Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 15.07.2004, Az.: L 8 KG 11/03
Voraussetzungen für die Zahlung von Kindergeld; Rangfolge bei kindergeldberechtigten Eltern; Bedeutung der Aufnahme des Kindes in den Haushalt für die Gewährung von Kindergeld; Ausdehnung des Obhutsprinzips
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 15.07.2004
- Aktenzeichen
- L 8 KG 11/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 24901
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2004:0715.L8KG11.03.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Osnabrück - 10.07.1996 - AZ: S 12 KG 106/94
Rechtsgrundlagen
- § 3 Abs. 1 BKGG a.F.
- § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BKGG a.F.
- § 3 Abs. 3 S.1 BKGG
- § 20 Abs. 3 BKGG i.d.F.v. 1996
- Art. 3 Abs. 1 GG
Redaktioneller Leitsatz
Mit der Neuregelung der §§ 20 Abs. 3, 3 Abs. 2 S. 1 und 2 BKGG 1996 hat der Gesetzgeber die verfassungswidrige Regelung des § 3 Abs. 3 Satz 1 BKGG a.F. vollständig ersetzt. Eine Differenzierung nach Fällen, in denen es um die Höhe oder den Anspruch selbst geht, wurde nicht vorgenommen.
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 10. Juli 1996 sowie der Bescheid der Beklagten vom 15. Februar 1994 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. März 1994 aufgehoben.
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Kindergeld für seine Tochter G. von Januar 1994 bis Dezember 1995 zu zahlen.
Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger anstelle der Beigeladenen zu 1) in den Jahren 1994 und 1995 Anspruch auf Kindergeld für seine Tochter G. I. hatte. Insbesondere ist darüber zu entscheiden, welche Konsequenzen sich für den vorliegenden Fall aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 29. Oktober 2002 - 1 BvL 16/95 u.a. - ergeben, nach dem § 3 Abs. 3 Satz 1 des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) in der Fassung des Ersten Gesetzes zur Umsetzung des Spar- Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms (1. SKWPG) vom 21. Dezember 1993 (BGBl I Seite 2353) mit Artikel 3 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) unvereinbar ist.
Der Kläger und die Beigeladene zu 1) sind die Eltern von G ... Die Beigeladene zu 1) bezog bis einschließlich Dezember 1993 Kindergeld für drei Kinder, von denen G. die Jüngste war. Auch während des streitigen Zeitraums erhielt die Beigeladene zu 1) weiter Kindergeld und Kindergeldzuschlag für drei Kinder, welche in vollem Umfang bei der ihr durchgehend von der Beigeladenen zu 2) bewilligten Hilfe zum Lebensunterhalt als Einkünfte berücksichtigt wurden. Bei der Bedarfsberechnung der Beigeladenen zu 1) wurde G. jedenfalls bis einschließlich April 1994 mit 283,00 DM monatlich berücksichtigt. Unterhaltsleistungen erbrachte die Beigeladene zu 1) an den Kläger nicht.
Auf den Antrag der Beigeladenen zu 2) wurde ab Mai 1994 ein Betrag von 35,00 DM (hälftiges Kindergeld) gemäß § 48, 54 Abs. 4 Satz 2 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (SGB I) von der Kindergeldzahlung an die Beigeladene zu 1) abgezweigt und an die Beigeladene zu 2) überwiesen. Diese zahlte während des gesamten streitigen Zeitraumes für das Kind G. dem Kläger Unterhaltsvorschuss nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UVG) in Höhe von 353,00 DM monatlich. Ab Januar 1996 wurde das Kindergeld nach dem Einkommenssteuergesetz (EStG) an den Kläger gezahlt.
Am 28. Dezember 1993 hatte der Kläger vorerst telefonisch Kindergeld bei der Beklagten beantragt, da G. in seinem Haushalt lebe. Dem schriftlichen Antrag vom 13. Januar 1994 war eine entsprechende Haushaltsbescheinigung der Beigeladenen zu 2) beigefügt. Das Sorgerecht für G. hatte weiterhin die Beigeladene zu 1). Diese hatte am 11. Januar 1994 beim Vormundschaftsgericht J. einen Antrag gestellt, den Kläger als Erziehungsbeistand für G. zu bestellen; ein entsprechender Beschluss des Amtsgerichts J. erging am 19. Mai 1994, und zwar für die Angelegenheiten Gesundheitsvorsorge, religiöse Erziehung, schulische Angelegenheiten sowie "Aufenthaltsbestimmung mit der Auflage, dass der derzeitige Aufenthalt des Kindes bei der Großmutter Frau K. in L. nicht verändert werden soll". Dort war auch der Kläger mit G. gemeldet.
Mit Bescheid vom 15. Februar 1994 lehnte die Beklagte den Antrag auf Bewilligung von Kindergeld für G. ab, weil durch die Änderung des BKGG eine Berechtigtenbestimmung unter unverheirateten Eltern nicht mehr zulässig sei. Das Kindergeld erhalte derjenige Elternteil, der die alleinige Personensorge bzw. das alleinige Erziehungsrecht inne habe. Widerspruch und Klage blieben erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 21. März 1994, Urteil des Sozialgerichts - SG - Osnabrück vom 10. Juli 1996). Das SG hat die am 21. April 1994 erhobene Klage nach Beiziehung der Sorgerechtsakten des Amtsgerichts J. unter Hinweis auf die Vorschrift des § 3 Abs. 3 BKGG in der Fassung des 1. SKWPG abgewiesen. Zwar habe der Gesetzgeber durch die Neuregelung, die eine Berechtigtenbestimmung unter nicht verheirateten Elternteilen ausschloss, verhindern wollen, dass ein höherer Kindergeldanspruch durch die Berücksichtigung von nicht gemeinschaftlichen Kindern eines Elternteils bewirkt werde, auch wenn dieser keines seiner Kinder überwiegend unterhalte und ihm auch nicht die Sorge für die Person der Kinder zustehe. Das müsse auch dann gelten, wenn wie im vorliegenden Fall eine Berechtigtenbestimmung auf Seiten des Klägers nur zu dem einfachen Kindergeld und auf Seiten der Beigeladenen zu 1) zu einem höheren Kindergeld wegen zweier weiterer berücksichtigungsfähiger Kinder führe.
Gegen das am 31. Juli 1996 zugestellte Urteil hat der Kläger am 23. August 1996 Berufung eingelegt und die Auffassung vertreten, er sei als Pflegevater anzusehen, weil sich G. ausschließlich in seiner Obhut befinde. Nach der Entscheidung des BVerfG vom 29. Oktober 2002 und der Änderung des BKGG durch Artikel 4 des "Gesetzes zur Umsetzung familienrechtlicher Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts" vom 13. Dezember 2003 (BGBl I Seite 2547) ist das zwischenzeitlich ruhend gestellte Verfahren wieder aufgenommen worden.
Der Kläger ist der Auffassung, dass § 20 Abs. 3 BKGG n.F. auf seinen Fall anwendbar sei und deshalb die gleichen Anspruchsvoraussetzungen erforderlich seien wie in der Zeit ab dem 1. Januar 1996. Selbst wenn § 20 Abs. 3 BKGG nicht direkt anwendbar sei, müsse diese Regelung unter Berücksichtigung der Tatsache, dass aufgrund der Vorgabe des BVerfG § 3 Abs. 3 Satz 1 BKGG a.F. gleichheitswidrig sei, zumindest analog angewandt und nunmehr nach § 3 Abs. 2 Satz 1 und 2 BKGG n.F. entschieden werden.
Er beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen sinngemäß,
- 1.
das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 10. Juli 1996 sowie den Bescheid der Beklagten vom 15. Februar 1994 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. März 1994 aufzuheben,
- 2.
ihm Kindergeld für seine Tochter G. von Januar 1994 bis Dezember 1995 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie vertritt die Auffassung, dass die Neufassung des § 20 BKGG den hier zu entscheidenden Sachverhalt nicht erfasse. Die Vorschrift betreffe nur die Fälle, in denen die Entscheidung über die Höhe des Kindergeldanspruchs noch nicht bestandskräftig geworden sei, nicht jedoch diejenigen, in denen der Anspruch an sich streitig sei. Im Übrigen habe in den Jahren 1994 und 1995 eine Berechtigtenbestimmung zugunsten des Klägers durch die Beigeladene zu 1) nicht vorgelegen, so dass auch nach den bis zum 31. Dezember 1993 geltenden Vorschriften eine Zahlung des Kindergeldes an den Kläger nicht in Betracht komme.
Die Beigeladene zu 1) hat sich im Verfahren nicht geäußert, die Beigeladene zu 2) hält eine Stellungnahme für entbehrlich. Beide haben keinen Antrag gestellt.
Außer den Gerichtsakten lag ein Band Verwaltungsakten der Beklagten, den streitigen Kindergeldvorgang des Klägers betreffend, 2 Bände Verwaltungsakten der Beklagten, den Kindergeldvorgang der Beigeladenen zu 1) betreffend, und ein Heft Unterlagen der Beigeladenen zu 2) über die Unterhaltsvorschusszahlungen für G. vor. Sie waren Gegenstand des Verfahrens. Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge und der Beiakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Senat entscheidet auf Antrag der im Termin erschienenen Beteiligten gemäß § 126 i.V.m. § 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nach Lage der Akten ohne mündliche Verhandlung.
Die Leistungen für mehr als ein Jahr betreffende Berufung ist zulässig (§§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 SGG) und begründet. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten und das erstinstanzliche Urteil sind aufzuheben und die Beklagte zur Zahlung von Kindergeld an den Kläger für die Kalenderjahre 1994 und 1995 zu verurteilen.
Der Kläger, der in der Bundesrepublik Deutschland seinen Wohnsitz hatte, erfüllte als Vater der zu Beginn des streitigen Zeitraums 6 Jahre alten G. die Anspruchs-voraussetzungen für die Zahlung von Kindergeld in den streitigen Jahren. Maßgebende Vorschriften sind diejenigen des BKGG vom 14. April 1964 in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Januar 1994 (BGBl I Seite 168, 701; im Folgenden BKGG a.F.). Gemäß § 3 Abs. 1 BKGG a.F. wurde für jedes Kind nur einer Person Kindergeld gewährt. Neben dem Kläger kommt als Kindergeldberechtigte hier noch die Beigeladene zu 1), die Mutter von G., in Betracht. Ein Anspruch der Großmutter von G. (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BKGG a.F.) besteht nicht, auch wenn diese G. in ihren Haushalt aufgenommen haben sollte, weil der Kläger und nicht die Großmutter G. überwiegend unterhalten hat. Das ergibt sich nicht zuletzt aus der Tatsache, dass der Kläger von der Beigeladenen zu 2) Leistungen nach dem UVG erhalten hat.
Der Kläger hat allerdings keinen gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BKGG a.F. bevorrechtigten Anspruch als Pflegevater von G ... Pflegekinder können gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BKGG a.F. nur Kinder sein, bei denen (anders als im vorliegenden Fall) ein Obhuts- und Pflegeverhältnis zu deren Eltern nicht mehr besteht.
Entscheidungserheblich ist damit ausschließlich, ob dem Kläger oder der Beigeladenen zu 1) Kindergeld für G. zu gewähren ist. Die Rangfolge bei kindergeldberechtigten Eltern bestimmte § 3 Abs. 3 BKGG. Bis zum 31. Dezember 1993 hatte § 3 Abs. 3 BKGG (i.d.F. des Einigungsvertrages vom 31. August 1990 (BGBl II S. 889, 1093)) folgenden Wortlaut: (3) Erfüllen für ein Kind Vater und Mutter die Anspruchsvoraussetzungen, so wird das Kindergeld demjenigen gewährt, den sie zum Berechtigten bestimmen. Solange sie diese Bestimmung nicht getroffen haben, wird das Kindergeld demjenigen gewährt, der das Kind überwiegend unterhält; es wird jedoch dem Elternteil gewährt, dem die Sorge für die Person des Kindes oder das elterliche Erziehungsrecht für das Kind allein zusteht.
Durch das 1. SKWPG vom 21. Dezember 1993 (BGBl I S. 2353) erhielt § 3 Abs. 3 BKGG folgende vom 1. Januar 1994 bis zum 31. Dezember 1995 ursprünglich geltende Fassung: (3) Erfüllen für ein Kind Ehegatten, die nicht dauernd getrennt leben, die Anspruchsvoraussetzungen, so wird das Kindergeld demjenigen gewährt, den sie zum Berechtigten bestimmen. Solange eine Bestimmung nicht vorliegt, wird das Kindergeld demjenigen gewährt, der das Kind überwiegend unterhält; es wird jedoch dem Elternteil gewährt, dem die Sorge für die Person des Kindes oder das elterliche Erziehungsrecht für das Kind allein zusteht.
Das BVerfG hat mit Beschluss vom 29. Oktober 2002 (a.a.O.) § 3 Abs. 3 Satz 1 des BKGG in der Fassung des 1. SKWPG für mit Art 3 Abs. 1 GG für unvereinbar erklärt und den Gesetzgeber aufgefordert, die verfassungswidrige Regelung spätestens bis zum 1. Januar 2004 durch eine Neuregelung zu ersetzen; anderenfalls wäre auf noch nicht abgeschlossene Verfahren das bis zum 31. Dezember 1993 geltende Recht anzuwenden. Eine Änderung des BKGG ist durch Art 4 des "Gesetzes zur Umsetzung familienrechtlicher Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts" vom 13. Dezember 2003 erfolgt, mit dem folgende Regelung in § 20 Abs. 3 BKGG 1996 eingefügt wurde: (3) In Fällen, in denen die Entscheidung über die Höhe des Kindergeldanspruchs für Monate in dem Zeitraum zwischen dem 1. Januar 1994 und dem 31. Dezember 1995 noch nicht bestandskräftig geworden ist, ist statt des § 3 Abs. 3 Satz 1 dieses Gesetzes in der Fassung des Ersten Gesetzes zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms vom 21. Dezember 1993 (BGBl I S 2353) § 3 Abs. 2 Satz 1 und 2 dieses Gesetzes in der am 31. Dezember 2003 geltenden Fassung anzuwenden.
§ 3 Abs. 2 Satz 1 und 2 BKGG 1996 lauten wie folgt: (2) Erfüllen für ein Kind mehrere Personen die Anspruchsvoraussetzungen, so wird das Kindergeld derjenigen Person gewährt, die das Kind in ihren Haushalt aufgenommen hat. Ist ein Kind in den gemeinsamen Haushalt von Eltern, einem Elternteil und dessen Ehegatten, Pflegeeltern oder Großeltern aufgenommen worden, bestimmen diese untereinander den Berechtigten.
Die Entscheidung des BVerfG über die Unvereinbarkeit von § 3 Abs. 3 Satz 1 BKGG a.F. mit Art 3 Abs. 1 GG bindet alle Gerichte und Behörden (§ 31 Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG -). Daraus folgt, dass diese Vorschrift keinen Rechtsnormcharakter mehr hat und im hier zu entscheidenden Fall nicht mehr angewandt werden darf. Maßgebend ist deshalb grundsätzlich die vom BVerfG geforderte Neuregelung (hier "Gesetz zur Umsetzung familienrechtlicher Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts"). Nach den durch Art 4 dieses Gesetztes eingefügten Vorschriften der §§ 20 Abs. 3, 3 Abs. 2 Satz 1 und 2 BKGG 1996 wird das Kindergeld derjenigen Person gewährt, die das Kind in ihren Haushalt aufgenommen hat, sofern für ein Kind mehrere Personen die Anspruchsvoraussetzungen erfüllen, hier also dem Kläger.
Mit dieser Neuregelung hat der Gesetzgeber die verfassungswidrige Regelung des § 3 Abs. 3 Satz 1 BKGG a.F. vollständig ersetzt. Der Beklagten ist allerdings zuzugestehen, dass die Formulierung in § 20 Abs. 3 BKGG 1996 zumindest miss-verständlich ist, da (nur) in den Fällen, in denen die Entscheidung über die Höhe des Kindergeldanspruchs im streitigen Zeitraum noch nicht bestandskräftig geworden ist, die steuerrechtliche Regelung anzuwenden ist. Tatsächlich geht es im vorliegenden Fall, worauf die Beklagte zutreffend hingewiesen hat, nicht um die Höhe, sondern um den Anspruch als solchen. Die während der Beratungen im Rechtsausschuss des deutschen Bundestages eingefügte Ergänzung des § 20 Abs. 3 BKGG 1996 erfolgte jedoch, um das "Obhutsprinzip auch auf die noch offenen Fälle aus dem Jahre 1994 und 1995 auszudehnen" (Bundestagsdrucksache 15/1807 Seite 10). Eine Differenzierung nach Fällen, in denen es um die Höhe oder den Anspruch selbst geht, wurde nicht vorgenommen. Hätte der Gesetzgeber eine Differenzierung beabsichtigt, würde durch die gefundene Regelung in § 20 Abs. 2 BKGG 1996 der wohl überwiegende Teil der Verfahren nicht erfasst werden. Ausschließlich um die Höhe des Kindergeldanspruchs geht es nur in den Fällen, in denen ein Elternteil höheres Kindergeld für Kinder begehrt, die nicht von der Berechtigtenbestimmung betroffen sind, sondern bei denen sich das "streitige" Kind anspruchserhöhend für die anderen Kinder auswirkt. Immer dann, wenn es um Kindergeld für das "streitige" Kind geht, ist der Anspruch als solcher streitig. In den meisten der letztgenannten Fälle würde sich dies (aus verständlichen finanziellen Gründen) zu Lasten der Beklagten auswirken, weil der Elternteil, der für weitere Kinder Kindergeld erhält, den dann höheren Kindergeldanspruch begehrt. Auch insoweit wäre aber, wie ausgeführt, nicht die Höhe, sondern der Anspruch selbst streitig.
Auch wenn die hier vertretene Auffassung der vollständigen Ersetzung der verfassungswidrigen Vorschrift durch die §§ 20 Abs. 3, 3 Abs. 2 Satz 1 und 2 BKGG 1996 nicht zutreffend sein sollte, würde dies am Ergebnis nichts ändern. In einem solchen Fall würde eine Regelungslücke bestehen, die verfassungskonform ausgelegt werden müsste. In Frage käme dabei die ab 1996 geltende steuerrechtliche Regelung oder aber die bis zum 31. Dezember 1993 geltende alte Vorschrift des § 3 Abs. 3 Satz 1 BKGG. Für die steuerrechtliche Lösung sprächen insbesondere die bereits erwähnten Ausführungen im Protokoll des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages. Würde man auf die bis zum 31. Dezember 1993 geltende Fassung zurückgreifen, ergäbe sich die Problematik, dass der Kläger und die Beigeladene zu 1) keine ausdrückliche Berechtigtenbestimmung getroffen haben. Insoweit wäre allerdings zu berücksichtigen, dass eine solche ausdrückliche Bestimmung unterblieben ist, weil die Beklagte den Anspruch des Klägers im Hinblick auf die später für verfassungswidrig erkannte Vorschrift des § 3 Abs. 3 Satz 1 BKGG grundsätzlich abgelehnt hat. Der Kläger und die Beigeladene zu 1) hatten insoweit keine Veranlassung, eine ausdrückliche Bestimmung zu treffen. Im Hinblick auf die Situation im Januar 1994, in dem der Kläger die Beistandschaft für G. begehrte und die Beigeladene zu 1) sich damit ebenso wie mit der Aufenthaltsnahme von G. bei dem Kläger einverstanden erklärte, hat der Senat jedoch keinen Zweifel daran, dass der Kläger und die Beigeladene zu 1) eine entsprechende Bestimmung getroffen hätten. Der Beklagten wäre es unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben verwehrt, die streitige Leistung wegen einer fehlenden Berechtigtenbestimmung zu versagen.
Dem Senat ist bewusst, dass die Beklagte für die streitige Zeit bereits Kindergeld an die Beigeladene zu 1) gezahlt hat. Sollte insoweit eine Erstattungsforderung nicht mehr realisiert werden können, ginge das zu Lasten der Beklagten und nicht zu Lasten des Klägers.
Die Tatsache, dass die Beigeladene zu 2) Leistungen nach dem UVG für G. erbracht hat, ändert nichts an dem Anspruch des Klägers auf Kindergeld. Anspruchsberechtigt für Leistungen nach dem UVG ist gemäß § 1 Abs. 1 der Vorschrift das Kind und nicht der allein erziehende Elternteil (vgl. auch Oberverwaltungsgericht - OVG - Lüneburg, Urteil vom 28. Mai 1997 - 4 L 5905/96 - Nds. Rechtspflege 1997, 231). Unbeachtlich ist insoweit, dass sich gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 UVG die Unterhaltsleistung um die Hälfte des für ein erstes Kind zu zahlenden Kindergeldes mindert, wenn der Elternteil, bei dem der Berechtigte lebt, für diesen Anspruch auf volles Kindergeld nach dem BKGG hat. Dies betrifft ausschließlich das Verhältnis zwischen der Beigeladenen zu 2) und G. und wirkt sich im Verhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten nicht aus.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 SGG) liegen nicht vor.