Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 01.03.2022, Az.: 1 Ws 38/22

Gebührenanspruch des Verteidigers bei Beratung zur Einziehung; Verfahrensgebühr bei erforderlicher Beratung zur Einziehung

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
01.03.2022
Aktenzeichen
1 Ws 38/22
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2022, 20498
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:2022:0301.1WS38.22.00

Verfahrensgang

vorgehend
LG Braunschweig - 14.12.2021 - AZ: 16 KLs 206 Js 37825/15 (57/18

Fundstellen

  • AGS 2022, 221-222
  • JurBüro 2022, 354-355
  • RENOpraxis 2022, 167
  • RVG prof 2022, 169
  • StRR 2022, 5
  • StraFo 2022, 259-260
  • ZAP 2022, 546
  • ZAP EN-Nr. 339/2022

Amtlicher Leitsatz

Für eine nach Aktenlage ernsthaft in Betracht kommende und damit gebotene Beratung der Beschuldigten, die sich auf eine Einziehung beziehen, steht dem Verteidiger die als Wertgebühr ausgestaltete Verfahrensgebühr zu.

Tenor:

wird die Beschwerde des Bezirksrevisors gegen den Beschluss des Landgerichts Braunschweig vom 14. Dezember 2021 i.V.m. dem Beschluss vom 21. Januar 2022 als unbegründet verworfen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; Auslagen werden nicht erstattet.

Gründe

Das Landgericht ist zu Recht vom Vorliegen der Voraussetzungen des Gebührentatbestandes Nr. 4142 VV RVG ausgegangen und hat mit Beschluss vom 21. Januar 2022 die Höhe der Gebühr unter Zugrundelegung des vor dem 1. Januar 2021 geltenden Gebührenrechts zutreffend auf 447 € nebst 16 % Umsatzsteuer abgeändert.

Die Gebühr entsteht, wenn sich die Tätigkeit des Rechtsanwaltes auf eine Einziehung "bezieht". Sie findet ihren Sinn darin, dass der besondere Einsatz des Rechtsanwaltes mit dem Ziel der Bewahrung des Eigentums des Mandanten wegen der sich häufig aufwändig und umfangreich gestaltenden Tätigkeit abgegolten werden soll (KG Berlin, Beschluss vom 18. Juli 2005, 5 Ws 256/08, juris, Rn. 8). Indes ist die Gebühr - unabhängig vom Umfang der entfalteten Tätigkeit des Rechtsanwaltes - als reine Wertgebühr ausgestaltet, die sich für den Pflichtverteidiger nach §§ 49, 13 Abs. 1 RVG bemisst (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 23. August 2007, 3 Ws 267/07, NStZ-RR 2007, 391).

Bereits die Beratung der Angeklagten durch den Verteidiger hat vorliegend die Gebühr ausgelöst. Insoweit kommt es nicht darauf an, dass es an einem Antrag der Staatsanwaltschaft oder an einer gerichtlichen Entscheidung fehlt. Es reicht vielmehr aus, dass nach Aktenlage die Einziehung ernsthaft in Betracht gekommen ist (Kremer in: Riedel/Sußbauer, RVG, 10. Aufl., VV 4142, Rn. 6). So liegt der Fall hier. Der Verteidiger hat in seinem Kostenfestsetzungsantrag vom 2. Oktober 2020 die Gebühr VV RVG 4142 mit "mögliche Einziehung d. Wertes d. Erlangten/Erörterung mit der Mandantin" begründet. Anhaltspunkte dafür, dass diese Erörterung erst nach der Abschlussverfügung der Staatsanwaltschaft vom 4. Oktober 2018, in der diese gem. § 421 Abs. 3 StPO von einer Einziehung abgesehen hat, stattgefunden hat und damit nicht (mehr) geboten gewesen wäre, bestehen nicht. Das Landgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass der Verteidiger bereits 2 Jahre vor der Abschlussverfügung der Staatsanwaltschaft Akteneinsicht hatte und mithin davon ausgegangen werden kann, dass er unter gewissenhafter Erfüllung seiner Pflichten als Verteidiger die Angeklagte in den zwei Jahren vor der Abschlussverfügung hinsichtlich der in Betracht kommenden Einziehung von Vermögenswerten beraten hat.

Der von dem Bezirksrevisor in Bezug genommenen Entscheidung des KG Berlin (Beschluss vom 30. Juni 2021, 1 Ws 16/21) zugrundeliegende Sachverhalt war insoweit anders gelagert, als dass sich der Verteidiger erst nach Erhebung der Anklage, in der von der Staatsanwaltschaft kein Antrag auf Einziehung gestellt worden war, für den Angeklagten legitimiert hatte.