Arbeitsgericht Osnabrück
Urt. v. 15.06.1993, Az.: 3 Ca 36/93 E
Feststellung der organisatorischen und dienstrechtlichen Einordnung als Sicherheitsingenieur in einen Betrieb; Zuweisung einer Stabstelle an eine Fachkraft für Arbeitssicherheit; Betriebsleiter als unmittelbarer Vorgesetzter; Uneingeschränkte Verantwortlichkeit für die Arbeitssicherheit im gesamten Betrieb und Unabhängigkeit von anderen Fachkräften; Direktionsrecht des Arbeitgebers; Unzulässiger Einfluss anderer Stellen auf die Dienstaufsicht; Oberstadtdirektor als Leiter des Betriebes; Keine dienstrechliche Funktion des Hauptverwaltungsbeamten; Auswirkungen gesetzlicher Normierung auf privatrechtliche Arbeitsverträge; Keine Vorlagepflicht von Arbeitsergebnissen gegenüber nachgeordneten Stellen
Bibliographie
- Gericht
- ArbG Osnabrück
- Datum
- 15.06.1993
- Aktenzeichen
- 3 Ca 36/93 E
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1993, 16478
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:ARBGOSN:1993:0615.3CA36.93E.0A
Rechtsgrundlagen
- § 8 Abs. 2 ASiG
- § 8 Abs. 3 ASiG
Fundstelle
- AuR 1996, 29 (amtl. Leitsatz)
Verfahrensgegenstand
Tarifliche Einstufung
In dem Rechtsstreit
hat das Arbeitsgericht in Osnabrück
auf die mündliche Verhandlung vom 15. Juni 1993
durch
den Richter am Arbeitsgericht ... als Vorsitzenden und
die ehrenamtlichen Richter ... als Besitzer
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.
Es wird festgestellt, daß die organisatorische Einordnung des Klägers als Sicherheitsingenieur der Beklagten unterhalb der Amtsleitung des Hauptamtes unwirksam ist.
- 2.
Es wird festgestellt, daß der Kläger nicht verpflichtet ist, seine Arbeitsergebnisse dem Hauptamt und den zuständigen Fachämtern vorzulegen.
- 3.
Es wird festgestellt, daß die Dienstaufsicht über die Tätigkeit des Klägers nicht dem Hauptamt der Beklagten obliegt, sondern dem Oberstadtdirektor.
- 4.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
- 5.
Der Streitwert wird festgesetzt auf 12.000,00 DM.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die organisatorische und dienstrechtliche Einordnung des Klägers als Sicherheitsingenieur in dem Betrieb der Beklagten.
Der Kläger wurde bei der Beklagten am 01.10.1975 als Fachkraft für Arbeitssicherheit eingestellt. Das arbeitsvertragliche Aufgabengebiet des Klägers umfaßte ausschließlich seine Tätigkeit als Fachkraft für Arbeitssicherheit. Mit Schreiben vom 08.10.1991 (Bl. 8 ff. d.A.) wandte sich der Kläger in seiner Eigenschaft als Fachkraft für Sicherheit und der bei der Beklagten beschäftigte Betriebsarzt an den Oberstadtdirektor der Beklagten. In dem Schreiben rügten der Kläger und der Betriebsarzt Eingriffe in ihre fachliche Unabhängigkeit als Arbeitsschutzfachleute und führten darauf Mängel im Bereich des Arbeitsschutzes der Beklagten zurück. Wegen des Inhaltes des Schreibens vom 08.10.1991 wird auf Bl. 8, 9 d.A. Bezug genommen. In dem weiteren Schriftwechsel der Parteien mit Schreiben vom 10.10.1991, Bl. 11, 12 d.A. und 04.11.1991 wurde über die behaupteten Sicherheitsmängel korrespondiert.
Mit Schreiben vom 03.12.1991, Bl. 25, 26 d.A., gerichtet an den Oberstadtdirektor der Beklagten, sollten aus Sicht des Rechtsamtes für die Arbeit des Sicherheitsingenieurs die in dem Schreiben aufgeführten Grundsätze gelten. Danach sollte der Sicherheitsingenieur organisatorisch als selbständige Abteilung dem Hauptamt (Amt 10) der Beklagten zugeordnet sein. Desweiteren wurde in dem Schreiben aufgeführt, daß der Sicherheitsingenieur bei der Anwendung seiner sicherheitstechnischen Fachkunde Weisungen nicht unterworfen ist und selbst über die Durchführung seiner Aufgaben entscheidet. Desweiteren sollte nach dem Schreiben der Sicherheitsingenieur Aufträge des Oberstadtdirektors und des Leiters des Hauptamtes zur Durchführung von Untersuchungen und Abgaben von Stellungnahmen etc. ausführen. In Ziff. 3) dieses Schreibens war aufgeführt, daß der Sicherheitsingenieur seine Arbeitsergebnisse dem Hauptamt und den zuständigen Fachämtern vorzulegen hat. Kann insoweit unter den Beteiligten eine Einigung über die daraus abzuleitenden Konsequenzen nicht erzielt werden, so konnte der Sicherheitsingenieur danach seine Arbeitsergebnisse zusammen mit einer Stellungnahme des Hauptamtes und des zuständigen Fachamtes dem Oberstadtdirektor zur Entscheidung vorlegen. In Angelegenheiten von größerer Bedeutung sollte der Sicherheitsingenieur seine Arbeitsergebnisse unmittelbar dem Oberstadtdirektor vorlegen können. Die Umsetzung arbeitstechnischer Maßnahmen wurde als Aufgabe des Hauptamtes und der betroffenen Fachämter angesehen. Nach dem Schreiben vom 03.12.1991 konnte der Sicherheitsingenieur sich unmittelbar an den Oberstadtdirektor wenden, wenn er feststellt, daß diese Ämter entgegen einer Entscheidung des Oberstadtdirektors Maßnahmen der Arbeitssicherheit nicht oder nicht zeitgemäß zur Durchführung bringen. Die Dienstaufsicht über den Sicherheitsingenieur sollte danach dem Hauptamt obliegen. Mit Schreiben vom 04.06.1992 an den Kläger und dem bei der Beklagten beschäftigten Betriebsarzt wurde die Stellungnahme des Rechtsamtes der Beklagten vom 03.12.1991 in eine entsprechende Dienstanweisung umgesetzt. Wegen des Inhaltes der Stellungnahme vom 03.12.1991 und des Schreibens vom 04.06.1992 wird Bezug genommen auf Bl. 25, 26 sowie Bl. 15, 16 d.A.. Diese Dienstanweisung setzte die Beklagte organisatorisch um. Tatsächlich wurde diese Organisation bei der Beklagten auch bereits seit über 10 Jahren praktiziert.
Der Kläger ist der Auffassung, daß die organisatorische Einordnung seiner Tätigkeit als Sicherheitsingenieur auch in dienstaufsichtsrechtlicher Hinsicht gegen die Vorschrift von § 8 II Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG) verstößt. Durch die organisatorische Einbindung unter das Hauptamt der Beklagten sei seine fachliche Weisungsfreiheit als Fachkraft für Arbeitssicherheit nicht garantiert. § 8 II ASiG schreibe zwingend vor, daß die Fachkraft für Arbeitssicherheit direkt dem Leiter des Betriebes unterstellt werden müsse. Dies sei nach der Nds. Kommunalverfassung für kreisfreie Städte der Oberstadtdirektor. Die organisatorische Einbindung des Klägers unterhalb der Amtsleitung des Hauptamtes einschließlich Dienstaufsicht stehe nicht nur "auf dem Papier", sondern entspreche auch der tatsächlichen Handhabung und sei durch die von dem Kläger im einzelnen in seinem Schreiben vom 04.11.1991 aufgelisteten Eingriffe in seine fachliche Weisungsfreiheit belegt.
Der Kläger beantragt,
- 1.
festzustellen, daß die organisatorische Einordnung des Klägers als Sicherheitsingenieur der Beklagten unterhalb der Amtsleitung des Hauptamtes der Beklagten unwirksam ist,
- 2.
festzustellen, daß der Kläger nicht verpflichtet ist, seine Arbeitsergebnisse dem Hauptamt und den zuständigen Fachämtern vorzulegen,
- 3.
festzustellen, daß die Dienstaufsicht über die Tätigkeit des Klägers nicht dem Hauptamt der Beklagten obliegt, sondern dem Oberstadtdirektor.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, die organisatorische Einordnung in der Form, wie sie durch das Schreiben vom 04.06.1992 verfügt worden ist, verstoße nicht gegen § 8 ASiG. Die fachliche Weisungsfreiheit des Klägers würde nicht tangiert, wenn der Kläger auch Arbeitsaufträge des Oberstadtdirektors und des Leiters des Hauptamtes auszuführen habe. Weder werde hier-durch die inhaltliche Arbeitsweise des Klägers beeinträchtigt, noch werde er an einem Tätigwerden aus eigener Entscheidung gehindert. Die fachliche Unabhängigkeit des Sicherheitsingenieurs sei durch die Verfügung vom 04.06.1992 sichergestellt. Es sei nicht erkennbar, in-wieweit die Verpflichtung des Klägers zur Vorlage seiner Arbeitsergebnisse gegenüber dem Hauptamt und den zuständigen Fachämtern seine fachliche Weisungsunabhängigkeit beeinträchtigen könne. Durch die Verfügung vom 04.06.1992 sei gewährleistet, daß das Hauptamt nicht etwa die Arbeitsergebnisse des Sicherheitsingenieurs beeinflussen oder gar korrigieren kann. Es sei lediglich zunächst zu versuchen, auf dieser Ebene eine Einigung hinsichtlich erforderlicher arbeitssicherheitstechnischer Maßnahmen zu erzielen. Der Sicherheitsingenieur könne sich jederzeit an den Oberstadtdirektor wenden, wenn er mit seinen Maßnahmen nicht oder nicht nach seinen Vorstellungen sich zeitgemäß durchsetzen könne. Bei Angelegenheiten von größerer Bedeutung sei zudem der Oberstadtdirektor unmittelbarer Ansprechpartner.
Die Frage der Dienstaufsicht berühre den fachlichen Tätigkeitsbereich des Klägers überhaupt nicht. Selbst wenn die derzeitige organisatorische Einordnung des Klägers nicht mit dem Arbeitssicherheitsgesetz vereinbar wäre, hätte dies nicht die Unwirksamkeit der zuletzt mit Verfügung vom 04.06.1992 vom Oberstadtdirektor angeordneten Organisation zur Folge.
Letztlich lasse sich aus dem Gesetz nicht mit Eindeutigkeit entnehmen, wer im Sinne von § 8 II ASiG Leiter des Betriebes sei. Der Leiter des Betriebes i.S.d. ASiG könne auch unterhalb der absoluten Leitungsebene angesiedelt sein. Es könne sogar der für die organisatorische und betriebstechnische Angelegenheit innerhalb der Verwaltung zuständige Amtsleiter zum zuständigen Leiter des Betriebes erklärt werden, wenn auch die Verfügung vom 04.06.1992 davon keinen Gebrauch gemacht hat. Die Richtigkeit der Maßnahmen der Beklagten ergebe sich auch daraus, daß die sich mit Fragen der Verwaltungsorganisation befassende kommunale Gemeinschaftsstelle die von der Beklagten gewählte organisatorische Zuordnung des Sicherheitsingenieurs empfiehlt und auch in den anderen kreisfreien Nds. Städten der Sicherheitsingenieur nicht dem Oberstadtdirektor als Stabstelle zugeordnet ist.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird Bezug genommen auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze, insbesondere auf die als Anlagen zur Gerichtsakte gereichte Korrespondenz der Parteien.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig. Dem Kläger kommt ein Feststellungsinteresse an der begehrten Feststellung der gestellten Anträge zu. Vorliegend geht es um die aus den arbeitsvertraglichen Umständen der Parteien abgeleitete rechtliche Beziehung der Parteien untereinander.
Darunter fallen auch einzelne Folgen solcher Rechtsbeziehungen. Es handelt sich nicht um eine abstrakte Rechtsfrage, sondern um die konkrete Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses des Klägers und um seine daraus sich ergebenden arbeitsvertraglichen Verpflichtungen. Die Feststellung ist auch geeignet, die in Bezug auf das Arbeitsverhältnis der Parteien bestehende Unsicherheit über die Einordnung des Klägers zu beseitigen, insbesondere die Klarstellung des bestehenden Streites zu ermöglichen und den Parteien Richtschnur für ihr künftiges Verhalten in Bezug auf ihr Arbeitsverhältnis zu geben.
Die Klage ist auch begründet.
Mit der organisatorischen Einordnung des Klägers als Sicherheitsingenieur der Beklagten unter die Amtsleitung des Hauptamtes einschließlich der Einordnung in dienstaufsichtsrechtlicher Sicht verstößt die Beklagte gegen die zwingende Vorschrift gem. § 8 II ASiG. Die Beklagte ist nicht berechtigt, den Kläger als Fachkraft für Arbeitssicherheit in organisatorischer und dienstrechtlicher Hinsicht in das bei ihr bestehende Hauptamt (Amt 10) einzuordnen. Gem. § 8 II ASiG ist eine Fachkraft für Sicherheit unmittelbar dem Leiter des Betriebes zu unterstellen. Dies bedeutet, daß in der hierarchischen Organisation innerhalb des Betriebes einer Fachkraft für Arbeitssicherheit eine "Stabstelle" zugewiesen werden muß (vgl. Wank/Börgmann Deutsches u. Europäisches Arbeitsschutzrecht München 1992 1 C I 3 b, bb; Graeff Arbeitssicherheitsgesetz 2. Aufl. Köln 1979 § 8 Anm. 4; Nöthlichs, ASiG Berlin 1989 Anm. 40/6, B S. 4). Die Unterstellung der Fachkraft für Arbeitssicherheit als Stabstelle unmittelbar unter dem Arbeitgeber, d. h. die Unternehmensleitung i. S.v. § 8 II ASiG ist nicht nur die zweckmäßigste Organisationsform, weil die Fachkraft verantwortlich den Arbeitgeber bzw. den Leiter des Betriebes aus einer möglichst unabhängigen Stellung beraten und unterstützen soll (vgl. Graeff ASiG Anm. 4), sondern auch die vom maßgeblichen Gesetz geforderte Organisationsform. Der Gesetzgeber hat durch § 8 II ASiG zwingend vorgeschrieben, daß Sicherheitskräfte zumindest dem Leiter des Betriebes zu unterstellen sind (vgl. Kliesch/Nöthlichs/Wagner ASiG Berlin 1978 § 8 Anm. 5.1). Aus Sinn und Zweck von § 8 II ASiG ergibt sich, daß die Fachkraft für Arbeitssicherheit jedenfalls unter die Ebene des Leiters des Betriebes eingeordnet bzw. zugeordnet werden muß (vgl. Nöthlichs ASiG aaO. S. 5). Sinn von § 8 II ASiG ist es, durch die unmittelbare Unterstellung unter den Leiter des Betriebes den Einfluß der Fachkraft gegenüber den darunterstehenden Führungskräften abzusichern (vgl. Nöthlichs aaO. S. 6). Darüber hinaus soll durch § 8 ASiG sichergestellt werden, daß die Sicherheitsfachkraft innerhalb des Kreises der für den Arbeitsschutz verantwortlichen Personen des Betriebes einer verantwortlichen Person zugeordnet wird, die für den Arbeitsschutz uneingeschränkt auch nach außen verantwortlich ist (vgl. Kliesch/Nöthlichs/Wagner Anm. 5.1). Dies kann keine unterhalb des Leiters des Betriebes stehende Person sein, weil diese Person nur für einen Ausschnitt des Betriebes verantwortlich sein kann (vgl. Kliesch/Nöthlichs/Wagner aaO. Anm. 5.1).
Insoweit ist eine andere Zuordnung der Fachkraft außerhalb der Ebene des Arbeitgebers/Unternehmen selber oder des Leiters des Betriebes auch dann nicht zulässig, wenn durch den Arbeitgeber oder Leiter des Betriebes dessen diesbezügliche Verantwortlichkeit im Rahmen des Arbeitsschutzes auf eine andere Person übertragen wird. Unterhalb der Ebene des Leiters des Betriebes stehende und ggf. beauftragte Personen für den Arbeitsschutz sind nicht mehr voll verantwortlich. Die Verantwortung wäre nur eine mittelbare, abgeleitete, die vom Umfang der Delegation abhängt. Die übertragene Verantwortung reicht insoweit nicht aus, der besonderen Bedeutung des Arbeitsschutzes in der gesamten betrieblichen Organisation Rechnung zu tragen. Die unmittelbare Unterstellung der Fachkraft unter den Leiter des Betriebes ist deshalb gesetzlich gewollt, weil nur so gewährleistet werden kann, daß die Fachkraft für Arbeitssicherheit möglichst wirkungsvoll ihre Aufgaben erfüllen kann (vgl. Dittmeyer/Krämmer ASiG 1. Aufl. Kissingen 1976 § 8 Anm. 2). Desweiteren kann nur so sichergestellt werden, daß die verantwortliche Gesamtbetriebsführung im Verhältnis zu den Anforderungen an den Arbeitsschutz steht und durchgeführt werden kann.
Jedenfalls in dem hier vorliegenden Fall, daß das arbeitsvertragliche Aufgabengebiet des Klägers als Fachkraft für Arbeitssicherheit sich in dieser Tätigkeit ausschließlich erschöpft, gebietet § 8 II ASiG auch die dienstaufsichtsrechtliche Unterstellung der Fachkraft unter den Leiter des Betriebes. Die organisatorische und dienstaufsichtliche, rechtliche Einordnung steht dann in einem untrennbaren Zusammenhang. Die Dienstaufsicht betrifft das Direktionsrecht des Arbeitgebers und die Wahrung der Arbeitgeberfunktionen. Diese darf bei einer derartigen Fachkraft für Arbeitssicherheit jedenfalls nicht auf eine andere Stelle als den Leiter des Betriebes durch den Arbeitgeber übertragen werden. Ansonsten bestände die Gefahr, daß die dienstaufsichtliche Einflußnahme auf die Fachkraft zu einem Dirigißmus in Bezug auf die Anwendung der Fachkunde der Fachkraft führen kann. So können sich bereits - ohne daß dies konkret vorliegen muß - durch das Auseinanderfallen von organisatorischer und dienstaufsichtsrechtlicher Einordnung Konflikte ergeben, die sich auf die Tätigkeit der Fachkraft auswirken können. So ist z. B. denkbar, daß die Urlaubsgewährung zu einer bestimmten Zeit die Überprüfung zeitgebundener Arbeitssicherheitsmängel erschwert. Ebenfalls denkbar ist z. B., daß die Genehmigung zur Durchführung von Dienstreisen zum Zwecke der Information aufgrund der aus führungstechnischen Gründen notwendigerweise sich ergebenden Einflußnahme auf die Tätigkeit der Fachkraft für Arbeitssicherheit ... zu einem Dirigißmus in Bezug auf die Anwendung der Fachkunde führen kann. Dies ergibt sich aus der fachlichen Weisungsfreihet der Fachkraft (vgl. insoweit Dittmeyer/Krämmer/aaO. § 8 Anm. 1). Die Genehmigung derartiger Reisen kann unter Vermeidung eines unzulässigen Dirigißmusses sinnvoll nur von dem Arbeitgeber als Inhaber des arbeitsvertraglichen Direktionsrechtes oder dem Leiter des Betriebes ausgeübt werden. Bei diesen Vorgesetzten ist am besten Gewähr dafür gegeben, daß ausschließlich in Bezug auf den Arbeitsschutz sachgerechte Dienstaufsicht geführt wird und keine sachfremden - ggf. für sonstige Arbeitnehmer sachgerechte - Überlegungen auf die Dienstaufsicht Einfluß nehmen. Zulässige Anweisungen im Rahmen der Dienstaufsicht müssen zur Vermeidung unzulässiger - arbeitsschutzrechtlich gesprochen - Einflußnahme in die Ausübung der Fachkunde durch die Fachkraft in sinnvoller Beziehung zur organisatorischen Einbindung der Fachkraft stehen. Die Einbringung allgemein personalrechtlicher Erwägungen in die Dienstaufsicht gegenüber der Fachkraft für Arbeitssicherheit ohne Berücksichtigung der Arbeitsschutzbelange durch die für den Arbeitsschutz im Betrieb verantwortliche Person birgt die Gefahr der unzulässigen Einflußnahme in sich. Nur der Arbeitgeber oder der Leiter des Betriebes kann nach der gesetzlichen Vorstellung aus § 8 II ASiG personalrechtliche Entscheidungen in Bezug auf die Fachkraft und die Erfordernisse des Arbeitsschutzes in Einklang bringen. Der Gesetzgeber hat durch die Unterstellung der Fachkraft unter den Leiter des Betriebes als "Mindestregelung" (vgl. Giese/Ibels/Rehkopf Kommentar zum ASiG 3. Aufl. 1977 § 8 Anm. 6 mit Hinweis auf BT-Drucksache VII/1083 S. 5) gesetzlich normiert, weil dadurch unter Berücksichtigung betrieblicher Belange die beste Gewähr für eine optimale Durchsetzung der Arbeitssicherheit im Betrieb als gegeben erschien. Bereits die Gefahr der Hintan Stellung von Belangen des Arbeitsschutzes aufgrund allgemeiner Erwägungen soll durch die zwingend vorgeschriebene Unterstellung vermieden werden.
Der Kläger begehrt auch zu Recht die Feststellung der Einordnung in organisatorischer und dienstaufsichtlicher Hinsicht unter die Amtsleitung des Oberstadtdirektors der Beklagten. Dieser ist als Leiter des Betriebes i. S.v. § 8 II ASiG anzusehen. Unter dem "Leiter des Betriebes" ist nicht der Betriebsleiter im herkömmlichen Sinne gemeint, sondern die verantwortliche Person für die Betriebsführung (vgl. Giese/Ibels/Rehkopf aaO. Anm. 6). Der "Leiter des Betriebes" muß berechtigt sein, den Betrieb nach innen und außen verantwortlich und selbständig anstelle des Arbeitgebers zu leiten (vgl. Graeff ASiG aaO. Anm. 4). Im Sinne dieser Definition kommt bei einer kommunalen Selbstverwaltungskörperschaft lediglich dem Hauptverwaltungsbeamten, hier dem Oberstadtdirektor, die Position als Leiter des Betriebes zu. Die Vertretung der Beklagten in Rechts- und Verwaltungsgeschäften sowie vor Gerichten erfolgt nach § 63 NGO durch den Hauptverwaltungsbeamten. Seine Rechtshandlungen wirken unmittelbar für und gegen die Beklagte. Der Hauptverwaltungsbeamte hat nach außen die Stellung eines gesetzlichen Vertreters. Er vertritt die Beklagte im Außenverhältnis allein und im Innenverhältnis die Beklagte als Arbeitgeber gegenüber den Mitarbeitern. Er ist für die laufende Verwaltung, sprich "Betriebsführung" verantwortlich.
Die Beklagte kann auch nicht damit gehört werden, daß die Unvereinbarkeit der bisherigen organisatorischen Einordnung des Klägers mit dem Arbeitssicherheitsgesetz nicht zur Unwirksamkeit der angeordneten Organisation führen würde. Vielmehr ist nach obigen Ausführungen die von dem Kläger begehrte Einordnung seiner Tätigkeit als Stabstelle vom Gesetz zwingend vorgeschrieben. Insoweit kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, daß diese Einordnung ggf. als öffentlich-rechtliche Maßnahme zu bewerten sein könnte. Vielmehr ist es so, daß im Verhältnis zum Kläger seine Einordnung durch die Beklagte als Maßnahme zur Durchführung des zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrages anzusehen ist. Dann muß sich die Beklagte insoweit auch sich an ihre aus dem Arbeitsvertrag ergebenden Verpflichtungen in Bezug auf den Kläger festhalten lassen. Die ggf. nach öffentlich-rechtlichen Normen erfolgte innere Organisation der Beklagten ist insoweit jedenfalls in Bezug auf die Parteien durch das mit dem Kläger geschlossene Arbeitsverhältnis überlagert. Das Arbeitsverhältnis ist unter arbeitsrechtlichen Normen zu prüfen. Die Parteien haben einen privat-rechtlichen Arbeitsvertrag geschlossen.
Desweiteren kann die Beklagte auch nicht damit gehört werden, daß durch ihre Anordnung gem. Verfügung vom 04.06.1992 gerade die fachliche Weisungsfreiheit des Klägers als Sicherheitsingenieur gewährleisten soll. Zwar ist in der Verfügung vom 04.06.1992 (Bl. 15, 16 d.A.) verfügt, daß der Kläger als Sicherheitsingenieur und der bei der Beklagten beschäftigte Betriebsarzt bei der Anwendung ihrer Fachkunde Weisungen nicht unterworfen sind. Sie entscheiden danach selbst über die Durchführung von Untersuchungen, die Abgabe von Stellungnahmen, Berichten, Vorschlägen usw.. Dazu im Gegensatz steht jedoch die von der Beklagten verfügte organisatorische und dienstaufsichtsrechtliche Einordnung des Klägers in ihre interne Organisation. Die Weisungsfreiheit der Fachkräfte für Arbeitssicherheit soll als Wesensmerkmal ihrer Tätigkeit gerade nicht nur für die Durchführung dieser Tätigkeit gelten, sondern soll nach dem Sinn und Zweck von § 8 ASiG insbesondere auch durch organisatorische Maßnahmen in jeder Hinsicht sichergestellt werden. Aus § 8 II ASiG ist jedenfalls zu entnehmen, daß der Gesetzgeber wegen der bestehenden Gefahr der Einflußnahme auf die Fachkräfte für Arbeitssicherheit durch nachgeordnete Personen und/oder Dienststellen die fachliche Weisungsfreiheit hat besonders sichern wollen. Anders wäre der Eingriff des Gesetzgebers in die privat-rechtliche Ebene von Arbeitsvertragsparteien nicht zu verstehen. Die gesetzliche Normierung privat-rechtlich sich auswirkender Organisationszwänge kommt darin besonders zum Ausdruck.
Schließlich ist der Kläger auch nicht verpflichtet, seine Arbeitsergebnisse dem Hauptamt und den zuständigen Fachämtern vorzulegen. Insoweit enthält die Anordnung der Beklagten im Schreiben vom 04.06.1992 für den Kläger lediglich eine unverbindliche Aufforderung. § 8 III ASiG eröffnet den Fachkräften für Arbeitssicherheit gerade die Möglichkeit, ihre sicherheitstechnischen Maßnahmen unter bestimmten Voraussetzungen sogar unmittelbar dem Arbeitgeber vorzuschlagen. Aus § 8 III ASiG ist zu entnehmen, daß auch hinsichtlich der Arbeitsergebnisse der Fachkraft für Arbeitssicherheit eine unmittelbare Beziehung zu dem Leiter des Betriebes besteht. Nach der als zwingend anzusehenden organisatorischen und dienstaufsichtlichen Einordnung einer Fachkraft für Arbeitssicherheit und Einweisung in eine Stabstelle wäre es im übrigen widersinnig, wenn die Arbeitsergebnisse der Fachkraft anderen Personen oder Ämtern als der vorgesetzten Stelle zunächst mitzuteilen wären. Sinn und Zweck der Einordnung einer Fachkraft für Arbeitssicherheit unmittelbar unter den Leiter des Betriebes ist nach obigen Ausführungen, seine fachliche Weisungsfreiheit zu garantieren und dadurch den bestmöglichsten Arbeitsschutz zu ermöglichen. Dieses Prinzip bedeutet auch, daß der Kläger als Fachkraft für Arbeitssicherheit unmittelbaren und direkten Zugang in Bezug auf seine Arbeitsergebnisse zu seiner als richtig erkannten unmittelbaren vorgesetzten Stelle haben muß. Durch die Unmittelbarkeit dieser Beziehung hat der Gesetzgeber gerade der Gefahr begegnen wollen, daß die Arbeitsergebnisse einer Fachkraft für Sicherheit zwingend die für den Betrieb verantwortliche Person unmittelbar erreicht. Es soll sichergestellt werden, daß die Arbeitsergebnisse ohne Einflußnahme dritter Personen zunächst dem Leiter des Betriebes zur Kenntnis gebracht werden. Davon kann auch dann nicht abgewichen werden, wenn die Umsetzung arbeitsrechtlicher Maßnahmen Aufgabe einer anderen Dienststelle des Arbeitgebers ist. Dies mag einem praktischen Bedürfnis des Betriebes entsprechen, weil der Leiter des Betriebes etwaige getroffene arbeitssicherheitstechnische Maßnahmen selbstverständlich nicht persönlich umsetzen soll. Davon zu unterscheiden ist aber das unmittelbare Zugangsrecht der Fachkraft für Arbeitssicherheit in fachlichen Angelegenheiten. Dieses ist nach der gesetzlichen Konzeption in der üben beschriebenen Weise zwingend ausgestaltet.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 91 I ZPO, 46 II ArbGG.
Gegen dieses Urteil kann Berufung eingelegt werden.
Streitwertbeschluss:
Der Streitwert wird festgesetzt auf 12.000,00 DM.
Der Streitwert ist gem. § 61 I ArbGG festgesetzt worden. Dabei ist die Kammer von einer nichtvermögensrechtlichen Streitigkeit ausgegangen. Der Regel Streitwert bei nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten ist auf den 2-fachen Wert festgesetzt worden. Dies ergibt sich zum einen daraus, daß der Kläger 2 Gruppen unterschiedlicher Feststellungen begehrt hat. Zum einen betrifft das Feststellungsbegehren die organisatorische und dienstaufsichtsrechtliche Einordnung seiner Tätigkeit, zum anderen die Frage der Vorlageverpflichtung seiner Arbeitsergebnisse. Im übrigen erscheint die Wertfestsetzung auch wegen besonderer Bedeutung der Angelegenheit als gerechtfertigt. Der Arbeitsschutz ist als hohes Gut ausgestaltet. Von einem ordnungsgemäßen Funktionieren des betrieblichen Arbeitsschutzes ist jeder Mitarbeiter eines Betriebes betroffen.