Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 08.06.2015, Az.: 2 Ws 92/15

Untersagung der Mitnahme von spitzen Schreibgeräten durch die Zuhörer für die Dauer der Hauptverhandlung; Anfechtbarkeit einer sitzungspolizeilichen Maßnahme mit der Beschwerde; Überprüfung der sitzungspolizeilichen Maßnahme auf ihre Zweckmäßigkeit im Falle der Statthaftigkeit der Beschwerde; Sitzungspolizeiliche Untersagung der Mitnahme spitzer Schreibgeräte für Zuhörer

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
08.06.2015
Aktenzeichen
2 Ws 92/15
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2015, 25837
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2015:0608.2WS92.15.0A

Fundstellen

  • NJW-Spezial 2015, 665-666
  • NStZ-RR 2015, 6
  • NStZ-RR 2016, 26
  • StRR 2016, 14-16

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Die sitzungspolizeiliche Gewalt nach § 176 GVG kann den Vorsitzenden dazu ermächtigen, den Zuhörern die Mitnahme von spitzen Schreibgeräten für die Dauer der Hauptverhandlung zu untersagen.

  2. 2.

    Eine sitzungspolizeiliche Maßnahme ist dann nicht mit der Beschwerde anfechtbar, wenn ihr eine über die Dauer der Hauptverhandlung hinausgehende Wirkung nicht zukommt und insbesondere Grundrechte oder andere Rechtspositionen nicht dauerhaft berührt oder beeinträchtigt werden.

  3. 3.

    Im Beschwerdeverfahren besteht eine eingeschränkte Überprüfungsmöglichkeit; die angefochtene sitzungspolizeiliche Maßnahme wird im Falle der Statthaftigkeit der Beschwerde nicht auf ihre Zweckmäßigkeit überprüft.

In der Strafsache
gegen O. G.,
geboren am xxxxxx 1921 in N.,
wohnhaft S., Sch.,
wegen Beihilfe zum Mord
Beschwerdeführerin: C. Z., L.str., W. E.,
Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt K.-Z., W. E.,
hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die Beschwerde der Zuhörerin Z. gegen die sitzungspolizeiliche Verfügung des Vorsitzenden der 4. großen Strafkammer des Landgerichts Lüneburg vom 02. Februar 2015 nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht xxxxxx, die Richterin am Oberlandesgericht xxxxxx und die Richterin am Amtsgericht xxxxxx am 08. Juni 2015
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde wird auf Kosten der Beschwerdeführerin als unzulässig verworfen.

Gründe

I.

Dem Angeklagten G. wird in dem vorliegenden Strafverfahren Beihilfe zum Mord in 300.000 rechtlich zusammentreffenden Fällen im Konzentrationslager Auschwitz vorgeworfen. Die Hauptverhandlung hat am 21.04.2015 begonnen und dauert fort. Der Angeklagte ist zum Zeitpunkt dieser Entscheidung noch 93 Jahre alt und gesundheitlich stark beeinträchtigt. Aus diesem Grund ist die Dauer der Hauptverhandlung an den einzelnen Sitzungstagen auf wenige Stunden am Stück begrenzt. Darüber hinaus wird der eingeschränkten Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten durch Verhandlungspausen Rechnung getragen.

Auch vor dem Hintergrund des überregionalen und internationalen Medieninteresses und des angegriffenen Gesundheitszustandes des Angeklagten hat der Vorsitzende der erkennenden Strafkammer am 02.02.2015 eine "Medienverfügung" im Sinne einer sitzungspolizeilichen Anordnung gemäß § 176 GVG erlassen. In dieser Verfügung hat der Vorsitzende umfangreiche Anordnungen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung der Hauptverhandlung getroffen. Danach gilt in dem gesamten Gebäude ein absolutes Verbot von Waffen und gefährlichen Werkzeugen. Zeugen haben sich vor dem Zugang zur Hauptverhandlung einer körperlichen Durchsuchung auf Waffen (auch gefährliche Chemikalien, Messer u.a.), gefährliche Werkzeuge (auch Feuerzeuge und Streichhölzer), zu Film- und Tonaufnahmen geeigneter Gegenstände, insbesondere Mobiltelefonen, Smartphones und Tabletcomputer, sowie Wurfgegenstände (z.B. Flaschen, Dosen, Obst, Eier (...) zu unterziehen. Das Gleiche gilt für Flugblätter, Transparente, Trillerpfeifen, Glocken und ähnliche zur Verursachung von Lärm geeignete Gegenstände sowie Kugelschreiber und Füllfederhalter. Zuhörer dürfen keine Taschen bei sich tragen. Die bei der körperlichen Durchsuchung von den Kontrollbeamten festgestellten Gegenstände, die nach der getroffenen Anordnung nicht in den Saal bzw. in den Sicherheitsbereich hinter der Schleuse eingebracht werden dürfen, werden amtlich verwahrt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der vorgenannten sitzungspolizeilichen Verfügung Bl. 51 ff. d. A. Bezug genommen.

Die Beschwerdeführerin nimmt seit dem zweiten Prozesstag als Zuhörerin an der Hauptverhandlung teil. Sie hat eigenen Angaben zufolge ein grundlegendes Interesse daran, in dem Verfahren mitschreiben und sich Notizen machen zu können, um dieses Kapitel Deutscher Geschichte - auch unter dem Aspekt der rechtlichen Aufarbeitung - verfolgen und sich damit auseinandersetzen zu können. Ihr Interesse sei umso größer, weil der zurzeit geführte Auschwitz-Prozess einer der Letzten, wenn nicht der Letzte überhaupt sein dürfte. Vor diesem Hintergrund wollte die Beschwerdeführerin am ersten Tag ihrer Teilnahme an der Hauptverhandlung unter anderem ein Schreibheft und einen "Schreiber" mit in den Sitzungssaal nehmen. Die Mitnahme dieser Gegenstände wurde ihr im Rahmen der Einlasskontrolle von den Beamten unter Berufung auf die sitzungspolizeiliche Anordnung verwehrt. In der Folgezeit versuchte die Beschwerdeführerin erfolglos, eine Genehmigung zur Mitnahme von Schreibutensilien für die Teilnahme an der Hauptverhandlung zu erhalten.

Mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 26.05.2015 hat die Beschwerdeführerin Beschwerde gegen die Sicherungsverfügung des Vorsitzenden vom 02.02.2015 gemäß § 304 Abs. 1 und Abs. 2 StPO eingelegt, verbunden mit dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Entscheidung gemäß § 307 Abs. 2 StPO. Sie beantragt als Zuhörerin an den jeweiligen Sitzungstagen mitschreiben und dafür entsprechende Schreibutensilien mit in den Sitzungsaal nehmen zu dürfen. Die Mitnahme eines Bleistifts und eines kleinen Blocks sei ihr in der Vergangenheit von den Kontrollbeamten auf Anordnung des Vorsitzenden und unter Hinweis auf die sitzungspolizeiliche Anordnung untersagt worden. Die Beschwerdeführerin rügt unter anderem, dass die Anordnung ihre Grundrechte, insbesondere aus Art. 3 GG, verletze. Darüber hinaus sei die Anordnung unverhältnismäßig und verstoße gegen das Rechtsstaatsprinzip und den Öffentlichkeitsgrundsatz.

Mit Beschluss vom 26.05.2015 hat der Vorsitzende der 4. großen Strafkammer der Beschwerde mangels Statthaftigkeit nicht abgeholfen und den Antrag auf Anordnung der Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Entscheidung abgelehnt. In dieser Entscheidung hat er ergänzend ausgeführt, dass auch anderes Schreibgerät den für Zuhörer im Saal verbotenen Kugelschreibern und Füllfederhaltern gleichzustellen sei. Durch diese Maßnahme solle aber nicht das Mitschreiben, sondern eine Gefährdung durch derartige spitze Gegenstände verhindert werden. Es bestehe aufgrund der Thematik und der Beteiligten des Verfahrens die Befürchtung eines erheblichen Gefahren- und Störungspotentials von verschiedenen Seiten. Zur Abwehr sei es daher geboten, nach Möglichkeit jegliche nach Art und Beschaffenheit als Waffen verwendbare Gegenstände aus dem Sitzungssaal fernzuhalten. Bereits am ersten Verhandlungstag sei bei einem anderen Zuschauer ein Kugelschreiber mit Diktierfunktion im Rahmen der Durchsuchung aufgefunden worden. Dass den Pressevertretern etwas weitergehende Möglichkeiten der Mitnahme von Schreibgeräten eingeräumt worden sei, sei insoweit gerade Ausfluss einer Verhältnismäßigkeitsabwägung.

Mit Schreiben vom 03.06.2015 hat die Beschwerdeführerin erklärt, dass sie an ihrer Beschwerde und ihrem Antrag nach § 307 Abs. 2 StPO weiter festhalte.

Die Generalstaatsanwaltschaft Celle hat in ihrer Stellungnahme vom 04.06.2015 beantragt,

die Beschwerde als unzulässig,

hilfsweise

als unbegründet zu verwerfen.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist bereits unzulässig.

1. Das Rechtsmittel der Beschwerde ist vorliegend nicht statthaft.

Der Bundesgerichtshof hat die Frage, ob gegen sitzungspolizeiliche Maßnahmen, von der Verhängung eines Ordnungsmittels gemäß §§ 178, 180 GVG abgesehen, generell kein Rechtsmittel zulässig ist, bislang ausdrücklich offengelassen (BGHSt 44, 23, 25. m.w.N.).

Die ältere fachgerichtliche Rechtsprechung und ihr folgend ein Teil der Literatur lehnen bis heute eine Beschwerde gegen Verfügungen des Vorsitzenden nach § 176 GVG grundsätzlich ab (OLG Hamburg, Beschl. v. 10.04.1992, NStZ 1992, 509 ff.; Graf-Allgayer, StPO, 2. Aufl., § 181 GVG, Rn. 1; Jahn, NStZ 1998, 389 (392); Lehr, NStZ 2001, 63 [BVerfG 27.03.2000 - 2 BvR 434/00] (66)). Dies wird überwiegend mit einem Umkehrschluss aus § 181 Abs. 1 GVG begründet. Danach handele es sich um eine bewusste und vom Gesetzgeber gewollte Nichterwähnung des § 176 in § 181 Abs. 1 GVG. Diese Ansicht vermag den Senat nicht zu überzeugen. Denn § 304 Abs. 1 StPO erklärt eine Beschwerde gegen Verfügungen des Vorsitzenden nur dann für nicht zulässig, wenn das Gesetz sie ausdrücklich einer Anfechtung entzieht. Die Regelung des § 181 Abs. 1 GVG enthält seinem Wortlaut nach keinen ausdrücklichen Ausschluss der Anfechtung sitzungspolizeilicher Anordnungen im Sinne des § 176 GVG. Im Hinblick auf einen aus § 305 S. 1 StPO folgenden gesetzlichen Ausschluss ist einzuwenden, dass § 305 S. 2 StPO alle Entscheidungen vom Ausschluss der Beschwerde ausnimmt, durch die dritte, nicht verfahrensbeteiligte Personen betroffen werden. Letzteres ist hier der Fall. Die angegriffene Verfügung ist damit nicht bereits kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung gemäß § 181 Abs. 1 GVG oder § 305 S. 1 StPO einer Anfechtung entzogen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 17.04.2015, 1 BvR 3276/08).

Der Senat schließt sich daher der neueren fachgerichtlichen Rechtsprechung und Kommentarliteratur an, wonach eine Beschwerde grundsätzlich statthaft ist, allerdings einschränkend nur unter der Voraussetzung, dass der sitzungspolizeilichen Anordnung eine über die Dauer der Hauptverhandlung oder sogar über die Rechtskraft des Urteils hinausgehende Wirkung zukommt und insbesondere Grundrechte oder andere Rechtspositionen des von einer sitzungspolizeilichen Maßnahme Betroffenen dauerhaft tangiert und beeinträchtigt werden (vgl. OLG Stuttgart, Beschl. v. 29.06.2011, 4 Ws 136/11; OLG Hamm, Beschl. v. 24.11.2011, 3 Ws 370/11; KG Berlin, Beschl. v. 27.05.2010, 4 Ws 61/10; LG Ravensburg, Beschl. v. 22.01.2007, 2 Qs 10/07; Meyer-Goßner, StPO, 58. Aufl., § 176 GVG, Rn. 16; KK-Diemer, StPO, 7. Aufl., § 176, Rn. 7). Auch das Bundesverfassungsgericht ist nunmehr dieser Auffassung beigetreten (BVerfG, Beschl. v. 17.04.2015, 1 BvR 3276/08).

Die Versagung der Mitnahme von Kugelschreibern, Füllfederhaltern und anderem spitzen Schreibgerät für die Dauer der Hauptverhandlung entfaltet keine über die Dauer der Hauptverhandlung oder sogar über die Rechtskraft des Urteils hinausgehende Wirkung. Der Beschwerdeführerin als Zuhörerin in dem Strafverfahren ist es aufgrund der sitzungspolizeilichen Anordnung des Vorsitzenden nur für die Dauer der jeweiligen Sitzung, an der sie teilnimmt, untersagt, derartige spitze Schreibutensilien wie einen Kugelschreiber, Füllfederhalter oder Bleistift mit in den Saal zu nehmen. Es ist der Beschwerdeführerin unbenommen, sich in den jeweiligen Sitzungspausen - die aufgrund des angegriffenen Gesundheitszustandes des Angeklagten auch in einem über das gewöhnliche Maß hinausgehenden Umfang stattfinden - unter Zuhilfenahme von Schreibgeräten Notizen zu machen und ein Gedächtnisprotokoll zu fertigen. Darüber hinaus dürfte die Beschwerdeführerin zeitnah nach dem jeweiligen Ende der Sitzung oder nach dem Beginn einer Sitzungspause ihre eventuell in Verwahrung genommenen Gegenstände zurückerhalten, so dass die Anfertigung von Notizen auch umgehend und noch mit dem frischen Eindruck von der Hauptverhandlung erfolgen kann. Die Beschwerdeführerin wird damit durch die von dem Vorsitzenden der Kammer getroffene Maßnahme gerade nicht dauerhaft in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht oder anderen Rechtspositionen beeinträchtigt. Spätestens mit dem Ende eines jeden Sitzungstages entfallen die Wirkungen der beanstandeten Anordnung und damit auch die Beeinträchtigungen der Rechtspositionen der Beschwerdeführerin.

2. Ergänzend bemerkt der Senat, dass der Beschwerde auch in der Sache der Erfolg zu versagen gewesen wäre. Nach § 176 GVG obliegt dem Vorsitzenden die Aufrechterhaltung der "Ordnung in der Sitzung". Ordnung in der Sitzung ist der Zustand, der dem Gericht und den Verfahrensbeteiligten eine störungsfreie Ausübung ihrer Funktionen ermöglicht, die Aufmerksamkeit der übrigen Anwesenden in der öffentlichen Verhandlung nicht beeinträchtigt und allgemein deren gebührlichen Ablauf sichert. Diesen störungsfreien äußeren Sitzungsablauf - letzten Endes im Interesse der Wahrheitsfindung - zu sichern, gehört zur Sitzungspolizei (Meyer-Goßner, StPO, 58. Aufl., § 176 GVG, Rn. 5). Art und Umfang der sitzungspolizeilichen Maßnahmen nach § 176 GVG sind gesetzlich nicht festgelegt. Der Vorsitzende trifft die Entscheidung über entsprechende Maßnahmen nach pflichtgemäßem Ermessen. Demnach wird die angegriffene Maßnahme von dem Beschwerdegericht nur darauf geprüft, ob die Anordnung einen zulässigen Zweck verfolgt, verhältnismäßig ist und der Vorsitzende sein Ermessen fehlerfrei ausgeübt hat (OLG Stuttgart, Beschl. v. 29.06.2011, 4 Ws 136/11; Meyer-Goßner, aaO.). Dieser eingeschränkten Prüfungskompetenz durch das Beschwerdegericht liegt die Erwägung zugrunde, dass die Ausübung sitzungspolizeilicher Gewalt Prognosen über die Intensität und die Bedeutung von Gefahren für die Ordnung der Sitzung als auch über die Wirksamkeit etwaiger Maßnahmen voraussetzt. Diese Prognosen kann der Vorsitzende besser treffen. Denn er verfügt über die größere Sachnähe indem er sich auch einen persönlichen Eindruck von den Verfahrensbeteiligten, den Zuhörern und den sonstigen Anwesenden verschaffen und dadurch auch im weiteren Verlauf der Verhandlung die Gefahrenprognose besser einschätzen kann. Die Beurteilung der Zweckmäßigkeit sitzungspolizeilicher Maßnahmen ist dem Beschwerdegericht verwehrt.

Die Versagung der Mitnahme von spitzen Schreibgeräten durch die Zuschauer verfolgt einen zulässigen Zweck. Sie dient dazu, eine Gefährdung der Verfahrensbeteiligten auszuschließen und damit einen störungsfreien Ablauf der Hauptverhandlung zu gewährleisten. Die angeordnete Maßnahme ist unter Berücksichtigung der Besonderheiten des zugrundeliegendes Strafverfahrens, die sich sowohl aus dem erhobenen strafrechtlichen Vorwurf, als auch aus dem Alter und der Konstitution der Verfahrensbeteiligten (konkret der Angeklagten und Nebenkläger/innen) ergeben, verhältnismäßig. Hierbei verkennt der Senat nicht, dass die Beschwerdeführerin ein nachvollziehbares und berechtigtes (Informations-)Interesse daran hat, sich in der Hauptverhandlung Notizen machen zu können. Allerdings erfährt dieses - auch auf dem Grundsatz der Öffentlichkeit beruhende - subjektive Recht seine Einschränkung durch § 176 GVG. Vorliegend überwiegt im Rahmen der Abwägung die Gewährleistung eines störungsfreien äußeren Sitzungsablaufs und diesem innewohnend der Schutz der Prozessbeteiligten, insbesondere des hochbetagten Angeklagten, vor Wurfattacken das Recht der Beschwerdeführerin. Das hohe Alter der Beteiligten und der erheblich beeinträchtigte Gesundheitszustand des Angeklagten gebieten es, bereits die Möglichkeit einer Störung der Sitzung durch das Werfen von kleineren und bei bestimmungsgemäßem Gebrauch ungefährlichen Gegenständen wie Kugelschreibern, Füllfederhaltern oder anderen spitzen Schreibgeräten zu verhindern. Das Recht der Beschwerdeführerin findet in der Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Sitzungsablaufs seine Grenzen.

Darüber hinaus sind die Beeinträchtigungen der Beschwerdeführerin durch die angefochtene Maßnahme - wie unter 1. ausgeführt - zeitlich eng begrenzt. Der Senat hält es für zumutbar und für die Befriedigung des Informationsinteresses ausreichend, dass sich die Beschwerdeführerin unmittelbar nach dem Ende der jeweiligen Sitzung oder nach Beginn einer Sitzungspause Notizen macht.

Unerheblich ist auch, dass die von den Zuhörern abzugebenden Taschen ohne Kontrolle in ein Schließfach hinter dem Kontrollbereich eingeschlossen werden und damit - so die Beschwerdeführerin - nicht auszuschließen ist, dass von diesen Gegenständen Gefahren ausgehen. Denn diese möglicherweise bestehende Lücke in der Sicherungsverfügung kann nicht dazu führen, dass die - soweit zulässig vom Beschwerdegericht überprüft und nicht beanstandete - Anordnung des Vorsitzenden hinsichtlich des Verbots spitzer Gegenstände rechtswidrig würde.

Vorliegend hat der Vorsitzende der 4. großen Strafkammer nach Beginn der Hauptverhandlung die Entscheidung getroffen, die mit der Sicherungsverfügung vom 02.02.2015 getroffenen Maßnahmen weiterhin aufrechtzuerhalten. Er hat demzufolge von der ihm einfachrechtlich offen stehenden Möglichkeit einer jederzeitigen Abänderung der Anordnung bislang keinen Gebrauch gemacht.

3. Für die Anordnung der Aussetzung der Vollziehung der sitzungspolizeilichen Anordnung des Vorsitzenden gemäß § 307 Abs. 2 StPO ist nach der getroffenen Entscheidung des Senats kein Raum mehr. Die Beschwerde wird gegenstandslos, sobald das Beschwerdeverfahren in der Sache selbst endgültig beendet ist (KK-Zabeck, StPO, 7. Aufl., § 307, Rn. 11). Auch wenn die Ausführungen der Beschwerdeführerin in dem Schriftsatz vom 03.06.2015 als Beschwerde gegen die Nichtanordnung der Aussetzung der Vollziehung in dem Beschluss vom 26.05.2015 ausgelegt würden, wäre diese Beschwerde nunmehr gegenstandslos. Das Beschwerdeverfahren in der Sache selbst ist mit der heute getroffenen Entscheidung des Senats endgültig beendet.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.

IV.

Gegen diese Entscheidung ist keine weitere Beschwerde gegeben (§ 310 Abs. 2 StPO).