Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 05.03.1982, Az.: 1 A 85/81

Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung; Unterschied zwischen Zusage auf Baugenehmigung und Bebauungsgenehmigung ; Vertrauensschutz durch einen Bauvorbescheid; Bindungswirkung eines Bauvorbescheids; Zulässigkeit der Revision

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
05.03.1982
Aktenzeichen
1 A 85/81
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1982, 12072
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1982:0305.1A85.81.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Schleswig - 10.02.1981 - AZ: 8 A 323/80
nachfolgend
OVG Schleswig-Holstein - 05.03.1982 - AZ: 1 A 85/81
BVerwG - 03.02.1984 - AZ: BVerwG 4 C 39.82

Fundstellen

  • DVBl 1982, 1151 (amtl. Leitsatz)
  • NJW 1982, 1772 (Volltext mit amtl. LS)
  • NVwZ 1982, 516 (amtl. Leitsatz)

Verfahrensgegenstand

Baurecht

Bindungswirkung eines Bauvorbescheids bei Rechtsänderungen

Baugenehmigung.

Prozessführer

1. der Frau ...

2. des Herrn Dr. ...

3. des Herrn ...

4. des Herrn Dr. ... als Gesellschafter der Dr. ... Grundstücksgesellschaft, ...

- Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte Ohle, Dr. Hansen, Dr. Ewerwahn, Dr. Kretschmar, Dr. Andrae, Jantzen, Dr. Huth, Dr. Meckling, Dr. Aschenbrenner, Dr. Bringezu, Dr. Schmeding, Dr. Howaldt, Schlunk, Dr. Wittkopp, Dr. Dietrich und Dr. Wojtek, Jungfernstieg 51, Hamburg 36 -

Prozessgegner

der Landrat des Kreises Rendsburg-Eckernförde, Rendsburg,

Sonstige Beteiligte

1. Gemeinde ...

2. Diakonisches Werk,

Landespastor Kirchstein, Kanalufer 48, Rendsburg,

- Prozeßbevollmächtigte Rechtsanwälte Illemann und Postel, zu 2): Schiffbrückenplatz 6, Rendsburg -

Amtlicher Leitsatz

Ein Bauvorbescheid, der die bodenrechtliche Zulässigkeit eines Vorhabens bejaht, bindet als "vorweggenommener Teil" der späteren Baugenehmigung die Baugenehmigungsbehörde bei der Entscheidung über den Bauantrag auch im Falle einer zwischenzeitlichen Rechtsänderung (Abweichung vom Urteil des Sen. vom 07.05.1974 - I OVG A 177/73 -).

In der Verwaltungsrechtssache
hat der 1. Senat des Oberverwaltungsgerichts für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein in Lüneburg
auf die mündliche Verhandlung vom 5. März 1982
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Schilling,
die Richter am Oberverwaltungsgericht Schmaltz und Petter sowie
die ehrenamtlichen Richter Emmrich und Dr. Röbert
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - VIII, Kammer - vom 10. Februar 1981 geändert.

Der Bescheid des Beklagten vom 15. September 1980 wird aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, den Klägern die Baugenehmigung für einen Verbrauchermarkt mit einer Geschoßfläche von 1.500 qm zu erteilen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 9.000,00 DM abwenden, wenn nicht die Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Gründe

1

I.

Die Kläger, die Eigentümer des Grundstücks Flurstück ... der Flur 8 Gemarkung H. sind, möchten auf diesem Grundstück einen Verbrauchermarkt errichten,

2

Das ca. 10.500 qm große Grundstück der Kläger liegt am Südrand von H. und grenzt im Westen mit einer Frontlänge von ca. 160 m an die ... Straße, die Ortsdurchfahrt der B., und im Norden mit einer Frontlänge von ca. 70 m an die G. straße, die neben der Bundesbahnstraße N. verläuft. Die I. Straße ist südlich der höhengleichen Kreuzung mit der Bahn auf ihrer Westseite auf ca. 300 m durchgehend bebaut. An das Grundstück der Kläger auf der Ostseite der Straße grenzt im Süden ein Umspannwerk an. Weiter südlich liegt noch ein Bauernhof und mit einigem Abstand eine Autovertretung und die ausgedehnten Fabrikanlagen der "N.". An der Güterstraße grenzt an das Grundstück der Kläger eine Behindertenwerkstatt an, die in der ehemaligen Turnhalle von dem Beigeladenen zu 2) unterhalten wird. Dann folgt ein Wohnhaus (G. straße ...) und jenseits eines mit Knicks gesäumten Fußweges (... allee) gewerbliche Bebauung eines Landhandels, eines Tiefbauunternehmens und einer Landmaschinenreparaturwerkstatt sowie einzelne Wohnhäuser.

3

Am 3. März 1977 hat die beigeladene Gemeinde beschlossen, für das Gebiet östlich der B., südlich der Eisenbahnstrecke N., westlich des Bebauungsplangebietes "B." und nördlich des Butterwerkes einen Bebauungsplan aufzustellen, der neben der Ausweisung eines Mischgebietes die Möglichkeit schaffen sollte, in unmittelbarer Nähe der Werkstatt für Behinderte an der G. straße ein Wohnheim für Behinderte zu errichten. Aufgrund der Stellungnahme der Träger öffentlicher Belange reduzierte die Gemeinde das Plangebiet. Der im Juli 1980 ausgelegte Entwurf des Bebauungsplanes beschränkt sich auf die Fläche I. Straße/G. straße/L. allee und eine südlich des Umspannwerkes nach Osten ausgreifende Fläche für 14 Wohnhäuser. Am 24. September 1980 beschloß die Gemeindevertretung den Bebauungsplan Nr. 19 "G. straße" als Satzung. Nach Genehmigung durch den Beklagten machte die beigeladene Gemeinde am 5. November 1980 die Genehmigung des Bebauungsplanes und seine Auslegung bekannt,

4

Mit Bauantrag vom 6. Mai 1976 suchten die Kläger um die Baugenehmigung für einen Verbrauchermarkt mit einer bebauten Fläche von 2.482 qm und einer Verkaufsfläche von 1.382 qm nach. Da die beigeladene Gemeinde ihr Einvernehmen verweigerte, stellten die Kläger einen weiteren Bauantrag für einen Markt mit einer Verkaufsfläche von 999 qm bei im übrigen unveränderten Abmessungen. Zunächst stellte der Beklagte die Entscheidung über die Bauanträge zurück und versagte dann mit Bescheid vom 7. Juli 1977 die Baugenehmigung wegen einer zwischenzeitlich in Kraft getretenen Veränderungssperre. Im anschließenden Verwaltungsstreitverfahren verpflichtete der Senat den Beklagten, den Klägern einen Bauvorbescheid für die Errichtung eines Verbrauchermarktes mit einer Geschoßfläche von 1.500 qm zu erteilen. Der Beklagte hat daraufhin am 20. März 1980 einen positiven Bauvorbescheid erteilt.

5

Auf den Bauantrag der Kläger vom 26. März 1980 für einen Verbrauchermarkt mit einer Geschoßfläche von 1.493 am versagte der Beklagte mit Bescheid vom 15. September 1980 die Baugenehmigung mit Rücksicht auf die am 12. Dezember 1979 von der Beigeladenen beschlossene und am 21. März 1980 in Kraft getretene Sperre.

6

Bereits am 10. September 1980 hatten die Kläger Klage erhoben und vorgetragen, der Beklagte sei zur Erteilung der Baugenehmigung verpflichtet, nachdem der Senat ihn zur Erteilung eines Vorbescheides verpflichtet habe. Die Veränderungssperre sei unwirksam. Der künftige Bebauungsplan sei rechtswidrig, das Baugrundstück aufgrund seiner Lage zwischen der Bundesstraße, der Eisenbahn und bestehenden Gewerbebetrieben für ein Behindertenwohnheim ungeeignet. Die Gemeinde wolle mit ihrer Planung nur den Verbrauchermarkt verhindern. Deshalb habe der Inhaber des örtlichen Sparmarktes eine namhafte Summe gespendet, um die Einrichtung der Turnhalle als Behindertenwerkstatt zu ermöglichen.

7

Die Kläger haben beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 15. September 1980 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Baugenehmigung gemäß Antrag vom 26. März 1980 zu erteilen.

8

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

9

Er hat erwidert, der aufgrund des Urteils vom 22. November 1979 erteilte Vorbescheid begründe keinen Anspruch auf die Baugenehmigung mehr, da nach dem Vorbescheid der Bebauungsplan Nr. 19 der beigeladenen Gemeinde in Kraft getreten sei.

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Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 10. Februar 1981, auf dessen Begründung Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen.

11

Gegen das ihnen am 24. April 1981 zugestellte Urteil richtet sich die am 14. Mai 1981 eingegangene Berufung der Kläger. Sie tragen vor, der Beklagte sei an den Bauvorbescheid vom 20. März 1980 gebunden, da ihm zu diesem Zeitpunkt die bereits beschlossene Veränderungssperre und der Stand der Planung bekannt gewesen sei. Die Festsetzung des Bebauungsplanes Nr. 19 für das Baugrundstück "Sondergebiet, Werkstatt und Heim für Behinderte" verstoße aber auch gegen das Abwägungsgebot. Das Baugrundstück sei für eine Werkstatt und Wohnheim für Behinderte denkbar schlecht geeignet, weil es durch die Lage an der verkehrsreichen B., der Eisenbahn und den Hochspannungsleitungen und die Nachbarschaft von Gewerbe- und Industriebetrieben gekennzeichnet sei. In der Begründung des Bebauungsplanes werde die Forderung des Gewerbeaufsichtsamtes wiederholt, zwischen der Wohnbebauung und der G. straße einen Abstand von 100 m einzuhalten, auf einen entsprechenden Abstand von der verkehrsreichen B. habe die Gemeinde aber verzichtet. Auch die Werkstatt für Behinderte in der Turnhalle, die erst nach ihrem, der Kläger, ersten Bauantrag eingerichtet worden sei, rechtfertige die Planung der Gemeinde nicht, da sie die Anforderungen an Wohnen und Freizeit der Behinderten außer acht lasse. Außerdem berücksichtige die Planung das private Interesse der Kläger an dem Bau eines Verbrauchermarktes nicht, sondern verfolge in unzulässiger Weise den Konkurrenzschutz des ortsansässigen Einzelhandels. Für einen Verbrauchermarkt sei das Grundstück sehr gut geeignet.

12

Die Kläger beantragen,

unter Änderung des angefochtenen Urteils nach dem Klageantrag zu erkennen.

13

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

14

Er nimmt auf das angefochtene Urteil Bezug und weist darauf hin, daß er im Hinblick auf die Veränderungssperre vor Erteilung des Vorbescheides vom 20. März 1980 bei den Klägern angefragt habe, ob sie noch Wert auf einen Vorbescheid legten,

15

Die beigeladene Gemeinde trägt vor, sie habe das Interesse der Kläger an der Errichtung eines Verbrauchermarktes bei der Abwägung berücksichtigt, sich jedoch letztlich für die Behindertenwerkstatt und das Wohnheim entschieden. Sie, die Gemeinde, habe ein Interesse, die planungsrechtlichen Voraussetzungen für den Bestand der Werkstatt zu schaffen. Längerfristig müsse daher ein Wohnheim neben der Werkstatt errichtet werden. Die Lage des Wohnheims in der Nähe des Bahnhofs, des ZOB und des Schul-, Kultur- und Sportzentrums sei ausgesprochen günstig.

16

Der beigeladene Träger der Behindertenwerkstatt trägt vor, daß sich die Zahl der in der Werkstatt beschäftigten Behinderten von 1978 bis 1981 von 29 auf 41 erhöht habe und 1982 mit einer vollen Belegung der 45 bis 50 Plätze zu rechnen sei. Der Einzugsbereich der Werkstatt umfasse den südlichen Kreis Rendsburg-Eckernförde und den nördlichen Rand des Kreises Steinburg, 1981 seien 34 Behinderte aus einer Entfernung von 15 km und mehr gekommen,

17

Wegen des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten im einzelnen wird auf deren Schriftsätze in beiden Rechtszügen und auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten und der beigeladenen Gemeinde Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

18

II.

Die zulässige Berufung der Kläger hat Erfolg.

19

Die Kläger haben einen Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung, weil der Beklagte den Klägern am 20. März 1980 einen Bauvorbescheid für die Errichtung eines W. -Marktes mit einer Geschoßfläche von 1.500 qm erteilt hat und an diesen Bescheid gebunden ist. Es ist zwar richtig, daß der Senat bisher (Urt. v. 07.05.1974 - 1 OVG A 177/73 -, dazu BVerwG, Beschl. v. 08.11.1974 - 4 B 128/74 -; Urt. v. 25.11.1975 - 1 OVG A 153/74 -, BRS 29 Nr. 119 -; das Revisionsurteil v. 24.02.1978 - 4 C 12.76 -, BBauR 4, 35/44, geht auf diesen Punkt nicht ein) unter Hinweis auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. August 1965 (4 C 31.65 - BRS 16 Nr. 45) davon ausgegangen ist, daß die Bindungswirkung eines Bauvorbescheides bei einer Rechtsänderung entfällt (so auch Urt. d. 6. Sen. v. 12.11.1975 - 6 OVG A 101/74 -, Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BBauG, Stand Nov. 1981, § 14 RdNr. 60; Kohlhammer-Grauvogel, BBauG, Stand Aug. 1981, § 14 RdNr. 52; jüngst BGH, Urt. v. 14.12.1978 - III ZR 77/76 -, BauR 1979, 127/129). Diese Rechtsansicht wird jedoch dem Unterschied zwischen Zusage und Vorbescheid nicht gerecht (vgl. Degenhardt, DVBl 1981, 994; OVG Münster, Urt. v. 01.10.1981 - 7 A 2283/79 -, BauR 1982, 50). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 10.05.1968 - IV C 8.67 -, BRS 20 Nr. 142; Urt. v. 23.05.1975 - IV C 28.72 -, BRS 29 Nr. 116) stellt der auf die bodenrechtliche Zulässigkeit eines Vorhabens gerichtete Bauvorbescheid, die Bebauungsgenehmigung, nicht nur die Zusage einer Baugenehmigung im Hinblick auf bodenrechtliche Versagungsgründe dar, sondern "nimmt unmittelbar einen Teil der Baugenehmigung vorweg, stellt nämlich die Bebauungsfähigkeit des Grundstücks als mit dem öffentlichen Recht übereinstimmend verbindlich fest und ist mit dieser Feststellung ein "abgesplitterter" ein "vorweggenommener" Teil der späteren Baugenehmigung" (BVerwG, Urt. v. 10.05.1968 aaO). Diese Charakterisierung der Bebauungsgenehmigung erlaubte es, die Bindungswirkung der Bodenverkehrsgenehmigung nach § 21 BBauG auch auf Anträge zu erstrecken, mit denen die Erteilung einer Bebauungsgenehmigung begehrt wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.05.1968 aaO). Nur diese Einordnung des Vorbescheides wird auch der gerichtlichen Praxis gerecht, die mit der Verpflichtung der Baugenehmigungsbehörde zur Erteilung einer Bebauungsgenehmigung die abschließende Entscheidung über die bodenrechtliche Zulässigkeit meint und der Baugenehmigungsbehörde nicht die Möglichkeit offenhalten will, bisher noch nicht diskutierte bodenrechtliche Versagungsgründe nachträglich ins Spiel zu bringen, wie dies bei einer Zusage bezüglich einzelner Versagungsgründe der Fall wäre. Schließlich hätte der baurechtliche Vorbescheid nach § 88 LBO spätestens mit der Normierung der Zusicherung in § 108 a LVwG seine Existenzberechtigung verloren, wenn er "nur" als Zusage einer Baugenehmigung zu verstehen wäre.

20

Es mag zwar zutreffen, daß das Preußische Oberverwaltungsgericht die Bebauungsgenehmigung nur deshalb als abgesplitterten Teil der Baugenehmigung charakterisiert hat, um den negativen Bescheid justiziabel zu machen (so Grundei in Förster/Grundei, Bauordnung Berlin, 3. Aufl. 1980, § 85 Anm. 1 b). Diese rechtsgeschichtliche Entwicklung stellt aber nicht in Frage, daß der Vorbescheid - mit der Bebauungsgenehmigung als wichtigstem Fall - an diese Rechtstradition anknüpft. Jedenfalls für den landesrechtlich geregelten Vorbescheid hätte die LBO eine Ausgestaltung als Zusage vorsehen können; da sie es nicht getan hat, muß davon ausgegangen werden, daß sie bewußt an die Rechtstradition des Preußischen Oberverwaltungsgerichts anknüpft, zumal der Senat bereits vor Erlaß der LBO 1967 im Urteil vom 25. Mai 1966 - 1 OVG A 224/64 -, NJW 1967, 842 [OVG Niedersachsen 25.05.1966 - I OVG A 224/64], den Unter schied zur Zusage betont hat.

21

Begreift man den Vorbescheid - und insbesondere die Bebauungsgenehmigung - als abschließende vorweggenommene Teilentscheidung, vermittelt sie bezüglich des entschiedenen Teils dem Bauherrn die gleiche gesicherte Rechtsstellung wie die Baugenehmigung (vgl. Gelzer, Bauplanungsrecht, 3. Aufl. 1979, RdNr. 475 f.; Dürr, NJW 1980, 2295). Zwar wird der Bau erst mit der Baugenehmigung freigegeben, aber die im Vorbescheid enthaltene Aussage über die Bebaubarkeit des Grundstücks, auf die sich die Rechtsänderung bezieht, ist als "vorweggenommener Teil" der späteren Baugenehmigung im Baugenehmigungsverfahren gar keiner erneuten Prüfung mehr zugänglich. Daher verfängt auch der Hinweis nicht, erst die mit der Baugenehmigung verbundene Baufreigabe verschaffe dem Bauherrn eine geschützte Eigentumsposition (so Finkelnburg-Ortloff, Öffentliches Baurecht, 1981 S, 262). Abgesehen von der Frage, ob die Erteilung der Baugenehmigung schon eine Eigentumsposition verschafft oder nicht zutreffender als Vertrauenstatbestand angesehen wird, läßt diese Argumentation offen, ob nicht schon der Vorbescheid als vorweggenommener Teil der Baugenehmigung Vertrauensschutz rechtfertigt. Das muß auch nach der Interessenlage bejaht werden, weil der Vorbescheid dem Bauherrn gerade als gesicherte Dispositionsgrundlage dienen soll. Bei großen Bauvorhaben - wie dem der Kläger - wäre es wenig sinnvoll, die Kosten für die vollständigen Bauvorlagen für einen Bauantrag zu riskieren, bevor die Standortfrage abschließend geklärt ist. Nachdem die Genehmigungspflicht von Auflassungen durch die Neufassung der §§ 19 f BBauG 1979 entfallen ist, kann sich zudem der Käufer eines Grundstücks über die Möglichkeiten der Bebauung nur durch eine Bauvoranfrage vergewissern (vgl. auch den Hinweis in der Begründung des Regierungsentwurfs BT-Drucksache 8/2451 S. 20). In solchen Fällen trifft der Käufer Vermögensdispositionen im Vertrauen auf den Vorbescheid. Der Hinweis auf das Bodenverkehrsrecht legt allerdings den Einwand nahe, daß die Bindungswirkung einer Bodenverkehrsgenehmigung nach § 21 Abs. 2 BBauG durch eine Änderung der Rechts- oder Sachlage entfällt. In § 21 Abs. 2 BBauG ist aber der Verlust der Bindungswirkung mit einer Entschädigung gekoppelt. Da die Bindungswirkung eines Vorbescheides nach § 88 LBO sehr viel kürzer ist als die einer Bodenverkehrsgenehmigung, erscheint der Verlust der Bindungswirkung eines Vorbescheides durch eine Rechtsänderung nicht geboten. Die Baugenehmigungsbehörde hat zudem die Möglichkeit, im Einzelfall die Bindungswirkung eines Vorbescheides durch Widerruf zu beenden - mit der Folge, daß sie gegebenenfalls den Vermögensnachteil auszugleichen hat, den der Bauherr durch das Vertrauen auf den Vorbescheid erleidet. Ob die Kläger wegen der mit dem Beklagten geführten Korrespondenz in schutzwürdiger Weise auf den Vorbescheid vertrauen durften, kann hier offenbleiben.

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Entfällt nach alledem die Bindungswirkung eines Bauvorbescheides nicht gleichsam automatisch mit einer Rechtsänderung, die zu einer abweichenden Beurteilung der Bauvoranfrage führen würde, haben die Kläger aufgrund des positiven Bauvorbescheides vom 20. März 1980 einen Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung.

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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO; ihre vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 Abs. 2 VwGO iVm §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

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Der Senat läßt die Revision zu, weil die Frage, ob die Bindungswirkung einer Bebauungsgenehmigung durch eine Rechtsänderung entfällt, von grundsätzlicher Bedeutung ist und die Entscheidung des Senats (möglicherweise) vom Urteil des Bundesverwaltungsgericht vom 20. August 1965 - IV C 31.65 -, BRS 16 Nr. 45, abweicht (§§ 132, 137 VwGO).

Streitwertbeschluss:

Beschluss

Der Streitwert wird auf 150.000,00 DM (i. W.: einhundertfünfzigtausend Deutsche Mark) festgesetzt.

Schilling Schmaltz Petter

Schilling
Schmaltz
Petter