Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 27.05.2020, Az.: 1 Ausl 29/18
Unzulässige Auslieferung an die Ukraine; Gerichtliche Prüfpflicht zur Einhaltung von Mindeststandards im Abschiebeland
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 27.05.2020
- Aktenzeichen
- 1 Ausl 29/18
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2020, 64410
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- Art. 3 EMRK
- EUAlÜbk Art. 2
- EUAlÜbl Art. 12
- § 2 IRG
Redaktioneller Leitsatz
Die deutschen Gerichte müssen bei einem Auslieferungsersuchen - hier eines Nichtdeutschen in die Ukraine - prüfen, ob dort völkerrechtliche Standards und verfassungsrechtliche Grundsätze eingehalten werden. Dies ist hier nicht der Fall, weil schon der Haftraum kleiner als 3 qm ist.
Tenor:
- 1.
Die Auslieferung des Verfolgten an die Ukraine wegen der in dem Haftbefehl des Bezirksgerichts Solomianskyi in Kiew vom 19. Oktober 2016 (Rechtssache Nr. 1-Kc/760/14132/16) in der Fassung des Beschlusses des Berufungsgerichts Kiew vom 28. November 2016 (Rechtssache Nr. 11-cc/796/3948/2016) bezeichneten Taten ist unzulässig.
- 2.
Der Auslieferungshaftbefehl des Senats vom 3. Juli 2019 wird aufgehoben.
Gründe
I.
Wegen des Sachverhalts nimmt der Senat zunächst auf den die Auslieferungshaft anordnenden Beschluss vom 3. Juli 2019, die Fortdauerbeschlüsse vom 16. Januar und 16. März 2020 sowie die weiteren in dieser Sache ergangenen Entscheidungen Bezug.
Der Verfolgte ist am 28. November 2019 festgenommen worden. Bei seiner Vorführung vor dem Amtsgericht Achim hat er sich mit der vereinfachten Auslieferung nicht einverstanden erklärt und auf die Einhaltung des Grundsatzes der Spezialität nicht verzichtet. Das Auslieferungsbegehren der Ukraine und der Haftbefehl des Senats vom 3. Juli 2019 sind ihm bekannt gegeben worden.
Schon vor und ebenso nach Erlass des Auslieferungshaftbefehls hatte sich der Verfolgte mit Schriftsätzen seines früheren Rechtsbestandes BB, insbesondere denjenigen vom 11. Juni 2018, 31. August 2018, 25. Oktober 2018 und vom 3. Februar 2020 i.V.m. dem durch Beschluss vom 12. Februar 2020 zurückgewiesenen Ablehnungsgesuch vom 31. Januar 2020, gegen eine Zulässigkeit seiner Auslieferung an die Ukraine gewandt.
Nachdem er mit Schriftsatz vom 11. Juni 2018 zunächst im Wesentlichen nur geltend gemacht hatte, es bestünde wegen seiner politischen Gegnerschaft zum damaligen Präsidenten CC die Gefahr einer politischen Verfolgung im Sinne von § 6 Abs. 2 IRG, hatte er seine Einwände gegen die Zulässigkeit der Auslieferung bereits mit Schriftsatz vom 31. August 2018 auch auf weitere Gesichtspunkte gestützt und unter Bezugnahme auf diverse Unterlagen ausgeführt, er habe in der Ukraine kein rechtsstaatliches Verfahren zu erwarten, zudem entsprächen die zu erwartenden Haftbedingungen in der Ukraine nicht den Erfordernissen des Art. 3 EMRK. Mit Schriftsatz vom 25. Oktober 2018 hatte er diese Bedenken wiederholt und vertieft.
Nachdem der Senat gegen den Verfolgten am 3. Juli 2019, mithin nach der am 20. Mai 2019 erfolgten Amtsübergabe des bisherigen Präsidenten CC an seinen in der Stichwahl am 21. April 2019 gewählten Nachfolger DD die Auslieferungshaft angeordnet hatte und der Verfolgte deswegen am 28. November 2019 festgenommen worden war, machte er geltend, trotz des Regierungswechsels hätten sich die politischen Verhältnisse in der Ukraine nicht geändert. Im Übrigen seien die Haftbedingungen in der Ukraine weiterhin unzureichend. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die bezeichneten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Der Verfolgte hat mit Schriftsatz des von ihm bevollmächtigten Rechtsanwalts EE vom 10. Januar 2020 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge einen Asylantrag gestellt. Auch diesen begründet er im Wesentlichen damit, dass er als Gegner des ehemaligen Präsidenten CC in der Ukraine angesichts der seit dem Regierungswechsel in der Ukraine fortdauernden Machtverhältnisse mit einem nicht rechtsstaatlich geführten Verfahren rechnen müsse. Mit Schriftsatz des Rechtsanwalts EE vom 7. Februar 2020 hat er dieses Vorbringen ergänzt und hierzu die bereits im vorliegenden Auslieferungsverfahren beigebrachten Unterlagen vorgelegt. Im Rahmen des Asylverfahrens ist der Verfolgte am 20. Februar 2020 zur Zulässigkeit und am 9. März 2020 vorsorglich zur Begründetheit seines Antrages angehört worden. Auf die bezeichneten Schriftsätze und die Niederschriften der durchgeführten Anhörungen wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen. Mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 5. Mai 2020 wurden die Anträge des Verfolgten auf Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft, Asylanerkennung und Gewährung subsidiären Schutzes als jeweils offensichtlich unbegründet abgelehnt und er gleichzeitig unter Androhung der Abschiebung in die Russische Föderation aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland binnen einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat nunmehr beantragt, die Auslieferung des Verfolgten für zulässig zu erklären. Der Verfolgte hat Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten und hiervon mit Schriftsatz seines Rechtsbeistandes FF vom 17. April 2020, in welchem unter anderem erneut die aus Sicht des Verfolgten nicht EMRK-konformen Haftbedingungen thematisiert wurden, Gebrauch gemacht.
II.
Die Auslieferung ist unzulässig und der Auslieferungshaftbefehl ist aufzuheben.
1.
Zwar genügt das Auslieferungsbegehren der ukrainischen Behörden den rechtlichen Anforderungen des Art. 12 Abs. 2 lit a) bis c) des Europäischen Auslieferungsübereinkommens vom 13. Dezember 1957 (im Folgenden: EuAulÜbk). Die Taten, derentwegen der Verfolgte verfolgt werden soll, sind auch auslieferungsfähig (Art. 2 Abs. 1 EuAlÜbK), wie bereits im Haftbefehl vom 3. Juli 2019 ausgeführt. Die erforderlichen Unterlagen sind vorgelegt worden.
Der Verfolgte unterliegt auch der Auslieferung gemäß § 2 IRG. Er ist nicht Deutscher im Sinne der Art. 16 Abs. 2, 116 Abs. 1 GG.
Schließlich vermag der Senat, auch unter Berücksichtigung des Vorbringens im Rahmen des in der Bundesrepublik Deutschland geführten Asylverfahrens, dessen Unterlagen der Senat beigezogen hat, jedenfalls bislang keine Gründe festzustellen, die der Zulässigkeit einer Auslieferung nach Art. 3 bis 10 EuAlÜbK entgegenstehen könnten, auch wenn insoweit eine abschließende Entscheidung von einer noch ausstehenden Stellungnahme des Bundesamtes für Justiz zum Vortrag des Verfolgten und den durch ihn eingereichten und in Bezug genommenen Unterlagen abhängig wäre. So bestehen insbesondere keine durchgreifenden Hinweise darauf, dass die Strafverfolgung aus politischen Motiven heraus erfolgt. Alleine der Umstand, dass sich der Verfolgte insoweit einer Ungleichbehandlung ausgesetzt sieht, als er sich wegen seiner Taten strafrechtlich verantworten muss, obwohl dies bei anderen vergleichbaren Tätern nicht der Fall sein mag, vermag eine Unzulässigkeit der Auslieferung nicht zu begründen. Auch besteht kein Anlass zu einer - im Auslieferungshaftrecht nur in Ausnahmefällen angezeigten - Überprüfung des Tatverdachts.
2.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind die deutschen Gerichte bei der Prüfung der Zulässigkeit der Auslieferung von Verfassungs wegen aber auch gehalten, zu prüfen, ob die Auslieferung und die ihr zugrundeliegenden Akte mit dem nach Art. 25 Grundgesetz in der Bundesrepublik Deutschland verbindlichen völkerrechtlichen Mindeststandard und den unabdingbaren verfassungsrechtlichen Grundsätzen ihrer öffentlichen Ordnung vereinbar sind.
Ein Verstoß hiergegen kann wegen der grundsätzlichen, im vertraglichen Bereich bestehenden Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland zur Auslieferung und der Achtung und dem Respekt vor fremden Rechtsordnungen nur beschränkt auf eine Verletzung des Kernbereichs zu einem Auslieferungshindernis führen. Daher ist eine Auslieferung unzulässig, wenn diese fundamentalen Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung oder dem völkerrechtlich verbindlichen Mindeststandard auf dem Gebiet der Menschenrechte widerspricht (vgl. BVerfG, Beschluss v. 17.02.2009, 2 BvR 257/09; OLG Hamm, Beschluss v. 10.09.2013, 2 Ausl 95/11; jeweils bei juris).
Das ist dann der Fall, wenn es konkrete Anhaltspunkte (vgl. BVerfG, Beschluss v. 24. 06.2003, 2 BvR 685/03, bei juris) dafür gibt, dass der Verfolgte durch die Auslieferung der Folter oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe ausgesetzt würde (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss v.15.10.2007, 2 BvR 1680/07; OLG Dresden, Beschluss v. 10.07.2014, Ausl 53/14; jeweils bei juris).
So liegt es hier. Es ist zu erwarten, dass der Verfolgte im Falle seiner Auslieferung an die Ukraine dort unter Bedingungen in Haft genommen wird, die Art. 3 EMRK nicht gerecht werden.
a.
Allerdings gilt nicht nur im Rechtshilfeverkehr unter Mitgliedstaaten der Europäischen Union, sondern auch im allgemeinen völkerrechtlichen Auslieferungsverkehr der Grundsatz, dass dem ersuchenden Staat im Hinblick auf die Einhaltung der Grundsätze der Rechtshilfe in Strafsachen sowie des Völkerrechts Vertrauen entgegenzubringen ist. Auch im allgemeinen Auslieferungsverkehr hat der ersuchende Staat ein erhebliches Interesse an der Aufrechterhaltung und Funktionsfähigkeit der gegenseitigen Rechtshilfe. Von der Begehung von Rechtsverletzungen, die die zukünftige Funktionsfähigkeit des Auslieferungsverkehrs zwangsläufig beeinträchtigen würden, wird ein ersuchender Staat schon deshalb regelmäßig Abstand nehmen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des zweiten Senats v. 04.12.2019, 2 BvR 1258/19, Rz. 59, bei juris).
b.
Dieser Grundsatz kann allerdings nur so lange Geltung beanspruchen, wie er nicht durch entgegenstehende Tatsachen, etwa systemische Defizite im Zielstaat, erschüttert wird. Das ist der Fall, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass im Fall einer Auslieferung die unabdingbaren verfassungsrechtlichen Grundsätze beziehungsweise das unabdingbare Maß an Grundrechtsschutz oder der verbindliche völkerrechtliche Mindeststandard gemäß Art. 25 GG nicht eingehalten werden. Dafür müssen stichhaltige Gründe gegeben sein, nach denen gerade im konkreten Fall eine beachtliche Wahrscheinlichkeit besteht, dass in dem ersuchenden Staat die Mindeststandards nicht beachtet werden (a.a.O. Rz. 60).
Derartige Gründe liegen vor:
Nach der nunmehr vorliegenden Mitteilung des angesichts der bereits begonnenen Hauptverhandlung zuständigen Hohen Antikorruptionsgerichts der Ukraine vom 22. Mai 2020 soll der Verfolgte im Falle der Auslieferung in der Untersuchungsanstalt Ort3 (...), (...), untergebracht werden. Diese auch als (...) oder (...) bekannte Anstalt ist bereits mehrfach Ziel der regelmäßigen Besuche durch das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) gewesen. In seinem auf einem zwischen dem TT. und TT.MM. 2017 durchgeführten Besuch ukrainischer Haftanstalten beruhenden Bericht vom TT.MM.2018 (...) führt das Komitee aus:
"The delegation carried out a follow-up visit to HH Detention Centre (hereafter HH) ... . A general description of HH can be found in the reports on previous visits. At the time of the 2017 visit, the establishment was accommodating 2,371 inmates (including 144 women on remand, 13 juveniles on remand, 708 male sentenced prisoners awaiting transfer to a colony, 20 life-sentenced prisoners and 57 sentenced working inmates, the remainder being adult men on remand) and had the official capacity of 2,474. However, this capacity included the former women's block which was out of service due to fire damage; in fact, the establishment had 2,200 operational places which meant that it was officially overcrowded." (Tz. 54)
"In the light of the fact found during this visit, and especially as concerns HH which was the subject of an immediate observation (see paragraph 11 above), the CPT calls upon the Ukrainian authorities to attach the highest priority to the implementation of all the measures mentioned in paragraph 55 above. This will necessitate putting in place a proper inter-agency co-ordination (including the Ministry of Finance) and a realistic action plan with precise deadlines and allocated budget. The Committee also urges the Ukrainian authorities to pursue their efforts to reduce prisoner population, in particular by making more use of the available alternatives to remand detention." (Tz. 56)
"Regarding the situation of remand prisoners, the CPT regrets that the inadequate norm of living space per inmate in SIZOs (2.5 m²) is still in force. Further, there has still been no change to the regime for remand prisoners based on the concept of "isolation", with no association between cells and nothing even remotely resembling a programme of meaningful out-of-cell activities. The Committee calls upon the Ukrainian authorities to take decisive steps to revise the legislation and regime for remand prisoners, taking into account the above remarks and the Committee's long-standing recommendations." (Tz. 57)
Im Einzelnen führt das Komitee aus:
"The most striking feature of the establishments visited (all of them except (...), see paragraph 69 below) were the generally poor or even appalling material conditions, in particular in Ort3 and Ort4.
The situation at HH had even worsened since the CPT's November 2016 visit, because, as already mentioned in paragraph 54 above, it was now overcrowded (even according to the national norm of 2.5 m² of living space per remand prisoner) and there were some cells with more inmates than beds (e.g. cells nos. 21 and 32), obliging prisoners to sleep in shifts. Despite sporadic efforts to carry out small repairs (usually using inmates' own resources), the detention blocks had further deteriorated, with cells being poorly lit, poorly ventilated, often extremely dilapidated and dirty (the most so in the "quarantine" and transit units), and with the whole infrastructure (electricity, water, sewage) close to total breakdown.
In short, for the bulk of the prisoner population (except women and juveniles), conditions at HH could easily be considered as inhuman and degrading." (Tz. 62)
"As already mentioned in paragraph 11 above, at the end of the visit the delegation invoked Article 8, paragraph 5, of the Convention and requested the Ukrainian authorities to provide the Committee, within 3 months, with a detailed action plan, comprising precise deadlines and financial allocations, to address the situation at HH.
In their letter dated 5 April 2018, the Ukrainian authorities informed the CPT of steps taken and planned in response to the aforementioned immediate observation. This included carrying out a technical assessment, drawing up detailed reconstruction plans and preparing cost estimates for addressing all deficiencies in the material conditions at HH. The Committee welcomes these plans but notes with regret that no concrete financial resources seem to have been allocated to implement these works, which are mentioned as conditional upon receipt of funds and without any precise timelines for completion.
In the light of the indeed totally unacceptable situation at HH, the CPT calls upon the Ukrainian authorities to reconstruct/refurbish HH without further delay. In this context, steps must also be taken to ensure that every prisoner has his own bed" (Tz. 63).
"The material conditions at JJ Detention Centre (hereafter JJ) were determined to a large extent by the obsolete infrastructure of the ages-old buildings, and the situation was compounded by a total absence of budget for repairs, resulting inter alia in repeated breakdowns of power and water supply.
Cells were generally dilapidated and so were the furniture, mattresses and bedsheets. Further, some of the cells were stuffy and humid, especially the larger ones. In many of the cells, conditions were cramped (e.g. 14 inmates sharing a cell measuring some 50 m², including sanitary annexe; six inmates living in a cell measuring some 16 m²) and both the access to natural light and artificial lighting left much to be desired.
On the positive side, the cells were mostly clean. Conditions were somewhat better in the cells for women and juveniles (which had in-cell showers and were not overcrowded)." (Tz. 64)
"According to the Director of JJ, talks were ongoing with the city's Mayor's Office and with a private investor in order to close the prison and move it to a new purpose-built facility in the outskirts of town. The Committee would like to receive more information on these plans and prospects for their implementation" (Tz. 65).
Bereits unmittelbar am Ende seines Besuchs hatte das Komitee in Bezug auf diese Anstalt eine dringende Handlungsempfehlung ausgesprochen:
"The first immediate observation concerned the generally poor or even appalling material conditions in all of the penitentiary establishments visited (except for the Educational Colony for Juveniles in Ort5). In particular, the situation at HH had worsened since the CPT's November 2016 visit, because it was now severely overcrowded and the detention blocks had further deteriorated. In short, conditions at HH could easily be considered as inhuman and degrading. In the light of these findings, the Ukrainian authorities were requested to provide, within three months, a detailed action plan, comprising precise deadlines and financial allocations, to address the situation at HH. On the same occasion, the Ukrainian authorities were requested to provide information on other precise steps being taken to remedy the situation of the prison service and to reform prison health-care services." (Tz. 11)
In seinem zusammenfassenden Bericht kommt das Komitee zu folgendem Ergebnis:
"Penitentiary establishments
The delegation carried out a follow-up visit to HH Detention centre (HH) and first-time visits to Penitentiary Institution Ort6, Penitentiary Institution Ort7, Penitentiary Institution Ort4, KK Prison in Ort4 and Juvenile Colony Ort5.
The most striking feature of all of the establishments visited (except the colony for juveniles in Ort5) were the generally poor or even appalling material conditions, in particular in Ort3 and Ort4. The situation at HH had worsened since the Committee's November 2016 visit, because it was now overcrowded (even according to the national norm of 2.5 m² of living space per remand prisoner, which was still unchanged despite the CPT's long-standing recommendation) and the detention blocks had further deteriorated. In short, conditions at HH could easily be considered inhuman and degrading. The situation was also extremely difficult at KK Prison in Ort4, with prisoner accommodation areas being overcrowded, very dilapidated and dirty. Conditions were somewhat better at Penitentiary Institution Ort6 and Penitentiary Institution Ort7, although both establishments required extensive renovation and, in the former establishment, the leaking roof quickly ruined any positive effects of refurbishment carried out in the cells.
The Committee is seriously concerned by the fact that remand prisoners are still generally not offered any out-of-cell activities other than outdoor exercise for one hour per day in small, oppressive and dilapidated yards. The regime of remand prisoners based on the concept of "isolation" has not changed either. The only positive exception concerned juveniles on remand, who were offered some out-of-cell activities (sports, education classes) in Ort4 and Ort7 (but not in Ort6).
The CPT also regrets the absence of improvement in the inadequate visiting entitlement for all categories of inmates, and especially the fact that remand prisoners continue to face excessive restrictions in access to visits and a general ban on telephone calls.
Turning to health-care services, several areas of concern are raised by the Committee, such as the lack of medical confidentiality, the poor quality of recording of injuries and the lack of systematic reporting to competent investigative/prosecution authorities.
Although a very basic level of health care provision was ensured in all penitentiary establishments visited, access to specialists, including gynaecological and psychiatric care, was deficient. For legal, license-related reasons, the few psychiatrists working in prisons were not allowed to prescribe any psychotropic medication. More generally, the shortage of all kinds of medication was evident in the establishments visited, with an over-reliance on prisoners and their families to provide most of the medicines. The Committee was also concerned about inadequate psychological assistance for prisoners.
Furthermore, material conditions in prison health-care facilities were very poor and unhygienic. All the premises were dark, cold, cramped, with damaged and dirty walls and furniture."
In ihrer Antwort auf diesen Report (...) führt die ukrainische Regierung hierzu Folgendes aus:
Penitentiary Institution Ort4
"In order to ensure proper living conditions for the detention of prisoners and convicts in Penitentiary institution Ort4, systematic repair works are carried out. Therefore, since the beginning of the year, repairs were carried out in cameras No 90, 91, 92, in which minors are kept, and in other cells of the buildings. A sanitary whitewashing in the cells is carried out annually. Prisoners and convicts are placed in cells with observance of square footage defined by legislation per prisoner. When carrying out repairs in the cells, the beds are arranged in such a way as to ensure the prisoner's personal space. The current repairs of post office corridor have been performed. In the catering facilities windows are replaced with energysaving ones. The current repair has been performed in fish and vegetable production facilities. The current repairs have been performed in the laundry and shop of the institution.
Work is ongoing on the replacing of outdated engineering and communication networks. Since the beginning of the year, the main disposal lines (20m) and internal disposal lines (50m) have been replaced in Penitentiary institution Ort4. To ensure sufficient fresh air in the cells, negotiations with specialized organizations on the possibility of developing a system of forced ventilation are currently under way. In the summer, ventilation of the cells is carried out in accordance with the schedule.
Work is ongoing on the replacement of the outdated sanitary equipment. On the reporting period washers were replaced in 18 cells. In the cells of posts _ 8 and 9 and also in the cells where women are kept with children, modern sanitary equipment was installed. In 10 cells, toilets are fenced off by partitions." (Tz. 118-120).
Aus den Feststellungen des Europäischen Komitees zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) ergibt sich, dass die derzeitigen völkerrechtlichen Mindeststandards in der besagten Untersuchungshaftanstalt zum damaligen Zeitpunkt nicht eingehalten wurden. Auch unter Berücksichtigung der dargestellten Bemühungen der ukrainischen Behörden, die Haftbedingungen zu verbessern, muss befürchtet werden, dass dieses auch weiterhin nicht der Fall ist.
Vor dem Hintergrund der dargestellten Ausführungen ist deshalb unter anderem davon auszugehen, dass auch derzeit einem Untersuchungsgefangenen in der Untersuchungsanstalt in Ort3- bereits ohne Berücksichtigung der Überbelegung - lediglich 2,5 m² Haftraum zur Verfügung stehen. Um Art. 3 der EMRK zu genügen, ist aber eine jedem Inhaftierten zur Verfügung stehende Grundfläche von mindestens 3 m² zu fordern (so schon EGMR, Urteil vom 22. Oktober 2009, Beschwerde Nr. 17885/04, (...) ./. Polen, Tz. 123; bekräftigt u.a. im Urteil vom 1. Juli 2014, Beschwerde Nr. 46546/12, (...) ./. Rumänien, Tz. 56). Wenn der persönliche Raum des Häftlings in einem Gemeinschaftshaftraum unter 3 m² beträgt, besteht die starke Vermutung einer Verletzung von Art. 3 EMRK (vgl. EGMR, Urteil vom 20. Oktober 2016, Beschwerde Nr. 7334/13, (...) ./. Kroatien, Tz. 124). Diese Vermutung kann nur dann widerlegt werden, wenn kumulativ folgende Kriterien vorliegen: Es muss sich um kurze, gelegentliche und unerhebliche Reduzierungen des persönlichen Raums handeln, wobei eine ausreichende Bewegungsfreiheit und Aktivitäten außerhalb des Haftraums gewährleistet sein müssen, und die Strafe muss in einer geeigneten Haftanstalt vollzogen werden, wobei es keine die Gefangenschaft erschwerenden Bedingungen geben darf (vgl. EGMR, Urteil vom 20. Oktober 2016, (...) ./. Kroatien, Beschwerde Nr. 7334/13, Tz. 132, 134). In Fällen, in denen sich der persönliche Bereich des Gefangenen auf zwischen 3 und 4 m² beläuft, kann dies zusammen mit anderen Aspekten, die auf unangemessene Haftbedingungen schließen ließen, zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK führen. Dabei geht es insbesondere um den Zugang zu Aktivitäten im Freien, die natürliche Licht- und Luftzufuhr und die Möglichkeit, sanitäre Anlagen ungestört nutzen zu können (a.a.O., Tz. 139). Dies gilt auch für die Untersuchungshaft (a.a.O., Tz. 115).
c.
Diese noch im Jahre 2018 vorliegenden Bedingungen können allerdings nicht ohne Weiteres auf den gegenwärtigen Zeitpunkt fortgeschrieben werden.
Vom ersuchenden Staat im Auslieferungsverkehr abgegebene völkerrechtlich verbindliche Zusicherungen können geeignet sein, etwaige Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der Auslieferung auszuräumen, sofern nicht im Einzelfall zu erwarten ist, dass die Zusicherung nicht eingehalten wird. Derartige Zusicherungen entbinden das über die Zulässigkeit einer Auslieferung befindende Gericht jedoch nicht von der Pflicht, zunächst eine eigene Gefahrenprognose anzustellen, um die Situation im Zielstaat und so die Belastbarkeit einer Zusicherung einschätzen zu können. Eine solche Prüfungsobliegenheit der Belastbarkeit einer Zusicherung im Einzelfall ergibt sich auch aus der Rechtsprechung des EGMR. Stellt sich im Rahmen dieser Prüfung etwa heraus, dass die tatsächlichen Gegebenheiten im Zielstaat erheblich von dem zugesicherten Verhalten abweichen, ist dies geeignet, die Frage aufzuwerfen, ob das zugesicherte Verhalten überhaupt geleistet werden kann und die abgegebene Zusicherung belastbar ist (BVerfG, a.a.O. Rz. 61).
Die ukrainischen Behörden hatten zunächst mit Erklärung vom 13. Dezember 2016 - soweit die Haftbedingungen betroffen sind - versichert, dass die Anforderungen der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten von 1950 in Bezug auf die Person des Verfolgten im Falle eines Freiheitsentzuges erfüllt würden. Insbesondere werde er weder einer Behandlung unterzogen, die seine körperliche oder seelische Unversehrtheit gefährden könne, noch erwarteten ihn unmenschliche oder entwürdigende Haftbedingungen.
Diese Zusicherung wird - abgesehen davon, dass die Erklärung unter überholten politischen Verhältnissen abgegeben wurde - zum einen den inhaltlichen Anforderungen, welche angesichts der immer weiter ausgeschärften Rechtsprechung zu menschenwürdigen Haftbedingungen an derartige Zusicherungen zu stellen sind, nicht gerecht und stellt sich zudem im Lichte der Feststellungen des Europäischen Komitees zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) als offenkundig inhaltlich unzutreffend dar, da die heutzutage als EMRK-konform angesehenen Haftbedingungen in der in Betracht kommenden Untersuchungshaftanstalt weder im Jahre 2016 noch im Jahre 2018 erfüllt wurden.
Dies hat den Senat veranlasst, auf aktuelle und inhaltlich differenziertere Zusicherungen der ukrainischen Behörden zu dringen. Bereits unter dem 17. Februar 2020 hat der Senat der Generalstaatsanwaltschaft - welche die entsprechende Bitte weitergeleitet hat - auf deren telefonische Anfrage hin mitgeteilt, dass es unter anderem geboten sei, Informationen dazu einzuholen, ob die Haftbedingungen, denen der Verfolgte ausgesetzt wäre, den Anforderungen entsprächen. In diesem Zusammenhang werde es auch einer Stellungnahme der ukrainischen Behörden dazu, in welcher Haftanstalt der Verfolgte - auch im Falle seiner Verurteilung - untergebracht werde, bedürfen.
Mit Verfügung vom 9. März 2020 hat der Senat die Generalstaatsanwaltschaft erneut um Prüfung gebeten, ob nunmehr Zusicherungen zu den Haftbedingungen im konkreten Fall vorliegen, und gebeten, diese andernfalls einzuholen. Auch hat der Senat darauf hingewiesen, dass das Bundesverfassungsgericht in einer neueren Entscheidung mit Rücksicht auf die eingeschränkten Rechtsschutzmöglichkeiten des Verfolgten im Bewilligungsverfahren Bedenken gegen eine Verlagerung von Sicherungsmechanismen in das Bewilligungsverfahren geäußert hat. Etwa zeitgleich hatte die Generalstaatsanwaltschaft das Niedersächsische Justizministerium davon in Kenntnis gesetzt, dass sie davon ausgehe, dass sich die Fragen zu Haftbedingungen, Haftanstalten etc. noch in der Klärung befänden.
Da eine Antwort der ukrainischen Behörden weiterhin ausblieb, hat der Senat die Generalstaatsanwaltschaft unter dem 22. April 2020 um Prüfung gebeten, ob die Anfragen des Senats zu Zusicherungen betreffend die Verfahrens- und Haftbedingungen weitergeleitet wurden. Eine entsprechende Prüfung hat dies bestätigt. Die Generalstaatsanwaltschaft hat sich daraufhin unter besonderer Hervorhebung der Bedeutung und Dringlichkeit der Anfrage erneut an das Niedersächsische Justizministerium gewandt, woraufhin das Bundesamt für Justiz ein Schreiben vom 5. Mai 2020 an die ukrainischen Behörden gerichtet hat, in welchem explizit darauf hingewiesen wurde, dass es einer Beschreibung der Haftplätze, Gesamtzahl der Gefangenen, Anzahl, Größe und Ausstattung der Hafträume (insbesondere auch Angaben zu Fenster, Frischluftzufuhr und Heizung), Belegung der Hafträume, Ausstattung der Haftanstalt mit sanitären Einrichtungen, Verpflegungsbedingungen, Art und Bedingungen des Zugangs der Häftlinge zur medizinischen Versorgung bedürfe.
Unter ausdrücklicher Bezugnahme auf dieses Schreiben haben die ukrainischen Behörden lediglich mitgeteilt, dass Verhaftete und Verurteilte in der bezeichneten Anstalt in Hafträumen für wenige Personen (von 2 bis 6 Personen) und allgemeinen Hafträumen (7 Personen und mehr) untergebracht würden. Die Hafträume würden von dem Diensthelfer in Übereinstimmung mit der operativen Abteilung der Untersuchungsanstalt zugeteilt. Die Personen, die zum ersten Mal zur strafrechtlichen Verantwortung gezogen werden, würden getrennt von den Personen gehalten, die früher zur strafrechtlichen Verantwortung gezogen worden seien. Die Verhaftung finde gemäß den Prinzipien der unabdingbaren Einhaltung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948, anderer internationaler Rechtsnormen und Standards der Behandlung der Verhafteten, die von der Ukraine ratifiziert sind, unter anderem denen, die in der Anfrage der deutschen Behörden erwähnt seien und zu denen das Gericht die Garantien gewährt habe, statt. Sie stehe nicht in Verbindung mit absichtlichen Handlungen, die psychische oder moralische Leiden hervorrufen oder die menschliche Würde verletzen.
Diese allgemeinen Zusicherungen reichen angesichts der Feststellungen des CPT gerade nicht aus. Aus eben diesem Grunde hat auch der Senat um Auskunft darüber gebeten, wo der Verfolgte im Falle seiner Auslieferung untergebracht werden würde und welche konkreten Haftbedingungen dort zu erwarten sind. Zu Letzteren verhält sich die Auskunft der ukrainischen Behörden nicht; die ebenfalls erbetenen Auskünfte zur Unterbringung im Falle der Verurteilung fehlen völlig. Angesichts dessen besteht eine beachtliche Wahrscheinlichkeit, dass in Bezug auf die Haftbedingungen in der Ukraine die völkerrechtlichen Mindeststandards (weiterhin) nicht beachtet werden.
III.
Da nach alledem die Auslieferung derzeit nicht zulässig ist und auch weitere Erkenntnisse, die eine andere Beurteilung rechtfertigen würden, in Anbetracht der oben näher dargestellten - im Wesentlichen erfolglosen - Bemühungen des Senats, der Generalstaatsanwaltschaft und des Bundesamtes für Justiz um Erteilung der erforderlichen Zusicherungen nicht zu erwarten sind, liegen auch die Voraussetzungen für eine Fortdauer der Auslieferungshaft nicht mehr vor.