Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 29.07.2004, Az.: 3 W 21/04
30%; Abänderungsanspruch; Dachbodenumbau; Dachgeschoßausbau; Grenzwert; grob unbillige Mehrbelastung; grobe Unbilligkeit; Kostenmehrbelastung; Kostenposition; Kostensteigerung; Kostenverteilungsschlüssel; Lastenverteilungsschlüssel; Miteigentumsanteil; Prozentsatz; Sondereigentümer; Teilungserklärung; Treu und Glauben; Umlageschlüssel; Wohnungseigentum; Wohnungseigentümergemeinschaft
Bibliographie
- Gericht
- OLG Braunschweig
- Datum
- 29.07.2004
- Aktenzeichen
- 3 W 21/04
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2004, 50907
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG - 30.03.2004 - AZ: 6 T 295/03
- AG - AZ: 34 II 91/02
Rechtsgrundlagen
- § 242 BGB
- § 313 BGB
- § 10 WoEigG
- § 16 WoEigG
Tenor:
Die sofortigen weiteren Beschwerden der Antragstellerin sowie der Antragsgegner zu 1. und 2. gegen den Beschluss des Landgerichts Braunschweig vom 30.03.2004 werden zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Gerichtskosten des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Der Wert für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde wird auf 3.000,00 € festgesetzt.
Gründe
I. Die Beteiligten sind neben anderen Personen Wohnungseigentümer der Gemeinschaft A-Weg 19 - 26 in Braunschweig. Die Antragstellerin begehrt die Zustimmung der Antragsgegner zu einer Änderung der Teilungserklärung, weil sie deren Verteilungsschlüssel hinsichtlich der Bewirtschaftungskosten aufgrund nachträglicher Veränderungen für unbillig hält.
Das Amtsgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 18.02.2003 zurückgewiesen (Bl. 88 ff.). Gegen diesen Beschluss, der ihr am 26.02.2003 zugestellt worden ist, hat die Antragstellerin mit einem am 12.03.2003 beim Amtsgericht eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt.
Das Landgericht hat mit Beschluss vom 30.03.2004 die Beschwerde zurückgewiesen (Bl. 152 ff.).
Auf die beiden vorgenannten Beschlüsse wird für die Darstellung der Tatsachen und Anträge der Beteiligten - auch zur Ergänzung des Sachverhalts - sowie für deren rechtlichen Bewertungen Bezug genommen.
Gegen den jeweils am 02.04.2004 zugestellten Beschluss des Landgerichts richten sich die sofortigen weiteren Beschwerden der Antragstellerin, eingegangen bei Gericht am 16.04.2004, sowie der Antragsgegner zu 1. und 2., eingegangen bei Gericht am 15.04.2004.
Zur Begründung trägt die Antragstellerin vor, das Landgericht habe gegen § 14 FGG verstoßen, indem es seiner Entscheidung zu Grunde gelegt habe, dass es sich bei den Spitzböden um keine vollwertigen Wohnflächen handele. Außerdem hätte das Landgericht von Amts wegen ermitteln müssen oder zumindest der Antragstellerin aufgeben müssen zu erklären, wie die Gewichtung zwischen Nutzflächen und Wohnflächen bei der Bemessung der Teilungserklärung berücksichtigt worden sei.
Die Miteigentumsanteile seien analog zur Wohnfläche bemessen worden. Die Antragstellerin ist der Auffassung, dass die vom Amtsgericht und vom Landgericht zitierten Entscheidungen nicht einschlägig seien. Nicht die Teilungserklärung sei unbillig. Vielmehr hätten sich nur die tatsächlichen Verhältnisse geändert und zu einer Benachteiligung der Antragstellerin geführt, was nach Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage zu einem Anspruch führe, den Kostenverteilungsschlüssel neu festzusetzen. Deshalb reiche es aus, dass die Antragsgegner um rund 30 Prozent im Verhältnis zur Antragstellerin begünstigt würden.
Der Anspruch sei auch nicht verwirkt, weil die Antragstellerin erst 1993 Kenntnis von der nachträglichen Umwandlung der Nutz- zu Wohnflächen erhalten und danach über Jahre hinweg versucht habe, die übrigen Wohnungseigentümer zu einer Einigung zu bewegen. Letztere hätten insofern nicht auf den Bestand der Teilungserklärung vertrauen dürfen.
Die Antragstellerin beantragt,
unter Abänderung des Beschlusses des Landgerichts 6 T 295/03 und des Amtsgericht Braunschweig 34 II 91/02 nach dem Antrag der Antragstellerin vom 11.07.2002 zu erkennen.
Die Antragsgegner zu 1. bis 6. beantragen,
die sofortige weitere Beschwerde zurückzuweisen.
Die Antragsgegner zu 1. und 2. haben außerdem erklärt, sie legten sofortige Beschwerde gegen den landgerichtlichen Beschluss dahingehend ein, als dass die außergerichtlichen Kosten der Antragsgegner nicht erstattet werden sollen.
Die Antragstellerin beantragt,
die Beschwerde der Antragsgegner zu 1. und 2. als unzulässig zu verwerfen.
Die Antragsgegner zu 1. und 2. tragen vor, die landgerichtliche Entscheidung verletze, soweit sie von der Antragstellerin angefochten worden sei, keine Gesetze. Die Tatsachenfeststellungen seien bindend. Die Antragstellerin habe ihr Recht verwirkt, weil sie es über einen langen Zeitraum nicht geltend gemacht habe und sich die übrigen Eigentümer darauf eingestellt hätten. Ihre Forderung stelle einen Verstoß gegen Treu und Glauben dar.
Die Antragsgegner zu 3. und 4. nehmen Bezug auf ihre Schriftsätze zu diesem Verfahren und machen sich die Gründe der landgerichtlichen Entscheidung zu Eigen.
Die Antragsgegner zu 5. und 6. sind ebenfalls der Auffassung, das Landgericht habe zutreffend entschieden, und machen sich die Begründungen der amts- und landgerichtlichen Entscheidungen zu Eigen.
Für das Vorbringen der Beteiligten in dieser Instanz wird im Übrigen auf deren Schriftsätze Bezug genommen
II. 1. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin ist gemäß §§ 45 Abs. 1 WEG, 22 Abs. 1, 27, 29 FGG zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erfolgt, bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg.
Die Entscheidung des Landgerichts beruht nicht auf einer Verletzung gesetzlicher Vorschriften im Sinne des § 27 Abs. 1 S. 1 FGG, weil ein Anspruch der Antragstellerin auf Änderung der Teilungserklärung nicht besteht. Insbesondere lässt sich ein solcher Anspruch nicht nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage herleiten.
Im Einzelnen:
Nach § 16 Abs. 2 WEG sind die Wohnungseigentümer verpflichtet, die Lasten des gemeinschaftlichen Eigentums sowie die Kosten der Instandhaltung, Instandsetzung, sonstigen Verwaltung und des gemeinschaftlichen Gebrauchs des gemeinschaftlichen Eigentums nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile zu tragen. Dabei kann die Größe der einzelnen Miteigentumsanteile grundsätzlich unabhängig von der Größe und dem Wert der einzelnen Wohnungen bestimmt werden. Der Gesetzgeber nimmt danach in Kauf, dass die Kostenbelastung sich nicht unmittelbar an der Kostenverursachung ausrichtet, wobei anzumerken ist, dass sich Wohnungseigentümer regelmäßig gezwungenermaßen mit Annäherungswerten zufrieden geben müssen.
Vor diesem Hintergrund hat die Rechtsprechung einem Wohnungseigentümer lediglich in Ausnahmefällen einen Anspruch auf Änderung des Kostenverteilungsschlüssels zugebilligt, nämlich nur dann, wenn wegen außergewöhnlicher Umstände ein Festhalten an dem geltenden Kostenverteilungsschlüssel grob unbillig wäre und damit gegen Treu und Glauben verstieße. Bei der Prüfung, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist ein strenger Maßstab anzulegen, wobei im Vordergrund der Gesichtspunkt steht, dass jeder Wohnungseigentümer sich darauf verlassen können soll, dass das Vereinbarte grundsätzlich weiterhin Geltung hat. Ferner ist zu berücksichtigen, dass jeder Wohnungseigentümer in der Regel bei Erwerb der Wohnung in der Lage ist, sich über den geltenden Kostenverteilungsschlüssel zu informieren und sich darauf einzustellen (vgl. BGH, NJW 1985, 2832, 2834 [BGH 27.06.1985 - VII ZB 21/84]; OLG Düsseldorf, NZM 2003, 854 [OLG Düsseldorf 02.06.2003 - I 3 Wx 75/03]; BayObLG, NJW-RR 1987, 714, 715 [BayObLG 19.02.1987 - BReg 2 Z 114/86]; NJW-RR 1992, 342, 343; KG, NJW-RR 1991, 1169, 1170, jeweils m.w.N.; Bamberger/Roth/Hügel, WEG, § 16 Rn. 4).
Diese Grundsätze gelten entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch dann, wenn sich Umstände außerhalb der Teilungserklärung ändern und deshalb die Billigkeit des Verteilungsschlüssels zu prüfen ist (vgl. auch BayObLG, NJW-RR 1994, 1425 f. [BayObLG 04.08.1994 - 2 Z BR 34/94]; 1995, 529 [BayObLG 10.11.1994 - 2 ZBR 100/94]). Etwas anderes ergibt sich schließlich nicht aus dem Umstand, dass die Teilungserklärung einen Maßstab für die Berücksichtigung von Nutz- und Wohnflächen enthalten soll.
Deshalb darf in diesem Zusammenhang offen bleiben, in welchem Umfang die Teilungserklärung, die nach der Baugenehmigung für eine Nutzung der als Halbgeschosse bzw. Spitzböden bezeichneten Räumlichkeiten zu Wohnzwecken entstand, diese Umstände bereits berücksichtigen konnte.
Eine grob unbillige Mehrbelastung in dem vorgenannten Sinne liegt hier nicht vor. Dabei lässt sich ein feststehender Grenzwert aus der Rechtsprechung nicht ableiten. Im Einzelfall ist ein Missverhältnis von mehr als 300 Prozent für unbillig gehalten worden (BayObLG, NJW-RR 1992, 342, 343), Mehrkosten von 22 Prozent (BayObLG, NJW-RR 1995, 529, 530 [BayObLG 10.11.1994 - 2 ZBR 100/94]), 31 oder 59 Prozent (OLG Frankfurt, NZM 2001, 140 [OLG Frankfurt am Main 13.04.2000 - 20 W 485/98]) hingegen nicht.
Soweit die Benachteiligung der Antragstellerin von ihr auf ca. 30 Prozent beziffert wird, reicht dies unter Berücksichtigung der Gesamtumstände nicht aus, zumal - darauf hat das Amtsgericht bereits hingewiesen - nicht sämtliche Kosten nach dem Maßstab der Miteigentumsanteile verteilt werden. Im Übrigen wird insofern zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidung des Landgerichts verwiesen.
Ob ein Anspruch der Antragstellerin verwirkt wäre, darf dahinstehen.
2. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner zu 1. und 2. ist im Sinne einer Anschlussbeschwerde zulässig, jedoch ebenfalls unbegründet.
Das Landgericht hat zu Recht davon abgesehen, die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin aufzuerlegen. Diese Kosten hat grundsätzlich jeder Beteiligte selbst zu tragen. Nur ausnahmsweise ist eine Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten bei besonderer Rechtfertigung durch die Lage des Einzelfalls möglich, z.B. wenn der Beteiligte als Rechtskundiger die dem Streit zugrundeliegende Rechtsfrage ohne weiteres hätte klären können (BayObLG, NZM 19 99, 855, 856 [OLG Hamm 16.06.2017 - 15 W 474/16]) oder wenn der Antrag, das Verteidigungsvorbringen oder das Rechtsmittel offensichtlich unbegründet ist (MüKo/Engelhardt, WEG, 4. Auflage, § 47 Rn. 6 f.). Ein Ausnahmefall in diesem Sinne liegt hier nicht vor.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG. Es entspricht billigem Ermessen, der Antragstellerin die Gerichtskosten aufzuerlegen, weil sie in ganz überwiegendem Umfang unterlegen ist. Der vorliegende Fall gibt im Übrigen keinen Anlass, von dem Grundsatz abzuweichen, dass jeder Beteiligte seine Kosten selbst zu tragen hat (vgl. BGH WM 1984, 1254, 1256, und oben Ziffer II.2).
Der Geschäftswert ist gemäß § 48 Abs. 3 S. 1 WEG nach dem Interesse der Beteiligten an der Entscheidung festzusetzen.