Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 31.01.2008, Az.: Ss 39/08
Strafrechtliche Verurteilung wegen eines Verstoßes gegen das Aufenthaltsbestimmungsrecht; Voraussetzungen für eine Verurteilung wegen eines Verstoßes gegen das Aufenthaltsbestimmungsrecht; Folgen einer vorsätzlich begangenen Ordnungswidrigkeit der Zuwiderhandlung gegen eine vollziehbare Auflage
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 31.01.2008
- Aktenzeichen
- Ss 39/08
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2008, 11013
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:2008:0131.SS39.08.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Oldenburg (Oldenburg) - 31.10.2007 - AZ: 22 Ds 142/07
Rechtsgrundlagen
- § 61 Abs.1 S. 1, 2 AufenthG
- § 95 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG
- § 98 Abs. 3 Nr. 2, 4 AufenthG
Fundstelle
- StraFo 2008, 128 (Volltext mit red. LS)
Verfahrensgegenstand
Verstoß gegen das Aufenthaltsgesetz
Amtlicher Leitsatz
Der vorsätzliche Verstoß eines Ausländers gegen die nach § 61 Abs. 1 Satz 2 AufenthG angeordnete Beschränkung des gestatteten Aufenthalts auf den Bereich einer Stadt oder eines Landkreises ist -anders als u.U. beim nichtberechtigten Verlassen des Bundeslandes -nicht nach § 95 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG strafbar, sondern nur nach § 98 Abs. 3 Nr. 4 AufenthG ordnungswidrig.
In dem Strafverfahren
...
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
am 31. Januar 2008
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und
die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
nach § 349 Abs. 4 StPO
einstimmig beschlossen:
Tenor:
Auf die Sprungrevision des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Oldenburg vom 31. Oktober 2007 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückverwiesen, die auch über die Kosten des Rechtsmittels zu entscheiden hat.
Gründe
Das Amtsgericht Oldenburg hat den Angeklagten mit Urteil vom 31. Oktober 2007 wegen Verstoßes gegen §§ 95 Abs. 1 Nr. 7. 61 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 5 EUR verurteilt, weil der Angeklagte sich am 16. Juni 2007 in B... aufhielt, obwohl ihm -was er wusste lediglich gestattet war, sich im Bereich der Stadt und des Landkreises O... aufzuhalten. Wegen der Einzelheiten wird auf das Urteil Bezug genommen. Die hiergegen eingelegte Sprungrevision des Angeklagten, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt, hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an eine andere Abteilung des Amtsgerichts. Die Generalstaatsanwaltschaft hat zur Revision ausgeführt:
"aa)
Die Urteilsfeststellungen tragen die auf § 95 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG gestützte Verurteilung nicht. Nach dieser Vorschrift macht sich strafbar, wer wiederholt einer räumlichen Beschränkung nach § 61 Abs. 1 AufenthG zuwiderhandelt. Ein Verstoß gegen § 61 Abs.1 Satz 1 AufenthG, also gegen die Beschränkung des Aufenthaltes auf das jeweilige Bundesland, liegt nach den Feststellungen nicht vor, weil der Angeklagte das Land Niedersachsen nicht verlassen hat. Soweit im Urteil festgestellt wird, dass der Aufenthaltsgestattungsbereich darüber hinausgehend auf den Bereich der Stadt O... und des Landkreises O... beschränkt war, kann dies nur auf der Anordnung einer Auflage nach § 61 Abs. 1 Satz 2 AufenthG beruhen. Eine solche weitergehende räumliche Beschränkung fällt jedoch nicht unter den Begriff der räumlichen Beschränkung des Aufenthaltes i.S.d. § 95 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG. Dies folgt aus der Gesetzessystematik, wonach erstmalig begangene Zuwiderhandlungen gegen die räumliche Beschränkung nach § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG als Ordnungswidrigkeit gemäß § 98 Abs. 3 Nr. 2 AufenthG, jedoch Verstöße gegen eine vollziehbare Anordnung nach § 61 Abs. 1 Satz 2 AufenthG nach der Bußgeldvorschrift des § 98 Abs. 3 Nr. 4 AufenthG geahndet werden. Insoweit differenziert das Gesetz zwischen den beiden Rechtsgrundlagen einer räumlichen Beschränkung. Da das Gesetz aber nur die wiederholte Zuwiderhandlung gegen eine räumliche Beschränkung nach § 61 Abs. 1 AufenthG unter Strafe gestellt hat, nicht jedoch Verstöße gegen vollziehbare Auflagen, werden solche Verstöße von der Strafnorm nicht erfasst, so dass insoweit nur der Bußgeldtatbestand verwirklicht ist. Dieses Verständnis der Strafnorm findet seine Entsprechung im Asylverfahrensrecht, wo gemäß § 85 Nr. 2 AslyVfG ebenfalls nur der Verstoß gegen die im Gesetz selbst statuierte räumliche Beschränkung gemäß § 56 Abs. 1 und Abs. 2 AsylVfG, nicht aber der Verstoß gegen eine durch die Verwaltungsbehörde gemäß § 60 AsylVfG erlassene weitergehende Beschränkungsanordnung unter Strafe gestellt ist (vgl. Brandenburgisches OLG, Beschl. vom 22.02.2007 -1 Ss 9606 . Thüringer OLG, Beschl. v. 01.03.2007 -1 Ss 107 . OLG Köln, Beschluss vom 11.10.2007 -83 Ss 12607 -jeweils unter Hinweis auf OLG Karlsruhe, Beschl. v. 16.10.2006, StV 2007, 136).bb)
Der vom Angeklagten angestrebte Freispruch scheidet aus. Das Tatgeschehen ist noch unter dem rechtlichen Gesichtspunkt einer vorsätzlich begangenen Ordnungswidrigkeit der Zuwiderhandlung gegen eine vollziehbare Auflage nach §§ 98 Abs. 3 Nr. 4, 61 Abs.1 Satz 2 AufenthG zu würdigen. Entgegen der Ansicht des Angeklagten wäre eine solche Ordnungswidrigkeit auch nicht verjährt. Die Verjährungsfrist betrüge gemäß §§ 98 Abs. 5 AufenthG, 31 Abs. 2 Nr.4 OWiG 6 Monate. Die Verjährung wäre innerhalb dieser Frist zuletzt durch das angefochtene Urteil gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 15 OWiG unterbrochen worden. Gemäß § 33 Abs. 4 Satz 2 OWiG unterbricht die auf die Verfolgung als Straftat gerichtete Handlung -hier das angefochtene Urteil -auch die Verjährung der an sich gemäß § 21 OWiG verdrängten Ordnungswidrigkeit. Dies gilt entgegen der Ansicht der Revision auch dann, wenn sich die verfolgte Tat später nicht als Straftat darstellt bzw. ein entsprechender Nachweis nicht geführt werden kann. Gerade in einem solchen Fall erfährt § 33 Abs. 4 Satz 2 OWiG seine praktische Bedeutung (vgl Göhler, OWiG,14. Aufl., § 33 Rdnr 58). Eine eigene Sachentscheidung des Senats in entsprechender Anwendung der §§ 83 Abs. 3, 79 Abs. 6 OWiG kommt nicht in Betracht, weil das Urteil keine genügenden Feststellungen hinsichtlich der dem Angeklagten erteilten Auflage (Form, Inhalt, Vollziehbarkeit etc.) und der vorangegangenen Verstöße enthält."
Diesen Ausführungen tritt der Senat bei. Nach allem ist das Urteil in vollem Umfang aufzuheben und die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückzuverweisen.