höhe des Ruhegehaltes schon mit dem 1. Januar 1998 widerspreche dem Bundesbesoldungsgesetz, das für 3 Monate nach Versetzung in den Ruhestand die Fortzahlung von Bezügen nach dem verliehenen Amt zuspreche (§ 4 Abs. 1 BbesG). Er beantrage daher für 3 Monate die Weiterzahlung seiner Aktivenbezüge. Das nach dem Postneuordnungsgesetz anwendbare Eisenbahnneuordnungsgesetz verweise in Art. 9 § 3 Abs. 4 auf die gen. Vorschrift des Bundesbesoldungsgesetzes vorbehaltlos und lasse keinerlei Interpretationsspielraum.
Dieser Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 18. März 1998 im wesentlichen mit der Begründung zurückgewiesen, der Kläger habe keinen Anspruch aus § 4 Abs. 1 BBesG. Zwar habe er zum Zeitpunkt der Zurruhesetzung den Rechtsstatus eines Beamten gehabt, jedoch fehle es an der Zahlung von Beamtenbezügen, die fortgezahlt werden könnten. Der Kläger sei vom 1.12.1997 bis 31.12.1997 beurlaubt und in einem tarifvertraglichen Arbeitsverhältnis tätig gewesen. Ihm könnten mangels Gehaltsansprüchen im Zeitpunkt der Zurruhesetzung keine Bezüge fortgezahlt werden.
Zur Begründung seiner am 25. März 1998 beim Verwaltungsgericht Stade erhobenen und durch Beschluß vom 23. April 1998 an die Kammer verwiesenen Klage trägt der Kläger vor, § 4 Abs. 1 BbesG, der an sich für andere Fälle gelte, sei im Bereich der Eisenbahn- und Postnachfolgeunternehmen durch die entsprd. Verweisungsnormen zu einer spezialrechtlichen Regelung geworden, die uneingeschränkt anzuwenden sei. Der Kläger sei hier aus der Insichbeurlaubung in das aktive Beamtenverhältnis zurückgekehrt und erst dann in den Ruhestand versetzt worden. Anders gehe es auch gar nicht. Die Weiterzahlung der vollen Dienstbezüge für 3 Monate nach Eintritt in den Ruhestand entsprechend der Regelung des § 4 BBesG sei für die Postnachfolgeunternehmen als Anreiz für einen Personalabbau (durch vorzeitige Zurruhesetzung) gedacht. Wenn diese Regelung für sich allein nicht ausreichend war, um aus Sicht der Beklagten einen Personalabbau realisieren zu können, sondern darüber hinaus noch ein „Veränderungsgeld“ zur Erhöhung der Bereitschaft einer vorzeitigen Pensionierung gezahlt werden sollte, so sei das nicht zu rügen, aber könne § 4 Abs. 1 BBesG nicht außer Kraft setzen. Die Beklagte habe über die gesetzliche Regelung hinaus noch einen zusätzlichen Anreiz geschaffen, der aber nicht das Gesetz und aus ihm herleitbare Ansprüche beseitige.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 21. Januar 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. März 1998 zu verpflichten, dem Kläger den Anspruch der Fortzahlung der aktiven Bezüge für weitere drei Monate bei Vorruhestand zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf die angefochtenen Bescheide und führt aus, der Kläger habe nur einen Anspruch auf Weiterzahlung der zuletzt zustehenden Bezüge. Da er aber „ohne Bezüge“ beurlaubt gewesen sei, habe er auch keinerlei Ansprüche aus § 4 BBesG. Das Ende der Beurlaubung und der Zeitpunkt der Zurruhesetzung fielen am 31.12.1997 zusammen, woraus allenfalls fiktiv auf ein Wiederaufleben des aktiven Dienstverhältnisses geschlossen werden könne, nicht jedoch auch auf einen Dienstzahlungsanspruch. Die Anweisung vom 10. Januar 1995 stehe dem nicht entgegen, da bei einer Reduzierung der Bezüge auf „Null“ im Zeitpunkt der Pensionierung auch der Fortzahlungsanspruch auf „Null“ reduziert sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage, über die im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO) entschieden werden kann, ist begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig, der Kläger hat Anspruch auf Fortzahlung seiner aktiven Bezüge für weitere 3 Monate.
Rechtsgrundlage für den Anspruch des Klägers ist § 4 Abs. 1 S. 1 BBesG iVm Art. 15 Abs. 2 Postneuordnungsgesetz v. 14.9.1994 (BGBl. S. 2325) und Art. 9 § 3 Abs. 4 Eisenbahnneuordnungsgesetz v. 27.12.1993 (BGBl. S. 2378), wobei allerdings diese Vorschrift für sich betrachtet die beanspruchte Fortzahlung nicht rechtfertigen könnte, da Sinn und Zweck der Vorschrift dahin gehen, den durch eine politisch motivierte Versetzung in den einstweiligen Ruhestand oder durch eine Abwahl als Wahlbeamter überraschten Beamten die finanzielle Umstellung auf nunmehr niedrigere Versorgungsbezüge zu erleichtern. Ein solcher Sinn und Zweck scheidet hier aus. Wären daher die einschlägigen Vorschriften des Postneuordnungsgesetzes und des Eisenbahnneuordnungsgesetzes als Rechtsgrundverweisungen zu verstehen, so hätte der Kläger keinen Anspruch auf Fortzahlung. Jedoch sind die gen. Bestimmungen als Rechtsfolgeverweisung auszulegen (so BayVGH Urt. v. 13.3.1996 - 3 B 96.2283); VG Oldenburg, Urt. v. 15.9.1999 - 11 A 733/98), so dass dem Kläger ab Mitteilung der Ruhestandsversetzung für 4 Monate - einschließlich Mitteilungsmonat - die aktiven Dienstbezüge fortzuzahlen sind. Gerade der Sinn und Zweck des Art. 9 § 3 Abs. 4 Eisenbahnneuordnungsgesetz spricht für eine solche Rechtsfolgeverweisung. Dem Beamten soll die Entscheidung, den Dienst vorzeitig zu beenden, von Gesetzes wegen ganz allgemein dadurch erleichtert werden, dass er noch 3 Monate lang volle Dienstbezüge erhält. Hiervon unabhängig sind jedoch zusätzliche Vergünstigungen zu betrachten, die der Dienstherr aus personalstrukturellen Gründen glaubt, ganz bestimmten Beamtengruppen, bei denen ein besonderer Personalüberhang besteht, gewähren zu müssen. Sie berühren nicht die gesetzliche Regelung. Da hier der Kläger eine Fortzahlung von Januar bis März 1998 anstrebt, für den Monat Dezember 1997 aber offenbar auf eine Zahlung verzichtet, kann ihm eine Fortzahlung für 3 Monate zugesprochen werden.
Der Kläger kann mithin bei der „entsprechenden“ und somit nur sinngemäß modifizierten Anwendung des § 4 Abs. 1 S. 1 BBesG keine „Weitergewährung“ der Besoldung - im Sinne einer notwendigen Fortzahlung bisher schon laufend zustehender Bezüge - verlangen, sondern er kann die Zahlung „aktiver“ Bezüge für einen Übergangszeitraum beanspruchen, u.zw. nach dem ihm zuletzt „verliehenen Amt“. Dabei ist zu beachten, dass der Besoldungsanspruch des Klägers (als solcher) als ein zeitbezogener, aber schon von der ersten Minute an für die Zukunft bestehender Zahlungsanspruch dann ohne jede Einschränkungen auflebt und besteht, wenn ihn „im Zeitpunkt des Statuswechsels“ (Schwegmann/Summer, BbesG-Kommentar, § 4 Rdn. 4 Abs. 2) kein Tatbestand nach Besoldungsrecht aufhebt oder verkürzt. Derartiges ist hier nicht ersichtlich. Dieser in einer „juristischen Sekunde“ auflebende Rechtsanspruch entsteht also unabhängig davon, ob der Kläger in der Zeit davor ohne Bezüge beurlaubt war. Im übrigen richtet sich die Weitergewährung der Besoldung an den Ruheständler gem. § 4 Abs. 1 S. 1 BbesG „nach dem ihm verliehenen Amt“, nicht etwa nach vorangegangenen tatsächlichen Zahlungen. Für die entsprechende Anwendung des § 4 Abs. 1 BBesG kommt hinzu, dass in dem Falle, dass der Pensionierungsantrag des Klägers hinweg gedacht würde, mit Ablauf des 31.12.1997 ein Rechtsanspruch auf volle Dienstbezüge entstanden, der Dienstherr also auch wieder dem Besoldungsanspruch des Klägers ausgesetzt gewesen wäre. Denn der Beamte ist ja nicht gezwungen, nach Auslaufen der Beurlaubung seine Pensionierung zu beantragen. Ohne den von der Beklagten veranlassten und von ihr initiierten Antrag auf vorzeitige Pensionierung wäre sie vielmehr zur Weiterbeschäftigung mit Besoldungszahlungen verpflichtet gewesen. Somit lebte der Besoldungsanspruch des Klägers ebenso wieder auf wie (unstreitig) sein aktives Dienstverhältnis. Nur auf diesen Anspruch aber kommt es für die Anwendung des § 4 Abs. 1 BBesG an, nicht auf vorangehende Zahlungen, wie die Beklagte meint.
Das von der gesetzlichen Regelung abweichende (zusätzliche) Angebot der Dt. TELEKOM AG muss vor dem Hintergrund gesehen werden, dass Arbeitnehmern Abfindungsangebote gemacht wurden, die „teilweise erheblich höher lagen als das für Beamte vorgesehene Veränderungsgeld“ (so VG Oldenburg, aaO, S. 8 d. Abdr.). Demgegenüber sollten Beamte nicht schlechter gestellt werden. Das völlig freiwillige Angebot eines „Veränderungsgeldes“ bei einer „Insichbeurlaubung“, das nur bestimmten Beamtengruppen in gestaffelter Höhe gemacht wurde, kann gesetzlich begründete Ansprüche nicht ausschließen, sondern diese nur ergänzen (ebs. VG Oldenburg, aaO.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 1, 711 ZPO.