Verwaltungsgericht Osnabrück
Beschl. v. 21.02.2012, Az.: 6 A 201/11
Außerbetriebsetzung: Festsetzung (unmittelbarer Zwang)
Bibliographie
- Gericht
- VG Osnabrück
- Datum
- 21.02.2012
- Aktenzeichen
- 6 A 201/11
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2012, 44408
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 25 Abs 4 S 1 FZV
- Anl 254 StGebO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Im Fall der Stilllegung eines Fahrzeugs nach § 25 Abs. 4 S. 1 FZV durch unmittelbaren Zwang bedarf es keiner Festsetzung des Zwangsmittels. Vielmehr kann die Anwendung des angedrohten unmittelbaren Zwangs zur Stilllegung des Fahrzeugs unmittelbar nach fruchtlosem Fristablauf erfolgen, nicht anders wie im Fall des § 14 Abs. 1 KraftStG.
Tenor:
Die Festsetzung von Verwaltungskosten im Bescheid vom 29.7.2011 wird aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Gerichtsbescheid ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
Der Kläger wehrt sich gegen die Auferlegung von Verwaltungskosten.
Der Beklagte erhielt am 19.7.2011 vom Versicherer des Klägers die Mitteilung, dass der Versicherungsschutz für dessen Wohnwagen mit dem amtlichen Kennzeichen F. seit dem 13.7.2011 erloschen sei. Mit Bescheid vom 20.7.2011 betrieb der Beklagte gegenüber dem Kläger mit Androhung der zwangsweisen Außerbetriebsetzung die Stilllegung dieses Wohnwagens. Hierfür werden im Bescheid Verwaltungskosten in Höhe von 30.- € als Gebühr nach Nr. 254 des Gebührentarifs zur GebOSt und Zustellkosten als Auslagen nach § 2 Abs. 1 Ziffer 1 der GebOSt festgesetzt. Hiergegen erhob der Kläger am 22.8.2011 Klage, die mit Gerichtsbescheid vom heutigen Tag - 6 A 196/11 - abgewiesen wurde.
Mit weiterem Bescheid vom 29.7.2011 setzte der Beklagte unter Bezugnahme auf § 69 Nds. SOG die Stilllegung des Wohnwagens durch Anwendung unmittelbaren Zwangs fest. Zugleich erhob er Verwaltungskosten in Höhe von 140.- € als Gebühr nach Nr. 254 des Gebührentarifs zur GebOSt und Schreibkosten.
Gegen diesen Bescheid hat der Kläger mit der Begründung Klage erhoben, die der Erhebung von Verwaltungskosten zugrundeliegenden Bestimmungen verstießen gegen das Zitiergebot aus Art. 80 Abs. 1 S. 3 GG.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Festsetzung von Verwaltungskosten im Bescheid vom 29.7.2011 aufzuheben
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beteiligten wurden zur beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid sowie zur Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter angehört. Die Kammer hat den Rechtsstreit auf den Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet.
Die vom Beklagten festgesetzten Verwaltungskosten (Gebühr und Auslagen) finden in §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Ziffer 254 der Anlage zu § 1 der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr - GebOSt - keine Rechtsgrundlage. Die vom Beklagten mit dem angefochtenen Bescheid vorgenommene Regelung einer „Festsetzung“ der Anwendung unmittelbaren Zwangs bedurfte es zur Durchsetzung der Außerbetriebsetzung des Wohnwagens nach der einschlägigen Bestimmung des § 25 Abs. 4 Satz 1 FZV nicht. Dieser Bescheid war nicht erforderlich und somit überflüssig, weshalb für diese Maßnahme keine Verwaltungskosten erhoben werden können.
Nach § 70 Abs. 1 Nds. VwVG sind die Regelungen des sechsten Teils des Nds. SOG anzuwenden. Nach §§ 65 Abs. 2, 70 Abs. 1 S. 1, 74 Abs. 1 S. 1 Nds. SOG ist unmittelbarer Zwang vor seiner Anwendung anzudrohen. Die Androhung kann nach § 70 Abs. 2 S. 1 mit dem Verwaltungsakt verbunden werden, durch den die Handlung, Duldung oder Unterlassung aufgegeben wird. Dies ist vorliegend geschehen. Der Beklagte hat bereits mit seinem Bescheid vom 20.7.2011 unter Bezug auf § 69 Nds. SOG und Fristsetzung von 3 Tagen die zwangsweise Außerbetriebsetzung angedroht. Einer weiteren (erneuten) Androhung des unmittelbaren Zwangs bedurfte es nicht. Dabei hat der Beklagte in Übereinstimmung mit § 70 Abs. 2 S. 2 Nds. SOG gehandelt, da er zugleich die sofortige Vollziehung des Bescheids angeordnet hat.
Einer der Anwendung des unmittelbaren Zwangs vorangehende „Festsetzung“ dieses Zwangsmittels sehen die Bestimmungen des sechsten Teils des Nds. SOG - anders als die bundesrechtliche Bestimmung des § 14 VwZG - nur für das Zwangsgeld vor (§ 67 Abs. 1 S. 1 Nds. SOG). Für die Anwendung körperlicher Gewalt durch unmittelbare körperliche Einwirkung auf Personen oder Sachen - was unter Anwendung unmittelbaren Zwangs zu verstehen ist - bedarf es ihrer nicht, weil die zuständige Vollstreckungsbehörde nach fruchtlosem Fristablauf unmittelbar zur Ausführung des Realakts schreiten darf. Zwar mag es der Behörde - falls dies im Einzelfall mit dem in § 25 Abs. 4 S. 1 FZV geregelten Gebot unverzüglichen Handelns zu vereinbaren ist - rechtlich nicht immer verwehrt sein bzw. einem verwaltungspraktischem Bedürfnis entsprechen, dem Betroffenen auch durch einen festsetzenden Verwaltungsakt die Konsequenzen der Nichtbeachtung ihrer vorhergehenden Grundverfügung erneut vor Augen zu führen, doch ein rechtliches Erfordernis ist dies nicht (vgl. Sadler, VwVG VwZG, 7. Auflage, § 14 VwVG Rn. 26; Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 5. Auflage, Rn. 553, 558; Malmendier, Die Zwangsmittelfestsetzung in der Verwaltungsvollstreckung des Bundes und der Länder, VerwArch 2003, 30). Dabei dürfte indes angesichts der gesetzlichen Bestimmungen über das Zwangsgeld eine zwangsgeldähnliche Wirkung der „Androhung“ und nachfolgenden Erhebung weiterer Verwaltungskosten kein anzuerkennendes verwaltungspraktisches Bedürfnis in diesem Sinn sein.
Die Anwendung unmittelbaren Zwangs kann somit - wie auch im Fall der bundesgesetzlichen Regelung in § 14 Abs. 1 KraftStG (dazu Nds. OVG, B. v. 11.7.2011 - 12 ME 93/11 -, http://www.rechtsprechung.niedersachsen.de) unmittelbar nach fruchtlosem Fristablauf ohne weiteren schriftlichen Verwaltungsakt erfolgen. Eine rechtlich nicht gebotene und in diesem Sinn unnötige Festsetzungsentscheidung ist indes keine „Maßnahme im Bereich der FZV“ (so Ziffer 4 der Anlage zu § 1 GebOSt) bzw. „sonstige Anordnung“ nach der Gebührenziffer 254, da sie zur Durchsetzung des Normbefehls des § 25 Abs. 4 Satz 1 FZV gerade nicht erforderlich ist, und löst deshalb keine Kostentragungspflicht des Betroffenen aus. Insoweit ist die Kostenpflichtigkeit des Betroffenen nach vorstehenden Gebührenbestimmungen auf die zur Durchsetzung des § 25 Abs. 4 S. 1 FZV notwendigen und erforderlichen Maßnahmen beschränkt, wodurch zugleich dem Gebot der Verhältnismäßigkeit Rechnung getragen ist. Eine kostenpflichtige Maßnahme „Festsetzung“ stellt sich insoweit auch nicht im Sinn eines gebotenen Interventionsminimums als ein „milderes“ Mittel im Vergleich zur Anwendung des Zwangsmittels selbst dar (vgl. Sadler, a.a.O., Rn. 26 a.E.; Malmendier, a.a.O., S. 31), zumal wenn die für die Festsetzung verlangten Verwaltungskosten der Höhe nach der Größenordnung der Ausführungskosten entsprechen.
Die vom Kläger hinsichtlich des Zitiergebots vertretene Rechtsansicht ist im Übrigen spätestens seit Inkrafttreten der hier einschlägigen und neu bekannt gemachten Gebührenordnung am 11.2.2011 obsolet, in deren Eingangsformel die vermisste Ermächtigungsgrundlage zitiert wird.