Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 08.07.2002, Az.: 11 A 1282/00

Geeignetheitsbescheinigung; Geldspielgeräte; Jugendliche; Kinder; Tankstelle

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
08.07.2002
Aktenzeichen
11 A 1282/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 43465
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Bei dem geplanten Aufstellungsort von Geldspielgeräten in einem von dem übrigen Verkaufsraum einer Tankstell nicht durch bauliche und optische Maßnahmen abgetrennten Schankbereich handelt es sich nicht um einen Raum einer Schank- und Speisewirtschaft im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 SpielV.

Tatbestand:

1

Die Klägerin ist gewerblicher Automatenaufsteller. Am 09.06.1999 beantragte sie bei der Beklagten die Erteilung einer Bestätigung über die Geeignetheit des Aufstellungsortes gemäß § 33 c Abs. 3 Satz 1 Gewerbeordnung für zwei Geldspielautomaten im -Bistro-Aral-Center {E.} in {F.}. Für dieses Bistro war dem Tankstellenpächter {G.} im Juni 1999 eine Erlaubnis zum Betrieb eines Gaststättengewerbes für die Betriebsart "Restauration in der Tankstelle" mit Ausschank und Abgabe von alkoholfreien Getränken und Imbiss auf einer Schankfläche von ca. 30 qm Größe erteilt. Der geplante Aufstellungsort der Geldspielautomaten im Bistrobereich des Tankstellengebäudes befindet sich im vom Eingang aus rechten hinteren Bereich des ca. 217 qm großen Raumes. Dieser Gaststättenbereich ist von dem übrigen Verkaufsraum mit zahlreichen Verkaufs- und Kühltresen mit umfangreichem Sortiment nicht räumlich abgegrenzt. Es gibt auch keinen separaten Eingang.

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Mit Verfügung vom 02.11.1999 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin mit der Begründung ab, bei der Restauration auf einer Schankfläche in der Tankstelle handele es sich um einen ungeeigneten Ort für die Aufstellung von Geldspielgeräten, und setzte gleichzeitig die Kosten auf 66,00 DM fest.

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Mit dem dagegen erhobenen Widerspruch machte die Klägerin geltend, bei dem auf der Schankfläche der Tankstelle betriebenen Imbiss handele es sich um eine Schank- und Speisewirtschaft im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 SpielV. Es komme nicht darauf an, ob sich die Schank- und Speisewirtschaft in einem vollständig abgeschlossenen Raum befinde und ob die Gaststättenleistung lediglich eine Nebenleistung des Benzinangebotes sei. Der Gesetzgeber stelle maßgeblich darauf ab, ob in dem Betrieb mit einem Besuch überwiegend von Kindern und Jugendlichen gerechnet werden könne. Das treffe auf einen Imbissbetrieb in einem Tankstellengebäude gerade nicht zu. Zudem befände man sich im Bereich der Tankstelle in einer Marktentwicklung, bei der dem Kunden in zunehmendem Maße neue Serviceleistungen angeboten werden.

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Den Widerspruch wies die Bezirksregierung {F.} mit Widerspruchsbescheid vom 11.02.2000, der Klägerin am 15.02.2000 zugestellt, zurück und führte zur Begründung aus, aus der Gegenüberstellung der in der SpielV formulierten Positiv- und Negativliste ergebe sich, dass nur Gaststätten im eigentlichen Sinne geeignete Orte für die Aufstellung von Geldspielgeräten seien. Der Zulassung von Geldspielgeräten in den aufgeführten Gewerbezweigen liegt die Erwägung zugrunde, dass entweder das Spielen den Hauptzweck bilde oder nur Annex der im Vordergrund stehenden Bewirtung sei und Kinder und Jugendliche keinen oder nur eingeschränkten Zugang hätten. Der Raum der Tankstelle werde demgegenüber tatsächlich und von der Ausstattung her in erster Linie als Einzelhandelsgeschäft genutzt. Diese neue Marktentwicklung und die Frage, ob und inwieweit Kinder und Jugendliche Zutritt zu der Tankstelle haben, könne außer Acht bleiben.

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Die Klägerin hat am 15.03,2000 Klage erhoben und vertieft ihr Vorbringen.

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Die Klägerin beantragt,

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die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 02.11.1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung {F.} vom 11.02.2000 zu verpflichten, ihr - der Klägerin - auf ihren Antrag vom 09.06.1999 die Geeignetheitsbescheinigung nach § 33 c Abs. 3 der Gewerbeordnung zu erteilen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie bezieht sich auf die Begründung der angegriffenen Bescheide und vertieft ihr Vorbringen.

11

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Nach § 6 Abs. 1 VwGO entscheidet ein Mitglied der Kammer als Einzelrichter.

13

Im Einverständnis mit den Beteiligten ergeht die Entscheidung nach § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung.

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Die zulässige Klage ist nicht begründet.

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Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Geeignetheitsbescheinigung nach § 33 c Abs. 3 Satz 1 Gewerbeordnung (GewO). Nach dieser Vorschrift darf der Gewerbetreibende Spielgeräte mit Gewinnmöglichkeit nur aufstellen, wenn ihm die zuständige Behörde schriftlich bestätigt hat, dass der Aufstellungsort den auf der Grundlage des § 33 f Abs. 1 Nr. 1 GewO erlassenen Durchführungsvorschriften entspricht. Geldspielgeräte dürfen nur an den nach § 1 der hierzu erlassenen Verordnung über Spielgeräte und andere Spiele mit Gewinnmöglichkeiten (SpielV) genannten Orten aufgestellt werden. Da ersichtlich kein Versagungsgrund im Sinne von § 1 Abs. 2 SpielV vorliegt, darf ein Geldspielgerät nach der allein einschlägigen Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 1 SpielV nur in -Räumen von Schank- oder Speisewirtschaften, in denen Getränke oder zubereitete Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle verabreicht werden- aufgestellt werden.

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Bei dem von der Klägerin beabsichtigten Aufstellungsort handelt es sich nicht um eine Schank- und Speisewirtschaft im Sinne dieser Vorschrift. Bereits der Wortlaut der Vorschrift spricht dafür, dass die genannten Räume durch den Schank- und Speisebetrieb geprägt sein müssen und nicht überwiegend einem anderen Zweck dienen dürfen. Dies wird bestätigt durch Intension des Gesetzgebers. Der Zulassung von Geldspielgeräten, in den in § 1 Abs. 1 SpielV genannten Gewerbezweigen liegt die Erwägung zugrunde, dass entweder - wie bei Spielhallen und Wettannahmestellen - das Spielen den Hauptzweck bildet und entsprechende Zulassungsvoraussetzungen gelten oder aber - in Gaststätten und Beherbergungsbetrieben - das Spielen nur Annex der im Vordergrund stehenden Bewirtungs- und Beherbergungsleistung ist und Kinder und Jugendliche keinen oder nur uneingeschränkten Zugang haben (BVerwG GewArch 1991, S. 225, 226 m.w.N.; VGH Baden-Württemberg GewArch 1997, S. 294). Die vom Verordnungsgeber normierte Beschränkung der Aufenthaltsorte für Geldspielgeräte würde aufgehoben, wenn schon durch die Nebenleistung eines Getränkeangebotes eine Schankwirtschaft im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 SpielV und damit die Zulässigkeit der Aufstellung von Geldspielgeräten begründet werden könnte. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nach dem in  § 33 f Abs. 1 GewO erkennbaren Willen des Gesetzgebers die in der SpielV getroffenen Bestimmungen der Eindämmung der Betätigung des Spieltriebs, dem Schutz der Allgemeinheit und der Spieler sowie den Interessen des Jugendschutzes dienen. Daraus folgt, dass nur solche Schank- und Speisewirtschaften unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 SpielV fallen, bei denen der Gaststättenbetrieb im Vordergrund steht und sich nicht lediglich als Nebenleistung eines anderen in § 1 Abs. 1 SpielV nicht aufgeführten Betriebes darstellt (BVerwG a.a.O., VGH Baden-Württemberg a.a.O.).

17

Der Gaststättenbetrieb an dem geplanten Aufstellungsort ist nach den gesamten Umständen als unselbstständige Nebenleistung des Tankstellenbetriebes zu bewerten. Schon aus der dem Tankstellenpächter {G.} erteilten Erlaubnis zum Betrieb eines Gaststättengewerbes mit anliegendem Plan ist zu entnehmen, dass der Restauration untergeordnete Bedeutung zukommt. Auf einer räumlich von dem übrigen Verkaufsbereich nicht abgegrenzten Teilfläche von ca. 30 qm dürfen alkoholfreie Getränke und verzehrfertig angelieferte Imbisse einschließlich belegter Brötchen abgegeben werden. Es handelt sich um einen kleinen Teilbereich der Tankstelle, in dem in recht begrenztem Umfang Speisen und Getränke angeboten werden sollen. Der überwiegende Teil des ca. 217 qm großen Raumes ist mit zahlreichen Verkaufs- und Kühltresen mit umfangreichem Sortiment bestückt. Auch von den baulichen Gegebenheiten ist der aus Mini-Bistro und Stehboard bestehende Schankraum in dem vom Eingang aus gesehenen hinteren rechten Teil des Raumes nicht von dem übrigen Verkaufsraum durch bauliche Maßnahmen oder optisch getrennt. Er ist jedermann, der sich im Verkaufsraum befindet, uneingeschränkt zugänglich. Er vermittelt im Ergebnis den Eindruck der Einheit des Gaststättenbereichs und des Verkaufsbereichs. Ein solcher Schankraum kann nur als unselbstständiger Gaststättenbereich angesehen werden.

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Unabhängig davon scheidet eine Aufstellung von Geldspielgeräten im Schankbereich der Tankstelle auch deshalb aus, weil es sich bei dem Bistrobereich nicht um einen "Raum" im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 SpielV handelt. Dabei kann entgegen der Ansicht der Klägerin nicht darauf abgestellt werden, ob das Tankstellengebäude einen Raum darstellt, sondern es ist zu ermitteln, ob der Restaurationsbereich selbst als Raum im Sinne der Vorschrift anzusehen ist. Der Raumbegriff des § 1 Abs. 1 Nr. 1 SpielV kann nicht mit dem des § 3 Abs. 1 Satz 1 GastG gleichgesetzt werden. Es sind im Hinblick auf die unterschiedliche Zielsetzung vom Gaststättengesetz einerseits und der SpielV andererseits unterschiedliche Anforderungen zu stellen (VGH Baden-Württemberg a.a.O., 294, 295). Das ergibt sich daraus, dass im Gaststättengesetz der Begriff des Raumes nur die Lage des Betriebes im Hinblick auf die zu erteilende Erlaubnis beschreiben soll, während im Hinblick auf den Schutzzweck des § 1 Abs. 1 Nr. 1 SpielV, insbesondere den Jugendschutz, ein Raum im Sinne dieser Vorschrift nur dann vorliegt, wenn er eine hinreichende Abgegrenztheit aufweist. Sie soll eine klare Zuordnung zur Verantwortung des Gastwirts sicherstellen (VGH Baden-Württemberg a.a.O. 294, 295; VG Düsseldorf GewArch 1991, 300, 301), zugleich aber eine genügende Abschirmung gegenüber Kindern und Jugendlichen entfalten. Diesen Anforderungen genügt der baulich und optisch vom übrigen Verkaufsraum nicht abgegrenzte Restaurationsbereich in der Tankstelle nicht.

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Der Kläger kann nicht einwenden, Kinder und Jugendliche würden sich in einem Tankstellengebäude regelmäßig nicht aufhalten. Bei lebensnaher Betrachtungsweise ist nicht davon auszugehen, dass nur diejenigen Personen in einer Tankstelle Einkäufe erledigen, die dort auch tanken. Die Rolle der Tankstellen hat sich insoweit gewandelt, dass sie zu Verkaufsräumen für jedermann und damit auch für Kinder und Jugendliche geworden sind und inzwischen ein wesentlicher Teil des Umsatzes auch aus dem Verkauf von Waren stammt. Gerade das große Angebot an Getränken, Süßigkeiten, Zeitschriften und Geschenkartikel machen Tankstellen auch nach Ladenschluss für Jugendliche zur attraktiven Einkaufsalternative.

20

Entgegen der Ansicht der Klägerin kommt es auch nicht darauf an, ob Klägerin und Jugendliche in den Räumlichkeiten kontrolliert werden und so von den Spielgeräten ferngehalten werden können, sondern allein darauf, ob der ungehinderte Zugang für Minderjährige regelmäßig möglich ist. Das gilt jedenfalls für den geplanten Aufstellungsort im Bistro-Aral-Center {H.}, schließt aber nicht zwangsläufig die Aufstellung von Geldspielautomaten in anderen Tankstellen oder in Stehimbissen in Leichtbauweise aus, wenn die räumlichen Gegebenheiten gewährleisten, dass Jugendliche nur begrenzten Zugang zu den Geldspielgeräten haben.

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Auch wenn die Klägerin den Restaurationsbetrieb in der Tankstelle als "Imbiss" bezeichnet, rechtfertigt dies keine andere Bewertung. Zwar sind Imbissstuben durch ÄnderungsVO vom 23.02.1976 (BGBl. I S. 389) aus dem Kreis der ungeeigneten Aufstellungsorte im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 SpielV ausgenommen worden, weil sie sich im Laufe der Jahre in zunehmendem Maße zu Schnellgaststätten für berufstätige Erwachsene gewandelt haben, während sie von Kindern und Jugendlichen kaum aufgesucht werden, so dass unter dem Gesichtspunkt des Jugendschutzes gegen eine Freigabe keine Bedenken bestanden (vgl. Begründung, S. 2 BR-Drucks. 752, 75). Das gilt aber gerade nicht, wenn - wie vorliegend - der räumlich nicht von dem Verkaufsbereich abgetrennte Bistrobereich nur eine Nebenleistung darstellt. Erfahrungsgemäß besuchen auch Jugendliche regelmäßig Tankstellen, um deren Warenangebot zu nutzen.

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Allein die wirtschaftlichen Interessen des Klägers rechtfertigen keine abweichende Auslegung des § 1 SpielV. Die bei Erlass der SpielV maßgeblichen Schutzzwecke haben heutzutage nach wie vor Bedeutung und müssen deshalb hinter den wirtschaftlichen Interessen des Klägers zurückstehen.

23

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

24

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.

Sonstiger Langtext

25

Rechtsmittelbelehrung:

26

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

27

Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt als Bevollmächtigten bei dem Verwaltungsgericht {F.}, Eintrachtweg 19, 30173 {F.}, schriftlich zu beantragen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst vertreten lassen, Gebietskörperschaften auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde oder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie als Mitglied zugehören. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, sind innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils durch Einreichung einer Begründung bei dem Verwaltungsgericht schriftlich darzulegen.