Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 09.12.1983, Az.: 6 OVG A 79/83
Auswirkungen eines Verstoßes gegen die Festsetzungen des Bebauungsplanes gem. § 30 BBauG auf die Rechtmäßigkeit der Versagung einer Baugenehmigung; Vereinbarkeit einer Fleischerei mit Schlachtbetrieb mit den in einem allgemeinen Wohngebiet zulässigen Nutzungsarten; Wahrscheinlichkeit einer Ruhestörung für ein Wohngebiet durch den Betrieb einer Fleischerei
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 09.12.1983
- Aktenzeichen
- 6 OVG A 79/83
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1983, 19007
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:1983:1209.6OVG.A79.83.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Oldenburg - 18.03.1983 - AZ: 2 OS VG A 182/81
- nachfolgend
- BVerwG - 04.05.1984 - AZ: BVerwG 4 CB 23.84
Rechtsgrundlagen
- § 30 BBauG
- § 2 Abs. 7 NBauO
- § 75 Abs. 1 NBauO
- § 4 Abs. 1 BauNVO
Verfahrensgegenstand
Nutzungsänderung
Der 6. Senat des Oberverwaltungsgerichts für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein in Lüneburg hat
auf die mündliche Verhandlung vom 9. Dezember 1983
in xxx
durch
den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Lemmel,
den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Jenke und
den Richter am Verwaltungsgericht Schmidt-Vogt sowie
die ehrenamtliche Richterin xxx und
den ehrenamtlichen Richter xxx
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg - 2. Kammer Osnabrück - vom 18. März 1983 teilweise geändert.
Die Klage wird in vollem Umfang abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtliche Kosten der Beigeladenen trägt der Kläger.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger begehrt die Genehmigung, die auf seinem Grundstück vorhandenen Arbeits- und Kühlräume eines Nebengebäudes für Schlachtungen nutzen zu dürfen.
Der Kläger ist Eigentümer des 1.534 qm großen Grundstücks xxx in xxx. Das Grundstück liegt innerhalb des Geltungsbereiches des Bebauungsplanes Nr. xxx der beigeladenen Gemeinde xxx. Dieser setzt es, ebenso wie die übrigen innerhalb des Plangebiets liegenden Grundstücke am xxx, als allgemeines Wohngebiet fest. Nordöstlich an diese Grundstücke grenzt ein als "Grünfläche, Parkanlage" ausgewiesenes Gelände von etwa 100 m x 250 m Größe. An die nordwestliche Schmalseite der Grünfläche grenzt auf einem kleineren Abschnitt ein Mischgebiet. Nach Norden schließt eine als Gemeinbedarfsfläche für Krankenhaus festgesetzte Fläche, auf der sich ein Alten- und Pflegeheim befindet, und ein weiteres allgemeines Wohngebiet südlich der xxx Straße sowie Gemeinbedarfsflächen für Kirche, Kindergarten und Jugendheim und ein allgemeines Wohngebiet östlich der Grünfläche an. An der Südostseite des Grundstücks des Klägers ist eine 4 m breite öffentliche Verkehrsfläche vom xxx tief in Richtung Grünfläche festgesetzt; sie wird beidseitig durch eine jeweils 5 bis 10 m breite Grünfläche eingeschlossen, die in die anschließende größere Grünfläche übergeht. Der Weg mündet in Fuß- und Radwege, die hinter den bebauten Grundstücken am xxxweg nach Norden und Südosten innerhalb der Grünfläche verlaufen. Südlich der Einmündung dieses Stichweges in den xxxweg ist diese Straße auf beiden Seiten als allgemeines Wohngebiet festgesetzt, nördlich davon endet die Plangrenze auf der Westseite des xxxweges. An die Südwestseite des Gebietes des Bebauungsplanes "Gemeindezentrum" grenzt der Geltungsbereich des Bebauungsplanes "xxx" an. Er setzt die Fläche gegenüber dem Hause des Klägers ebenfalls als allgemeines Wohngebiet fest; hier steht ein Wohnhaus (xxxweg Nr. xxx. Die nach Norden anschließende (Süd-) Westseite des xxxweges ist unbebaut. In 300 m Entfernung vom Grundstück des Klägers liegt die Hofstelle eines landwirtschaftlichen Betriebes, dessen Weidefläche bis auf etwa 50 m an das Grundstück des Klägers heranreicht. Einige 100 m südlich liegt hinter einem Wohngebiet das Freibad.
Der Kläger errichtete auf seinem Grundstück mit Baugenehmigung aus dem Jahre 1960 ein Einfamilienwohnhaus. Im Jahre 1969 wurde ein Fleischerladen und eine Doppelgarage auf der nordwestlichen Seite des Hauses genehmigt und gebaut. Mit Bauschein vom 11. Juli 1978 genehmigte der Beklagte ferner den "Anbau eines Arbeits- und Kühlraumes". Dabei handelt es sich um ein freistehendes, etwa 26 m x 9 m großes Nebengebäude im südöstlichen Grundstücksbereich, in das eine vorhandene Garage nach teilweisem Umbau mit einbezogen war. Das Gebäude enthält einen rd. 100 qm großen "Arbeitsraum"; mit Grünstift ist in der genehmigten Bauzeichnung "ohne Schlachten" eingetragen. Mit Bauschein vom 19. Oktober 1978 wurde schließlich als Nachtrag zum Bauschein vom 11. Juli 1978 eine rd. 48 qm große Garage als Anbau an das Arbeits- und Kühlhausgebäude genehmigt. Die Baugenehmigung enthält die Nebenbestimmung, daß die Garage nicht für gewerbliche Zwecke genutzt werden dürfe. In den Neubauräumen dürfe wegen der im Bebauungsplan festgesetzten Art der baulichen Nutzung nicht geschlachtet werden. Der Kläger hat diese Genehmigungen nicht angefochten und die genehmigten Baumaßnahmen ausgeführt. Allerdings ist auch die "Garage" als Arbeitsraum ausgestaltet.
Anfang 1979 wurde bekannt, daß der Kläger auf seinem Grundstück Schlachtungen durchführte. Mit Verfügung vom 16. Mai 1979 untersagte der Beklagte dem Kläger, in den Arbeits- und Kühlräumen zu schlachten. Ein Zwangsgeld von 300,-- DM wurde angedroht. Zur Begründung wurde auf die unanfechtbaren Genehmigungen vom 11. Juli und vom 19. Oktober 1978 verwiesen.
Der Kläger legte Widerspruch ein. Mit Schreiben vom 23. Mai 1979 beantragte er ferner, ihm unter Abänderung der genannten Bauscheine zu gestatten, die auf seinem Grundstück errichteten Arbeits-und Kühlräume für Schlachtungen zu nutzen. Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 12. Dezember 1979 ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, daß die Schlachterei des Klägers einen störenden Betrieb darstelle, der nach §§ 4, 15 BauNVO in dem festgesetzten allgemeinen Wohngebiet nicht zulässig sei. Auch gegen diese Verfügung legte der Kläger Widerspruch ein. Mit Bescheid vom 20. März 1981 wies die Bezirksregierung xxx beide Widersprüche als unbegründet zurück.
Mit der Klage hat der Kläger geltend gemacht: Er habe einen Rechtsanspruch darauf, auf seinem Grundstück schlachten zu dürfen. Es könne dahinstehen, ob ein Fleischereibetrieb, in dem Schlachtungen durchgeführt würden, ein nicht störender Handwerksbetrieb im Sinne von § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO sei. Denn jedenfalls müsse ihm das Schlachten nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO im Wege des Dispenses gestattet werden. Erforderlichen Auflagen zur Reduzierung von Lärm- und Geruchsbelästigungen würde er selbstverständlich nachkommen. Nach den örtlichen Gegebenheiten beständen keine Bedenken gegen Schlachtungen auf seinem Grundstück. Da das Grundstück im Norden und Osten an eine Grünfläche grenze, seien dort Nachbarstörungen nicht zu befürchten. Der xxxweg selbst sei nur locker bebaut. Mögliche Störungen des westlichen Nachbarn könnten durch Auflagen verhindert werden. Irgendwelche Beschwerden aus der Nachbarschaft seien bisher nicht bekanntgeworden. Das Krankenhaus liege so weit von seinem Grundstück entfernt, daß dort keine Beeinträchtigungen auftreten könnten. Im übrigen würden auf dem Krankenhausgelände Schweine gehalten. Das Krankenhaus liege ferner an der vielbefahrenen xxx Straße. Zu berücksichtigen sei auch, daß er nur einmal wöchentlich für den eigenen Bedarf seines Fleischereigeschäftes schlachte. Geschlachtet würden im Durchschnitt etwa 25 Schweine und ein bis zwei Rinder. Die Schlachtungen dauerten etwa zwei bis drei Stunden. Das Schlachtvieh werde von Bauern aus der Umgebung angefahren. Es kämen jeweils drei bis vier Transporte. Die Fahrzeuge würden in der Garage entladen. Dort würden die Tiere gewogen und dann über eine Entfernung von 2 m über den Hof in den Arbeitsraum getrieben, wo sie elektrisch getötet würden. In drei Konkurrenzbetrieben in xxx werde in vergleichbarer Lage ebenfalls geschlachtet. Er - der Kläger - sei auf Dauer nicht konkurrenzfähig, wenn ihm nicht dasselbe Recht zugestanden würde. In 50 bis 70 m Entfernung sei der landwirtschaftliche Betrieb xxx auf dem eine intensive Hühnerhaltung und eine Schweinezucht betrieben werde. Daraus ergebe sich eine erhebliche Umweltbelastung für das angrenzende Wohngebiet.
Der Kläger hat beatragt,
die Bescheide des Beklagten vom 16. Mai 1979 und vom 12. Dezember 1979 sowie den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung xxx vom 20. März 1981 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, das Schlachten im Betriebe des Klägers antragsgemäß zu gestatten.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat ausgeführt: Die Bauscheine vom 11. Juli und vom 19. Oktober 1978 seien mit allen Nebenbestimmungen unanfechtbar geworden. Die Schlachterei des Klägers sei ein in einem Wohngebiet störender Betrieb. Der Betrieb eines Schlachthauses mit den sich notwendigerweise ergebenden Lärm- und Geruchsbelästigungen würde in dieser Wohnlage eine Belästigung der Nachbarschaft darstellen. So müßten die zu schlachtenden Tiere in Lastwagen, Traktoren mit Anhängern und ähnlichen Transportmitteln angeliefert und ausgeladen werden. Dies sei mit einer über die zulässigen Immissionswerte für allgemeine Wohngebiete hinausgehenden Lärm- und Geruchsbelästigung verbunden. Diese Immissionen ließen sich auch nicht durch gezielte Maßnahmen verhindern. Eine Befreiung komme nicht in Betracht. Die Qualifizierung des Gebietes als allgemeines Wohngebiet ziele gerade darauf ab, störende Betriebe fernzuhalten.
Die beigeladene Gemeinde, hat den Beklagten unterstützt, ohne einen eigenen Antrag zu stellen.
Mit Urteil vom 18. März 1983 hat das Verwaltungsgericht den Beklagten verpflichtet, im Hinblick auf die beantragte Nutzungsänderung den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes neu zu bescheiden. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Das Nutzungsverbot sei rechtmäßig, weil der Kläger durch das Schlachten gegen die bestandskräftigen Auflagen in den Bauscheinen vom 11. Juli 1978 und vom 19. Oktober 1978 verstoßen habe. Dagegen sei die Ablehnung des Antrages auf Nutzungsänderung rechtswidrig. Zwar sei die Nutzungsänderung genehmigungsbedürftig. Ihr ständen aber bauplanungsrechtliche Gesichtspunkte nicht entgegen. Es könne dahinstehen, ob ein Fleischereibetrieb, in dem geschlachtet werde, generell als störender Handwerksbetrieb im Sinne von § 4 Abs. 2 BauNVO einzustufen sei. Denn in dem Betrieb sei aufgrund sei besonderen Lage ein Schlachten zulässig. Der Betrieb liege am Rande des Geltungsbereiches des Bebauungsplanes. Von dem außerhalb des Plangebietes liegenden landwirtschaftlichen Betrieb mit Schweinemast und Hühnerhaltung gingen Emissionen aus, die auf das angrenzende allgemeine Wohngebiet einwirkten. In Anbetracht dieser Vorbelastung und des Umstandes, daß die Fleischerei nach Norden und Osten von einer Grünzone umgeben sei, die bei etwaigen Emissionen durch das Schlachten als "Puffer" wirke, sei es gerechtfertigt, dem Kläger das Schlachten zu gestatten. Das Schlachten sei zeitlich eng begrenzt. Der Andienverkehr sei mit keinen beachtenswerten Störungen verbunden. Diese ganz geringen Störungen müßten aufgrund der besonderen Lage des Betriebes von den Anliegern hingenommen werden. Dem Verpflichtungsantrag könne allerdings nur eingeschränkt stattgegeben werden, weil die Sache nicht spruchreif sei. Es fehle noch eine bauordnungsrechtliche Überprüfung.
Gegen das ihm am 11. Mai 1983 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 6. Juni 1983 Berufung eingelegt. Er macht geltend: Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts spiele die Randlage des Betriebes des Klägers für § 4 BauNVO keine Rolle. Das Interesse der Allgemeinheit an einer geordneten städtebaulichen Entwicklung und das Interesse der Bewohner an der Verhinderung des Eindringens wesensfremder und störender Nutzungen sei an allen Stellen eines allgemeinen Wohngebietes gleich. Andernfalls bestände die Gefahr, daß die Randzone eines Gebietes in ihrem Charakter verwässert würde. Auch der landwirtschaftliche Betrieb mit Hühnerhaltung und Schweinemast außerhalb des Plangebietes habe auf die Schlachterei des Klägers keine Auswirkungen. Dieser landwirtschaftliche Betrieb sei über 300 m entfernt; seine Immissionen in das allgemeine Wohngebiet seien deshalb - wenn überhaupt - gering. Aus einem unbeplanten Gebiet ausufernde Immissionen könnten nicht eine neue Immissionsquelle im allgemeinen Wohngebiet rechtfertigen. Letztlich würde so ein nicht wünschenswerter Zustand weiter verfestigt. Die nördlich und östlich des Grundstücks des Klägers liegende Grünzone könne nicht als Pufferzone angesehen werden. Denn es handele sich um den mit öffentlichen Mittel geförderten Kurpark des Luftkurortes xxx. Er diene der Rekonvaleszenz der Kurgäste und der Naherholung der übrigen Bewohner. Im übrigen besitze er die Pufferfunktion nicht. Das laute Quicken der in Todesangst befindlichen Schweine sei im Alten- und Pflegeheim und in mehreren nordöstlich gelegenen Arztpraxen zu hören. Das Schlachten in dem Betrieb des Klägers mache diesen zu einem störenden Handwerksbetrieb im Sinne von § 4 Abs. 2 BauNVO; seine Unzulässigkeit folge auch aus § 15 BauNVO.
Der Beklagte beantragt,
unter teilweiser Änderung des angefochtenen Urteils die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil und führt ergänzend aus: Die Frage der störenden Nutzung müsse im konkreten Einzelfall an Hand der örtlichen Gegebenheiten und unter Berücksichtigung etwaiger sonstiger vorhandener Immissionsträger beurteilt werden. Sein Betrieb stelle keinen Fremdkörper dar. Etwa 100 m entfernt in südlicher Richtung beginne eine geschlossene Wohnbebauung, an deren südlichem Rande, etwa 200 m entfernt, das öffentliche Freibad der Gemeinde xxx liege. Von ihm gingen in den Sommermonaten erhebliche Lärmimmissionen aus. Zu berücksichtigen sei ferner der nur 100 m westlich innerhalb eines Wohngebietes liegende landwirtschaftliche Betrieb, dessen Schweineweide bis an den xxxweg schräg gegenüber von seinem - des Klägers - Grundstück reiche. In südwestlicher Richtung sei 250 bis 300 m entfernt ein größerer Tischlereibetrieb vorhanden. Nördlich des Alten- und Pflegeheims befinde sich das Schulzentrum, von dem wesentlich größere Lärmimmissionen ausgingen als von der Schlachterei. Die festgesetzte Grünfläche sei kein Kurpark, sondern eine mehr oder weniger gepflegte Wiese mit einem Fußweg. Sie diene nicht der Erholung, sondern als Abkürzung zur katholischen Kirche. Am nordöstlichen Rande der Grünzone befinde sich im übrigen sogar ein größerer Schlachtereibetrieb. Wenn der Gemeindedirektor der beigeladenen Gemeinde Schweinequicken gehört habe, so müsse es sich um Schweine gehandelt haben, die in diesem Konkurrenzbetrieb geschlachtet worden seien, weil dieser näher an den Arztpraxen liege. Einen zweiten Betrieb in xxx besitze er - der Kläger - nicht. Er unterhalte lediglich einmal wöchentlich einen Verkaufsstand auf dem xxx Markt.
Die beigeladene Gemeinde unterstützt den Beklagten, ohne einen eigenen Antrag zu stellen. Sie macht geltend, sie habe der Überschreitung der Baulinien durch den Neubau des Nebengebäudes nur unter der Bedingung zugestimmt, daß er nicht zum Schlachten benutzt werde. Der Kläger schlachte im übrigen nicht nur zur Versorgung des Gebietes, in dem sich sein Laden befinde. Die Schlachterei widerspreche den Planungsabsichten der Gemeinde. Der Kurgarten grenze an das Alten- und Pflegeheim "Annastift", mehrere Arztpraxen, den Kindergarten xxx und an reine Wohnbebauung. Eine Schlachterei sei hier deshalb ein störendes Element. Die Viehhaltung des außerhalb des Plangebietes liegenden landwirtschaftlichen Betriebes sei nach Süden hin orientiert; von ihm gingen keine Störungen für den Planbereich aus.
Auch die beigeladene Bezirksregierung schließt sich den Ausführungen des Beklagten ohne eigene Anträge an. Sie ist der Auffassung, es müsse von einer typisierenden Betrachtungsweise ausgegangen werden. Von einer Fleischerei mit Schlachtbetrieb gingen typischerweise Störungen aus, die in einem allgemeinen Wohngebiet unvereinbar seien. Der Betrieb des Klägers sei aber auch wegen der besonderen umstände des Einzelfalles, nämlich wegen der Nachbarschaft von Wohnhausgrundstücken und des Kurparks, unzulässig.
Der Senat hat die Örtlichkeit besichtigt. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift vom 9. Dezember 1983 verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und den der Verwaltungsvorgänge des Beklagten und der beigeladenen Bezirksregierung sowie auf den Bebauungsplan Nr. xxx "xxx" der beigeladenen Gemeinde Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung ist begründet. Soweit das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben hat, ist das angefochtene Urteil zu ändern. Die Klage ist in vollem Umfang abzuweisen, weil sie auch hinsichtlich des Antrages auf Genehmigung der Nutzungsänderung unbegründet ist. Der Beklagte hat den Antrag auf Nutzungsänderung für das Nebengebäude zu Recht abgelehnt, weil der Kläger keinen Anspruch auf die beantragte Genehmigung hat.
Nach § 75 Abs. 1 NBauO ist eine Baugenehmigung nur zu erteilen, wenn die Baumaßnahme dem öffentlichen Baurecht entspricht. Eine Baumaßnahme ist nach § 2 Abs. 7 NBauO auch die Änderung der Benutzung einer baulichen Anlage. Es kommt demgemäß darauf an, ob das Schlachten in dem Nebengebäude des Klägers dem öffentlichen Baurecht entspricht. Da das Grundstück des Klägers im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes liegt, wäre die beantragte Nutzung nur zulässig, wenn sie den Festsetzungen des Bebauungsplanes nicht widersprechen würde (§ 30 BBauG). Das ist jedoch der Fall.
Das Grundstück des Klägers ist im Bebauungsplan Nr. xxx der beigeladenen Gemeinde xxx vom 23. März 1970 als allgemeines Wohngebiet festgesetzt. Allgemeine Wohngebiete dienen vorwiegend dem Wohnen (§ 4 Abs. 1 BauNVO). Zulässig sind allerdings auch die der Versorgung des Gebietes dienenden Läden sowie nicht störende Handwerksbetriebe (§ 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO). Ausnahmsweise können sogar sonstige nicht störende Gewerbebetriebe zugelassen werden. (§ 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO). Mit diesen regelmäßig oder wenigstens ausnahmsweise in einem allgemeinen Wohngebiet zulässigen Nutzungsarten ist jedoch eine Fleischerei mit Schlachtbetrieb nicht vereinbar. Denn die Störungen, die von einer auch nur handwerksmäßig betriebenen Schlachterei ausgehen, widersprechen dem Charakter eines Gebietes, das vorwiegend dem Wohnen dient. Die Festsetzung eines allgemeinen Wohngebietes soll in erster Linie die Wohnruhe sichern. Handwerks- und (ausnahmsweise) sonstige Gewerbebetriebe sind nur zulässig, soweit es sich bei ihnen nicht um störende Betriebe handelt. Von einem Schlachtereibetrieb gehen jedoch zwangsläufig Störungen der Wohnruhe aus. Dabei kommt es nicht einmal entscheidend auf die Stärke der Lärm- und Geruchsimmissionen an. Wesentlich ist vielmehr die Art dieser Immissionen. Die Anlieferung lebender Tiere auf Transportfahrzeugen ist regelmäßig mit Lärm verbunden. Zu dem Fahrzeuglärm, der - für sich genommmen - in einem allgemeinen Wohngebiet regelmäßig hingenommen werden müßte, kommt der Lärm hinzu, der beim Entladen der Fahrzeuge und bei der Vorbereitung des Schlachtens entsteht. Regelmäßig sind die Tiere verängstigt und sehr unruhig. Vor allem Schweine sind weithin zu hören. In einem Wohngebiet muß deshalb der Schlachtbetrieb von den Bewohnern - Erwachsenen und Kindern - unbedingt wahrgenommen werden (so schon OVG Lüneburg, Urt. v. 24.8.1962 - I OVG A 64/62-, BlGBW 1963, 110 = BBauBl 1963, 78). Hierin liegt eine Belästigung der Bewohner des Wohngebietes, die unzumutbar ist. In der Literatur und Rechtsprechung wird daher die Zulässigkeit von Fleischereien mit Schlachtbetrieb in reinen und allgemeinen Wohngebieten übereinstimmend verneint (Gelzer, Bauplanungsrecht, 3. Aufl. 1979, RdNr. 577; Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauNVO, § 4 RdNr. 16; Fickert/Fieseler, BauNVO, 4. Aufl. 1979, § 3 RdNr. 30; Bünermann/Streeck, Immissionsschutz im Baurecht, 1966, S. 22; OVG Lüneburg, a.a.O.; OVG Münster, Urt. v. 14.10.1963 - VII A 368/63 -, zitiert nach Bielenberg, a.a.O.). Dieser Auffassung schließt sich der Senat an.
Hinzu kommt, daß sich die Belästigungen selbst dann, wenn Schweine und Rinder jeweils nur wöchentlich einmal geschlachtet werden, nicht auf einen unerheblichen Zeitraum beschränken lassen. Der Kläger hat selbst eine Schlachtzeit von zwei bis drei Stunden angegeben. Das bedeutet, daß mit dem psychisch belastenden Lärm des Schlachtbetriebes immerhin an zwei Wochentagen während eines guten halben Vormittages gerechnet werden muß. Tatsächlich kann der Zeitraum zwischen der Anlieferung der Tiere und deren Tötung in Einzelfällen sogar noch länger dauern. Nach § 1 Abs. 1 des Fleischbeschaugesetzes unterliegen Schlachttiere vor und nach der Schlachtung einer amtlichen Untersuchung. Die Schlachttierbeschau kann nicht nur zu einem Verbot der Schlachtung führen; vielmehr hat der Beschauer bei Tieren, die vom Transport erhitzt, stark aufgeregt oder auffällig ermüdet sind, einen Aufschub der Schlachtung bis zur erfolgten Abkühlung oder Erholung der Tiere anzuordnen; besteht der begründete Verdacht, daß Tiere unter der Einwirkung von Beruhigungsmitteln stehen, hat der Beschauer einen Aufschub der Schlachtung von 24 Stunden anzuordnen (§ 6 Abs. 1 bis 3 der Ausführungsbestimmungen A über die Untersuchung und gesundheitspolizeiliche Behandlung der Schlachttiere und des Fleisches bei Schlachtungen im Inland). Daraus folgt, daß mit einer längeren Verweildauer der Tiere auf dem Schlachthausgelände zumindest in Einzelfällen zu rechnen ist; demgemäß gehört zu einem Schlachthaus regelmäßig auch ein Stallgebäude, in dem die Schlachttiere vorübergehend untergebracht werden können. Ställe für Großtiere sind jedoch in einem allgemeinen Wohngebiet ebenfalls nicht zulässig.
Zu Unrecht hat das Verwaltungsgericht die Auffassung vertreten, es könne dahinstehen, ob ein Fleischereibetrieb, in dem geschlachtet werde, generell als störender Handwerksbetrieb im Sinne dieser Vorschrift einzustufen sei, weil sich die Zulässigkeit des Betriebes des Klägers jedenfalls aus seiner besonderen Lage ergebe. Auf die Örtlichen Gegebenheiten kommt es nicht an, weil im vorliegenden Fall nicht zu prüfen ist, ob der Betrieb des Klägers innerhalb der tatsächlich vorhandenen Umgebung nicht stört, sondern ob ein nicht störender Handwerksbetrieb im Sinne von § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO ist. Denn das Grundstück des Klägers liegt in einem beplanten Gebiet. Die Frage ist allein nach den Festsetzungen des Bebauungsplanes Nr. xxx der beigeladenen Gemeinde in Verbindung mit den Vorschriften der Baunutzungsverordnung zu beantworten. Für die Auslegung dieser Rechtsnormen sind die örtlichen Gegebenheiten ohne Bedeutung, weil das Planungsrecht nicht zwischen dörflichen und städtischen oder zwischen ruhigen und immissionsbelasteten allgemeinen Wohngebieten unterscheidet. Im vorliegenden Fall hat die beigeladene Gemeinde von ihrem Recht, die bauliche Nutzung der Grundstücke in der Gemeinde durch Aufstellung eines Bebauungsplanes zu regeln, Gebrauch gemacht. Sie hat sich dafür entschieden, das Grundstück des Klägers als allgemeines Wohngebiet festzusetzen. Aus der Konzeption des Bebauungsplanes Nr. xxx "xxx" und des angrenzenden Bebauungsplanes xxx der beigeladenen Gemeinde ergibt sich ferner, daß auch der Umgebung des Grundstücks entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts eine besondere Schutzwürdigkeit zukommt. Der Bebauungsplan Nr. xxx ist so konzipiert, daß Krankenhaus (Alten- und Pflegestation), Kindergärten und Jugendheim zusammen mit Wohnhäusern um eine Parkfläche herum angeordnet sind. Auch wenn diese Grünfläche zur Zeit nicht die Qualität eines Kurparks erreicht, so hat die Gemeinde mit dem Bebauungsplan aber jedenfalls deutlich gemacht, daß sie in einem Bereich, der vornehmlich dem Wohnen sowie dem Aufenthalt von alten Menschen und Kindern dienen soll, eine Ruhe- und Erholungszone schaffen will. Aus diesem Grunde kann die Grünfläche in der Tat nicht als Pufferzone angesehen werden; vielmehr muß sie gerade selbst vor Immissionen geschützt werden, um die ihr zugedachte Aufgabe erfüllen zu können. Wollte man aus der tatsächlichen Nutzung der Umgebung des Plangebietes Folgerungen ziehen, so würde man den Planungswillen der Gemeinde verfälschen. Auf die vorhandene Bebauung käme es gemäß § 34 BBauG nur dann an, wenn ein Bebauungsplan nach § 30 BBauG fehlen würde. Die Umstände des Einzelfalles können erst bei der Subsumtion des Sachverhaltes unter die Norm eine Rolle spielen.
Wenn demgemäß bauliche Anlagen, die dem Schlachten dienen, in allgemeinen Wohngebieten grundsätzlich unzulässig sind, so könnte hier allenfalls dann etwas anderes gelten, wenn der Betrieb des Klägers nicht dem typischen Bild einer Schlachterei entsprechen würde und deshalb ausnahmsweise Störungen für die Umgebung nicht zu erwarten wären (vgl. BVerwG, Urt. v. 7.5.1971 - IV C 76.68 -, DVBl 1971, 759 (762)). Eine solche atypische Fallgestaltung ist hier jedoch nicht gegeben. Aus dem Rahmen der allein interesssierenden handwerklich geführten Schlachtereien - Anlagen zum Schlachten von Tieren, in denen nicht nur in handwerklichem Umfang geschlachtet wird, sind nach § 2 Nr. 46 der 4. BImSchV einem Genehmigungsverfahren nach den §§ 8 bis 15 BImSchG unterstellt und kommen schon deshalb in einem Wohngebiet nicht in Betracht - fällt der Betrieb des Klägers nicht heraus. Er schlachtet in seinem Betrieb in dem Umfang, der zur Versorgung seines Fleischereiladens und des wöchentlich einmal beschickten Marktstandes in xxx erforderlich ist. Hierzu beschäftigt er zwei bis drei Mitarbeiter. Damit entspricht sein Betrieb einem typischen handwerklichen Fleischereibetrieb. Der Betrieb weist ferner keine besonderen baulichen Anlagen auf, die - unter Abweichung vom typischen Schlachtbetrieb - einen besonderen Schutz der Umgebung vor Immissionen schaffen.
Der Frage, ob die Nachbargrundstücke im allgemeinen Wohngebiet durch andere Lärm- und Geruchsquellen bereits vorbelastet sind, käme nur dann eine Bedeutung zu, wenn von den Störquellen in der Nachbarschaft derartige Immissionen ausgehen würden, daß die Festsetzungen im Bebauungsplan nicht verwirklicht werden könnten und deshalb obsolet wären. Dafür gibt es jedoch keinerlei Anhaltspunkte. Es mag sein, daß von dem westlich angrenzenden landwirtschaftlichen Betrieb Geruchsimmissionen auf die bebauten Grundstücke am xxxweg ausgehen. Diese Immissionen sind jedoch nicht derartig, daß sie die Festsetzung des allgemeinen Wohngebietes in Frage stellen könnten. Dies gilt erst recht für das noch weiter entfernte Freibad.
Zu Unrecht meint der Kläger ferner, ihm müsse ein Dispens von den Festsetzungen des Bebauungsplanes erteilt werden. Auf § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO berufter sich zu unrecht, weil nach dieser Vorschrift nur nicht störende Gewerbebetriebe zugelassen werden können. Eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BBauG kommt nicht in Betracht, weil das Schlachten auf dem Grundstück des Klägers wegen der damit verbundenen Störungen mit den öffentlichen Belangen nicht vereinbar ist. Schließlich ist dem Kläger auch nicht deshalb die beantragte Nutzungsänderungsgenehmigung zu erteilen, weil Konkurrenzbetriebe auf ihren Betriebsgrundstücken in xxx schlachten dürfen. Denn diese Betriebe liegen nicht in einem allgemeinen Wohngebiet. Selbst wenn den Konkurrenten das Schlachten auf ihren Grundstücken zu Unrecht genehmigt worden wäre, könnte der Kläger daraus keine Rechte herleiten. Denn er könnte nicht verlangen, daß der Beklagte eine rechtswidrige Genehmigung erteilt, nur weil er möglicherweise in der Vergangenheit in anderen Fällen ebenfalls rechtswidrig gehandelt hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen der §§ 137, 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
Streitwertbeschluss:
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 10.000,-- DM (i.W.: zehntausend Deutsche Mark) festgesetzt.
Rechtsmittelbelehrung
Die Nichtzulassung der Revision kann innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule (§ 67 Abs. 1 VwGO) beim
Oberverwaltungsgericht für die Länder
Niedersachsen und Schleswig-Holstein
selbständig durch eine noch innerhalb derselben Frist zu begründende Beschwerde angefochten werden (§ 132 VwGO).
...
Dr. Jenke
Schmidt-Vogt