Amtsgericht Stade
Urt. v. 15.05.1986, Az.: 61 C 714/85 (a)
Bibliographie
- Gericht
- AG Stade
- Datum
- 15.05.1986
- Aktenzeichen
- 61 C 714/85 (a)
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1986, 24004
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
In dem Rechtsstreit der
...
wegen Forderung
hat das Amtsgericht Stade
auf die mündliche Verhandlung vom 3. April 1986
durch den Richter am Amtsgericht b.
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.)
Der Einspruch der Beklagten gegen den Vollstreckungsbefehl des Amtsgerichts Stade vom 17. Aug. 1967 wird verworfen.
- 2.)
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
- 3.)
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin hat unter dem 17. Aug. 1967 einen Vollstreckungsbefehl über 160,60 DM nebst 10 % Zinsen seit dem 8. Dez. 1966 erwirkt. Dagegen hat die Beklagte am 01. Nov. 1985 Einspruch eingelegt.
Der Gerichtsvollzieher hat in der Zustellungsurkunde vom 30. Aug. 1967 vermerkt, er habe den Empfänger selbst in der Wohnung nicht angetroffen und daher das Schriftstück dem zur Familie gehörenden erwachsenen Hausgenossen, nämlich der Tochter M. , übregeben.
Die Beklagte behauptet, der Vollstreckungsbefehl sei ihr erstmals am 29. Okt. 1985 zur Kenntnis gekommen.
Die Klägerin hält den Einspruch für verspätet, Sie bestreitet, daß M. im Zeitpunkt der Zustellung erst 8 1/2 Jahre alt gewesen sei und trägt vor, der Beklagten sei der Vollstreckungsbescheid auch im übrigen schon seit langem bekannt. Die Klägerin habe msämlich am 9. Dez. 1969 und am 14. Mai 1970 wegen der noch ausstehenden Restschuld an die Beklagte geschrieben. Außerdem habe der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin bereits am 15. Sept. 1967 wegen der damals schon eingeleiteten Zwangsvollstreckung an die Beklagte geschrieben und unter Bezugnahme auf das bereits eingeleitete Zwangsvollstreckungsverfahren die Beklagte zu Ratenzahlungen aufgefordert.
Außerdem habe sich der S. mit einem Schreiben vom 25. Jan. 1968 an die Beklagte in derselben Sache gewandt. Die Klägerin hält es für unzulässig, daß die Beklagte sich unter diesen Umständen nach Jahrzehnten nachträglich auf Zustellungsmängel beruft. Sie trägt im übrigen vor:
Die Zuständigkeit des Amtsgerichts Stade ergebe sich aus den damals vereinbarten Geschäftsbedingungen der Klägerin, wonach der Gerichtsstand das Amtsgericht Stade sei. Insoweit hat die Klägerin eine Ablichtung ihrer früheren Geschäftsbedingungen vorgelegt.
Der Anspruch der Klägerin ergebe sich im übrigen aus der Lieferung von Waren gemäß einer Rechnung vom 7. Nov. 1966. Die Klägerin nehme Bankkredit in Anspruch und müsse diesen Kredit mit mindestens l0 % jähr1ich verzinsen.
Die Klägerin beantragt,
den Einspruch der Beklagten zu verwerfen.
hilfsweise;
die Beklagte kostenpflichtig zu verurteilen,
an die Klägerin 160,60 DM nebst l0 % Zinsen seit dem 8. Dez. 1966 als Gesamtschuldnerin mit H.D. zu zahlen.
Die Beklagte rügte die örtliche Unzuständigkeit des Amtsgerichts Stade und beantragte hilfsweise die Klage abzuweisen.
Sie bestreitet die Zuständigkeit des Amtsgerichts Stade und trägt vor, die Geschäftsbedingungen der Klägerin könnten nicht zugrundegelegt werden, weil die Beklagte zu der Klägerin nicht in einem Vertragsverhältnis gestanden habe. Sie bestreitet nämlich, bei dem M. KG Bestellungen getätigt zu haben, vielleicht habe das ihr geschiedener Ehemann getan.
Außerdem erhebt die Beklagte die Einrede der Verjährung.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Einspruch der Beklagten war als verspätet zu verwerfen. Er ist nicht innerhalb der 2-Wochen-Frist des § 339 ZPO eingelegt worden.
Es war festzustellen, daß der Vollstreckungsbefehl ordnungsgemäß zugestellt worden ist. Der Gerichtsvollzieher hat gemäß § 181 ZPO eine Ersatzzustellung vorgenommen, und zwar an die Tochter der Beklagten. M. war seinerzeit zwar noch nicht volljährig, sondern erst reichlich 9 1/2 Jahre alt. Weshalb die Beklagte ursprünglich ein falsches Geburtsdatum der M. angegeben hat, ist nicht ersichtlich. Daß ihr das Geburtsdatum ihrer Tochter und deren Alter nicht bekannt war, ist allerdings kaum anzunehmen. Es ist daher davon auszugeben, daß die Beklagte bei der Information ihres Prozeßbevollmächtigten zur Einspruchsschrift bewußt die Unwahrheit gesagt hat.
Nach § 181 ZPO kann, wenn die Person, der zugestellt werden soll, nicht angetroffen wird, die Zustellung in der Wohnung an einen zu der Familie gehörenden erwachsenen Hausgenossen erfolgen. Das Gericht geht dabei davon aus, daß der Gerichtsvollzieher die Zustellung ordnungsgemäß ausgeführt hat, daß er also M. mit ihren mehr als 9 1/2 Jahren als erwachsenen Hausgenossen der Beklagten angesehen hat. Entscheidend ist, daß man erwarten kann, daß der Empfänger das Schriftstück ordnungsgemäß weitergeben wird. Entscheidend kommt es dabei auf die Beurteilung des Zustellungsbeamten an. Es ist daher davon auszugehen, daß der Gerichtsvollzieher eine entsprechende Würdigung vorgenommen hat und M. als einen erwachsenen Hausgenossen der Beklagten im Sinne des § 181 ZPO angesehen hat. Daß das nicht gerechtfertigt war, hat sich nicht ergeben.
Selbst wenn man dem aber nicht folgen wollte und generell der Auffassung wäre, daß ein über 9 1/2 jähriges Mädchen auf keinen Fall als erwachsener Hausgenosse im Sinne des § 181 ZPO angesehen werden kann, ist der Einspruch unzulässig, weil er gegen Treu und Glauben verstößt. Neben der Übergabe an M. sind nämlich auch ein Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Klägerin sowie zwei weitere Schreiben der Klägerin selbst und eines des F. an die Beklagte gesandt worden.
Abgesehen davon, daß die Bestellung erfolgt ist, daß der Mahnbescheid zugestellt worden ist, ist die Beklagte daher durch diese Schreiben hinreichend auf den Anspruch und auch auf die Vollstreckung und damit auch auf den Vollstreckungsbescheid hingewiesen worden. Es erscheint daher als arglässig, wenn die Beklagte sich nunmehr nach langer Zeit darauf zurückziehen will, daß der Vollstreckungsbefehl nicht ordnungsgemäß zugestellt worden sei.
Da davon auszugehen ist, daß nach den Angaben im Vollstreckungsbefehl ein Vertragsverhältnis zwischen den Parteien zur Lieferung von Ware geführt hat, ist auch aus dem Inhalt der Verhandlungen (§ 236 ZPO) zu entnehmen, daß die Geschäftsbedingungen der Klägerin zugrunde gelegt worden sind und daß dadurch nach den damaligen Recht noch der Gerichtsstand Stade vereinbart worden ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.