Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 29.01.2008, Az.: 1 VAs 19/07

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
29.01.2008
Aktenzeichen
1 VAs 19/07
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2008, 42960
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2008:0129.1VAS19.07.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Brake - 22.11.2007

Tenor:

  1. Der Bescheid der Staatsanwaltschaft Oldenburg vom 3. Dezember 2007 und die Entscheidung des Amtsgerichts Brake vom 22. November 2007 werden aufgehoben.

  2. Der Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG wird zugestimmt.

  3. Die Sache wird zu erneuter Entscheidung an die Staatsanwaltschaft zurückverwiesen.

  4. Die Kosten des Verfahrens vor dem Oberlandesgericht trägt die Staatskasse, die auch dem Verurteilten in diesem Verfahren entstandene notwendige Auslagen zu tragen hat.

  5. Der Geschäftswert wird auf 3 000 € festgesetzt.

Gründe

1

Der Verurteilte, der bereits im Alter von vierzehn Jahren mit Drogen in Berührung kam, was zu zahlreichen Straftaten des Verurteilten führte, begehrt gemäß § 35 BtMG eine Zurückstellung der Vollstreckung gegen ihn verhängter Freiheitsstrafen.

2

Das Amtsgericht - Jugendschöffengericht - Brake verhängte gegen ihn mit Urteil vom 18. Dezember 2001 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln sowie wegen Bedrohung eine Jugendstrafe von einem Jahr und stellte die Entscheidung über deren Vollstreckung für die Dauer von sechs Monaten zurück. Mit Beschluss vom 21. Juni 2002 wurde die Vollstreckung der Jugendstrafe zur Bewährung ausgesetzt; die Strafaussetzung wurde jedoch in der Folgezeit widerrufen. Am 3. August 2005 wurde die Vollstreckung der Jugendstrafe zurückgestellt. Der nach Anrechnung der Therapiezeit auf die Strafe verbleibende Strafrest wurde mit Beschluss vom 5. April 2006 zur Bewährung ausgesetzt. Diese Strafaussetzung wurde jedoch mit Beschluss vom 17. August 2007 widerrufen.

3

Am 18. März 2005 verurteilte das Amtsgericht - Schöffengericht - Brake den Verurteilten wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls und räuberischen Diebstahls in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung, wegen Vergehens gegen das Waffengesetz in Tateinheit mit unerlaubtem Betäubungsmittelbesitz, Diebstahls in zwei Fällen, gemeinschaftlicher Körperverletzung in zwei Fällen, Hausfriedensbruchs in Tateinheit mit Bedrohung, Sachbeschädigung sowie Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Beleidigung und versuchter Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten. Die Vollstreckung des Strafrestes wurde am 1. August 2005 nach § 35 BtMG zurückgestellt. Am 14. Februar 2006 wurde der Verurteilte regulär aus der Drogentherapie entlassen. Der nach Anrechnung der Therapiezeit auf die Strafe verbliebene Strafrest wurde mit Beschluss vom 13. Juni 2006 zur Bewährung ausgesetzt. Die Strafaussetzung wurde am 19. Februar 2007 widerrufen, weil gegen den Verurteilten am 23. November 2006 vom Amtsgericht Nordenham wegen Diebstahls und vorsätzlicher Körperverletzung eine Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Monaten verhängt worden war.

4

Zuletzt verurteilte ihn das Amtsgericht - Schöffengericht - Nordenham am 24. April 2007 wegen Diebstahls - nach Auflösung der Gesamtfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Nordenham vom 23. November 2006 und unter Einbeziehung der in jener Entscheidung verhängten Einzelstrafen - zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten.

5

Auf einen am 9. Mai 2007 gestellten Antrag des Verurteilten auf neuerliche Zurückstellung der Strafvollstreckung nach §§ 35 BtMG hat das Amtsgericht Brake am 26. Juni 2007 die Zustimmung zur Zurückstellung der Strafvollstreckung mit der Begründung verweigert, die geplante Drogentherapie verspreche keine Aussicht auf Erfolg. Der Verurteilte habe schon eine Therapie vollständig durchlaufen und sei dennoch alsbald wieder rückfällig und erneut straffällig geworden. Die Staatsanwaltschaft Oldenburg hat daraufhin die Zurückstellung am 12. Juli 2007 abgelehnt.

6

Nunmehr hat der Verurteilte wiederum eine Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG beantragt. Die Zusage einer geeigneten Therapieeinrichtung - Therapiezentrum Moorkieker in Kayhauserfeld - und eine Kostenzusage liegen vor. Ein Therapieantritt ist zeitnah möglich.

7

Das Amtsgericht Brake hat am 22. November 2007 die Zustimmung zur Zurückstellung unter Bezugnahme auf die Entscheidung vom 26. Juni 2007 verweigert. Die Staatsanwaltschaft Oldenburg hat deshalb am 3. Dezember 2007 die Zurückstellung abgelehnt.

8

Hiergegen richtet sich der nach § 35 Abs. 2 BtMG i.V.m. §§ 23 ff. EGGVG zulässige Antrag des Verurteilten vom 27. Dezember 2007. Seiner Zulässigkeit steht insbesondere nicht entgegen, dass eine Beschwerdeentscheidung der Generalstaatsanwaltschaft nach § 21 Strafvollstreckungsordnung i.V.m. § 24 Abs. 2 EGGVG fehlt. Eine solche ist hier entbehrlich, weil schon ein Amtsgericht, dessen Urteil betroffen ist, der Zurückstellung nicht zugestimmt hat, und der Antrag von der Staatsanwaltschaft schon deshalb zwingend abgelehnt werden musste.

9

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat auch in der Sache Erfolg.

10

Die jetzt geplante Drogentherapie bietet eine soeben schon ausreichende Erfolgsaussicht. Zwar hat der Verurteilte schon einmal eine Drogentherapie durchlaufen. Auch ist es sehr bedenklich, dass er nach regulärem Abschluss der Therapie alsbald wieder straffällig wurde. Dennoch kann einem weiteren Therapieversuch nicht jede Erfolgsaussicht abgesprochen werden. Gemäß Bericht des Suchtberatungsdienstes der der Justizvollzugsanstalt Meppen vom 15. Oktober 2007, der die beantragte Drogentherapie für unbedingt erforderlich hält und den Verurteilten in seinen Bemühungen um eine Therapie unterstützt, hatte der Verurteilte zwar bei Aufarbeitung seiner Drogenabhängigkeit zunächst einen unmotivierten Eindruck gemacht. Inzwischen erscheine er jedoch ausreichend krankheitseinsichtig und behandlungsmotiviert. Bei der Aufarbeitung seiner Suchtproblematik zeige er nun Durchhaltevermögen und Zuverlässigkeit. Der Aufforderung zum Einzelgespräch komme er kontinuierlich nach und er melde sich auch noch schriftlich zwischendurch. Urinkontrollen hätten keinen negativen Befund aufgewiesen.

11

Der Senat erteilt - unter Zurückstellung von Bedenken - deshalb in diesem Verfahren die gerichtliche Zustimmung zu einer weiteren Drogentherapie. Dabei ist letztlich ausschlaggebend, dass der Verurteilte dringend therapiebedürftig ist, die Kostenzusage demnächst abläuft und der Allgemeinheit mit der unter dem zusätzlichen Motivationsdruck einer drohenden weiteren Strafvollstreckung stehenden Therapiedurchführung mehr gedient ist, als mit einer Entlassung eines nicht therapierten - und dadurch in höchstem Maße rückfallgefährdeten - Verurteilten in die Freiheit nach völliger Strafverbüßung.

12

Die Sache ist zur erneuten Bescheidung in diesem Verfahren an die Staatsanwaltschaft Oldenburg zurückzugeben. Soweit es um die Zurückstellung der Vollstreckung anderer Verfahren geht (vgl. Bl. 185 V-Heft 137 Js 51035/04Staatsanwaltschaft Oldenburg), wird noch die jeweilige Zustimmungsentscheidung des zuständigen Amtsgerichts einzuholen sein.

13

Die Nebenentscheidungen folgen aus § 30 EGGVG und § 30 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1, 130 KostO.

Suermann
Finck
Hilke-Eggerking