Landgericht Göttingen
Beschl. v. 20.07.2018, Az.: 53 StVK 155/77

Maßregelvollzug; Besitz von Gegenständen; alkoholfreies Bier; alkoholfreier Sekt; alkoholfreier Wein

Bibliographie

Gericht
LG Göttingen
Datum
20.07.2018
Aktenzeichen
53 StVK 155/77
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2018, 74068
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
OLG - 21.09.2018 - AZ: 3 Ws 205/18

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Der Besitz und Erwerb von alkoholfreiem Bier und Sekt kann im Maßregelvollzug auch bei solchen Untergebrachten beschränkt werden, bei denen selbst keine Suchtproblematik besteht, soweit die abstrakt generelle Gefahr einer unkontrollierbaren Weitergabe an Untergebrachte besteht, die unter einer Suchterkrankung leiden.

2. Für die Frage, ob der Gefahr der Weitergabe durch zumutbare Kontrollmaßnahmen entgegengewirkt werden kann, kommt es nicht nur darauf an, ob entsprechende Maßnahmen im Rahmen einer Einzelzulassung erfolgreich wären, sondern auch darauf, ob entsprechende Maßnahmen im Falle einer generellen Zulassung an alle Untergebrachten ohne Suchtproblematik noch erfolgreich aufrechterhalten werden könnten.

Gründe

I. Feststellungen

1.

Der Antragsteller ist bei dem Antragsgegner gemäß § 63 StGB untergebracht. Der Unterbringung lag ursprünglich das Urteil des Landgerichts Bremen vom 30.10.2009 zugrunde. Im Juli 2016 wurde der Antragsteller vom Landgericht Göttingen rechtskräftig zu einer weiteren Unterbringung gemäß § 63 StGB verurteilt, die inzwischen für die Staatsanwaltschaft Göttingen vollstreckt wird. Gegenstand beider Verurteilungen waren Morddrohungen des Antragstellers, die dieser u. a. aufgrund einer bei ihm bestehenden Wahnerkrankung gegenüber Dritten, insbesondere Justizbediensteten und Psychiatern, ausgesprochen hatte, um hierdurch im jeweiligen Fall eine für sich positive Entscheidung über von ihm geäußerte rechtliche Begehren zu erreichen. Eine Alkoholproblematik besteht bei dem Antragsteller selbst nicht. Bei dem Antragsgegner sind allerdings eine Vielzahl von Personen gemäß § 64 StGB mit verschiedenen Suchtproblematiken untergebracht.

Der Antragsteller hat die Möglichkeit, seine Lebensgefährtin regelmäßig in einem der bei dem Antragsgegner zum diesem Zweck vorhandenen Apartments zu treffen und mit dieser Zeit zu verbringen. Am 29.12.2017 wollte der Antragsteller seine Lebensgefährtin in einem Apartment bis zum 01.01.2018 empfangen. Aus diesem Grund erwarb er im Rahmen eines Gemeinschaftsausganges eine Flasche von einem schäumenden Getränk aus alkoholfreiem Wein der Marke „R.“ (im Weiteren ungeachtet der lebensmittelrechtlichen Vorgaben aus Gründen der besseren Verständlichkeit als „Sekt“ bezeichnet), das er anschließend bei dem Antragsgegner einbringen wollte. Bei dem alkoholfreien Sekt der Marke „R.“ handelt es sich um ein Getränk, welches auf alkoholischer Weinbasis hergestellt wird und dem anschließend durch entsprechende Weiterverarbeitung durch Verdampfung des Alkohols in einem Vakuum der Alkohol entzogen wird. Aufgrund dieses Herstellungsverfahrens enthält das Getränk ggf. einen Alkoholrest, der jedoch 0,5 Vol. % im Regelfall nicht überschreitet. Hierdurch unterscheidet er sich von Getränken, wie etwa dem für Kinder beworbenen Getränk der Marke „R.B.“ oder von alkoholfreiem Punsch, der auf Weihnachtsmärkten als alkoholfreie Alternative zum Glühwein angeboten wird, weil diese Getränke regelmäßig auf Fruchtsaftbasis hergestellt werden. Der Verzehr alkoholfreien Punsches war dem Antragsteller und weiteren Untergebrachten im Rahmen eines Besuches des G. Weihnachtsmarktes gestattet worden.

Dem Antragsteller wurde sein Begehren durch den Antragsgegner versagt und die Flasche eingelagert. In der Folgezeit kam es darüber hinaus zu Unstimmigkeiten zwischen dem Antragsteller und dem Antragsgegner, insbesondere was die Umstände des Beschaffungsvorganges angeht. Dem Antragsteller wurde im Rahmen dieser Unstimmigkeiten von Seiten des Antragsgegners mit Schreiben vom 28.12.2017 vorgeworfen, den alkoholfreien Sekt absprachewidrig erworben zu haben. Der Antragsteller wandte sich im Rahmen dieser Auseinandersetzung an den Antragsgegner und wiedersprach dessen Sachverhaltsdarstellung. Streitig war zwischen Antragsteller und Antragsgegners, ob dem Antragsteller der Kauf des alkoholfreien Sektes durch den anwesenden Mitarbeiter des Antragsgegners schon vor Ort untersagt oder unter dem Vorbehalt einer späteren Genehmigungsprüfung erlaubt wurde. Der Antragsteller forderte in seinem Schreiben zudem die Anfertigung einer Liste durch den Antragsgegner, aus welcher die verbotenen alkoholfreien Getränke ersichtlich seien, um diese einer gerichtlichen Überprüfung unterziehen zu können. Eine solche Liste wurde durch den Antragsgegner in der Folgezeit nicht erstellt.

Am 30.05.2018 beantragte der Antragsteller bei dem Antragsgegner darüber hinaus die Erlaubnis zum Erwerb vollständig alkoholfreien Bieres der Marke „K. o,0“. Auch dieser Antrag wurde durch den Antragsgegner abgelehnt.

In der Hausordnung des Antragsgegners heißt es unter III.2.b.)

„Konsum, Erwerb, Besitz und Handel von oder mit Drogen (sowie der jeweiligen Hilfsmittel zum Konsum von Drogen), Medikamenten, alkoholischen Getränken (auch alkoholfreiem Bier und Malzbier) sowie alkoholhaltigen Speisen ist untersagt. Für Ausgang, Freigang und Urlaub gelten diese Bestimmungen sinngemäß.“

Die Wirkungen sogenannter alkoholfreier Getränke, die ähnlich der natürlichen Gärung unterliegender Fruchtsäfte oder Malzbier eine geringe, physiologisch regelmäßig als unbedenklich angesehene Menge an Alkohol enthalten, auf im Entzug befindliche oder trockene Alkoholiker, wird kritisch diskutiert. Selbiges gilt für Getränke, bei denen es durch entsprechende nachbereitende Bearbeitung gelungen ist, den Alkoholgehalt auf 0,0% zu reduzieren. Diskutiert wird dabei insbesondere eine – vom Restalkohol unabhängige – negative Einwirkung auf das Suchtgedächtnis durch Geschmack und Geruch der Getränke sowie durch das äußere Erscheinungsbild.

2.

Mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 27.12.2017, bei Gericht eingegangen am 29.12.2017, begehrt der Antragsteller die Zulassung des alkoholfreien Sektes und mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 13.06.2018, bei Gericht eingegangen am 15.06.2017, die Erlaubnis zum Erwerb des Bieres der Marke „K. o,0“. Er ist der Auffassung, einen Anspruch auf Zulassung des Sektes und Erwerb des Bieres zu haben. Ein Verbot sei in der Hausordnung des Antragsgegners nicht geregelt. Die Getränke stellten auch keine Gefährdung der Vollzugsziele seiner Person oder Dritter dar. Er selbst habe keine Alkoholprobleme und sei insbesondere nicht wegen alkoholbezogener Delikte untergebracht. Auch auf Dritte seien negative Auswirkungen nicht zu erwarten, da aufgrund der geringen Restmengen an Alkohol bzw. des vollständig fehlenden Alkohols gerade keine körperlichen Auswirkungen beim Verzehr zu erwarten seien. Andere negative Auswirkungen auf den Kreis der Personen, die ein Alkoholproblem hätten, aufgrund von Eigenschaften der Getränke, die nicht in Verbindung mit Alkohol stehen würden, seien nicht positiv nachgewiesen. Der Antragsgegner habe ihm und Dritten auf dem Weihnachtsmarkt zudem den Verzehr ähnlicher alkoholfreier Getränke gestattet.

Mit Schreiben vom 28.12.2017, bei Gericht eingegangen am 02.01.2018, hat der Antragsteller seinen Antrag erweitert und sich gegen die „Rüge“ des Antragsgegners im Rahmen der Auseinandersetzung über die Beschaffung des Sektes gewandt. Zudem begehrt er die Verpflichtung des Antragsgegners zur Erstellung einer Liste an verbotenen alkoholfreien Getränken sowie deren Überprüfung durch die Kammer und die Abänderung der Hausordnung. Für die Durchsetzung seiner rechtlichen Begehren beantragt er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

3.

Der Antragsgegner ist der Auffassung, die Zulassung des alkoholfreien Sektes zu Recht versagt zu haben. Insbesondere würde es sich verbieten, potentiell den Rückfall fördernde Getränke in der Nähe von in der Maßregel des § 64 StGB untergebrachten Personen zuzulassen.

II. Feststellungsgrundlagen

Die Feststellungen zur Anlassverurteilung und zur Gewährung von Lockerungen sind gerichtsbekannt. Die Feststellungen zum Herstellungsprozess von alkoholfreiem Sekt beruhen auf einer Inaugenscheinnahme der durch das Unternehmen R.-M. Sektkellereien GmbH betriebenen Internetseite www.alkoholfrei.de, auf denen der Prozess der Verdampfung des Alkohols aus alkoholhaltigem Wein näher beschrieben wird. Die Inhaltsstoffe des Getränkes „R.-B.“ hat die Kammer der Internetseite des Herstellers entnommen. Dort heißt es:

„Herstellungsverfahren

R.B.B ist ein qualitativ hochwertiger Fruchtnektar, mit mindestens 50% Saftanteilen aufgeteilt in Apfel-, Holunderbeer-, Erdbeer-, Himbeer-, Brombeer- und Heidelbeersaft aus Saftkonzentrat. Die Einzelkomponenten werden nach hauseigener Rezeptur in einem schonenden Verfahren miteinander vereint, stabilisiert und mit Zusatz von Kohlensäure auf Flaschen gefüllt.“

Die Feststellungen zur Herstellung alkoholfreien Punsches sind allgemeinkundig.

Die Feststellungen zur kritischen Diskussion der Wirkung fast vollständig oder vollständig alkoholfreier Versionen von Getränken, die in ihrer ursprünglichen Form aufgrund des Herstellungsprozesses Alkohol enthalten und traditionell auch als alkoholische Getränke verzehrt werden, sind allgemeinkundig und werden bestätigt durch die von dem Antragsteller mit Schriftsatz vom 22.01.2018 zur Akte gereichte wissenschaftliche Studie von W., B. und T. (Bl. 34 ff. d.A. 53 StVK 155/17), den aus dem beigezogenen Verfahren 13 StVK 501/14 (LG Freiburg i.B.) entnommenen Stellungnahmen des Dr. med. D.B. (Bl. 48 ff. d.A. 53 StVK 155/17) und der Justizvollzugsanstalt R. (Bl. 57 – 58 d.A. 53 StVK 155/17) sowie der demselben Verfahren entstammenden Informationsbroschüre des B. K. (Bl. 52 ff. d.A. 53 StVK 155/17). Alle benannten Dokumente weisen auf die kritische Diskussion zu entsprechenden Wirkungen alkoholfreier Getränke hin. Auf der Internetseite www.k.de wird unter der Rubrik „GUT ZU WISSEN“ zu den „o,0“- Produkten außerdem ausgeführt:

„Den Genuss von alkoholfreiem Bier sollten "trockene" Alkoholiker vermeiden, da der reine Biergeschmack – wenn auch ohne Alkohol – Reize auslösen kann, die zum Trinken eines alkoholischen Getränkes animieren könnten.“

Die weiteren Feststellungen beruhen auf den Ausführungen des Antragstellers (Bl. 1 – 15, 29, 38, 42 – 43 und 60 d.A. 53 StVK 155/17 sowie Bl. 1 und 6 d.A. 53 StVK 30/18) sowie den Stellungnahmen des Antragsgegners (Bl. 17 – 18, 40 – 41 und 61 – 62 d.A. 53 StVK 155/17 sowie Bl. 3 – 5 d.A. 53 StVK 30/18).

Soweit der Antragsteller mit Schreiben vom 02.01.2018 in dem Verfahren 53 StVK 155/17 die Vernehmung der Zeugen P. und D. beantragt hat, war diese nicht erforderlich, weil der Sachverhalt auch ohne die Bekundungen der jeweiligen Zeugen für eine Entscheidung hinreichend ermittelt ist. Selbiges gilt für Anregung der Beweiserhebung über Schriftverkehr zwischen dem Antragsteller und dem Antragsgegner, die beantragte Beiziehung einer Dienstanweisung und einer unbenannten Gerichtsentscheidung.

III. Rechtliche Würdigung

1.

Der Antrag ist unzulässig, soweit sich der Antragsteller mit diesem gegen eine „Rüge“ des Antragsgegners wendet, die gerichtliche Überprüfung einer durch den Antragsgegner zu erstellenden Liste an verbotenen alkoholfreien Getränken fordert und die Abänderung der Hausordnung begehrt.

Gemäß § 109 Abs. 1 Satz 1 StVollzG kann ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt werden, wenn sich der Antragsteller mit dem Antrag gegen eine Maßnahme zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiete des Maßregelvollzuges wendet. Gemäß § 109 Abs. 1 Satz 2 StVollzG kann sich der Antrag auch auf Erlass einer abgelehnten oder unterlassenen Maßnahme richten.

Diese Voraussetzungen sind, soweit der Antrag als unzulässig verworfen wurde, nicht erfüllt.

a)

Soweit der Antragsteller sich gegen die „Rüge“ durch den Antragsgegner wendet, fehlt es dieser schon an einem Regelungsgehalt. Insbesondere hat der Antragsgegner mit dem Schreiben an den Antragsteller keinerlei konkrete Konsequenzen gezogen, die Auswirkungen auf die Vollzugssituation des Antragstellers haben oder wenigstens hatten.

b)

Auch soweit der Antragsteller die Abänderung der Hausordnung des Antragsgegners und die Aufstellung einer Liste, in der alle bei dem Antragsgegner nicht zugelassenen alkoholfreien Getränke aufgeführt sind, begehrt, fehlt es schon an Maßnahmen im Sinne des § 109 Abs. 1 StVollzG. Der Antragsteller begehrt insoweit gerade nicht die Regelung einzelner Angelegenheiten, sondern jeweils den Erlass einer allgemeinen Anordnung (vgl. für die Hausordnung Feest/Lesting/Lindemann/Spaniol, Strafvollzugsgesetze, 7. Auflage 2017, Teil IV § 109 StVollzG Rn. 18).

Der Antragsteller hat nur die Möglichkeit, sich gerichtlich gegen konkret unter Berufung auf die Hausordnung getroffene Entscheidungen zu wenden und die Ablehnung der Zulassung einzelner alkoholfreier Getränke im konkreten Fall gerichtlich überprüfen zu lassen.

c)

Im Übrigen sind die Anträge, die der Antragsteller gemäß § 44 VwGO analog auch im Wege der objektiven Antragshäufung geltend machen durfte, zulässig. Bei der abgelehnten Zulassung des bereits beschafften alkoholfreien Sektes und der Versagung der Erlaubnis, alkoholfreies Bier anschaffen zu dürfen, handelt es sich unproblematisch um Maßnahmen im Sinne des § 109 Abs. 1 StVollzG.

Da es sich insoweit auch um für den Antragsteller belastenden Entscheidungen handelt, wäre er im Falle der Rechtswidrigkeit der Entscheidungen auch unproblematisch in seine Rechten verletzt (§ 109 Abs. 2 StVollzG).

2.

Der Antrag ist allerdings, soweit er nicht schon unzulässig ist, unbegründet.

Mit den angegriffenen Entscheidungen des Antragsgegners wurden dessen Begehren zu Recht abgelehnt, weshalb der Antragsteller durch die Entscheidungen nicht in seinen Rechten verletzt ist (§§ 138 Abs. 1, 115 Abs. 4 Satz 1 StVollzG).

a)

Dabei kann zunächst dahinstehen, ob der Antragsteller den alkoholfreien Sekt ohne Genehmigung oder mit Einwilligung aber unter dem Vorbehalt einer späteren Prüfung auf die Zulassungsfähigkeit kaufte. Denn in beiden Fällen ist die Wegnahme des alkoholfreien Sektes an denselben rechtlichen Maßstäben zu messen.

b)

Gemäß § 19 Abs. 1 Nds. MVollzG können dem Untergebrachten Sachen vorenthalten oder entzogen werden. Auch der Erwerb und ihre Verwendung können beschränkt werden. Gemäß § 18 Abs. 1 Nds. MVollzG besteht diese Möglichkeit allerdings nur unter der Voraussetzung, dass die Beschränkung erforderlich ist, um das Ziel der Unterbringung auch der anderen Untergebrachten zu fördern oder um die Sicherheit oder Ordnung der Vollzugseinrichtung aufrechtzuerhalten.

Bei den Tatbestandsmerkmalen der Förderung des Ziels der Unterbringung sowie der Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung der Vollzugsreinrichtung handelt es sich um unbestimmte Rechtsbegriffe, deren Auslegung, anders als das Tatbestandsmerkmal der Förderung des Ziels der Unterbringung in § 15 Abs. 1 Nds. MVollzG, der vollständigen gerichtlichen Kontrolle unterliegt und bei der dieser keinerlei Ermessen oder Beurteilungsspielraum zusteht (vgl. zur vergleichbaren Rechtslage in der Sicherungsverwahrung BeckOK Strafvollzugsrecht Niedersachsen/Reichenbach, 11. Edition Stand 01.04.2018, § 23 Nds. SVVollzG Rn. 21, § 26 Nds. SVVollzG Rn. 17 und § 36 Nds. SVVollzG Rn. 15; vgl. außerdem OLG Nürnberg, Beschluss vom 04.07.2016 – 2 Ws 681/15, zit. nach juris Rn. 23 zu Art. 17 BaySvVollzG und Feest/Lesting/Lindemann/Knauer, Strafvollzugsgesetze, 7. Auflage 2017, § 49 Rn. 24 und 19). Die Entscheidung erfordert eine generelle Betrachtung der Sachlage, die keine besonderen Kenntnisse über den einzelnen Untergebrachten und dessen Verhalten erfordert.

Gemessen an diesem Maßstab hält die angegriffene Entscheidung einer gerichtlichen Kontrolle stand. Die gegenständlichen Untersagungen waren geeignet und sind es auch weiterhin, das Ziel der Unterbringung auch anderer Untergebrachter zu fördern. Bei Zulassung alkoholfreien Sektes oder alkoholfreien Bieres bei dem Antragsgegner wäre die Erreichung des Vollzugszieles einer unbestimmten Anzahl an Untergebrachter, die bei dem Antragsgegner gemäß § 64 StGB wegen einer Suchterkrankung untergebracht worden sind, einer nicht abschließend abschätzbaren Gefahr ausgesetzt. Insoweit ist es ausreichend, dass die körperlichen und psychischen Reaktionen von Suchtkranken auf entsprechende Getränke, die in Geschmack, Geruch und Aussehen, ihren alkoholhaltigen Versionen ähnlich sind, nicht abschließend geklärt sind. Es besteht nämlich eine allgemein anerkannte, realistische und nicht vollständig einschätzbare Gefahr, dass entsprechende Getränke Reaktionen in Suchtkranken, die sich bei dem Antragsgegner darüber hinaus in unterschiedlichen Therapiephasen und damit in unterschiedlich gefestigtem Zustand befinden, auslösen können die diese zu einem Rückfall in die Sucht verleiten könnten. Wenn Untergebrachte mit einer entsprechenden Problematik, gerade zu Beginn der Therapie, von solchen potentiell schädlichen Einflüssen freigehalten werden, liegt hierin eine Erleichterung der Therapie. Vor diesem Hintergrund kommt es auch nicht, wie der Antragsteller zu Unrecht annimmt, auf eine konkret nachweisbare positive Gefährdung an. Auch vermag der durch den Antragsteller gezogene Vergleich zu dem Produkt „R.-B.“ und alkoholfreiem Punsch nicht zu überzeugen. Beide Produkte unterscheiden sich in der Herstellungsart ganz erheblich von den hier gegenständlichen Produkten und ähneln keinem alkoholischen Original in Geschmack, Geruch oder Aufmachung.

Die von dem Verbot ausgehende Förderung des Vollzugsziels kann durch den Antragsgegner auch nicht durch eine Zulassung der gegenständlichen Getränke unter zumutbaren Kontrollmaßnahmen in gleicher Weise hergestellt werden, wie durch ein Verbot.

Zwar hat die Vollzugsanstalt aus Gründen der Verhältnismäßigkeit immer auch zu prüfen, ob die von einem Gegenstand ausgehende Gefährdung durch zumutbare Kontrollmaßnahmen derart vermindert werden kann, dass eine Aushändigung eines begehrten Gegenstandes an den jeweiligen Antragsteller doch vertretbar erscheint (vgl. BVerfG, Beschluss vom 28.02.1994 – 2 BvR 2731/93, NStZ 1994, 453; BeckOK Strafvollzugsrecht Niedersachsen/Reichenbach, 11. Edition Stand 01.04.2018, § 23 Nds. SVVollzG Rn. 15.1; OLG Nürnberg, Beschluss vom 04.07.2016 – 2 Ws 681/15, zit. nach juris Rn. 50 und Beschluss vom 14.10.2015 – 1 Ws 418/15, zit. nach juris Rn. 14 ff. jeweils zu Art. 17 BaySvVollzG). Derartige zumutbare Kontrollmaßnahmen sind hier allerdings aufgrund einer im Falle der Zulassung der Getränke unkontrollierbaren Verbreitung nicht möglich.

Abzustellen ist insoweit nicht auf eine Zulassung allein bei dem Antragsteller, sondern auf eine allgemeine Zulassung bei Untergebrachten ohne Suchtproblematik, wie der Antragsteller einer ist. Wären von dieser Personengruppe alkoholfreie Versionen von typischerweise alkoholischen Getränken bei dem Antragsgegner erlaubt und dürften entsprechend verzehrt werden, könnte nicht mit vertretbarem Kontrollaufwand sichergestellt werden, dass entsprechende Getränke nicht auch in die Hände der zu schützenden Patientengruppe fallen können. Auch eine Verzehrgenehmigung, die auf bestimmte Bereiche der Klinik beschränkt wäre, etwa nur in den Apartments, wäre nicht mit zumutbarem Aufwand kontrollierbar.

Anders verhält sich die Sache im Übrigen auch in dem Fall, in dem der Antragsteller mit weiteren als hinreichend zuverlässig eingestuften Untergebrachten alkoholfreien Punsch konsumieren durfte. Selbst wenn man insoweit mithin eine generelle Vergleichbarkeit zu den hier gegenständlichen Getränken annehmen wollte, fand deren Konsum doch wenigstens in einem vollständig kontrollierten Umfeld statt.

c)

Da die Entscheidungen des Antragsgegners schon nach §§ 19 Abs. 1, 18 Abs. 1 Nds. MVollzG rechtmäßig war, kommt es auf eine Überprüfung an der Hausordnung des Antragsgegners nicht mehr an, was auch eine Überprüfung der Hausordnung selbst entbehrlich macht.

IV. Prozesskostenhilfe

Die Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe waren gemäß §§ 138 Abs. 3120 Abs. 2 StVollzG i.V.m. § 114 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen, da die Anträge auf gerichtliche Entscheidung ohne Erfolg geblieben sind.

V. Nebenentscheidungen

Die Kosten- und Auslagenentscheidung ergibt sich aus §§ 138 Abs. 3, 121 Abs. 2 Satz 1 StVollzG.

Die Festsetzung des Verfahrenswertes beruht auf §§ 1 Abs. 1 Nr. 8, 52, 60, 65 Satz 1 GKG.