Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 13.05.2015, Az.: 6 W 36/15

Berücksichtigung der Aufrechnung mit Gegenansprüchen im Kostenfestsetzungsverfahren

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
13.05.2015
Aktenzeichen
6 W 36/15
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2015, 29687
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2015:0513.6W36.15.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Oldenburg - 02.02.2015 - AZ: 8 O 1367/14

Fundstellen

  • AGS 2016, 29-31
  • ErbR 2016, 78-79
  • MDR 2015, 1385-1386
  • NJW 2015, 8
  • NJW-RR 2015, 1341-1342
  • PAK 2016, 19
  • ZEV 2015, 598-599

Amtlicher Leitsatz

Ausnahmsweise Berücksichtigung von materiell-rechtlichen Einwendungen (hier: Aufrechnung) im Kostenfestsetzungsverfahren, wenn über den Bestand und die Höhe der Gegenforderung und die Aufrechnungslage kein Streit besteht; Einrede der Bedürftigkeit des Nachlasses bei einem Kostenerstattungsanspruch des Fiskus.

Redaktioneller Leitsatz

1. Materiell-rechtliche Einwendungen des Kostenschuldners sind grundsätzlich außerhalb des Kostenfestsetzungsverfahrens geltend zu machen.

2. Die Aufrechnung mit Gegenansprüchen kann ausnahmsweise dann berücksichtigt werden, wenn über den Bestand und die Höhe der Gegenforderung und die Aufrechnungslage kein Streit besteht. Dies ist grundsätzlich der Fall, wenn die Gegenansprüche rechtskräftig tituliert sind.

3. Steht jedoch nicht fest, ob das beklagte und kostenerstattungsberechtigte Land als Erbe der Inanspruchnahme aus den titulierten Forderungen die Beschränkung der Haftung auf den Nachlass entgegen halten kann, so ist dies außerhalb des Kostenfestsetzungsverfahrens zu klären, so dass der Einwand der Aufrechnung nicht berücksichtigungsfähig ist.

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Beklagten vom 26.02.2015 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des Landgerichts Oldenburg vom 02.02.2015 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um die Berücksichtigung einer Aufrechnung im Kostenfestsetzungsverfahren.

Die Rechtspflegerin des Landgerichts hat die aufgrund des vorläufig vollstreckbaren Anerkenntnisurteils des Landgerichts Oldenburg vom 31.10.2014/06.11.2014 von dem Kläger an das beklagte Land zu erstattenden Kosten mit Beschluss vom 02.02.2015 antragsgemäß auf 5.253,85 € nebst Zinsen festgesetzt.

Der Kläger wendet sich dagegen mit seiner sofortige Beschwerde und stützt diese darauf, dass er mit dem Landgericht übermittelten Schriftsätzen vom 24.11.2014 und 27.11.2014 sowie 27.01.2015 die Aufrechnung mit rechtskräftig titulierten Zahlungsansprüchen aus dem Versäumnisurteil des Landgerichts Oldenburg vom 22.01.2013 von 8.414,50 € sowie aus dem Anerkenntnisurteil des Landgerichts Oldenburg vom 31.10.2014/06.11.2014 von 13.950,- € gegen das beklagte Land als Erben des verstorbenen M ... P .... erklärt habe.

Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und zur Begründung im Wesentlichen darauf abgestellt, dass die Aufrechnung im Kostenfestsetzungsverfahren nur ausnahmsweise zulässig sei, wenn die Forderung mit der aufgerechnet werden soll, unstreitig oder rechtskräftig festgestellt worden sei. In Anbetracht dessen, dass das beklagte Land bezüglich der Zahlungsansprüche aus dem Anerkenntnisurteil die Einrede der Dürftigkeit des Nachlasses erhoben habe, stehe vorliegend nicht mit der erforderlichen Sicherheit fest, dass die erklärte Aufrechnung mit dem Kostenerstattungsanspruch zulässig sei.

II.

Die gemäß § 104 Abs. 3 S. 1 i.V.m. § 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Landgericht hat zu Recht die von dem Kläger erklärte Aufrechnung im Kostenfestsetzungsverfahren nicht berücksichtigt. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts in dem angefochtenen Beschluss vom 02.02.2015 sowie dem Beschluss über die Nichtabhilfe vom 06.05.2015 verwiesen und Bezug genommen.

Wie auch bereits das Landgericht ausgeführt hat, sind materiell-rechtliche Einwendungen - wie hier die Aufrechnung des Klägers - grundsätzlich außerhalb des Kostenfestsetzungsverfahrens geltend zu machen (vgl. BGH NJW 2014, 2287 [BGH 14.05.2014 - XII ZB 539/11]). Denn dieses Verfahren, das mit dem Erlass eines Kostenfestsetzungsbeschlusses endet, ist eine Umsetzung der zwischen den Parteien ergangenen Kostengrundentscheidung; es hat allein die Frage zum Gegenstand, welcher Betrag nach der Kostengrundentscheidung zu erstatten ist. Deshalb ist das Kostenfestsetzungsverfahren auf eine formale Prüfung der Kostentatbestände und auf die Klärung einfacher Fragen des Kostenrechts zugeschnitten und aus diesem Grund auf den Rechtspfleger übertragen. Die Klärung von zwischen den Parteien streitigen Tatsachen und von komplizierteren Rechtsfragen ist in diesem Verfahren nicht vorgesehen und mangels der dafür notwendigen verfahrensrechtlichen Instrumente auch nicht sinnvoll möglich (vgl. BGH NJW 2014, 2287 [BGH 14.05.2014 - XII ZB 539/11] m.w.N.). Materiell-rechtliche Einwendungen gegen den Kostenerstattungsanspruch sind daher grundsätzlich nicht zu berücksichtigen; vielmehr sind diese vorrangig mit der Vollstreckungsgegenklage geltend zu machen (vgl. BGH NJW 2014, 2287 [BGH 14.05.2014 - XII ZB 539/11] m.w.N.).

Allerdings kann es aus verfahrensökonomischen Gründen angezeigt sein, den Kostenerstattungsschuldner nicht auf die - einen ungleich höheren Aufwand erfordernde - Vollstreckungsgegenklage zu verweisen, wenn es um materiell-rechtliche Einwendungen geht, die keine Tatsachenaufklärung erfordern und sich mit den im Kostenfestsetzungsverfahren zur Verfügung stehenden Mitteln ohne Weiteres klären lassen. Das kann etwa der Fall sein, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen feststehen, weil sie unstreitig sind oder vom Rechtspfleger im Festsetzungsverfahren ohne Schwierigkeiten aus den Akten ermittelt werden können. Solche Einwendungen können deshalb ausnahmsweise auch im Kostenfestsetzungsverfahren erhoben und beschieden werden (vgl. BGH NJW 2014, 2287 [BGH 14.05.2014 - XII ZB 539/11] m.w.N.).

Danach kann eine Aufrechnung als materiell-rechtliche Einwendung dann berücksichtigt werden, wenn über den Bestand und die Höhe der Gegenforderung und die Aufrechnungslage kein Streit besteht (vgl. Lackmann in Musielak/Voit, ZPO, 12. Aufl. 2015, § 104 Rn. 9 m.w.N. zur mittlerweile gefestigten Rechtsprechung). Nur wenn diese Voraussetzungen gegeben sind, trifft der Rechtspfleger mit der Berücksichtigung keine "echte" Entscheidung über die Gegenforderung (vgl. Lackmann in Musielak/Voit, ZPO, 12. Aufl. 2015, § 104 Rn. 9).

Vorliegend hat der Kläger zwar rechtskräftig festgestellte Zahlungsansprüche gegen das beklagte Land als Erbe des verstorbenen M ... P ... Fraglich ist indes, ob bezüglich dieser Ansprüche eine Aufrechnungslage gegeben ist, d.h. die materiell-rechtliche Einwendung des Klägers durchgreift. Ob der Kläger mit seinen Ansprüchen gegen den Kostenerstattungsanspruch des beklagten Landes aufrechnen kann, bedarf noch materiell-rechtlicher Prüfung und weiterer Tatsachenaufklärung, da das beklagte Land sowohl im Verfahren wie auch im Kostenfestsetzungsverfahren ausdrücklich die Einrede der Dürftigkeit des Nachlasses nach § 1990 BGB erhoben hat.

Wenn der Fiskus als gesetzlicher Erbe - wie hier - verurteilt wird, ist dabei gemäß § 780 Abs. 2 ZPO nicht wie sonst gemäß § 780 Abs. 1 ZPO erforderlich, dass dem als Erben verurteilten Beklagten die Beschränkung seiner Haftung auf den Nachlass des Erblassers vorbehalten wird.

Im Fall des § 1990 BGB ist ausgeschlossen, dass ein Nachlassgläubiger - hier der Kläger - mit einer ihm gegen den Nachlass zustehenden Forderung gegen eine private bzw. Eigenforderung des Erben - hier des beklagten Landes - aufrechnet, denn hierdurch würde er mittelbar eine Befriedigung seiner Forderung aus dem eigenen Vermögen des Erben erreichen (vgl. BGHZ 35, 317 m.w.N.). D.h. ein Erbe kann, wenn ein Nachlassgläubiger mit einer ihm gegen den Nachlass zustehenden Forderung gegen eine Eigenforderung des Erben aufrechnet, diese Aufrechnungserklärung zurückweisen unter Geltendmachung der beschränkten Haftung nach § 1990 BGB, falls dessen Voraussetzungen vorliegen, weil sich sonst die Nachlassgläubiger aus dem Eigenvermögen des Erben befriedigen könnten (vgl. Küpper in Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auf. 2013, § 1991 Rn. 6 m.w.N.).

Bei dem Kostenerstattungsanspruch des beklagten Landes handelt es sich um eine solche Eigenforderung, denn der Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung nach § 1990 BGB, § 780 ZPO betrifft nicht die Kostenentscheidung. Ob die von dem beklagten Land behaupteten Voraussetzungen der Bestimmung des § 1990 BGB gegeben sind, also der Nachlass tatsächlich dürftig ist, ist streitig.

Damit ist ein Ausnahmefall, in dem materiell-rechtliche Einwendungen - wie die Aufrechnung des Klägers - im Kostenfestsetzungsverfahrens geltend gemacht werden können, nicht gegeben.

Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, da der Rechtssache weder eine grundsätzliche Bedeutung beizumessen ist noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 ZPO). Insbesondere besteht diesbezüglich keine divergierende höchstrichterliche oder obergerichtliche Rechtsprechung.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.