Amtsgericht Osnabrück
Urt. v. 23.01.2017, Az.: 53 C 3183/16 (25)

Erstattung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten für die vorprozessuale Tätigkeit in eigener Sache bei Verkehrsunfällen

Bibliographie

Gericht
AG Osnabrück
Datum
23.01.2017
Aktenzeichen
53 C 3183/16 (25)
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2017, 42716
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Kosten für die Tätigkeit eines Rechtsanwalts sind nicht zu ersetzen, wenn

  • der Geschädigte selbst Rechtsanwalt ist

  • er sich selbst vertritt

  • es sich um einfach gelagerten Fall mit von vornherein feststehender Haftung handelt.

In dem Rechtsstreit
Kläger
gegen
Beklagte
hat das Amtsgericht Osnabrück im Verfahren gem. § 495 a ZPO mit einer Erklärungsfrist bis zum 20.01.2017 am 23.01.2017 durch den Richter xxx für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Die Klage wird abgewiesen.

  2. 2.

    Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

  3. 3.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

[Tatbestand]

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 215,00 € gemäß §§ 7 Abs. 1 StVG, 823 Abs. 1, 249 BGB i. V. m. §115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 WG zu.

1. Die alleinige Haftung der Beklagten dem Grunde nach für die Folgen des mit dem bei ihr versicherten LKW mit dem amtlichen Kennzeichen LER-J§"§9* in der Nacht vom 12.09. auf den 14.09.2016 verursachten Schaden am Gebäude des Klägers in Wallenhorst ist unstreitig.

2. Der Kläger kann aus diesem Schadensereignis jedoch keine Rechtsanwaltskosten für die vorprozessuale Tätigkeit in eigener Sache von der Beklagten erstattet verlangen.

a) Regelmäßig ist zwar vom Schadensersatzanspruch jedenfalls bei Verkehrsunfällen, bei denen auf der Gegenseite eine Versicherung agiert, einen Anspruch auf Erstattung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten umfasst. Nach § 249 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 BGB sind dem Grunde nach diejenigen adäquat verursachten Rechtsverfolgungskosten in Form vorprozessualer Anwaltskosten zu ersetzen, die aus Sicht des Schadensersatzgläubigers zur Wahrnehmung und Durchsetzung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren (BGHZ 30, 154; 39, 73; 127, 348; BGH NJW 1970, 1122; 1986, 2243 [BGH 30.04.1986 - VIII ZR 112/85]; 2004, 444 [BGH 23.10.2003 - IX ZR 249/02]; 2006, 1065 [BGH 10.01.2006 - VI ZR 43/05]; KG VRS 106 [2004] 356; OLG Hamm NZV 2008, 521 [OLG Hamm 19.06.2008 - 6 U 48/08][OLG Hamm 19.06.2008 - 6 U 48/08]; LG Bonn NJW 2005, 1873 [LG Bonn 21.03.2005 - 1 O 484/04]; Nixdorf VersR 1995, 257 ff.). Dazu zählen in der Regel die Rechtsverfolgungskosten, wobei die anwaltliche Vertretung gegenüber einer Versicherung regelmäßig zur Herstellung der Waffengleichheit erforderlich ist.

Auch einem Rechtsanwalt, der einen Unfallschaden in eigener Sache geltend macht, steht grundsätzlich ein Anspruch auf Erstattung anwaltlicher Gebühren als Rechtsverfolgungskosten zu, wenn er in eigener Angelegenheit berufliche Tätigkeiten entfaltet (BAG ZIP 1994, 499). Denn dem Geschädigten ist es grundsätzlich nicht zuzumuten, seine besonderen beruflichen Fähigkeiten in den Dienst des Schädigers zu stellen (BGHZ 54, 82, 86).

b) Die vorstehenden Grundsätze gelten jedoch nicht schrankenlos. Die Ersatzfähigkeit der anwaltlichen Gebühren richtet sich auch bei der Vertretung in eigener Sache danach, ob für die konkret getroffenen Maßnahmen die Einschaltung eines Rechtsanwalts notwendig war bzw. gewesen wäre. Nach der ständigen Rechtsprechung BGH, die das erkennende Gericht sich zu eigen macht, ist es dann nicht erforderlich, schon für die erstmalige Geltendmachung des Schadens gegenüber dem Schädiger einen Anwalt hinzuzuziehen, wenn in einem einfach gelagerten Schadensfall die Verantwortlichkeit für den Schaden und damit die Haftung von vornherein nach Grund und Höhe derart klar ist, dass aus der maßgebenden Sicht des Geschädigten kein vernünftiger Zweifel daran bestehen kann, dass der Schädiger ohne weiteres seiner Ersatzpflicht nachkommen werde. In derart einfach gelagerten Fällen ist der Geschädigte - insbesondere wenn er selbst sachkundig ist - grundsätzlich gehalten, den Schaden zunächst selbst geltend zu machen, so dass sich spiegelbildlich in solchen Fällen die sofortige Einschaltung eines Anwalts nur unter besonderen Voraussetzungen als erforderlich erweisen kann, etwa wenn der Geschädigte aus Mangel an geschäftlicher Gewandtheit oder sonstigen Gründen wie Krankheit oder Abwesenheit nicht in der Lage ist, den Schaden selbst anzumelden (BGHZ 127, 348, 351 f.; BGH, Urt. v. 12. Dezember 2006, Az. VI ZR 175/05 Rdnr. 12, juris).

c) Eine solche Fallgestaltung, in der die Ersatzfähigkeit der Rechtsanwaltskosten ausnahmsweise zu verneinen ist, liegt hier vor. Es handelt sich um einen einfach gelagerten Fall, bei dem die Verantwortlichkeit für den Schaden und damit die Haftung von vornherein nach Grund und Höhe derart klar war, dass aus der maßgebenden Sicht des Geschädigten kein vernünftiger Zweifel daran bestand, dass die Beklagte ohne weiteres ihrer Ersatzpflicht nachkommen werde. Es handelte sich um die Kollision eines Fahrzeugs mit einem Gebäude. Schon insoweit ist die Lage nicht einem Unfall im fließenden Verkehrs zu vergleichen, bei dem in fast jedem Fall gewisse Schwierigkeiten drohen, die die anwaltliche Vertretung bei Überschreiten der bei ca. 750,00 € anzusetzenden Bagatellgrenze für die eigenen Schäden geboten erscheinen lassen. Das Anfahren eines stehenden Objekts, zumal wenn es sich um das zu beliefernde Gebäude handelt, spricht für eine alleinige Unfallverursachung durch den Fahrzeugführer. Eine Abwägung nach § 17 Abs. 2 StVG ist in solchen Fällen mangels Beteiligung mehrerer Kfz nicht geboten. Dass in irgendeiner Form Mängel am Gebäude zur Schadensentstehung beigetragen haben könnten (§ 254 Abs. 1 BGB), stand nicht im Raum. Die Einfachheit der Sachlage wird auch illustriert durch das Schreiben des Beklagten vom 07.10.2016, welches die Beklagte unmittelbar zur Regulierung veranlasste (Anlage K 1; Bl. 24-25 d.A). Es enthält neben einem knappen Hinweis auf das Schadensereignis nur eine ebenso knappe Auflistung der geltend gemachten Schadenspositionen. Nennenswerte rechtliche oder tatsächliche Ausführungen enthält es nicht. Soweit zur Schadensermittlung ein Kostenvoranschlag eines Fachbetriebs einzuholen war, handelt es sich um die jedem Geschädigten obliegende Bezifferung des eigenen Schadens. Es handelt sich hingegen nicht um eine genuin anwaltliche Tätigkeit, die ein nicht juristisch gebildeter Geschädigter seinem anwaltlichen Bevollmächtigten überlassen hätte.

2. Ein Ersatzanspruch des Klägers ergibt sich auch nicht aus der Hilfsbegründung, es sei ein Minderwert am Gebäude des Klägers durch beschädigte Ziegel entstanden. Es fehlt hier schon schlüssiger Vortrag zu Grund und Höhe des Schadens. Der Kläger trägt schon nicht vor, in welcher Weise und in welchem Umfang Ziegel beschädigt wurden. Aus den vorgelegten Lichtbildern (Anlage K4, Bl. 29-30) lässt sich allenfalls eine Beschädigung an ein oder zwei Steinen erahnen, wobei auch hier offen ist, ob diese unfallbedingt ist. Jegliche nachvollziehbare Ausführungen des Klägers hierzu fehlen. Selbst wenn man darüber hinwegsieht, fehlt jedenfalls und erst recht zur Schadenshöhe jeglicher Vortrag. Beweisangebote hierzu fehlen ebenfalls bis auf die vorgenannten Lichtbilder. Insoweit bestand auch für eine Schätzung nach § 287 Abs. 1 ZPO keine Grundlage, dazu müsste jedenfalls der Schadensumfang erkennbar sein und der Kläger Anhaltspunkte für die Bemessung der behaupteten Werteinbuße liefern.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

4. Die Berufung war nicht zuzulassen, da Gründe für ihre Zulassung im Sinne des §511 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 ZPO nicht vorlagen.