Oberlandesgericht Braunschweig
Urt. v. 26.06.2007, Az.: 1 U 11/07
Nichtvornahme eines Schwangerschaftstests vor Beginn einer Therapie mit einem Ovulationshemmer-Medikament als einfacherärztlicher Behandlungsfehler; Verneinung der Kausalität eines Behandlungsfehlers für eine gerechtfertigte Schwangerschaftsunterbrechung als Folge eines Nichteintritts der Merkmale des § 218a Abs. 2 Strafgesetzbuch (StGB); Unterbrechung eines Zurechnungszusammenhangs im Rahmen der zivilrechtlichen Schadenskausalität als Folge eines freiverantwortlichen Willensentschlusses eines Patienten; Höhe eines Missbildungsrisikos als erhebliches Kriterium für die zivilrechtliche Schadensursächlichkeit
Bibliographie
- Gericht
- OLG Braunschweig
- Datum
- 26.06.2007
- Aktenzeichen
- 1 U 11/07
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2007, 43251
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGBS:2007:0626.1U11.07.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Braunschweig - AZ: 4 O 2773/05
Rechtsgrundlagen
- § 218a Abs. 2 StGB
- § 253 Abs. 2 BGB
- § 280 BGB
- § 611 BGB
- § 823 Abs. 1 BGB
Fundstellen
- MedR 2008, 372-374 (Volltext mit amtl. LS u. Anm.)
- OLGReport Gerichtsort 2008, 11-13
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Es stellt einen (einfachen) Behandlungsfehler dar, wenn ein Arzt für Gynäkologie im Rahmen der Behandlung von Menstruationsunregelmäßigkeiten bei objektiv bestehender Unsicherheit über das Vorliegen einer Schwangerschaft zu deren Ausschluss vor Beginn der Therapie mit einem Ovulationshemmer-Medikament einen Schwangerschaftstest durch Beta-HCG-Bestimmung des Blutes nicht vornimmt bzw. nicht veranlasst.
- 2.
Allein deshalb, weil im Falle einer Schwangerschaft die zu erwartenden Folgen für die Kindsmutter hinter dem in § 218a Abs. 2 StGB beschriebenen Ausmaß zurückbleiben oder dieses Ausmaß nicht sicher feststellbar erreichen, kann eine Kausalität des Befunderhebungsfehlers für die Durchführung der nach § 218a Abs. 1 StGB gerechtfertigten Schwangerschaftsunterbrechung und ihre Folgen nicht bereits verneint werden.
- 3.
Im Rahmen der zivilrechtlichen Schadenskausalität unterbricht der Willensentschluss einer Patientin - hier zum Schwangerschaftsabbruch - den Zurechnungszusammenhang nicht, wenn er nicht frei getroffen, sondern durch das Verhalten des Arztes - hier durch Befundnichterhebung verursachte kontraindizierte Medikamenteneinnahme - herausgefordert oder wesentlich mitbestimmt worden ist. Die Beweislast für die Herausforderung oder Mitbestimmung ihres Willensentschlusses liegt nach allgemeinen Grundsätzen bei der Patientin.
- 4.
Unerheblich für die Schadensursächlichkeit im Sinne des durch den Behandlungsfehler herausgeforderten Schwangerschaftsabbruchs ist, wie hoch aus medizinisch-wissenschaftlicher Sicht das Risiko einer medikamenteninduzierten Missbildung gewesen ist, jedenfalls solange ein solches Risiko nicht auszuschließen ist oder die möglichen Auswirkungen nicht völlig unerheblich sind.
In dem Rechtsstreit ...
hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig
durch
den Richter am Oberlandesgericht Brand als Vorsitzenden,
den Richter am Oberlandesgericht Kalde und
den Richter am Amtsgericht Schütz
auf die mündliche Verhandlung vom 21. Juni 2007
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 01.11.2007 - 4 O 2773/05 - (1) abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 9.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.10.2005 zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 9.000,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin befand sich im Jahre 2003 in frauenärztlicher Behandlung der in Gemeinschaftspraxis mit der Zeugin Dr. M. als Frauenärztin niedergelassenen Beklagten. Grund der Behandlung waren Unregelmäßigkeiten bzw. Ausbleiben der Menstruation. Zur Behandlung verabreichte und verordnete die Beklagte der Klägerin Ovulationshemmer-Tabletten des Präparats X., wobei sie sich auf die Angabe der Klägerin verließ, ein mittels eines üblichen Apotheken-Testsets zuvor von der Klägerin bei sich zu Hause selbst durchgeführter Schwangerschaftstest im Urin habe keine Schwangerschaft angezeigt. Einen ärztlichen Schwangerschaftstest führte die Beklagte nicht durch. Ob die Klägerin in der Folgezeit den von der Beklagten verordneten Ovulationshemmer X und zusätzlich das Antibiotikum Y und das Schmerzmittel Z eingenommen hat, ist streitig. Bei der vereinbarten Wiedervorstellung stellte die Zeugin Dr. M. fest, dass die Klägerin schwanger war. Die Klägerin ließ sich bei einem anderen Gynäkologen, dem Zeugen Dr. S., beraten. Anschließend ließ die Klägerin, die zu diesem Zeitpunkt bereits Mutter eines bei ihr und ihrem Ehemann lebenden Kindes war, durch einen dritten Gynäkologen die Schwangerschaft im Rahmen der Frist des § 218a Abs. 1 StGB abbrechen. Inzwischen hat sie ein zweites Kind geboren. Die Klägerin begehrt wegen der von ihr wegen und infolge des Schwangerschaftsabbruchs erlittenen körperlichen und psychischen Belastungen ein Schmerzensgeld in Höhe von 9.000,00 EUR. Sie wirft der Beklagten als Behandlungsfehler vor, eine Schwangerschaftsbestimmung durch Bluttest unterlassen zu haben. Deshalb habe ihr die Beklagte einen fruchtschädigenden Ovulationshemmer zur Therapie verabreicht. Außerdem habe sie - die Klägerin - während der unerkannten Schwangerschaft für den Fötus schädliche Antibiotika und Schmerzmittel eingenommen. Sie habe sich nach Feststellung der Schwangerschaft wegen des Schädigungsrisikos für einen Schwangerschaftsabbruch entschieden. Die Beklagte hat erstinstanzlich die Erforderlichkeit eines zusätzlichen ärztlichen Schwangerschaftstests in Frage gestellt, verfolgt dies zweitinstanzlich aber nicht mehr weiter. Sie bestreitet (weiterhin) die Einnahme der angegebenen Medikamente, deren Gefährlichkeit und das dies der Grund für die Entscheidung der Klägerin gewesen sei, die Schwangerschaft abzubrechen. Das Landgericht hat die Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens sowie nach Vernehmung von Zeugen abgewiesen. Die Klägerin habe zwar bewiesen, dass der Beklagten wegen der Nichtfeststellung der Schwangerschaft am 05.06.2003 ein vorwerfbarer ärztlicher Fehler unterlaufen sei. Die Klägerin habe aber nicht bewiesen, dass dieser Fehler zu dem behaupteten Schwangerschaftskonflikt geführt habe. Die hiergegen zur Weiterverfolgung ihres erstinstanzlichen Ziels von der Klägerin eingelegte Berufung hatte nach Wiederholung der und Ergänzung der Beweisaufnahme Erfolg.
Gründe
(abgekürzt gem. §§ 525, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO)
Die zulässige Berufung ist begründet.
I.
Der Klägerin steht gegen die Beklagte gem. §§ 253 Abs. 2, 280, 611, 823 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Schmerzensgeld im zuerkannten Umfang zu, da die Beklagte es fahrlässig unterlassen hat, bei der Klägerin am 05.06.2003 trotz bestehender Unsicherheit über das Vorliegen einer Schwangerschaft zu deren Ausschluss vor Beginn der Therapie mit dem Ovulationshemmer-Medikament X einen Schwangerschaftstest durch Beta-HCG-Bestimmung des Blutes vorzunehmen bzw. zu veranlassen.
1.
Wegen der Fehlerhaftigkeit dieses Unterlassens wird auf die insoweit zutreffenden und nicht angegriffenen Ausführungen im landgerichtlichen Urteil, S. 4, letzter Absatz, bis S. 5, 3. Absatz (Bl. 128f. d.A.) Bezug genommen.
2.
Die vor dem Senat wiederholte und ergänzte Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugen A., Dr. M. und Dr. S. sowie durch Anhörung des Sachverständigen Dr. B. hat ergeben, dass der Behandlungsfehler für den am 30.06.2003 durchgeführten Schwangerschaftsabbruch ursächlich geworden ist.
a.)
Auf den Rechtfertigungstatbestand des § 218a Abs. 2 StGB, den das Landgericht geprüft und verneint hat, kam es hierfür wegen der bereits nach § 218a Abs. 1 StGB (BGBl. I 1995, S. 1055) gegebenen selbstständigen Rechtfertigung (vgl. Tröndle/Fischer, StGB, 54. Aufl., § 218a Rn. 5), für deren Feststellung es des Vorliegens einer rechtfertigenden Indikation nach § 218a Abs. 2 und 3 StGB nicht bedarf (vgl. Tröndle/Fischer, a.a.O., Rn. 10), nicht mehr an. Die Klägerin hat bereits erstinstanzlich unbestritten (Bl. 66f./92 d.A.) vorgetragen, dass vor dem Abbruch sämtliche nach § 218a Abs. 1 StGB erforderlichen Voraussetzungen erfüllt gewesen seien.
Die Beantwortung der Frage, ob die eingenommenen Medikamente eine nur so unerhebliche Gefährdung für die Kindsentwicklung oder den Schwangerschaftsverlauf darstellten, dass der Entschluss zum Abbruch im Rahmen der Fristenregelung mit dem Befunderhebungsfehler, auf den die Medikamenteneinnahme zurückgeht, nicht mehr in adäquat ursächlichem Zusammenhang stehen kann, hängt nur eingeschränkt und indirekt mit der Erfüllung des Tatbestands des § 218a Abs. 2 StGB zusammen. Ist dieser erfüllt, d. h. sind schwerwiegende körperliche oder seelische Beeinträchtigungen für die Kindsmutter zu befürchten und nur durch den Abbruch abzuwenden, ist an der adäquaten Schadenskausalität des Befunderhebungsfehlers regelmäßig nicht zu zweifeln. Das bedeutet aber nicht umgekehrt, dass dann, sobald die vorgenannten Folgen hinter dem in § 218a Abs. 2 StGB beschriebenen Ausmaß zurückbleiben oder dieses Ausmaß nicht sicher feststellbar erreichen, eine Kausalität des Befunderhebungsfehlers für die Durchführung der nach § 218a Abs. 1 StGB gerechtfertigten Schwangerschaftsunterbrechung und ihre Folgen bereits verneint werden kann.
b.)
Entscheidend ist, dass im Rahmen der zivilrechtlichen Schadenskausalität Willensentschlüsse des Verletzten - hier der Klägerin zum Schwangerschaftsabbruch - den Zurechnungszusammenhang nicht unterbrechen, wenn sie nicht frei getroffen, sondern durch das Verhalten des Schädigers - hier durch Befundnichterhebung verursachte kontraindizierte Medikamenteneinnahme - herausgefordert oder wesentlich mitbestimmt worden ist (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 66. Aufl., Vorbemerkung vor § 249 Rn. 80). Die Beweislast dafür liegt nach den allgemeinen Grundsätzen vorliegend bei der Klägerin (vgl. OLG Düsseldorf NJW-RR 1995, 1365, 1366 [OLG Düsseldorf 22.04.1994 - 14 U 112/93], zit. nach [...], Rn. 50; BGH NJW 1981, 570).
Diesen Beweis hat sie geführt. Sie hat bewiesen, dass der Befunderhebungsfehler und in dessen Folge die kontraindizierte Medikamenteneinnahme während zunächst unbekannter Schwangerschaft wesentlicher (Mit-)Beweggrund für den Entschluss zum Schwangerschaftsabbruch gewesen sind.
aa.)
Nach den Aussagen der Zeugen A. bzw. Dr. S. sind sowohl im Gespräch zwischen der Klägerin und der die Schwangerschaft am 25.06.2003 feststellenden Ärztin, der Zeugin Dr. M., als auch imärztlichen Beratungsgespräch mit dem Zeugen Dr. S. vom 26.06.2003 die Sorgen der Klägerin um eine durch Medikamenteneinnahme verursachte Kindsmissbildung Entscheidungskriterium gewesen. Der Zeuge A. hat bekundet, dass die Klägerin seit dem 05.06.2003 die Medikamente X (Ovulationshemmer), Y (Antibiotikum) und Z (Schmerzmittel) regelmäßig nach Beipackzettelempfehlung (Y, Z) bzw. Anordnung der Beklagten (X) eingenommen habe, ferner, dass die Klägerin und er deshalb Missbildungen für das Kind befürchtet und dies der Zeugin Dr. M. auch mitgeteilt hätten.
Die Aussage des Zeugen A. ist glaubhaft; der Zeuge hat unbeschadet des Umstands, dass er als Ehemann der Klägerin am Verfahrensausgang nicht uninteressiert sein dürfte, einen glaubwürdigen Eindruck gemacht.
Die Aussage der Zeugin Dr. M. steht dem nicht entgegen. Ihre Aussage ist im entscheidenden Punkt unergiebig, da sie bekundet hat, sich nicht daran erinnern zu können, ob die Sorge um durch Pharmaka ausgelöste Missbildungen zur Sprache gekommen ist, ohne dies aber ausschließen zu wollen. Auf Vorhalt der Aussage des Zeugen A. hat die Zeugin Dr. M. es für möglich gehalten, dass dessen Aussage den Gesprächsinhalt zutreffend wiedergibt.
Die Richtigkeit der Aussage des Zeugen A. wird durch die Aussage des Zeugen Dr. S. gestützt. Dieser hat sich genau daran erinnern können, dass die Sorge der Klägerin um die Schädlichkeit der Einnahme insbesondere des Medikaments X für den Fötus bei der Beratung am 26.06.2003 zur Sprache gekommen sei; er - der Zeuge Dr. S. - habe auch den Eindruck gehabt, die Klägerin habe gerade deswegen den Abbruch vornehmen lassen wollen.
bb.)
Für die Kausalität der Medikamenteneinnahme als (Mit-)Auslöser des Entschlusses zum Schwangerschaftsabbruch ist es unerheblich, ob die Klägerin schon im Jahre 2003 einen Wunsch nach einem zweiten Kind gehabt hat (so die Klägerin und der Zeuge A.) oder eben bloß zum damaligen Zeitpunkt nicht, grundsätzlich aber schon (so erstinstanzlich die Zeugin Dr. M.). Auch die letztgenannten Variante spricht nicht gegen eine Schadenskausalität.
Selbst wenn der damalige Zeitpunkt nach der Familienplanung der Klägerin - welche im Übrigen inzwischen eine weiteres Kind bekommen hat - nicht der "Wunschzeitpunkt" für eine Schwangerschaft gewesen sein sollte, hat das keine taugliche Indizwirkung. Aus dem Umstand, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt eine Schwangerschaft durch Anwendung von Verhütungsmaßnahmen verhindert werden sollte, kann nicht geschlossen werden, dass dann, wenn diese Planung misslingt, die Schwangere auf jeden Fall zum Abbruch entschlossen ist. Die Fragestellung, ob eine Schwangerschaft akzeptiert wird, ist in dem Zeitpunkt, in dem eine Schwangerschaft festgestellt wird, eine gänzlich andere.
Dass eine irgendwie geartete krisenhafte Lebenssituation bei der Klägerin im Jahre 2003 vorgelegen hätte, die ein zweites Kind zum damaligen Zeitpunkt als so belastend erscheinen ließ, dass sich für die Klägerin in jedem Fall nur die Option des Abbruchs und nicht die des Vorziehens des ohnehin vorhandenen Wunsches nach einem zweiten Kind bot, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
cc.)
Unerheblich für die Schadensursächlichkeit im Sinne des durch den Behandlungsfehler herausgeforderten Schwangerschaftsabbruchs ist schließlich auch, wie hoch aus medizinisch-wissenschaftlicher Sicht das Risiko einer medikamenteninduzierten Missbildung gewesen ist, jedenfalls solange ein solches Risiko nicht auszuschließen ist oder die möglichen Auswirkungen nicht völlig unerheblich sind.
Einen dahingehenden Erfahrungsgrundsatz, dass sich eine Schwangere von einem Missbildungsrisiko, sofern deren Häufigkeitsfaktor einen bestimmten Prozentwert oder verbal umschriebenen Grad ("gering") unterschreitet, bei ihrer Entscheidung zum Schwangerschaftsabbruch nicht mehr beeinflussen lässt, gibt es nicht. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls.
(1)
Zwar kann als ausgeschlossen angesehen werden, dass sich die Klägerin durch die Einnahme des Medikaments Z hat leiten lassen. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. B. ist eine schädliche Auswirkung des Medikaments Z für den Fötus ausgeschlossen. Z ist nur wegen des - hier ohnehin nicht verwirklichten - Risikos, dass durch dessen Einnahme bei der Schwangeren Blutungen ausgelöst werden, kontraindiziert. Das war, wie sich aus der Berufungsverhandlung ergeben hat, auch dem Ehemann der Klägerin, dem Zeugen A., aufgrund seiner ärztlichen Grundlagenqualifikation als Zahnarzt bekannt, so dass davon auszugehen ist, dass bei der Klägerin bezogen auf Z keine Bedenken aufgetreten sind oder vom zumindest vom Zeugen A. ausgeräumt werden konnten.
(2)
Das gilt indes nicht für die eingenommenen Medikamente X und Y. Aufgrund des bereits erstinstanzlichen Sachverständigengutachtens steht fest, dass unter Einnahme von Y in Tierversuchen die Entstehung von Gelenkknorpelschäden aufgetreten sind und diese deshalb auch beim noch nicht erwachsenen Organismus eines Menschen nicht ausgeschlossen werden können. Unter der Einnahme von X während der Schwangerschaft ist nach den weiteren überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen eine Fehlbildung des Urogenitaltraktes des Ungeborenen nicht auszuschließen.
Wie auch der Sachverständige in seiner Anhörung vor dem Senat plausibel ausgeführt hat, ist es nicht Ausdruck einer "sinnlosenÜberreaktion", sondern vielmehr nachvollziehbar, dass eine Schwangere nach schwangerschaftskontraindizierter Medikamenteneinnahme nicht durch abstrakte Wahrscheinlichkeitseinschätzungen beruhigt werden kann, sondern sich unter den genannten Risikovoraussetzungen im Sinne eines Schwangerschaftskonflikts zu einem Abbruch der Schwangerschaft entschließt.
3.
Für die Bemessung der Höhe des Schmerzensgeldes war von der klägerischen Darstellung der Folgen (S. 6f. der Klageschrift = Bl. 6f. d.A.) auszugehen, die von der Beklagten unbestritten geblieben ist und damit als zugestanden gilt ( § 138 Abs. 2 und 3 ZPO). Zu berücksichtigen sind daher zunächst die erheblichen körperlichen und psychischen Belastungen, die die am 30.06.2003 durchgeführte Abrasio für die Klägerin mit sich gebracht haben. Hinzukommen die in der Folge des Schwangerschaftsabbruchs aufgetretenen schweren Depressionen, die bei der Klägerin zu Weinzuständen, Appetitlosigkeit, starker Gewichtsabnahme, Konzentrationsschwäche, einer Vernachlässigung ihrer häuslichen Aufgaben sowie ihrer familiären und sonstigen sozialen Beziehungen geführt haben. Relevant ist schließlich auch, dass trotz zwischenzeitlicher psychiatrischer Behandlung es mindestens bis September 2005 regelmäßig noch zum Wiederauftreten depressiver Verstimmungen mit Wein- und Zitterattacken gekommen ist. Unter Berücksichtigung dieser Gesamtumstände ist ein Schmerzensgeld in Höhe von 9.000,00 EUR angemessen.
4.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.
II.
Die Entscheidung über die Kosten und die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 3 ZPO, 47 Abs. 1 GKG.