Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 31.01.2001, Az.: 32 Ss 103/00
Einbruchsdiebstahl; Rechtsfolgenausspruch; Regelbeispiel ; Strafzumessung; Gewerbsmäßigkeit; Freiheitsstrafe ; Berufung ; Bindungswirkung; Doppelrelevante Tatsachen
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 31.01.2001
- Aktenzeichen
- 32 Ss 103/00
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2001, 17174
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2001:0131.32SS103.00.0A
Rechtsgrundlagen
- § 318 Abs. 1 StPO
- § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 StGB
Amtlicher Leitsatz
Bindungswirkung bei doppelrelevanten Tatsachen nach wirksamer Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch.
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts ....... zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Schöffengericht ....... hatte den Angeklagten - neben zwei weiteren Mitangeklagten - wegen Diebstahls in 15 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt und dabei die Taten des Angeklagten rechtlich als gemeinschaftliche Einbruchsdiebstähle nach §§ 242 Abs. 1, 243 Abs. 1 Nr. 1, 25 Abs. 2 StGB gewertet. Die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Berufung des Angeklagten hat die Strafkammer durch das angefochtene Urteil verworfen.
Nach den Feststellungen drang der Angeklagte in der Zeit zwischen dem 10. August 1998 und dem 5. März 1999 in 15 Fällen gemeinsam mit dem ehemaligen Mitangeklagten ....... durch Aufhebeln von Türen bzw. Fenstern oder Einschlagen von Scheiben in verschiedene Geschäfts-, Verkaufs- oder Werkstatträume ein und entwendete dort Computer, Elektrogeräte, ähnliche technische Gerätschaften oder Bargeld.
Im Rahmen der Strafzumessung ist die Kammer von einem Strafrahmen von 3 Monaten bis zu 10 Jahren ausgegangen und hat neben dem Regelbeispiel des § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 StGB auch das des § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 StGB als erfüllt angesehen, weil die Angeklagten gehandelt hätten, um sich zur Aufbesserung ihrer finanziellen Verhältnisse aus wiederholtem Einbruchsdiebstählen über einen längeren Zeitraum eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einigem Umfang zu verschaffen.
Neben anderen Zumessungserwägungen hat die Kammer schließlich unter Berücksichtigung des Umfangs des jeweils erlangten Stehlgutes Einzelfreiheitsstrafen von je einmal sechs Monaten, sieben Monaten, und acht Monaten, zudem zweimal neun Monaten, einmal zehn Monaten, sechsmal elf Monaten, einmal einem Jahr, einmal einem Jahr und einem Monat sowie einmal einem Jahr und drei Monaten für erforderlich und angemessen erachtet. Aus diesen Einzelfreiheitsstrafen hat die Kammer unter erneuter Abwägung eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten gebildet.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit der Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.
II.
Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg, sodass es eines Eingehens auf die Verfahrensrüge nicht bedarf.
Die Strafkammer hat die sich aus der wirksamen Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch nach § 318 Satz 1 StPO ergebende Bindungswirkung dadurch missachtet, dass sie - entgegen dem erstinstanzlichen Urteil - auch das Regelbeispiel der Gewerbsmäßigkeit nach § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StGB als erfüllt angesehen und dies in ihre Zumessungserwägungen mit einbezogen hat.
Der Richter, der nur über die Strafzumessung zu entscheiden hat, ist auch an die dem rechtskräftigen Schuldspruch zugrunde liegenden Feststellungen, die das Tatgeschehen letztlich näher beschreiben, gebunden (vgl. KK-Ruß, StPO, 4. Aufl. , § 318 Rdnr. 9 m. w. N. ). Zu den genannten Feststellungen gehören auch diejenigen doppelrelevanten Tatsachen, die sowohl für den Schuldspruch als auch für den Strafausspruch Bedeutung haben; auch sie binden den Rechtsmittelrichter, wenn es sich um Umstände handelt, die in Merkmalen der Tat selbst begründet sind, z. B. bei § 243 StGB (vgl. KK-Ruß, a. a. O. ), oder wenn sie die Beweggründe für das Tatgeschehen bzw. das tatauslösende Moment betreffen (vgl. BGHR StPO § 353 Abs. 2 Teilrechtskraft 4 m. w. N. ).
Der Bundesgerichtshof hat in seiner Vorlegungsentscheidung vom 21. Oktober 1980 (BGHSt 29, 359 = NJW 1981, 589) verdeutlicht, dass die Feststellungen erstinstanzlicher Gerichte zu den in § 243 Abs. 1 Satz 2 StGB beschriebenen Regelbeispielen für Straferschwerungsgründe aufgrund der besonderen Lage des jeweiligen Einzelfalls als doppelrelevant eingeschätzt werden können und dann bei entsprechender eindeutiger Rechtsmittelbeschränkung das nur in der Straffrage entscheidende Berufungsgericht binden. Der BGH hat herausgestellt, dass die Annahme nahe liege, dass die Feststellungen zu den (vom BGH zu beurteilenden) Merkmalen der Straferschwerungsgründe nach § 243 Abs. 1 S. 2 Nrn. 1, 2 und 4 StGB in aller Regel auch den Schuldspruch trügen, weil es sich bei diesen Merkmalen um die Umschreibung von äußeren Tatmodalitäten handele, die so beschaffen seien, dass durch ihre Verwirklichung das tatbestandsmäßige Handeln in Gang gesetzt oder in seiner konkreten Ausprägung bestimmt werde.
Nichts anderes gilt im vorliegenden Fall des Regelbeispiels nach § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StGB, das jedenfalls die Beweggründe der Taten umschreibt und bereits deshalb im vorliegenden Fall nicht nur den Strafausspruch, sondern auch den Schuldspruch berührt. Hiermit setzt sich das erstinstanzliche Urteil indessen nicht auseinander, sodass es der Kammer verwehrt war, zur Frage der Gewerbsmäßigkeit eigene neue Tatsachenfeststellungen zu treffen und zu verwerten. Es liegt zudem auf der Hand, dass der Rechtsmittelführer durch die Beschränkung seiner Berufung weitere ihn beschwerende Feststellungen in dieser Richtung hätte verhindern wollen, soweit er die Möglichkeit einer entsprechenden Ergänzung durch das Berufungsgericht für möglich gehalten hätte.
Dieser Auffassung steht zwar die Entscheidung des OLG Düsseldorf in OLGSt, StPO, § 318 Nr. 8 entgegen, in der entgegen der dargestellten Rechtsprechung des BGH der doppelrelevante Charakter des Regelbeispiels nach § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StGB schlicht grundlegend verneint wird, weil durch das Merkmal 'gewerbsmäßig' außerhalb des vom objektiven und subjektiven Tatbestand umrissenen Bereichs der Schuldfrage liegende Verhältnisse beschrieben würden. Damit entfernt sich das OLG Düsseldorf von dem durch den BGH mit Recht für nötig erachteten Abwägungserfordernis des Einzelfalles, sodass sich eine Vorlegungspflicht nach § 121 Abs. 2 GVG bei der gegebenen Konstellation nicht ergibt.
Nicht auszuschließen ist, dass das Urteil auf dem aufgezeigten Fehler beruht, weil die Kammer ersichtlich auch das neu herangezogene Regelbeispiel der Gewerbsmäßigkeit den Strafzumessungserwägungen mit zugrunde gelegt hat und unter Berücksichtigung der Verwirklichung von zwei Regelbeispielen zu der Festsetzung jeweils nicht unerheblicher Einzelfreiheitsstrafen gelangt ist.