Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 18.12.2020, Az.: 8 A 7/19

COVID 19; Terminsverlegung

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
18.12.2020
Aktenzeichen
8 A 7/19
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2020, 71553
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Verpflichtung der Beklagten zur endgültigen Zulassung auf einem Voll-, hilfsweise Teilstudienplatz, im 1. Fachsemester des Studiengangs Humanmedizin außerhalb der festgesetzten Zulassungszahlen nach den Rechtsverhältnissen des Wintersemesters 2018/19.

Die Klägerin bewarb sich bei der Beklagten fristgerecht zum Wintersemester 2018/19 um einen außerkapazitären Vollstudienplatz, hilfsweise Teilstudienplatz, im ersten Fachsemester des Studiengangs Humanmedizin. Dieser Antrag wurde von der Beklagten durch Bescheid vom 14.01.2019, nach dem Posteingangsstempel des Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugegangen am 11.02.2019, abgelehnt.

Am 12.02.2019 hat die Klägerin Klage erhoben.

Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, die Ausbildungskapazitäten der Beklagten seien für das Wintersemester 2018/19 nicht ausgeschöpft worden.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 14.01.2019 zu verpflichten, die Klägerin im 1. Fachsemester des Studiengangs Humanmedizin nach den Rechtsverhältnissen des Wintersemesters 2018/19 außerhalb der festgesetzten Zulassungszahlen auf einem Vollstudienplatz, hilfsweise auf einem Teilstudienplatz, zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

Sie tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen. Alle Studienkapazitäten im Fach Humanmedizin im Wintersemester 2018/19 seien ausgeschöpft worden.

Die Kammer hat den Rechtsstreit nach Anhörung der Beteiligten auf den Einzelrichter übertragen. Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, den Inhalt der Gerichtsakte im Übrigen sowie den Beschluss der Kammer vom 29.10.2018 - 8 C 176/18 u.a. - Bezug genommen; diese Unterlagen sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 14.01.2019, mit dem der außerkapazitäre Zulassungsantrag der Klägerin abgelehnt wurde, ist zwar teilweise rechtswidrig, verletzt jedoch die Klägerin, die keinen Anspruch auf die begehrte Zulassung hat, nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Der Hauptantrag hat keinen Erfolg.

Die Zahl der bei der Beklagten im Studiengang Humanmedizin zu vergebenden Studienplätze ist vom Nds. Ministerium für Wissenschaft und Kultur für das Wintersemester 2018/19 im 1. Fachsemester auf 183 Studienplätze (147 Voll- und 36 Teilstudienplätze) festgesetzt worden (§§ 1 Abs. 1, 2 Satz 2 und 3 Nr. 1 i.V.m. Anlage 1, Abschnitt I B, Universität Göttingen, und Abschnitt II B, Universität Göttingen, der Verordnung über Zulassungszahlen für Studienplätze zum Wintersemester 2018/2019 und zum Sommersemester 2019 vom 18.06.2018, Nds. GVBl. S. 130ff). Besetzt hatte die Beklagte im 1. Fachsemester ausweislich ihrer vorgelegten Studierendenstatistik (Stand: 29.10.2018) 156 Vollstudienplätze, von denen sie zwei wegen zwischenzeitlicher Exmatrikulation (lfd, Nrn. 65 und 129) und eine aus einem sonstigen Grund lfd. (Nr. 13) für nicht berücksichtigungsfähig hält. Die festgesetzte Kapazität von 147 Vollstudienplätzen ist damit ausgeschöpft.

In den Zulassungsstreitverfahren früherer Jahre haben die Kammer und der erkennende Einzelrichter jeweils anhand der von der Beklagten vorgelegten anonymisierten Immatrikulationslisten überprüft, ob alle Studienplätze innerhalb der gemäß ZZ-VO festgesetzten Kapazität ordnungsgemäß besetzt waren. Anträgen auf Teilnahme an einer Verlosung frei gebliebener und wieder frei gewordener innerkapazitärer Studienplätze nach § 10 Abs. 12 Vergabeverordnung-Stiftung ist die Beklagte jeweils entgegengetreten, indem sie (vorsorglich) jeweils eine Verlosung für Voll- und Teilstudienplätze des 1. Fachsemesters vorgenommen hat. Innerkapazitäre Studienplätze des 1. Fachsemesters, die nach den Feststellungen des Gerichts frei geblieben oder vorzeitig wieder frei geworden sind, konnten deshalb nach dem in § 10 Abs. 12 Vergabeverordnung-Stiftung vorgeschriebenen Verfahren besetzt werden, weshalb die Anträge regelmäßig ins Leere gingen. Zu dieser Problematik hat die Kammer durch Beschluss vom 26.04.2018 – 8 C 1/18 u.a. – zum Sommersemester 2018 ausgeführt, was vom Einzelrichter auch für die vorliegende Klage im Hinblick darauf, dass für das Wintersemester 2018/19 die nachfolgend genannten Rechtsvorschriften noch galten (vgl. § 40 NHZVO), weiterhin uneingeschränkt geteilt wird:

Auf die jüngst erfolgte Weigerung der Antragsgegnerin, die Verlosung vor der Entscheidung der Kammer durchzuführen, hat das Nds. OVG (Beschluss vom 23.02.2018 - 2 NB 1653/17 u.a. -) entschieden, dass für eine gerichtliche Verpflichtung der Hochschulen, die Verlosung frei gebliebener oder wieder frei gewordener Studienplätze zu einem bestimmten Zeitpunkt durchzuführen, keine Rechtsgrundlage bestehe. Außerdem hat das Nds. OVG dargelegt, dass der gerichtliche Eilantrag eine Kapazitäts- oder Besetzungsrüge sei. Diese richte sich sowohl auf Studienplätze außerhalb der festgesetzten Kapazität als auch auf diejenigen Studienplätze innerhalb der festgesetzten Kapazität, welche nach dem vollständigen Abschluss des innerkapazitären Vergabeverfahrens noch unbesetzt seien. Zu diesem Vergabeverfahren gehöre auch das Losverfahren nach § 10 Abs. 12 Vergabeverordnung-Stiftung. Die beiden unterschiedlichen Zulassungsansprüche seien im „außerkapazitären“ Eilantrag an das Gericht enthalten. Die Auffassung der Kammer, die Vergabe von unbesetzten Studienplätzen, die erst im Kapazitätsprozess „entdeckt“ würden, habe nach § 10 Abs. 12 Vergabeverordnung-Stiftung zu erfolgen, treffe nicht zu. Die letztgenannte Vorschrift mache verbindliche Vorgaben nur für den letzten Schritt des regulären Vergabeverfahrens durch die Hochschule, nicht aber „in die Zukunft gerichtet“ für Studienplätze, die nach dem Abschluss des regulären Vergabeverfahrens im zeitlich oft deutlich später stattfindenden Kapazitätsprozess aufgedeckt würden.

Nach dieser Auffassung existiert also neben den besetzten innerkapazitären eine weitere Gattung von Studienplätzen, die nach dem geltenden Recht objektiv nicht besetzt sind, welche die Hochschule jedoch für besetzt hält und dem Gericht als besetzt meldet. Derartige Studienplätze will der 2. Senat in demselben Verfahren wie aufgedeckte außerkapazitäre Studienplätze, mithin auch nach denselben Verteilungskriterien, besetzen, obwohl es Studienplätze innerhalb der in der ZZ-VO festgesetzten Kapazität sind.

Die Kammer vermag sich dieser Auffassung nicht anzuschließen. Die vermeintlich besondere Gattung innerkapazitärer Studienplätze entsteht in aller Regel, indem die Hochschule in der Studierendenstatistik eines Fachsemesters Studierende führt, die entweder (nach der Auffassung des Gerichts) einem anderen Fachsemester zuzuordnen sind (z.B. in einem vergangenen Semester Beurlaubte) oder infolge frühzeitiger Exmatrikulation oder frühzeitigen Studienplatzwechsels (z.B. von einem Teil- auf einen Vollstudienplatz, Hochstufung) nachzubesetzen und deswegen nicht mitzuzählen sind. Die Antragsgegnerin legt gegenüber der Kammer bzw. nachfolgend gegenüber dem Senat mit der Vorlage der anonymisierten Immatrikulationslisten dar, wie viele Studienplätze sie aus welchen Gründen für besetzt hält. Studienplätze der besonderen Gattung „entstehen“ nur, wenn die Kammer oder der Senat im Eil- oder Klageverfahren die Rechtsauffassung der Hochschule in Einzelfällen nicht teilen, mit anderen Worten, wenn das subjektive Rechtsempfinden der Hochschule nicht der objektiven Rechtsordnung entspricht und dies gerichtlich festgestellt wird. Abgesehen davon, dass die subjektive Rechtsansicht der Hochschule kein taugliches Differenzierungskriterium für die Frage ist, ob ein innerkapazitärer Studienplatz besetzt ist und nach welchen Regeln er ggf. nachbesetzt werden muss, besteht für die Bildung einer besonderen Gattung innerkapazitärer Studienplätze auch kein Erfordernis. Unabhängig von dem Zeitpunkt, in dem gerichtlich entschieden wird, dass es in einem bestimmten Semester und Fachsemester (mindestens) einen freien und noch zu besetzenden Studienplatz gibt, erfolgt dessen Nachbesetzung immer nach den Rechtsverhältnissen des betreffenden Semesters. Zu diesen Rechtsverhältnissen gehört auch die Vergabeverordnung-Stiftung in der für das Semester geltenden Fassung. Der Person, die den freien Studienplatz erhält, wie auch der Hochschule entstehen insofern durch einen späteren Zulassungszeitpunkt weder Nach- noch Vorteile. Die Vergabeverordnung-Stiftung enthält keine Anhaltspunkte dafür, dass einige innerkapazitäre Studienplätze nach anderen als ihren Regelungen vergeben werden sollen. Nach ihrem Wortlaut sowie nach ihrem Sinn und Zweck geht die Verordnung vielmehr davon aus, dass alle Vollstudienplätze, die in der ZZ-VO für das Eingangssemester des zulassungsbeschränkten Studiengangs festgesetzt worden sind, gemäß §§ 6 bis 10 Vergabeverordnung-Stiftung in einem Haupt- und – je nach Annahmeverhalten – bis zu zwei Nachrückdurchgängen mit einem nachgeschalteten Losverfahren (§ 10 Abs. 12) zu vergeben sind (für Teilstudienplätze vgl. § 22 Abs. 2). Für die Hochschul-Vergabeverordnung gilt nichts Anderes.

Eine zeitliche Grenze für das Vergabeverfahren normiert die Vergabeverordnung-Stiftung – anders als § 16 Abs. 2 Hochschul-Vergabeverordnung für die höheren Fachsemester – nicht. Zwar legt der jeweilige § 9 Abs. 2 Satz 2 der AdH-Auswahlverfahrensordnung der Universität Göttingen (vom 25.02.2013, Amtliche Miteilungen I der Universität Göttingen vom 27.09.2013, S. 1715 und 1727) wortgleich für die Studiengänge Human- und Zahnmedizin fest, dass die Vergabe der Studienplätze durch Los wegen der fortgeschrittenen Vorlesungszeit spätestens zwei Wochen nach Vorlesungsbeginn abgeschlossen wird. Wegen der Veränderlichkeit der zeitlichen Begrenzung („spätestens“) liegt in dieser Vorschrift aber keine absolute, gleichbleibende zeitliche Grenze für alle Semester, sondern stellt in das Ermessen der Hochschulverwaltung, wann das Vergabeverfahren beendet werden soll. Ohnehin kann diese Vorschrift nur zum Tragen kommen, wenn die Hochschule überhaupt ein Losverfahren nach § 10 Abs. 12 Vergabeverordnung-Stiftung durchführt; werden alle Studienplätze im zeitlich nicht limitierten Nachrückverfahren besetzt, gilt sie nicht. Eine Verlosung durch die Hochschule ist jedenfalls weder im aktuellen noch in dem vorhergehenden Semester durchgeführt worden. Darüber hinaus ist gerichtsbekannt, dass die Antragsgegnerin die Zweiwochenfrist in nahezu jedem Semester überschreitet. Denn sie muss nach der Rechtsprechung der Kammer und des Nds. OVG Vollstudienplätze des 1. Fachsemesters nachbesetzen, die durch Exmatrikulation oder Hochstufung innerhalb von zwei Wochen nach Vorlesungsbeginn wieder frei werden; nach der Rechtsprechung des Nds. OVG gilt diese Frist auch für alle höheren Fachsemester. Die Nachbesetzungspflicht würde also frühestens gleichzeitig mit der Beendigung nach § 9 Abs. 2 Satz 2 AdH-Auswahlverfahrensordnung enden, so dass eine Bekanntgabe (vgl. § 1 Abs. 1 Nds. VwVfG i.V.m. § 43 Abs. 1 Satz 1 VwVfG) des Zulassungsbescheids und die nachfolgende Immatrikulation als Abschluss der Nachbesetzung nicht mehr fristgerecht möglich wären. (…)

Es existiert (bisher) keine öffentlich zugängliche Erklärung der Hochschule, dass sie das Vergabeverfahren des jeweiligen Erstsemesters zu einem bestimmten Zeitpunkt beendet hat. Eine allgemeine oder semesterbezogene hochschulöffentliche Erklärung wäre aber zwingend erforderlich, um Rangansprüche aus den Listen nach § 10 Abs. 10 und 12 Vergabeverordnung-Stiftung unwirksam werden zu lassen. Als Erklärung der Hochschule in diesem Sinne kann nicht die Meldung der anonymisierten Immatrikulationslisten mit den Erläuterungen zu einzelnen Studierenden an das Verwaltungsgericht im kapazitätsrechtlichen Eilverfahren interpretiert werden, denn die Kammer entscheidet in aller Regel, bevor die Antragsgegnerin alle innerkapazitären Studienplätze besetzt hat. Überdies sind im Zeitpunkt der Entscheidung der Kammer die Nachbesetzungsfristen für wieder frei werdende Voll- und Teilstudienplätze noch nicht abgelaufen, so dass die Antragsgegnerin noch gar nicht wissen kann, ob sie nach dem Entscheidungszeitpunkt der Kammer noch weitere Studienplätze nachbesetzen muss. Wegen der dargelegten Zusammenhänge legt die Kammer § 10 Abs. 12 Vergabeverordnung-Stiftung dahin gehend aus, dass das innerkapazitäre Besetzungsverfahren erst dann beendet ist, wenn der letzte freie Studienplatz objektiv besetzt worden ist. Dies ist erst der Fall, wenn alle Bewerbungen um innerkapazitäre Studienplätze an der jeweiligen Hochschule für den jeweiligen Studiengang und das jeweilige Semester bestands- oder rechtskräftig entschieden worden sind und die in der ZZ-VO festgesetzte Zahl objektiv erfüllt ist. Eine besondere Gattung innerkapazitärer Studienplätze, die nach außerkapazitären Verteilungskriterien vergeben werden, gibt es daher nicht.

Zu ergänzen ist, dass auch das Nds. OVG in seinen jüngeren Entscheidungen (Beschlüsse vom 15.05.2019 - 2 NB 363/18 - und - 2 NB 353/18 -; Urteil vom 25.06.2019 - 2 LC 164/16 -, OVG-Rechtsprechungsdatenbank, Rn 22, 34; Beschlüsse vom 30.01.2020 – 2 NB 788/18 -, S. 11 und - 2 NB 471/19 -, S. 3) wieder zwischen außer- und innerkapazitären Ansprüchen unterscheidet. Der Bescheid vom 14.01.2019 lehnt ausdrücklich nur den außerkapazitären Zulassungsantrag ab. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass sie für das Wintersemester 2018/19 eine Beendigungserklärung abgegeben oder eine Verlosung durchgeführt hat. In keinem Klageverfahren für dieses Semester war ein Antrag auf Beteiligung an einer Verlosung gemäß § 10 Abs. 2 Vergabeverordnung-Stiftung streitgegenständlich (vgl. § 88 Halbsatz 1 VwGO) und von der Beklagten abschlägig beschieden worden. Eine Prüfung der ordnungsgemäßen Besetzung innerkapazitärer Studienplätze erfolgt daher nicht. In Klageverfahren wäre es ohnehin unzulässig, in Form einer „Besetzungsrüge“ den Streitgegenstand auf innerkapazitäre Studienplätze auszuweiten, weil die Beklagte hierüber im angefochtenen Bescheid gar nicht entschieden hat und deshalb insoweit kein behördliches (Vor-)Verfahren abgeschlossen worden ist.

Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ermittelte die Kammer durch Beschluss vom 29.10.2018 (aaO., sub 2.2.4.f.), auf dessen Gründe der Einzelrichter vollinhaltlich Bezug nimmt, eine Kapazität von 147 Vollstudienplätzen, was durch das Nds. OVG jedenfalls für das Studienjahr 2018/19 (Beschluss vom 30.01.2020 - 2 NB 471/19 -,) bestätigt wurde. Der Vortrag im Klageverfahren gibt keinen Anlass, dieses Ergebnis der Kapazitätsberechnung zu ändern. Soweit die Auffassung vertreten wird, es könnten zusätzliche Ausbildungskapazitäten in Lehrkrankenhäusern zur Verfügung stehen, ist darauf zu verweisen, dass die Ausbildungsverpflichtung von Lehrkrankenhäusern nicht über den vertraglich mit der Beklagten vereinbarten Ausbildungsumfang hinausgeht (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 28.03.2018 - 2 NB 860/17 -, juris, Rn 6ff). Die Bedenken gegen die Anwendung der Mitternachtszählung und des 15,5%-Parameters gemäß § 17 Abs. 1 Nr. 1 KapVO werden in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Nds. OVG (z.B. Beschluss vom 14.09.2016 - 2 NB 303/15 u.a. -, S. 4f; Urteil vom 25.06.2019, aaO., Rn 24ff) nicht geteilt. Ein außerkapazitärer Vollstudienplatz steht im 1. Fachsemester mithin nicht zur Verfügung.

Der Hilfsantrag hat im Ergebnis ebenfalls keinen Erfolg.

Bei den Teilstudienplätzen errechnete die Kammer zwar im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (Beschluss vom 29.10.2018, aaO., sub 2.3.9.) die Zahl von 49, welche die festgesetzte Kapazität von 36 Teilstudienplätzen deutlich übersteigt. Das Nds. OVG (Beschlüsse vom 30.01.2020, aaO.) hat den Beschluss der Kammer weitgehend abgeändert. Auf eine Auseinandersetzung mit den Auffassungen des Nds. OVG kommt es vorliegend aber nicht an.

Dies liegt nicht schon daran, dass die Kammer die Verfahrensweise bei der Vergabe nicht besetzter Studienplätze durch die Festlegung einer Nachrücker-Rangliste der Studienkohorte abschließend geregelt hat, indem sie im verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren 8 C 176/18 u.a. am 29.10.2018 eine Rangfolge für die Besetzung freier Teilstudienplätze des 1. Fachsemesters ausgelost hat. Diese ist nicht nur für das durchgeführte Eilverfahren verbindlich, sondern auch für die Nachbesetzung jedes anderen freien außerkapazitären Studienplatzes im ausgelosten Fachsemester dieser Kohorte durch eine gerichtliche Entscheidung, weil die Kammer das Besetzungsverfahren für außerkapazitäre Studienplätze bestimmt (BVerwG, Urteil vom 08.02.1980 - 7 C 93.77 -; Nds.OVG, Beschluss vom 05.09.2005 - 2 NB 250/05 -, beide juris) und sich durch die Auswahl des Vergabeverfahrens selbst gebunden hat. In ständiger Rechtsprechung (VG Göttingen, Urteil vom 01.10.2014 - 8 A 676/13 -, S. 6; Urteil vom 12.07.2016 – 8 A 352/15 -, S. 19f) vertritt die Kammer die Auffassung, dass die Besetzbarkeit freier Studienplätze zwar grundsätzlich mit dem Ende des Semesters endet, vorliegend also mit dem Ablauf des 31.03.2019. Die Klägerin begehrt jedoch ihre Zulassung nach den Rechtsverhältnissen dieses abgelaufenen Wintersemesters 2018/19, zu denen auch die Vergabereihenfolge gehört, so dass die Rangfolge ausnahmsweise auch nach dem Ende des fraglichen Semesters einzuhalten ist. Hierfür streiten sachliche Gründe. Hätte diese Liste Verbindlichkeit ausschließlich für die Vergabe außerkapazitärer Teilstudienplätze im erstinstanzlichen Eilverfahren, so müsste bereits bei einer erfolgreichen Beschwerde eine neue Verlosung aller Plätze durchgeführt werden, was mit rechtskräftig gewordenen erstinstanzlichen Eilentscheidungen kollidieren würde. Außerdem bestände keine Veranlassung, bei der endgültigen Verteilung außerkapazitärer Studienplätze im Klageverfahren die lediglich vorläufige Verteilung aus dem Eilverfahren zu berücksichtigen, so dass erfolgreiche Antragsteller im vorläufigen Rechtsschutzverfahren, die keine Klage erhoben hätten, ihre vorläufigen Zulassungen wieder verlieren würden. Wegen dieser Folgen bestimmt das Gericht, dass es für jeden Fall einer Nachbesetzung von Studienplätzen bei der Verbindlichkeit der Verlosungsliste aus dem einstweiligen Rechtsschutzverfahren bleibt.

Bei der Verlosung der 13 aufgefundenen Teilstudienplätze im 1. Fachsemester des Wintersemesters 2018/19 erhielt die Klägerin den Rangplatz 88. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Beklagte – mit wenigen Ausnahmen, die dem Gericht aus den Klageverfahren 8 A 9, 12, 13 und 15/19 bekannt sind – die außerkapazitären Anträge für das Wintersemester 2018/19 durch gleichlautende Bescheide vom 14.01.2020 abgelehnt hat, und dass die weitaus meisten dieser Bescheide bestandskräftig geworden sind. Liegt eine bestandskräftige Ablehnung des außerkapazitären Antrags für den Inhaber eines Ranglistenplatzes vor, so kann diese Person gegen die Beklagte keinen Anspruch auf eine Zulassung mehr geltend machen, so dass die Ranglistenplätze bestandskräftig abgelehnter Bewerber als nachträglich unbesetzt geworden zu behandeln sind.

Es muss allerdings nicht aufgeklärt werden, für welche Ranglistenplätze bestandskräftige Ablehnungsbescheide bestehen, und welche Ranglistenplätze demjenigen der Klägerin noch vorgehen. Denn die 13 von der Kammer aufgedeckten Teilstudienplätze waren im Wintersemester 2018/19, im Sommersemester 2019 und im Wintersemester 2019/20 tatsächlich besetzt. Dem Gericht ist aus den Verfahren 8 B 26/20 u.a. bekannt, dass die Beklagte die Exmatrikulationen der außerkapazitär Zugelassenen nach dem Abschluss der Beschwerdeverfahren gegen den Beschluss der Kammer vom 29.10. 2018 erst zum Ablauf des Wintersemesters 2019/20 verfügt hat. Damit wurden die Ausbildungskapazitäten, die für diese 13 außerkapazitären Teilstudienplätze nach Auffassung der Kammer vorhanden waren, für die ersten drei Fachsemester tatsächlich abgerufen und verbraucht. Auch wenn zumindest einige dieser Teilstudienplätze durch die verfügten Exmatrikulationen zum 31.03.2020 wieder frei geworden sind, würde jemand, der durch gerichtliche Entscheidung im Klageverfahren nach den Rechtsverhältnissen dieser Studienkohorte auf einem der frei gewordenen außerkapazitären Plätze zugelassen würde, erneut die rechnerisch bereits verbrauchte Ausbildungskapazität der ersten drei Fachsemester in Anspruch nehmen. Das hätte zur Folge, dass die Beklagte mehr als die rechnerisch ermittelte Ausbildungskapazität bereitstellen müsste, wozu sie das Gericht jedoch nicht verpflichten darf. Eine endgültige Verpflichtung der Beklagten zu einer außerkapazitären Zulassung kommt aus diesem Grund nur ausnahmsweise in Betracht, wenn die über die Festsetzung hinaus errechnete Ausbildungskapazität noch nicht durch eine andere als die klagende Person verbraucht worden ist, etwa weil eine im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes vorläufig zugelassene Person ihre endgültige Zulassung im Klageweg erstrebt, weil eine außerkapazitäre Zulassung unter Missachtung des vorrangigen Anspruchs der Klägerin erfolgt wäre oder weil ein außerkapazitärer Studienplatz unbesetzt geblieben ist. Für eine derartige Ausnahme ist vorliegend nichts ersichtlich oder vorgetragen.

Die Berufung ist vorliegend nicht zuzulassen. Zwar hat das Nds. OVG die grundsätzliche Bedeutung der zwischen den Beteiligten streitigen Rechtsfrage der proportionalen Kürzung hinsichtlich der Teilstudienplätze durch Urteil vom 25.06.2019 (aaO., Rn 73) bejaht und deshalb die Revision zugelassen. Diese Streitfrage hat jedoch für dieses Urteil keine rechtliche Bedeutung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht nach § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.