Oberlandesgericht Braunschweig
Urt. v. 31.05.2003, Az.: 7 U 21/02

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
31.05.2003
Aktenzeichen
7 U 21/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 39002
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:2003:0531.7U21.02.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Braunschweig - AZ: 10 O 2606/01

Amtlicher Leitsatz

Der Versicherungsnehmer einer Warenkreditversicherung kann sich im Verhältnis zum Versicherer auf eine Verrechnungsbestimmung seines Kunden nicht berufen, wenn und soweit diese im Widerspruch zur Anrechnungsvorschrift des § 2 Nr. 3 AVB Warenkredit 1984 steht.

Im Namen des Volkes

hat der 6. Zivilsenat des Kammergerichts auf die mündliche Verhandlung vom 13. Januar 2004 durch ...

für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der Zivilkammer 7 des Landgerichts Berlin vom 1. Oktober 2002 teilweise geändert:

    Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

    Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

    Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages zuzüglich 10 % hiervon abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

    Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger, der einen Fruchtgroßhandel betreibt, unterhielt bei der Beklagten vom 1. Januar 1993 bis zum 31. Dezember 2001 eine Versicherung gegen Verluste durch Zahlungsunfähigkeit seiner Kunden mit einer Selbstbeteiligung von 25 % (Versicherungsschein Nr. ..., Anlage K 1 zur Klage).

2

Dem Vertrag lagen die Allgemeinen Bedingungen für die Warenkreditversicherung (AVB Warenkredit 1984) zugrunde, gemäß deren § 2 Nr. 1, 2 Versicherungsschutz gewährt wird für fakturierte Forderungen aus Warenlieferungen, soweit vom Versicherer für den Kunden eine Versicherungssumme festgesetzt ist und das vertraglich vereinbarte äußerste Kreditziel - vorliegend drei Monate gemäß Versicherungsschein - nicht überschritten wird. In § 2 Nr. 3 heißt es dann:

3

"Im Rahmen der Versicherungssumme sind die jeweils ältesten ab Beginn des Versicherungsschutzes entstandenen Forderungen versichert. Forderungen, welche die Versicherungssumme eines Kunden übersteigen, rücken erst und insoweit in den Versicherungsschutz nach, als durch die Bezahlung älterer Forderungen innerhalb der Versicherungssumme dafür Raum wird.

4

Jede vor Eintritt der Zahlungsunfähigkeit geleistete Zahlung wird auf die jeweils älteste Forderung angerechnet...."

5

Der Kläger unterhielt u.a. Geschäftsbeziehungen zur M. GmbH (nachfolgend. M. GmbH), in deren Verlaufes erstmals im April 2000 zur Überschreitung des im Versicherungsvertrag vereinbarten äußersten Kreditziels um 21 Tage kam (Anlage K 7 zur Klageschrift).

6

Am 26. Juni 2000 teilte die Kundin mit, dass die GmbH "mit Wirkung zum 01. Juli 2000 von der Firma A. GmbH Berlin [= A. GmbH] mit allen Forderungen und Verbindlichkeiten übernommen" werde (Anlage K 4 zur Klage). Rechnungen und Lieferungen sollten nur noch an die A. GmbH gerichtet werden.

7

Bereits mit Wirkung vom 1. März 1999 hatte die Beklagte Versicherungsschutz für Warenkredit-Forderungen gegen die A. GmbH bis zu der Versicherungssumme von 100.000,00 DM gewährt (Anlage B 1 zur Klageerwiderung, Bl. 25). Lieferungen an diese GmbH wurden jedoch erstmals im Juli 2000 vorgenommen. Zwischen dem 6. Juli 2000 und dem 27. November 2000 erbrachte die A. GmbH mehrere Zahlungen in Höhe von insgesamt 73.609,82 DM, die sich aus der Aufstellung in Anlage K 10 (Bl. 42) ergeben und um deren Verrechnung die Parteien streiten.

8

Im November 2001 wurde über das Vermögen der A.GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Kläger übersandte auf entsprechende Anforderung eine Aufstellung der offenen Forderungen (Bl. 38), von denen die Parteien im zweiten Rechtszug noch über folgende, alle an die A. GmbH gerichteten, Rechnungen streiten (vgl. Anlagenkonvolut K 3):

9

Datum Rechnungsnummer Betrag

10

3. Juli 2000 1753 4.684,03DM

11

7. Juli 2000 1793 2.000,90DM

12

7. Juli 2000 1831 9.819,18DM

13

10. Juli 2000 1864 4.684,03DM

14

17. Juli 2000 1934 11.920,66 DM.

15

Der Kläger hat vorgetragen, die A. GmbH habe das Handelsgeschäft der M. GmbH wirksam übernommen. Er hat Versicherungsschutz für die oben bezeichneten und für weitere, gegen die M. GmbH gerichtete Forderungen mit einem Gesamtbetrag von 51.875,48 DM = 26.523,53 EUR geltend gemacht und unter Berücksichtigung des vereinbarten Selbstbehalts beantragt,

die Beklagte zur Zahlung von 19.892,63 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 % über dem Basiszinssatz seit dem 21. Dezember 2001 an ihn zu verurteilen.

16

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

17

Sie hat die Wirksamkeit der Geschäftsübernahme bestritten und sich hinsichtlich der an die M. GmbH gerichteten Rechnungen auf die Verletzung der in § 7 Nr. 2 AVB Warenkredit 1984 geregelten Obliegenheit - unterbliebene Anzeige der Kreditzielüberschreitung - berufen. Die vom Kläger gegenüber der A. GmbH geltend gemachten Forderungen seien erfüllt.

18

Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von (33.108,80 DM = 16.928,26 EUR abzgl. 25 % Selbstbehalt =) 12.696,20 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 18. Januar 2002 (Zugang des Ablehnungsschreibens der Beklagten) verurteilt und die weitergehende Klage wegen Obliegenheitsverletzung abgewiesen. Hinsichtlich des Verurteilungsbetrages hat das Landgericht die Zahlungen anhand der in der Aufstellung in Anlage K 10 enthaltenen Belegnummern auf andere, anhand dieser Belegnummern ermittelte Forderungen verrechnet.

19

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie vorträgt, die Zahlungen der, GmbH hätten nicht auf die Forderungen gegen die M. GmbH verrechnet werden dürfen, sondern gemäß § 2 Nr. 3 AVB Warenkredit 1984 auf die jeweils älteste Forderung gegen die A.GmbH. Dem entsprechend sei zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits Erfüllung eingetreten.

20

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil teilweise zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

21

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

22

Er verteidigt das angefochtene Urteil und meint, die Regelung in § 2 Nr. 3 AVB Warenkredit greife nur ein, soweit der Kunde keine abweichende Verrechnungsbestimmung getroffen habe. Außerdem legt er zu den streitgegenständlichen Zahlungen weitere Rechnungen und Überweisungen vor.

23

Für den weitergehenden Parteivortrag wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

24

Die zulässige Berufung ist begründet.

25

1. Der Kläger hat aus §§ 1 Abs. 1 WG, 2 Nr. 1 a) AVB Warenkredit 1984 keinen Anspruch auf Ersatz eines anteiligen Forderungsbetrages für die Lieferung von Waren an die A. GmbH, den er gegenüber seiner Kundin wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im November 2001 nicht realisieren konnte.

26

a) Durch das Schreiben vom 16. März 1999, Anlage B 1 zur Klageerwiderung, hat die Beklagte bis zu einer Versicherungssumme von 100.000,00 DM im Sinne des § 2 Nr. 2 AVB Warenkredit 1984 Versicherungsschutz für die Forderungen gegen diese Kundin zugesagt. Der Kläger hat auch die in den Rechnungen vom 3. Juli 2000, 7. Juli 1000, 10. Juli 2000 und 17. Juli 2000 fakturierten Warenlieferungen erbracht und deshalb gegen die Kundin einen Zahlungsanspruch von insgesamt 33.108,80 DM = 16.928,26 EUR. Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über deren Vermögen ist zudem gemäß § 9 Nr. 1 a) AVB Warenkredit 1984 der Versicherungsfall eingetreten.

27

b) Im Verhältnis zur beklagten Versicherung sind jedoch unabhängig von einer abweichenden Verrechnungsbestimmung der Kundin die streitgegenständlichen Forderungen als erloschen anzusehen, weil gemäß § 2 Nr. 3 AVB Warenkredit 1984 die zwischen dem 6. Juli 2000 und dem 27. November 2000 geleisteten Zahlungen, die als solche zwischen den Parteien unstreitig sind, überwiegend auf die hier noch in Rede stehenden, soweit ersichtlich einzigen Forderungen des Klägers gegen die A. GmbH, zu verrechnen sind. Etwas Gegenteiliges ergibt sich nicht etwa daraus, dass sich die aus der Aufstellung in Anlage K 10 zum Schriftsatz vom 14. Mai 2002 (Bl. 42) ergebende, durch die mit der Berufungserwiderung eingereichten Überweisungsträger, auf denen die jeweiligen Rechnungen ausdrücklich genannt sind, bestätigte Verrechnungsbestimmung (§ 366 Abs. 1 BGB) auf Forderungen gegen die M. GmbH bezog. Dabei ist von Folgendem auszugehen:

28

aa) Bei der M. GmbH handelt es sich zwar um eine formal selbständige Kundin, jedenfalls in Bezug auf den Versicherungsvertrag ist aber von einer Geschäftsübernahme durch die A. GmbH auszugehen. Dabei kommt es nicht darauf an, dass ein Übergang des Vermögens durch Verschmelzung im Sinne des § 1 Nr. 1 UmwG mangels Eintragung im Handelsregister (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG) nicht stattgefunden hat. Es kann auch offen bleiben, ob in der Mitteilung der M. GmbH vom 26. Juni 2000 und den nachfolgenden Zahlungen der A. GmbH eine durch den Kläger konkludent genehmigte Schuldübernahme im Sinne des § 415 BGB zu sehen ist. Denn jedenfalls hat sich die Beklagte in ihrem Schreiben vom 29. Juni 2000 (Anlage K 5 zur Klageschrift) selbst darauf berufen, dass die Geschäftstätigkeit der bisherigen Kundin durch die A. GmbH übernommen worden sein soll und aus diesem Grund für die M. GmbH gemäß § 8 Nr. 6 AVB Warenkredit 1984 den Versicherungsschutz für die Zukunft entzogen. Geht die Beklagte damit selbst von einer wie auch immer rechtlich ausgestalteten Geschäftsübernahme aus, kann dies bei Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) nur so verstanden werden, dass die Zahlungen des "Übernehmers", der A. GmbH, auf die Forderungen gegen die ursprüngliche Kundin zu verrechnen sind. Anders ist der weitere Hinweis in dem Schreiben, der Kläger möge sich um den Abbau der Forderungen bemühen und bis zum Versicherungsfall eingehende Zahlungen seien auf die jeweils ältesten Forderungen zu verrechnen, nicht zu erklären.

29

bb) Damit gilt in dem - wie vorstehend aufgezeigt - einheitlichen Rechtsverhältnis des Klägers mit der A. GmbH, d.h. auch in ihrer Eigenschaft als Geschäftsübernehmerin der M. GmbH, die Verrechnungsbestimmung des § 2 Nr. 3 Abs. 2 AVB Warenkredit 1984 mit der Folge, dass Zahlungen der A. GmbH auf die Forderungen des Klägers gegen die M. GmbH zu verrechnen sind. Dabei kann die einleitende Formulierung, dass "im Rahmen des Versicherungsschutzes" die jeweils ältesten Forderungen versichert sind bzw. bei Bezahlung vorrangiger Forderungen in den Schutz einbezogen werden, jedoch nur so verstanden werden, dass sich auch die Bestimmung über die Verrechnung eingehender Zahlungen, die mitentscheidend dafür ist, wann welche Forderung versichert ist, nur auf die versicherten Forderungen bezieht. Ist der Versicherer hinsichtlich einzelner Forderungen leistungsfrei, können nachfolgende Zahlungen auf diese Forderungen nicht mehr verrechnet werden. Andernfalls erhielte der Versicherungsnehmer durch Verrechnung eingehender Zahlungen auf nicht versicherte Forderungen für diese letztlich doch Versicherungsschutz, weil die Zahlungen dann nicht mehr für nachrangige versicherte Forderungen zur Verfügung stehen. Dass dies nicht dem Zweck des Versicherungsvertrags entspricht, kann dem durchschnittlich erfahrenen Geschäftsinhaber, der als Versicherungsnehmer einer Warenkreditversicherung überhaupt nur in Betracht kommt, nicht verborgen bleiben (zur Berücksichtigung des Adressatenkreises bei der Auslegung von AVB Römer in Römer/Langheid, WG, 2. Aufl., Rn. 22 vor § 1 VVG; Präve, Versicherungsbedingungen und AGB-Gesetz, Rn. 270).

30

cc) Dem kann der Kläger nicht entgegen halten, dass er auf die von seinem Kunden getroffene Verrechnungsbestimmung keinen Einfluss hat und diese ihm gegenüber wirksam ist. Dies führt nicht zu einem Vorrang des § 366 Abs. 1 BGB gegenüber der Regelung in § 2 Nr. 3 AVB Warenkredit 1984, vielmehr ist die Verrechnung in beiden Rechtsverhältnissen gesondert zu beurteilen mit der Folge, dass sich damit für das Vertragsverhältnis des Versicherungsnehmers zu seinem Abnehmer und zum Versicherer unterschiedliche Rechtsfolgen ergeben können. Dies ist allerdings nicht unumstritten. So ist etwa eine Stundungsvereinbarung, die der Versicherungsnehmer mit dem Kunden getroffen hatte, auch gegenüber dem Versicherer für bindend gehalten worden mit der Folge, dass die Frist für die Bestimmung des äußersten Kreditziels nicht zu laufen begann (OLG Hamburg VersR 1996, 1102, 1103 [OLG Hamburg 07.02.1996 - 5 U 133/95]). Wollte man diesen Gedanken verallgemeinern, könnte man die Auffassung vertreten, dass der Versicherer (von den hier nicht in Betracht kommenden Fällen eines treuwidrigen Verhaltens oder eines kollusiven Zusammenwirkens zu seinen Lasten abgesehen) jede zivilrechtlich wirksame Verfügung über die versicherte Forderung gegen sich gelten lassen müsste. Gerade die hier vorliegende Konstellation zeigt jedoch, dass dies nicht uneingeschränkt gelten kann, sondern durch den Zweck des Versicherungsvertrags eingeschränkt wird. Bei der Beurteilung kommt es dabei nicht auf die einseitig gebliebenen Erwartungen des Versicherungsnehmers an, sondern auf die vereinbarten Vertragsbedingungen, deren Wirksamkeit anhand der Vorschriften des AGBG a.F. zu überprüfen ist (BGH WM 1987, 187). Dabei führt die hier vertretene Auslegung nicht zur Unwirksamkeit der Klausel. Dass sich eine versicherungsvertraglich relevante Verrechnung nur auf solche Forderungen beziehen kann, die dem Versicherungsschutz unterfallen, ist für den Versicherungsnehmer weder überraschend im Sinne von § 3 AGBG a.F. noch stellt es eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 9 AGBG a.F. dar, wenn der Versicherungsnehmer für Forderungen, hinsichtlich derer die Versicherung leistungsfrei ist, auch keinen mittelbaren wirtschaftlichen Vorteil erzielt. Die hier vorzunehmende Verrechnung ist damit letztlich Folge einer Obliegenheitsverletzung des Klägers (vgl. dazu unter c)).

31

c) Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die Zahlungen der A. GmbH nur zu einem geringen Teil auf die gegen die M. GmbH bestehenden Forderungen zu verrechnen sind. Denn die Beklagte hat sich, wie das Landgericht zutreffend festgestellt und der Kläger auch nicht angegriffen hat, zu Recht auf die Verletzung der in § 7 Nr. 2 AVB Warenkredit 1984 geregelten Obliegenheit zur unverzüglichen Anzeige einer Überschreitung des äußersten Zahlungsziels berufen, so dass sie gemäß § 14 Nr. 1 AVB Warenkredit 1984 leistungsfrei ist. Unstreitig ist es erstmals im April 2000 zu einer Überschreitung des im Versicherungsvertrag mit drei Monaten vereinbarten äußersten Kreditziels um 21 Tage gekommen, die der Kläger nicht angezeigt hat.

32

Dabei muss nicht abschließend entschieden werden, ob die Klausel des § 7 Nr. 3 AVB Warenkredit 1984, die den Ausschluss des Versicherungsschutzes für Forderungen aus künftigen Lieferungen sowie den Ausschluss des "Nachrückens" von Forderungen allein an die nicht angezeigte Kreditzielüberschreitung knüpft, den Versicherungsnehmer unangemessen benachteiligt und damit gegen § 9 AGBG a.F. verstößt. Dafür könnte sprechen, dass eine vergleichbare Klausel, die die Leistungsfreiheit an eine unterlassene Saldenmitteilung ohne Berücksichtigung eines etwa mangelnden Verschuldens des Versicherungsnehmers geknüpft hat, als dem gesetzlichen Leistbild des § 6 WG widersprechend und damit als unwirksam angesehen wurde (OLG Koblenz VersR 1992, 571, 572 [OLG Koblenz 28.03.1991 - 2 U 77/89]; bestätigt durch BGH VersR 1993, 223, 224). Ob etwas anderes gilt, wenn es um die unterlassene Anzeige einer Kreditzielüberschreitung geht, die für den Versicherer - für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer insbesondere anhand der Regelungen in § 8 Nr. 1,2 AVB Warenkredit 1984 erkennbar - von zentralem Interesse ist, um das Risiko überprüfen und ggf. Maßnahmen gemäß § 8 Nr. 6 AVB ergreifen zu können, kann offen bleiben. Denn gemäß § 7 Nr. 3 S. 2 AVB bleiben die Vorschriften über die Verletzung von Obliegenheiten hiervon unberührt. Die Beklagte hat sich ausdrücklich sowohl in dem Schreiben vom 16. Januar 2002 als auch im Rechtsstreit auf die Verletzung der Obliegenheit berufen. Dass die fehlende Anzeige nicht auf ein Verschulden des Klägers zurückzuführen ist, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Im Gegenteil hatte die Beklagte in ihrer außergerichtlichen Korrespondenz bereits 1996 (vgl. das Schreiben Anlage K 8) auf die besondere Bedeutung dieser Anzeige hingewiesen. Das Erfordernis der Kündigung ist in § 14 Nr. 1 AVB (wirksam, vgl. § 187 WG) ausgeschlossen, zudem war der Vertrag im Januar 2002 durch fristgemäße Kündigung bereits beendet.

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Die Berufung auf die Obliegenheitsverletzung führt nach dem zu b)bb) Gesagten dazu, dass eine Verrechnung eingehender Zahlungen auf die Forderungen gegen die M. GmbH nur insoweit möglich ist, als die Verletzung keinen Einfluss auf den Eintritt des Versicherungsfalls oder den Umfang der Leistung hatte, § 14 Nr. 2 AVB Warenkredit 1984. Die erste meldepflichtige Kreditzielüberschreitung trat mit Ablauf des 12. April 2000 ein, so dass bei regulärem Verlauf eine Meldung ca. innerhalb einer Woche, d.h. bis spätestens zum 19. April 2000, erforderlich gewesen wäre. Danach konnte die Obliegenheitsverletzung hinsichtlich der bereits am 7. März 2000 bzw. 17. April 2000 fakturierten Forderungen über 2.954,48 DM und 11.269,35 DM keine Auswirkung mehr haben, so dass die Verrechnung insoweit zulässig ist. Hinsichtlich der weiteren Zahlungen der A. GmbH in Höhe von insgesamt 59.185,99 DM gilt dies jedoch nicht, da sie sich auf Forderungen bezieht, die nach Verletzung der Anzeigeobliegenheit fällig geworden sind und bei denen es mithin nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Beklagte - insbesondere angesichts des Umstands, dass die erste Kreditzielüberschreitung einen Betrag von immerhin 27.011,65 DM betraf - umgehend Maßnahmen zur Liquiditätsprüfung und ggf. Einschränkung des Versicherungsschutzes getroffen hätte. Dieser Betrag stand daher für eine Verrechnung auf Forderungen der M. GmbH nicht mehr zur Verfügung und ist mithin auf die streitgegenständlichen Forderungen des Klägers gegen die A. GmbH zu verrechnen. Ein Anspruch auf Versicherungsleistungen für den tatsächlichen Forderungsausfall besteht nicht mehr.

34

2. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, weil zur Auslegung des § 2 Nr. 3 AVB Warenkredit 1984, insbesondere zu dessen Verhältnis zu § 366 BGB, keine höchstrichterliche Rechtsprechung existiert und derartige Verträge erhebliche wirtschaftliche Bedeutung haben dürften.