Landgericht Bückeburg
Beschl. v. 30.05.2012, Az.: 4 T 97/11
Vergütung eines Insolvenzverwalters durch die Landeskasse nur bis zur sog. Mindestvergütung nach § 2 Abs. 2 InsVV
Bibliographie
- Gericht
- LG Bückeburg
- Datum
- 30.05.2012
- Aktenzeichen
- 4 T 97/11
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2012, 17750
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGBUECK:2012:0530.4T97.11.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Bückeburg - 18.04.2012
Rechtsgrundlagen
- § 2 Abs. 2 InsVV
- § 63 Abs. 2 InsO
- § 209 InsO
Fundstellen
- InsbürO 2012, 399
- ZInsO 2012, 1283-1284
- ZVI 2013, 79-80
Redaktioneller Leitsatz
§ 2 Abs. 2 InsVV kann nicht dahingehend ausgelegt werden, dass die Vorschrift im Hinblick auf die Vergütung eines Insolvenzverwalters aus der Landeskasse eine Beschränkung auf die Mindestgebühr vorsieht.
In dem Insolvenzverfahren
über das Vermögen xxx
Beteiligte:
1. xxx
Insolvenzverwalter und Beschwerdeführer,
2. xxx
Schuldnerin und Beschwerdegegnerin zu 1.;
Verfahrensbevollmächtigte: xxx
hat die 4. Zivilkammer des Landgerichts Bückeburg durch den Richter am Landgericht Barnewitz als Einzelrichter am 30. Mai 2012
beschlossen:
Tenor:
- 1.
Auf die sofortige Beschwerde des Insolvenzverwalters wird der Beschluss des Amtsgerichts Bückeburg -xxx- vom 18. April 2012 aufgehoben.
- 2.
Das Verfahren wird zur neuerlichen Entscheidung an das Amtsgericht Bückeburg - Rechtspflegerin - zurückverwiesen, dem auch die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens übertragen wird.
- 3.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Schuldnerin stellte am 27. Februar 2008 einen Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, verbunden mit einem Antrag auf Verfahrenskostenstundung und Erteilung der Restschuldbefreiung. Das Amtsgericht gewährte der Schuldnerin daraufhin durch Beschluss vom 29. Februar 2008 die Stundung der Verfahrenskosten für das Eröffnungsverfahren und das Insolvenzverfahren. Es eröffnete durch Beschluss vom 6. März 2008 das Insolvenzverfahren und setzte den Beteiligten zu 2. zum Insolvenzverwalter ein.
Der Insolvenzverwalter führte den Gastronomiebetrieb der Schuldnerin bis zum 13. April 2008 fort. Er erteilte unter dem 23. August 2010 seinen Schlussbericht, nach dem nach Tätigung diverser Ausgaben auf dem Verwalterkonto ein Guthaben von 1.420,53 EUR vorhanden ist.
Der Insolvenzverwalter hat mit weiterem Schriftsatz vom 23. August 2010 beantragt, seine Vergütung nebst Auslagen, Zustellungskosten und Umsatzsteuer, ausgehend von einer Berechnungsmasse von 24.224,35 EUR, auf insgesamt 15.816,74 EUR festzusetzen und den Betrag aus der Landeskasse zu erstatten. Ergänzend hat der Insolvenzverwalter ausgeführt, er habe angesichts der notwendig gewesenen Betriebsfortführung die Tilgungsreihenfolge des § 209 InsO beachtet, die entstandenen Kosten seien unausweichliche Kosten gewesen, zumal er zunächst die Hoffnung gehabt habe, den Gaststättenbetrieb insgesamt auf einen neuen Betreiber übertragen zu können.
Das Amtsgericht hat daraufhin durch Beschluss vom 18. April 2011 die Vergütung des Insolvenzverwalters einschließlich Auslagen, Zustellungskosten und Umsatzsteuer auf insgesamt 2.582,10 EUR festgesetzt, wobei der Betrag nach Rechtskraft des Beschlusses aus der Landeskasse erstattet werde. Den weitergehenden Antrag hat das Amtsgericht zurückgewiesen. Zur Begründung hat die Rechtspflegerein im Wesentlichen ausgeführt, der Insolvenzverwalter könne, wenn nach erfolgter Verfahrenskostenstundung die Masse für die Entnahme der Regelvergütung nicht ausreiche, nach einer Entscheidung des Landgerichts Braunschweig vom 8. Februar 2010 (6 T 666/09, ZInsO 2010, 732) aus der Landeskasse nur die Mindestvergütung nach § 2 Abs. 2 InsVV beanspruchen.
Gegen diesen ihm am 26. April 2011 zugestellten Beschluss richtet sich die am 10. Mai 2011 eingegangene sofortige Beschwerde des Schuldners, mit der er seinen Vergütungsantrag weiter verfolgt. Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, die gesetzgeberische Intention, auch mittellosen Schuldnern den Zugang zu den Insolvenzverfahren und zur Restschuldbefreiung zu eröffnen, rechtfertige es nicht, die gesetzlich festgelegte Regelvergütung (faktisch) auf die Mindestvergütung zu begrenzen. Bei einer derartigen Handhabung würde zudem in Insolvenzverfahren mit Verfahrenskostenstundung das wirtschaftliche Risiko des Insolvenzverfahrens auch auf den Insolvenzverwalter übertragen, ohne dass dafür ein rechtfertigender Grund ersichtlich wäre. Allein der Hinweis, dass der Insolvenzverwalter sein Risiko durch die Genehmigung von Vorschussentnahmen reduzieren könne, überzeuge nicht.
Der Bezirksrevisor hat unter Berufung auf die Entscheidung des Landgerichts Braunschweig um die Zurückweisung der Beschwerde nachgesucht.
II.
Die sofortige Beschwerde (§ 11 Abs. 1 RPflG, § 64 Abs. 3 InsO) des Insolvenzverwalters ist form- und fristgerecht eingelegt worden und auch im Übrigen zulässig. Die Beschwerde hat auch insoweit vorläufig Erfolg, als der angefochtene Beschluss - trotz einer ausführlichen Begründung - aufzuheben und wegen der noch zu treffenden ergänzenden Feststellungen zur neuen Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen ist, § 4 InsO, § 572 Abs. 3 ZPO.
Nach Auffassung der Kammer beinhaltet der Antrag des Insolvenzverwalter zwei Anträge, nämlich zum einen den Antrag, festzusetzen, in welcher Höhe ihm eine Vergütung (nebst Auslagen usw.) zustehe, zum anderen den Antrag, festzusetzen, dass diese (und hilfsweise eine geringere) Vergütung gemäß § 63 Abs. 2 InsO aus der Landeskasse zu zahlen sei. Diese Differenzierung hat das Amtsgericht - aus seiner Sicht konsequenterweise - nicht in hinreichender Weise vorgenommen.
Festzusetzen ist zunächst die Höhe der dem Insolvenzverwalter zustehenden Vergütung (nebst Auslagen usw.), auch um einer Rechtfertigung dafür zu schaffen, dass der Insolvenz-Verwalter die bei der Insolvenzmasse befindlichen Mittel zum Ausgleich seiner Ansprüche der Insolvenzmasse zu entnahmen berechtigt ist. Ein solcher Zugriff auf die Insolvenzmasse liegt hier nahe, weil das Verfahren nicht gänzlich masselos ist. Denn nach § 63 Abs. 2 InsO greift die Sekundärhaftung der Landeskasse nur ein, "soweit" sich die Insolvenzmasse als nicht ausreichend erweist. Sind aber, wie dies hier nach dem Schlussbericht der Fall zu sein scheint, Mittel in der Insolvenzmasse vorhanden, die allerdings zum Ausgleich der Vergütung nicht ausreichen, sind zunächst diese zum Ausgleich des Vergütungsanspruchs zu heranzuziehen. Nur hinsichtlich des nicht gedeckten Restbetrages kommt eine Inanspruchnahme der Landeskasse in Betracht. Ob die Vergütung von dem Insolvenzverfahren in seinem Antrag vom 23. August 2010 zutreffend berechnet ist, hat das Amtsgericht, von seinem Standpunkt aus zu Recht, nicht in einer der Rechtskraft fähigen Weise festgestellt. Allein die als obiter dictum zu wertenden Ausführungen, die Prüfung der Schlussrechnung habe zu keiner Beanstandung geführt, reicht insoweit nicht aus.
In einem weiteren Schritt ist festzustellen, ob und ggf. in welchem Umfang diese Vergütung (nebst Auslagen usw.) im Rahmen der Sekundärhaftung gemäß § 63 Abs. 2 InsO aus der Landeskasse zu erstatten ist.
Die Kammer teilt, soweit es um die Höhe der von der Landeskasse zu zahlenden Vergütung geht, die von dem Amtsgericht unter Berufung auf die zitierte Entscheidung des Landgerichts Braunschweig (ZInsO 2010, 732) vertretene Auffassung, dass der Insolvenzverfahren aus der Landeskasse nur die sog. Mindestvergütung (§ 2 Abs. 2 InsVV) erhalten könne, nicht. Eine solche Beschränkung lässt sich dem Gesetzeswortlaut ebenso wie den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen, sodass letztendlich nur eine sich am Wortlaut der Regelung orientierende Gesetzesauslegung in Betracht kommt, die aber eben keine Beschränkung auf die Mindestgebühr vorsieht (vgl. LG Aurich, ZInsO 2012, 802; ebenso wohl BGH ZInsO 2010, 2188 und Nowak in Münchener Kommentar zur InsO, 2. Aufl., § 63 Rn. 15). Auch deshalb ist, wie oben bereits ausgeführt, die dem Insolvenzverwalter "an sich" zustehende Vergütung gesondert festzusetzen.
Soweit es um die Festsetzung des aus der Landeskasse zu erstattenden Teils der Vergütung geht, sind abzusetzen zunächst einmal diejenigen Beträge, die in der Insolvenzmasse vorhanden sind. Denn die Haftung der Landeskasse kommt nur in Betracht, "soweit" die Insolvenzmasse dafür nicht ausreicht. Dazu sind noch zeitnahe Feststellungen zu treffen.
Abzusetzen sind allerdings auch solche Beträge, die der Insolvenzverwalter unter Verletzung der Befriedigungsreihenfolge des§ 209 InsO der Insolvenzmasse entnommen hat. Insoweit kann nämlich nicht davon ausgegangen werden, dass die Insolvenzmasse zum Ausgleich des Vergütungsanspruchs nicht "ausgereicht" (§ 63 Abs. 2 InsO) habe (vgl. BGH ZInsO 2010, 2188). Ob und ggf. in welchem Umfang die von dem Insolvenzverwalter getätigten Ausgaben vorab zu entnehmende "unausweichliche Verwaltungskosten" waren, wie dies der Insolvenzverwalter dargestellt hat, von dem Amtsgericht in seinem Nichtabhilfebeschluss vom 30. September 2011 - wenn auch konsequenterweise ohne nähere Begründung und Bezifferung - hingegen verneint worden war, bedarf danach einer abschließenden Überprüfung. Dabei spricht zumindest angesichts der vorgenannten Entscheidung des BGH einiges dafür, dass jedenfalls die abgeführte Umsatzsteuer nicht zu den sog. "unausweichliche Verwaltungskosten" gezählt werden kann.
Angesichts der noch zu treffenden Feststellungen erachtet es die Kammer hier ausnahmsweise für geboten, den angefochtenen Beschluss insgesamt aufzuheben und zur neuerlichen Sachentscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen. Dies insbesondere deshalb, weil auf der Grundlage der Rechtsauffassung der Kammer zur Berechnung des von der Landeskasse zu tragenden Vergütungsanteils noch erhebliche Feststellungen (insbesondere zur Angemessenheit der beantragten Vergütung, zum Vorhandensein einsetzbarer Masse, zum Umfang des Verstoßes gegen die sich aus § 209 InsO ergebenden Befriedigungsreihenfolge) zu treffen sind, die angesichts der Sachkompetenz des Amtsgerichts dort besser und zuverlässiger getroffen werden können als durch ein Beschwerdegericht. Darüber hinaus wird auf diese Weise den Beteiligten, die nunmehr mit einer gänzlich anderen Beurteilung der Vergütungsfrage konfrontiert werden, Gelegenheit zum ergänzenden Sachvortrag und insbesondere die Möglichkeit einer neuerlichen Beschwerdeeinlegung eröffnet; jedenfalls letzteres wäre bei einer Sachentscheidung durch das Beschwerdegericht nicht gegeben.
Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens ist dem Amtsgericht zu übertragen (§ 4 InsO, § 573 Abs. 3 ZPO), weil erst nach einer neuerlichen erstinstanzlichen Entscheidung beurteilt werden kann, ob und ggf. in welchem Umfang das Rechtsmittel des Insolvenzverwalters Erfolg hatte. Danach richtet sich aber in der Regel die Kostenentscheidung.
Die Kammer hat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen, weil die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch eine Zulassung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich erscheint (§ 4 InsO, § 574 Abs. 2 und 3 ZPO).