Arbeitsgericht Hameln
Urt. v. 21.09.1989, Az.: 1 Ca 432/88

Soziale Rechtfertigung einer Kündigung

Bibliographie

Gericht
ArbG Hameln
Datum
21.09.1989
Aktenzeichen
1 Ca 432/88
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1989, 10007
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:ARBGHM:1989:0921.1CA432.88.0A

Fundstelle

  • AuR 1990, 202 (amtl. Leitsatz)

In dem Rechtsstreit
hat das Arbeitsgericht in Hameln
auf die mündliche Verhandlung vom 21. September 1989
durch
den Direktor des Arbeitsgerichts als Vorsitzenden und
die ehrenamtlichen Richter als Beisitzer
für Recht erkannt:

Tenor:

Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung im Schreiben vom 14.11.1988 nicht aufgelöst worden ist.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 8.400,00 DM festgesetzt.

Tatbestand

1

Der Kläger war seit dem 15. August 1978 als Schlosser bei der Beklagten in Emmerthal beschäftigt. Die Beklagte unterrichtete am 4. November 1988 dem Betriebsrat darüber, daß sie dem Kläger fristgemäß kündigen wolle, und schrieb zur Begründung: "Nach Schließung der Niederlassung Hannover und Abschluß der Umlackierung der Frischdienstfahrzeuge ist der Arbeitsanfall in der KFZ-Abteilung-Emmerthal derartig zurückgegangen, daß ein Mitarbeiter aus dieser Abteilung freigestellt werden muß. Nach der sozialen Auswahl gemäß beiliegender Aufstellung müssen wir das Arbeitsverhältnis mit Herrn Backhaus kündigen."

2

Der Betriebsrat widersprach der vorgesehenen Kündigung mit Hinweis darauf, daß der Kläger den durch den Vorruhestand des Herrn Klein freigewordenen Arbeitsplatz in der Expedition einnehmen könne; dazu sei er bereit. Danach kündigte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 14. November 1988 zum 31. Dezember 1988. In einem Begleitschreiben teilte sie dem Kläger mit, daß der früher von Herrn Klein eingenommene Arbeitsplatz nicht neu besetzt werde, daß aber in nächster Zeit mit Herrn Zinn über die Möglichkeit einer Vertragsauflösung gesprochen werden solle und der dann evtl. freiwerdende Arbeitsplatz durch ihn, den Kläger, besetzt werden könne.

3

Der Kläger hat mit seiner am 25. November 1988 bei dem Arbeitsgericht eingereichten Klage geltend gemacht, daß die Kündigung sozial nicht gerechtfertigt sei, und seine Weiterbeschäftigung verlangt. Die Beklagte ist durch Teil-Urteil vom 12. Januar 1989 zur Weiterbeschäftigung des Klägers verurteilt worden. Der Kläger beantragt nun noch,

4

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 14. November 1988 nicht aufgelöst worden sei.

5

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

6

Die Beklagte vertritt den Standpunkt, daß die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse gerechtfertigt sei, da der bisherige Arbeitsplatz des Klägers weggefallen sei und für eine Wiederbesetzung des früher von dem Arbeitnehmer Klein eingenommenen Arbeitsplatz kein Bedürfnis bestehe.

7

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf deren Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

8

Die Klage ist begründet.

9

Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die von der Beklagten im Schreiben vom 14. November 1988 ausgesprochene Kündigung nicht aufgelöst worden. Diese Kündigung ist sozial nicht gerechtfertigt und deshalb unwirksam (§ 1 Abs. 1 KSchG).

10

Eine Kündigung ist insbesondere dann sozial ungerechtfertigt, wenn in Betrieben des privaten Rechts der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann und der Betriebsrat aus einem dieser Gründe der Kündigung schriftlich widersprochen hat; das gilt auch dann, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis dazu erklärt hat (§ 1 Abs. 2 Satz 2 und 3 KSchG). Der Arbeitgeber hat die Tatsachen darzulegen und zu beweisen, die die Kündigung bedingen (§ 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG).

11

Nach der Darstellung des Betriebsrats, die sich der Kläger zu eigen macht, ist seine Weiterbeschäftigung unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich, nämlich auf dem Arbeitsplatz in der Expedition, den bisher der Arbeitnehmer Klein eingenommen hatte. Die Beklagte wendet dagegen ein, daß diese Möglichkeit nicht bestehe. Dieser Einwand kann indessen nicht berücksichtigt werden. Zu ihm ist nämlich der Betriebsrat nicht angehört worden.

12

Kündigungsgründe und Kündigungstatsachen, die dem Arbeitgeber vor Ausspruch der Kündigung bekannt geworden sind, kann er im späteren Kündigungsschutzprozeß nur verwerten, wenn er hinsichtlich dieser Gründe vor Ausspruch der Kündigung das Anhörungsverfahren gemäß § 102 BetrVG durchgeführt hat (KR <3. Auflage 1989> - Etzel. § 102 BetrVG Randnote 185 b, 186 mit Nachweisen). Dies gilt auch bezüglich der (negativen) Tatsache, daß eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nicht möglich sei. Das ist allerdings umstritten (vgl. KR <3. Auflage 1989> - Etzel, § 102 BetrVG Randnote 62 b mit Nachweisen). Es wird dagegen eingewandt, daß in der Mitteilung, der bisherige Arbeitsplatz des Arbeitnehmers falle weg und deshalb solle gekündigt werden, bereits die Verneinung einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf einem anderen Arbeitsplatz liege. Das ist jedoch nur zum Teil richtig. Es muß unterschieden werden: wenn und solange dem Arbeitgeber kein konkreter Arbeitsplatz genannt ist, auf dem ein Arbeitnehmer, dessen bisheriger Arbeitsplatz wegfallen soll, weiterbeschäftigt werden könnte, kann man in der Mitteilung des Kündigungsgrundes "Wegfall des bisherigen Arbeitsplatzes" zugleich die Erklärung sehen, daß eine Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz nicht möglich sei. Sobald jedoch dem Arbeitgeber noch vor Ausspruch der Kündigung ein konkreter anderer Arbeitsplatz zur Weiterbeschäftigung genannt ist - sei es durch den Betriebsrat, sei es beispielsweise durch den betroffenen Arbeitnehmer selbst in einem vorangegangenen Gespräch - ist eine Unterrichtung des Betriebsrats darüber, daß und weshalb eine Weiterbeschäftigung auf dem konkret genannten Arbeitsplatz ausgeschlossen sei, geboten. In einem solchen Fall wäre nämlich die Nicht-Erwähnung der vorgeschlagenen Weiterbeschäftigungsmöglichkeit, gedeutet als Erklärung, eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf einem anderen Arbeitsplatz bestehe nicht, lediglich ein Schlagwort. Eine solche pauschale, schlagwortartige Angabe von Kündigungsgründen genügt zur Unterrichtung des Betriebsrats jedoch nicht. Das ist in ständiger Rechtssprechung anerkannt.

13

Der Beklagten war vor Ausspruch der Kündigung eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit des Klägers auf einen konkret bezeichneten Arbeitsplatz genannt. Das war durch den Widerspruch des Betriebsrats geschehen. Die Beklagte hätte, um sich auf das Nichtvorhandensein dieser Möglichkeit im Kündigungsschutzprozeß berufen zu können, zunächst das Betriebsrats-Anhörungsverfahren fortsetzen müssen und dem Betriebsrat erklären müssen, daß und weshalb sie diese Möglichkeit der Weiterbeschäftigung für nicht gegeben halte. Das aber hat die Beklagte nicht getan.

14

Die Beklagte hat als unterlegene Partei die Kosten zu tragen. Diese Entscheidung bezieht sich auch auf den durch das Teil-Urteil abgeschlossenen Teil des Prozesses. Der Streitwert war in Höhe von drei Monatslöhnen des Klägers festzusetzen. Dieser Wert umfaßt den Teilwert, der bereits im Teil-Urteil für den Weiterbeschäftigungsanspruch festgesetzt worden ist.

15

Gegen dieses Urteil kann Berufung eingelegt werden, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 800,00 DM übersteigt. Die Berufungsschrift muß von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Sie kann auch von dem Bevollmächtigten einer Gewerkschaft, einer Arbeitgebervereinigung oder eines Zusammenschlusses solcher Verbände unterzeichnet sein, wenn die Berufung für ein Mitglied eines solchen Verbandes oder Zusammenschlusses eingelegt wird. Die Berufungsschrift muß binnen einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des Urteils bei dem Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Siemensstr. 10, 3000 Hannover 1, eingegangen sein.

Streitwertbeschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 8.400,00 DM festgesetzt.