Amtsgericht Uelzen
Urt. v. 17.05.2005, Az.: 12 C 6/05

Bruch eines künstlichen Hüftgelenks als schwere Erkrankung im Sinne der Versicherungsbedingungen einer Reiserücktrittskostenversicherung; Tragen eines Hüftimplantats als Dauererkrankung; Pflicht des Kunden den Versicherer bei Abschluss einer Reiserücktrittskostenversicherung über sein Hüftimplantats zu informieren

Bibliographie

Gericht
AG Uelzen
Datum
17.05.2005
Aktenzeichen
12 C 6/05
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2005, 33314
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGUELZN:2005:0517.12C6.05.0A

Fundstelle

  • VersR 2005, 1431 (Volltext mit red. LS)

In dem Rechtsstreit
hat das Amtsgericht Uelzen
auf die mündliche Verhandlung vom 05.04.2005
durch
die Richterin am Amtsgericht Wenske
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.)

    Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.253,00 EUR sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 95,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 1.353,00 EUR seit dem 20.11.04 und auf 95,00 EUR seit dem 21.01.05 zu zahlen.

  2. 2.)

    Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

  3. 3.)

    Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt von der Beklagten Leistungen aus einer Reiserücktrittskostenversicherung.

2

Der Kläger buchte beim Reisebüro xxxxx in xxxxx für sich und seine Ehefrau eine Reise nach Fuerteventura vom 15.11. bis 06.12.2004 zum Preis von 2.706,00 EUR. Am 04.11.2004 wurde im künstlichen Hüftgelenk des Klägers ein Hüft-TEP-Schaftbruch rechts mit Auslockerung des proximalen Schaftanteils diagnostiziert. Auf Grund der Diagnose erfolgte eine stationäre Einweisung des Klägers in die xxxxklinik xxxxx. Am 05.11.2004 stornierte er seine Reise. Es entstanden Stornokosten in Höhe von 50 % des Reisepreises, deren Regulierung die Beklagte verweigert.

3

Der Kläger ist der Ansicht, der Bruch seines Hüftgelenks sei eine unerwartete schwere Erkrankung, die die Beklagte zur Leistung aus der abgeschlossenen Reiserücktrittskostenversicherung verpflichtet. Zusätzlich begehrt er den Ersatz vorgerichtlicher, nicht anrechenbarer Anwaltskosten.

4

Der Kläger beantragt,

wie erkannt.

5

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

6

Die Beklagte ist der Ansicht, es liege keine Erkrankung des Klägers vor, sondern lediglich eine Beschädigung oder Funktionsbeeinträchtigung eines künstlichen Hilfsmittels. Jedenfalls sei die Erkrankung nicht unerwartet, weil jeder, der ein künstliches Hüftgelenk trage, durch die fortschreitende Abnutzung mit einer Lockerung und folglich auch mit einem Bruch des Gelenks rechnen müsse. Im Übrigen habe sich der Kläger einer regelmäßigen Kontrolle seines Hüftgelenks unterziehen müssen.

7

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

8

Die Klage ist begründet.

9

Der Kläger hat Anspruch darauf, dass die Beklagte ihm die Stornokosten in Höhe von 50 % aus § 1 Nr. 1 a der Versicherungsbedingungen für die Reiseversicherung der xxxxxx ersetzt.

10

Nach Auffassung des erkennenden Gerichts handelt es sich bei dem beim Kläger diagnostizierten Hüft-TEP-Schaftbruch rechts mit Auslockerung des proximalen Schaftanteils um eine schwere unerwartete Erkrankung. Das Gericht folgt nicht der Auffassung der Beklagten, dass der Bruch eines Hüftgelenks als Reparatur von Hilfsmitteln und Prothesen anzusehen und daher keine Krankheit sei. Anders als bei einer gebrochenen Zahnprothese oder einem defekten Herzschrittmacher, deren Reparatur bzw. Austausch in der Regel problemlos möglich und schnell zu bewerkstelligen ist, ist das Hüftgelenk in den Körper des Menschen eingebaut und nur durch eine aufwändige Operation einzusetzen bzw. zu reparieren. Ohne funktionierendes Hüftgelenk kann sich der Patient nicht mehr ungehindert bewegen, weshalb auch gemäß dem ärztlichen Attest die stationäre Einweisung erforderlich wurde. Dieser Bruch bedeutet mithin eine schwere körperliche Beeinträchtigung in Folge des Ausfalls eines prothetischen Hilfsmittels, die als schwere Erkrankung im Sinne der Versicherungsbedingungen anzusehen ist.

11

Die Beklagte kann auch nicht damit gehört werden, die Erkrankung sei als Dauererkrankung zu werten bzw. sei eine nicht unerwartete Erkrankung, weil der Kläger als Hüftimplantatträger damit habe rechnen müssen, dass das Implantat auf Grund Verschleißes irgendwann gelockert sei bzw. brechen könne. Mit dem Einsatz des Hüftgelenkes war die Erkrankung des Klägers zunächst geheilt. Selbst wenn er gehalten gewesen sein sollte, regelmäßig eine "Prothetik-Sprechstunde" aufzusuchen, ergibt sich daraus nicht, dass dabei die Lockerung bzw. der plötzliche Bruch auch wirklich erkannt worden wäre. Er war auch nicht gehalten, die Tatsache, dass er ein Hüftimplantat trug, bei Vertragsschluss zu offenbaren. Es gibt nämlich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte in diesem Fall den Abschluss der Rücktrittskostenversicherung verweigert bzw. nur zu anderen Bedingungen akzeptiert hätte. Jedenfalls ist die Beklagte beweispflichtig dafür, dass der Bruch bzw. die Lockerung für den Kläger voraussehbar war. Dafür fehlt es hier an zurechenbaren tatsächlichen Anhaltspunkten, weshalb die Einholung eines Gutachtens dafür unterblieben ist.

12

Die Beklagte war daher zur Leistung der Stornokosten in Höhe von 50 % des Reisepreises zu verurteilen.

13

Die Beklagte schuldet aus dem Gesichtspunkt des Verzuges auch die im hiesigen Verfahren nicht anrechenbaren vorprozessualen Anwaltskosten in der geltend gemachten Höhe.

14

Zinsen stehen ihr aus dem Gesichtspunkt des Verzuges in Höhe des gesetzlichen Zinssatzes hinsichtlich der Hauptforderung auf Grund der vorprozessualen Fristsetzung seit 20.11.04 und wegen der Anwaltskosten seit Rechtshängigkeit zu.

15

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 709 ZPO.

Wenske