Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 05.11.2001, Az.: 1 WF 179/01

Abänderungsantrag; Abänderungsbegrenzung; Abänderungsbeschluß; Abänderungsumfang; Abänderungsverfahren; aktuelle Stufe; Alttitel; Alttitelabänderung; Antragszeitpunkt; Betragsfestsetzung; erreichte Altersstufe; Kindesalter; Kindesunterhalt; Minderjährigenunterhalt; Nichtbegrenzung; nächsthöhere Stufe; Regelbetragsunterhalt; Titelabänderung; Unterhaltsanspruch; Unterhaltsfestsetzung; Unterhaltstitel; vereinfachtes Verfahren; zukünftige Stufe

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
05.11.2001
Aktenzeichen
1 WF 179/01
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2001, 40249
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
AG - 19.04.2001 - AZ: 13 FH 87/00

Tenor:

Auf die als sofortige Beschwerde anzusehende Erinnerung der Antragstellerin vom 31. Mai 2001 wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - G. vom 19. April 2001 teilweise abgeändert und der vor dem Amtsgericht - Familiengericht - S. abgeschlossene Vergleich vom 14. Dezember 1993 (Gesch.-Nr. 34 F 315/93) in Ziffer 1. dahin abgeändert, dass der Antragsgegner an die Antragstellerin ab 01. Januar 2001 einen monatlichen Regelunterhalt von 100% des Regelbetrages der jeweiligen Altersstufe gemäß § 1 der jeweils geltenden Regelbetragsverordnung zu zahlen hat und das hälftige Kindergeld nur insoweit anzurechnen ist, als es zusammen mit dem Unterhalt 135% des Regelbetrages übersteigt.

Der zu zahlende Kindesunterhalt beträgt daher:

- vom 01. Januar 2001 bis 30. Juni 2001 100% des Regelbetrages der 2. Altersstufe nach § 1 der jeweiligen Regelbetragsverordnung. Auf den Unterhalt ist das halbe Kindergeld für ein erstes Kind anzurechnen, soweit dieses zusammen mit dem Unterhalt 135% des Regelbetrages (431,00 DM) übersteigt, also 0,00 DM;

- vom 01. Juli 2001 bis 31. März 2003 100% des Regelbetrages der 2. Altersstufe nach § 1 der jeweiligen Regelbetragsverordnung. Auf den Unterhalt ist das halbe Kindergeld für ein erstes Kind anzurechnen, soweit dieses zusammen mit dem Unterhalt 135% des Regelbetrages (zur Zeit: 465,00 DM) übersteigt, also derzeit 0,00 DM;

- ab 1. April 2003 100 % des Regelbetrages der 3. Altersstufe nach § 1 der jeweiligen Regelbetragsverordnung. Auf den Unterhalt ist das halbe Kindergeld für ein erstes Kind anzurechnen, soweit dieses zusammen mit dem Unterhalt 135% des Regelbetrages (zur Zeit: 574,00 DM) übersteigt, also derzeit 0,00 DM.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Beschwerdewert wird auf 1.308,00 DM festgesetzt.

Gründe

1

Der Antragsgegner ist der Vater der jetzt 10 Jahre alten Antragstellerin. Durch vor dem Amtsgericht - Familiengericht - S. abgeschlossenen Prozessvergleich vom 14. Dezember 1993 hat sich der Antragsgegner verpflichtet, für die Zeit ab Januar 1994 an die Antragstellerin einen Kindesunterhalt von monatlich 256,00 DM zu zahlen, wobei als Vergleichsgrundlage die Einstufung des Antragsgegners in Einkommensgruppe I der Düsseldorfer Tabelle und die hälftige Anrechnung des Kindergeldes festgelegt worden sind.

2

Auf Antrag der Antragstellerin vom 18. Dezember 2000 hat das Familiengericht G. diesen Unterhaltstitel in einen dynamisierten Titel abgeändert, indem es den titulierten Unterhaltsanspruch durch Beschluss vom 19. April 2001 in einen entsprechenden Prozentsatz der Regelbetragsverordnung nach § 1612 a BGB unter Abzug der anzurechnenden kindesbezogenen Leistungen nach § 1612 b BGB ausgedrückt hat, allerdings nur für die 2. Altersstufe der Regelbetragsverordnung, in der sich die Antragstellerin bei Antragstellung befand und noch befindet. Die beantragte zusätzliche Dynamisierung für die nächsthöhere Altersstufe 3 hat das Amtsgericht abgelehnt.

3

Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit der als sofortige Beschwerde anzusehenden Erinnerung vom 31. Mai 2001.

4

Die Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig (§ 652 ZPO i.V.m. Art. 5 § 3 Abs. 2 KindUG) und begründet.

5

Die Antragstellerin beanstandet zu Recht die vom Familiengericht vorgenommene Begrenzung des Kindesunterhalts auf die 2. Altersstufe der Regelbetragsverordnung.

6

Das Familiengericht hält im Anschluss an die Kommentierung in Zöller/Philippi, ZPO, 21. Aufl., nach § 660 Rdz. 15, die Umrechnung des Vollstreckungstitels in Prozentsätze der Regelbeträge späterer Altersstufen für unzulässig, wenn der umzustellende Titel - wie hier - keine nach Altersstufen gestaffelte Unterhaltsrente ausweist.

7

Dem schließt sich der Senat nicht an.

8

Dem Familiengericht ist zuzugeben, dass nach dem bei Vergleichsschluss geltenden Recht eine Erhöhung des Kindesunterhalts nur durch Abänderungsklage des Kindes eintreten konnte, und bei gleichzeitiger Festsetzung des Unterhalts nach späteren Altersgruppen der Düsseldorfer Tabelle im Rahmen des vereinfachten Abänderungsverfahrens nunmehr der Unterhaltspflichtige die Abänderung des Titels verfolgen muss, wenn er nach den maßgeblichen Verhältnissen nicht mehr in der Lage ist, den sich daraus ergebenden höheren Kindesunterhalt zu leisten.

9

Dennoch ist es nach Auffassung des Senats gerechtfertigt, auch die zusätzliche Dynamisierung, die durch die nächsthöhere Altersstufe erreicht wird, im Verfahren zur Abänderung von "Alttiteln" nach Art. 5 § 3 KindUG zu erreichen.

10

Für diese weite Sicht spricht zunächst der Wortlaut der Übergangsvorschrift des Art. 5 § 3 Abs. 1 Satz 1 KindUG, wonach "Alttitel" dahin abgeändert werden können, dass die Unterhaltsrente in ..."Regelbeträge der einzelnen Altersstufen" festgesetzt wird. Eine Begrenzung auf die bei Einreichung des Änderungsantrages erreichte Altersstufe des Kindes trägt dieser Wortlaut nicht.

11

Darüber hinaus erklärt Artikel 5 § 3 Abs. 1 Satz 2 KindUG die Vorschrift des § 1612a BGB für entsprechend anwendbar, die im Absatz 3 gerade die zusätzliche Dynamisierung nach den Altersstufen der Regelbetragsverordnung festschreibt. Schließlich verfolgen die Übergangsvorschriften des Kindesunterhaltsgesetzes den Zweck, dass die Dynamisierungsvorteile des seit 1. Juli 1998 in Kraft getretenen vereinfachten Verfahrens über den Unterhalt Minderjähriger für alle Unterhaltstitel genutzt werden können, und erlaubt Art. 5 § 3 KindUG deshalb eine weitgehende Gleichstellung des Umschreibungsverfahrens mit dem vereinfachten Verfahren. Deshalb widerspricht es nach Auffassung des Senats der Zielrichtung des Gesetzgebers, wenn bei jeder Änderung der Altersstufe nur deshalb der Unterhaltstitel geändert werden müsste, weil im Titel die Staffelung des Unterhalts nach Altersstufen unterblieben ist (vgl. auch OLG Stuttgart DAVorm 1999, S. 151; OLG Dresden DAVorm 2001 S. 50).

12

Durch die gleichzeitige Dynamisierung nach Altersstufen wird der Unterhaltspflichtige nicht unzumutbar belastet. Auch unter Geltung des früheren Rechts, nach dem die Einordnung in eine höhere Altersstufe grundsätzlich der Erhebung der Abänderungsklage bedurfte, haben die Parteien die betreffenden Unterhaltstitel häufiger bereits im gütlichen Wege ohne Einschaltung der Gerichte der nächsthöheren Altersstufe angepasst und den höheren Unterhalt etwa durch Jugendamtsurkunde oder notarielle Verpflichtungserklärung titulieren lassen. Im übrigen hat der Unterhaltspflichtige in jedem Fall seine Leistungsunfähigkeit darzulegen und ggfs. zu beweisen, gleichgültig ob er oder der Unterhaltsberechtigte bei Änderung der maßgeblichen Verhältnisse mit der Erhebung der Abänderungsklage belastet ist.

13

Hiernach war der Kindesunterhalt entsprechend dem Beschlusstenor auch für die Altersstufe 3 der Regelbetragsverordnung festzusetzen.

14

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO i.V.m. Art. 5 § 4 KindUG. Der Beschwerdewert folgt aus §§ 17, 14 GKG.