Landgericht Oldenburg
Urt. v. 30.09.2024, Az.: 13 O 671/24
Auslegung der Versicherungsbedingungen einer Wohngebäudeversicherung hinsichtlich Übernahme der Kosten für das Fällen des Restbaums als Sturmschaden
Bibliographie
- Gericht
- LG Oldenburg
- Datum
- 30.09.2024
- Aktenzeichen
- 13 O 671/24
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2024, 25233
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlage
- § 1 S. 1 VVG
In dem Rechtsstreit
1. XXXXXXX XXXXX, XXXXXXXXXXX XX, XXXXX XXXXXXXXX
2. XXXX XXXXX, XXXXXXXXXXX XX, XXXXX XXXXXXXXX
- Kläger -
Prozessbevollmächtigte zu 1. und 2.:
Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen XXXXX X XXXX, XXXXXXX XX, XXXXX XXXXXXXXX
XXXXXXXXXXXXXXXXX XXXXX XXXXXXXXXXXXX XX
gegen
XXXXXXXXXXXXXX XXXXXXXXXXXXXXXX XXXXXXX XXX XXXXXXX. XXXXXX, vertr. d.
d. Vorstand, XXXXXXXXXX XX, XXXXX XXXXXXXXX
- Beklagte -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte XXXXXX X XXXXXX XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX, XXXXXXXXXX
XX, XXXXX XXXXXXXXX
XXXXXXXXXXXXXXXXX XXXXXXXXXXX
hat das Landgericht Oldenburg - 13. Zivilkammer - durch den Richter am Landgericht XXX XXXXXXXXX als Einzelrichter auf die mündliche Verhandlung vom 30.09.2024 für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.
Die Klage wird abgewiesen.
- 2.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger.
- 3.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Ansprüche aus einer Wohngebäudeversicherung nach einem von den Klägern behaupteten Sturmereignis.
Die Kläger unterhalten bei der Beklagten eine Wohngebäudeversicherung für das auf ihrem Grundstück befindliche Gebäude mit der Anschrift XXXXXXXXXXX XX, XXXXX XXXXXXXXX. Versichert sind insbesondere Sturmschäden. Dem Versicherungsvertrag liegen die Allgemeinen Wohngebäude-Versicherungsbedingungen (VGB 2014) der Beklagten zugrunde (auszugsweise enthalten in Anlage K 1, Bl. 3 Anlagenheft Kläger). Darin findet sich zu Sturmschäden die folgende Regelung:
"§ 7 Was ist Sturm, Hagel? Was gehört nicht hierzu?
1. Sturm ist eine wetterbedingte Luftbewegung von mindestens Windstärke 8 nach Beaufort (Windgeschwindigkeit mind. 62 km/Stunde).
Ist diese Windstärke für das Versicherungsgrundstück (siehe § 1 Nr. 1 c) nicht feststellbar, so wird ein versichertes Sturmereignis unterstellt, wenn der Versicherungsnehmer nachweist, dass
a) eine wetterbedingte Luftbewegung in der Umgebung des Versicherungsgrundstücks Schäden an anderen Gebäuden in einwandfreiem Zustand oder an ebenso widerstandsfähigen anderen Sachen angerichtet hat oder
b) der Schaden wegen des einwandfreien Zustands des versicherten Gebäudes nur durch Sturm entstanden sein kann."
Als ein mit Ziffer 4.8 nummeriertes "Spezialpaket" sind diverse Vertragsergänzungen vereinbart, unter anderem die Folgende:
"26. Aufräumungskosten für Bäume
a) Der Versicherer ersetzt die notwendigen Kosten für das Entfernen durch Sturm oder Blitz umgestürzter Bäume vom Versicherungsgrundstück (siehe § 1 Nr. 1 c VGB), den Abtransport zum nächsten Ablagerungsplatz und für das Ablagern oder Vernichten.
b) Der Versicherer ersetzt außerdem die infolge eines Ereignisses gemäß a entstehenden Kosten für das Entfernen der Wurzeln bis 0,5 m3, für eine ersatzweise Bepflanzung mit Jungpflanzen in Hochstammqualität bis 14/16 cm Stammumfang, für die Verfüllung mit Erdreich und für die Angleichung an das übrige Geländeniveau.
c) Abgebrochene Aste, Sträucher und bereits abgestorbene Bäume fallen nicht unter den Versicherungsschutz.
d) Die Entschädigung ist je Versicherungsfahl (siehe § 4 VGB) begrenzt auf 10 Prozent der Versicherungssumme (§ 11 Nr. 8 VGB)."
Wegen der weiteren Einzelheiten des Versicherungsvertrags wird auf die genannten Versicherungsbedingungen sowie den Versicherungsschein vom 28.06.2016 (Bl. 29 Anlagenheft Kläger) verwiesen.
Am 05.07.2023 zog das Sturmtief "XXXX" mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 146 km/h über die Stadt XXXXXXXXX. Auch am 12.07.2023 war es zumindest windig. Die Hälfte der Baumkrone einer mehr als 20 m hohen Rosskastanie brach ab und stürzte in den Garten des versicherten Grundstücks. Dabei brachen auch Teile des Baumstamms heraus. Die zwei Abbruchstellen wiesen eine Fläche von ca. 80 x 160 cm bzw. von ca. 70 x 100 cm auf. Der verbliebene Restbaum hatte keine ausreichende Standfestigkeit mehr und drohte entweder auf das Haus der Kläger oder auf den gegenüberliegenden XXXXXXXXXXXXX umzustürzen.
Noch am 12.07.2023 zeigten die Kläger gegenüber der Beklagten den Schadensfall an. Sie beauftragten den Baumsachverständigen Dipl.-Ing. XXXXX XXXXXX mit der Begutachtung der Standsicherheit des verbliebenen Teils der Rosskastanie. Der Gutachter XXXXXX nahm den Baum am 13.07.2023 in Augenschein und empfahl den Klägern aufgrund von Sicherheitsbedenken die Beseitigung des Restbaums. Wegen der Einzelheiten wird verwiesen auf sein Gutachten vom 14.07.2023 (Anlage K 2, Bl. 8 Anlagenheft Kläger). Der Gutachter XXXXXX berechnete den Klägern für die Erstellung des Gutachtens mit Rechnung vom 14.07.2023 (Anlage K 12, Bl. 28 Anlagenheft Kläger) 336,29 € brutto.
Die Kläger beauftragten daraufhin eine Firma XXXXXXX mit der Fällung des Restbaumes und der Entfernung der Baumteile von ihrem Grundstück. Die Firma XXXXXXX fällte den Restbaum am 14.07.2023 und transportierte die Baumteile bis zum 15.07.2023 ab.
Mit Schreiben vom 14.07.2023 (Anlage K 3, Bl. 17 Anlagenheft Kläger) teilte die Beklagte den Klägern mit, dass sie die Kosten für die Aufräumungsarbeiten und das Entfernen des Baums nicht erstatten könne. Sie begründete dies damit, dass abgebrochene Äste nicht unter den Versicherungsschutz fielen.
Die Kläger beauftragten daraufhin ihre jetzigen Prozessbevollmächtigten. Diese forderten die Beklagte mit Schreiben vom 21.07.2023 unter Bezugnahme auf das Gutachten XXXXXX vom 14.07.2023 zur Bestätigung ihrer Eintrittspflicht auf. Die Beklagte hielt jedoch mit Schreiben vom 24.07.2023 an ihrer Ablehnung fest.
Die Firma XXXXXXX stellte den Klägern mit Rechnung vom 25.07.2023 (Anlage K 7, Bl. 22 Anlagenheft Kläger) die Fällung des Restbaumes und die Beseitigung der Baumteile mit 7.824,55 € brutto in Rechnung. Die Kläger bezahlten diesen Betrag am 27.07.2023.
Mit Schreiben ihrer jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 08.12.2023 (Anlage K 9, Bl. 24 Anlagenheft Kläger) übersandten die Kläger der Beklagten unter anderem die Rechnung der Firma XXXXXXX und forderten die Beklagte noch einmal unter Fristsetzung bis zum 20.12.2023 zur Bestätigung ihrer Eintrittspflicht auf. Mit Schreiben vom 17.01.2024 (Anlage K 10, Bl. 26 Anlagenheft Kläger) hielt die Beklagte an ihrer Ablehnung, die Kosten der Firma XXXXXXX zu erstatten, fest.
Die Kläger meinen, die Beklagte sei zur Zahlung der vom Gutachter XXXXXX und der Firma XXXXXXX berechneten Beträge von insgesamt 8.160,84 € verpflichtet. Sie behaupten, der streitgegenständliche Baum habe auf dem versicherten Grundstück und nicht auf dem Nachbargrundstück gestanden. Die Baumkrone sei durch den Sturm am 05.07.2023 schwer beschädigt und durch am 12.07.2023 erneut aufgetretene Sturmböen zum Einsturz gebracht worden. Die abgebrochenen Baumteile hätten 40 - 50 % des Gesamtvolumens des Baums ausgemacht. Sie hätten an ihre jetzigen Prozessbevollmächtigten für deren außergerichtliche Tätigkeit gegenüber der Beklagten 1.086,23 € gezahlt.
Die Kläger beantragen,
- 1.
die Beklagte zu verurteilen, an sie zur gesamten Hand 8.160,84 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.01.2024 zu zahlen;
- 2.
die Beklagte zu verurteilen, an sie zur gesamten Hand vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.086,23 € zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie meint, es liege kein Versicherungsfall vor und die geltend gemachten Kosten seien nicht versichert. Sie bestreitet, dass die abgebrochenen Baumteile mehr als 20 % des Gesamtvolumens des Baums ausgemacht haben.
Die Klage ist der Beklagten am 30.03.2024 zugestellt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 30.09.2024 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
Die Klage ist unbegründet.
1.
Die Kläger haben keinen Anspruch auf eine Entschädigung im Hinblick auf die geltend gemachten Kosten für das Fällen des Restbaums und den Abtransport der Baumteile, mithin nicht auf eine Erstattung der an die Firma XXXXXXX gezahlten Kosten von 7.824,55 €.
a)
Ein solcher Anspruch ergibt sich insbesondere nicht aus § 1 Satz 1 VVG in Verbindung mit dem Versicherungsvertrag.
Dabei kann offenbleiben, ob ein Sturm im Sinne von § 7 Nr. 1 VGB 2014 vorgelegen hat und ob dieser für die Beschädigung des Baums ursächlich war. Ebenso kann dahinstehen, ob der streitgegenständliche Baum auf dem Versichertengrundstück stand.
Jedenfalls sind die geltend gemachten Kosten nicht versichert. Der Baum gehört zunächst nicht zu den nach § 1 VGB 2014 versicherten Sachen. Die Kosten für die Entfernung des Baums sind aber auch nicht über Nr. 26 des Spezialpakets versichert. Nach Nr. 26 Buchst. a des Spezialpakets hat der Versicherer die notwendigen Kosten für das Entfernen durch Sturm umgestürzter Bäume zu ersetzen, während nach Buchst. c abgebrochene Äste nicht unter den Versicherungsschutz fallen. Vorliegend fehlt es am versicherten Umstürzen eines Baums im Sinne von Nr. 26 Buchst. a des Spezialpakets.
Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht (BGH, Urteil vom 20.11.2019 - IV ZR 159/18, VersR 2020, 95, zit. nach juris Rn. 8). Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an (BGH, a. a. O., Rn. 8). In erster Linie ist vom Bedingungswortlaut auszugehen (BGH, a. a. O., Rn. 8). Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (BGH, a. a. O., Rn. 8).
Nach diesen Maßgaben liegt ein Umstürzen eines Baums im Sinne der Klauseln nicht vor. Ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer wird eine Versicherungsdeckung ausgehend vom Wortlaut der Klausel und unter Berücksichtigung des Zwecks und Sinnzusammenhangs nur annehmen, wenn ein Baum umgestürzt ist, wofür der Versicherungsnehmer es für erforderlich halten wird, dass ein Baum ganz oder teilweise entwurzelt und seitlich zu Boden gegangen ist. "Umstürzen" wird im allgemeinen Sprachgebrauch als "zu Boden, zur Seite stürzen", also wie "umfallen" "aus einer aufrechten, senkrechten Stellung heraus zur Seite fallen" verstanden (Wälder, in: Wälder/Hoenicke/Krahe, Sach- und Betriebsunterbrechungsversicherung, 2022, Abschnitt E Rn. 128 m. N.). Sonstige Beschädigungen eines Baumes wie das Abknicken bzw. Abbrechen einer Baumkrone sind jedenfalls dann nicht mit dem Umstürzen eines Baums gleichzusetzen, wenn der wesentliche Teil des Baumstamms stehen bleibt (LG Bremen, Urteil vom 29.04.2004 - 6 S 8/04, VersR 2005, 356; LG Wiesbaden, Urteil vom 22.06.2007 - 9 S 9/07, zfs 2007, 640, zit. nach juris Rn. 19; AG Köln, Urteil vom 05.11.2008 - 143 C 163/08, VersR 2009, 1622, zit. nach juris Rn. 9; AG Emmendingen, Urteil vom 24.04.2020 - 8 C 65/18, r+s 2021, 338, zit. nach juris Rn. 26; Wälder, in: Wälder/Hoenicke/Krahe, Sach- und Betriebsunterbrechungsversicherung, 2022, Abschnitt E Rn. 127 f.). Ein Herabstürzen einzelner Baumteile ist begrifflich etwas anderes als das Umstürzen des Baums. Ob man von einem Umstürzen auch ohne teilweise Entwurzelung ausgehen kann, wenn der komplette Baum (und nicht nur ein Teil des Stammes oder dessen Krone) abgebrochen ist (so AG Emmendingen, Urteil vom 24.04.2020 - 8 C 65/18, r+s 2021, 338, zit. nach juris Rn. 26), kann vorliegend dahinstehen, da ein solcher Fall nicht vorliegt. Vom streitgegenständlichen Baum sind noch Teile der Krone verblieben. Der streitgegenständliche Baum ist nicht entwurzelt und auch nicht zur Seite umgefallen. Wesentliche Teile des Baums einschließlich Teile der Baumkrone sind stehen geblieben. Der Stamm hat sich nicht einmal zur Seite geneigt. Vor diesem Hintergrund kann der Baum im Sinne der Klauseln nicht als umgestürzt betrachtet werden. Auch aus dem Zweck oder Sinnzusammenhang der Klausel lässt sich keine andere Auslegung ableiten.
Im Streitfall kommt hinzu, dass nach Nr. 26 Buchst. c des Spezialpakets abgebrochene Äste explizit nicht versichert sein sollen. Wie schon aus den Lichtbildern im Baumgutachten XXXXXX vom 14.07.2023 (Anlage K 2) zu ersehen ist, handelt es sich vorliegend um Astabbrüche, mögen auch Teile des Baumstamms mit herausgebrochen sein und die abgebrochene Äste Stammstärke gehabt haben. Auch der Gutachter XXXXXX spricht in der Zusammenfassung unter Nr. 3 seines Gutachtens von gebrochenen Starkästen und einem Abbrechen der Äste. Ein solches ist aber ausdrücklich nicht versichert.
Nichts anderes ergibt sich aus Nr. 26 Buchst. b des Spezialpakets, wonach der Versicherer die Kosten für das Entfernen der Wurzeln ersetzt. Entgegen der Ansicht der Kläger ist diese Regelung nicht überflüssig, wenn man ein Entwurzeln des Baums für die Annahme eines Umstürzens für erforderlich hält. Wenn ein Baum zur Seite fällt, führt dies grundsätzlich dazu, dass Wurzelwerk abreißt oder aus dem Boden gerissen wird. Es werden aber in aller Regel Teile des Wurzelwerks im Boden verbleiben. Nr. 26 Buchst. b des Spezialpakets regelt für diesen Fall, dass und in welchem Umfang (nämlich nur bis zu 0,5 m3) der Versicherer die Kosten für die Beseitigung des im Boden verbliebenen Wurzelwerks zu tragen hat. Die Regelung ist mithin keineswegs überflüssig.
Auch die obergerichtliche Entscheidung, auf welche sich die Kläger berufen (OLG München, Hinweisbeschluss vom 16.01.2019 - 25 U 3650/18, r+s 2019, 270, juris), steht dem nicht entgegen. Das OLG München setzt sich in dem Beschluss nicht näher mit der Frage auseinander, wann von einem Umstürzen eines Baumes auszugehen ist, sondern beschäftigt sich mit der Folgefrage, ob die Kosten für die Beseitigung eines verbliebenen Restbaums versichert sind. In jenem Fall ging es offenbar auch nicht um das Umstürzen eines Baums, sondern um die augenscheinlich dort versicherte Variante des Absterbens eines Baums. Soweit das OLG München ausführt, dass es in der Natur der Sache liege, dass beim Umstürzen je nach der Höhe oder Lage der Knick- oder Bruchstelle Teile des Baums stehend im Boden verbleiben, lässt sich dies im Übrigen auch so verstehen, dass auch nach dem dortigen Verständnis bei einem Umstürzen zumindest die übrigen Teile gerade nicht stehend im Boden verbleiben. Vorliegend ist jedoch der gesamte Stamm stehend im Boden verblieben. Schließlich gab es im dort entschiedenen Fall, soweit ersichtlich und anders als im vorliegenden Fall, auch keine Klausel, welche den bloßen Abbruch von Ästen ausdrücklich vom Versicherungsschutz ausgenommen hat.
b)
Die Kläger können die Kosten auch nicht als Rettungskosten nach § 90 i. V. m. § 83 Abs. 1 Satz 1 VVG ersetzt verlangen. Die Aufwendungen waren nicht erforderlich, um einen unmittelbar bevorstehenden Versicherungsfall im Sinne von § 90 VVG abzuwenden oder in seinen Auswirkungen zu mindern. Zwar wäre ein Versicherungsfall nach Nr. 26 des Spezialpakets eingetreten, wenn der verbliebene Baum infolge eines Sturms umgestürzt wäre. Erst recht wäre ein Versicherungsfall eingetreten, wenn der Baum sturmbedingt auf das versicherte Gebäude gefallen wäre und dieses beschädigt hätte. Der Eintritt eines solchen Versicherungsfalls stand indes nicht unmittelbar bevor. Unmittelbar bevor steht der Eintritt eines Versicherungsfalls, wenn ohne Rettungsmaßnahmen versicherter Schaden unabwendbar wäre oder doch mit hoher Wahrscheinlichkeit innerhalb kurzer Zeit eintreten würde (BGH, Urteil vom 13.07.1994 - IV ZR 250/93, VersR 1994, 1181, zit. nach juris Rn. 14; Armbrüster, in: Prölss/Martin, VVG, 32. Aufl. 2024, § 90 Rn. 3; Klimke, in BeckOK VVG, 24. Ed. 01.08.2024, § 90 Rn. 4). Die Gefahrenlage muss sich dabei soweit verdichtet haben, dass ein konkreter Versicherungsfall, also ein nach Art und Auswirkungen schon näher zu beschreibender Schadensfall, in kürzester Zeit und ohne die Rettungsmaßnahme unabwendbar eintreten wird (OLG Saarbrücken, Beschluss vom 21.11.2007 - 5 W 257/07, zfs 2008, 460, zit. nach juris Rn. 22; Klimke, in BeckOK VVG, 24. Ed. 01.08.2024, § 90 Rn. 4; Staudinger, in: MüKoVVG, Bd. 1, 3. Aufl. 2022, § 90 Rn. 8; Knappmann, VersR 2002, 129). Solches kann zwar insbesondere gegeben sein, wenn ein Baum durch einen Sturm entwurzelt wurde und beim nächsten Windstoß auf ein sturmversichertes Gebäude zu fallen droht (AG Köpenick, Urteil vom 09.10.2002 - 6 C 129/02, NJW-RR 2003, 168, 169; Staudinger, in: MüKoVVG, Bd. 1, 3. Aufl. 2022, § 90 Rn. 8). Eine derartige unmittelbare Gefahr lag hier aber ausweislich des Privatgutachtens XXXXXX, auf das sich die Kläger berufen, nicht vor. Der Gutachter hat in seinem Gutachten vom 14.07.2023 zwar einen dringenden Handlungsbedarf gesehen und eine Fällung des Baumes empfohlen. Die erforderliche hohe Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Versicherungsfalls lässt sich daraus indes nicht entnehmen. Jedenfalls aber ergibt sich daraus kein ohne Rettungsmaßnahme in kürzester Zeit eintretender Schaden. Der Privatgutachter XXXXXX hat die Gefahr weiterer Abbrüche maßgeblich auf eine zu erwartende Fäulnis des Stamms aufgrund der ungeschützten Schadstellen gestützt. Bei einer solchen Fäulnis wird es sich aber um einen schleichenden Prozess handeln. Der Gutachter XXXXXX hat im Einklang damit erklärt, dass die Fällung möglichst umgehend, am besten innerhalb der nächsten Woche durchgeführt werden sollte. Eine sofortige Fällung hat der Privatgutachter damit nicht als erforderlich erachtet. Es erscheint zwar nachvollziehbar, dass die Kläger mit der Fällung nicht zugewartet, sondern diese sofort in Auftrag gegeben haben, um die latente Gefahr drohender Schäden zu beseitigen. Dies führt aber nicht zu einer Ersatzfähigkeit der Kosten, da ein Versicherungsfall eben nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit unmittelbar bevorstand. Allgemeine Schadensverhütungskosten sind nicht vom Aufwendungsersatzanspruch nach § 90 i. V. m. § 83 Abs. 1 Satz 1 VVG umfasst, sondern vom Versicherungsnehmer selbst zu tragen (Klimke, in BeckOK VVG, 24. Ed. 01.08.2024, § 90 Rn. 4).
2.
Die Kläger haben auch keinen Anspruch auf Ersatz der geltend gemachten Kosten für die Einholung des Baumgutachtens des Privatgutachters XXXXXX von 336,29 €.
Aus den Versicherungsbedingungen ergibt sich keine Grundlage für einen Ersatz dieser Kosten.
Entgegen der Auffassung der Kläger sind die Kosten auch nicht als Schadensermittlungskosten nach § 85 Abs. 1 VVG von der Beklagten zu tragen. Zunächst fehlt es im Hinblick auf die Beschädigung des streitgegenständlichen Baums, wie dargelegt, am Vorliegen eines versicherten Schadens. Zum anderen liegen die Voraussetzungen, unter denen Kosten für die Hinzuziehung eines Sachverständigen nach § 85 Abs. 2 VVG ausnahmsweise zu erstatten sind, nicht vor. Die Kläger waren zur Zuziehung des Privatgutachters weder vertraglich verpflichtet noch wurden sie von der Beklagten zur Zuziehung aufgefordert.
Soweit die Kläger in der Klageschrift geltend machen, dass die Hinzuziehung des Privatgutachters geboten gewesen sei, zumal die Beklagte ihre Eintrittspflicht abgelehnt und sie mit dem entstandenen Schaden allein gelassen habe, ist dies weder rechtlich relevant noch tatsächlich zutreffend. Die Kläger haben den Privatgutachter mit der Erstellung des Gutachtens bereits beauftragt, bevor die Beklagte mit Schreiben vom 14.07.2023 mitteilte, dass sie die Kosten für die Aufräumungsarbeiten und das Entfernen des Baums nicht erstatten könne. Die Ablehnung der Beklagten war damit nicht kausal für die Einholung des Gutachtens und die dadurch resultierenden Kosten.
3.
Schon mangels Hauptforderung haben die Kläger auch weder einen Anspruch auf Zahlung der mit dem Klageantrag zu 1 geltend gemachten Zinsen noch auf die mit dem Klageantrag zu 2 geforderte Zahlung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten.
II.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 709 ZPO.